Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.07.2005, Az. NotZ 29/04

Senat für Notarsachen | REWIS RS 2005, 2629

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS [X.] 29/04
vom 11. Juli 2005 in dem Verfahren

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja _____________________

GG Art. 12 Abs. 1, 33 Abs. 2; [X.] § 6 Abs. 2 und 3

Zur Frage der Weiterführung eines laufenden Stellenbesetzungsverfahrens auf Grundlage der Rechtsprechung des [X.] (Beschlüsse vom 20. April 2004 - 1 BvR 838/01 u.a. - [X.] 2004, 560 = [X.] 2004, 281 = NJW 2004, 1935 und 8. Oktober 2004 - 1 BvR 702/03 - NJW 2005, 50).

[X.], Beschluß vom 11. Juli 2005 - [X.] 29/04 - [X.]

wegen Bestellung zum Notar
- 2 -

Der [X.], [X.], hat durch den [X.], den Richter [X.], die Richterin Dr. Kessal-Wulf sowie die Notare Dr. [X.] und Eule

am 11. Juli 2005

beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 3) wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechts-mittels der Beschluß des Notarverwaltungssenats des
[X.]ischen [X.]s in [X.] vom 12. November 2004 dahingehend abgeändert, daß der Antragsgegner unter weitergehender Aufhebung des Erlasses vom 7. Mai 2004 verpflichtet wird, über die Anträge des Antragstellers zu 1) und der weiteren Betei-ligten zu 3) und 4), sie zu Notaren zu bestellen, unter Be-achtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats
neu zu entscheiden.

Gebühren und Auslagen werden nicht erhoben. [X.] Kosten werden nicht erstattet.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 •
festgesetzt. - 3 -

Gründe:

[X.] Der Antragsgegner schrieb im Jahre 2003 ([X.] S. 139) für den Bezirk des Amtsgerichts [X.] zwei [X.]n aus. Um [X.] bewarben sich innerhalb der bis zum 31. Juli 2003 laufenden Bewer-bungsfrist neben den beiden Antragstellern die weiteren Beteiligten zu 3) und 4). Der Antragsgegner führte das Auswahlverfahren gemäß § 6 der Allgemeinen Verfügung über die Angelegenheiten der Notarinnen und Notare ([X.]) vom 15. August 1991 ([X.] S. 141), geändert durch die Allgemeine Verfügung vom 7. April 1994 ([X.] S. 115), durch. Er ermittelte für die vier Bewerber folgende [X.]:

- Rechtsanwalt [X.](Beteiligter zu 4)) 118,60 Punkte - Rechtsanwalt [X.](Beteiligter zu 3)) 113,65 Punkte - Rechtsanwalt [X.](Antragsteller zu 1)) 113,40 Punkte - Rechtsanwältin [X.](Antragstellerin zu 2)) 100,05 Punkte

Zugunsten des Antragstellers zu 1) wurde gemäß § 1 Nr. 2 der Landesverordnung über die Anrechnung von [X.]en nach § 6 Abs. 3 Satz 4 der Bundesnotarordnung ([X.]) vom 3. Juli 1991 (GVOBl. Schl.-H. S. 381) der von ihm geleistete Zivildienst von 20 Mona-ten mit einer Dauer von 15 Monaten auf die [X.] der hauptberuflichen Anwaltstätigkeit angerechnet. Für den weiteren Beteiligten zu 3) erfolgte eine Anrechnung des geleisteten zweijährigen Wehrdienstes ([X.]soldat) gemäß § 1 [X.] [X.] für die Dauer von ebenfalls 15 [X.]. Sonderpunkte für die vom weiteren Beteiligten zu 3) abgeschlos-sene Ausbildung zum Bankkaufmann und den Besuch des Lehrgangs "Steuern und Betrieb" des [X.] vergab der [X.] -

tragsgegner nicht. Mit Erlaß vom 7. Mai 2004 unterrichtete er die [X.] zu 1) und 2) von seiner Absicht, die weiteren Beteiligten zu 3) und 4) zu Notaren zu bestellen. Den weiteren Beteiligten zu 3) und 4) wurde unter demselben Datum mitgeteilt, ihre Bestellung zum Notar sei in Aussicht genommen.

Der Antrag der Antragstellerin zu 2) auf gerichtliche Entscheidung hatte keinen Erfolg; die Entscheidung ist rechtskräftig. Dem Antrag des Antragstellers zu 1), den Erlaß vom 7. Mai 2004 aufzuheben und den [X.] zur Besetzung einer der ausgeschriebenen Stellen mit [X.] zu verpflichten, hat das [X.] insoweit stattge-geben, als der Antragsgegner unter Aufhebung des angefochtenen [X.] verpflichtet worden ist, die Bewerbung des Antragstellers zu 1) nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu beschei-den. Dagegen wendet sich der weitere Beteiligte zu 3) mit seiner soforti-gen Beschwerde.

I[X.] Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 111 Abs. 4 [X.] i.V. mit § 42 Abs. 4 [X.] zulässig, hat aber in der Sache nur teilweise Erfolg.

Das [X.] hat den Erlaß des Antragsgegners vom 7. Mai 2004 aufgehoben und diesen verpflichtet, über den Antrag des Antragstellers zu 1), eine der beiden ausgeschriebenen [X.]n ihm zu übertragen, neu zu entscheiden. Dadurch verzögert sich die vom [X.] zunächst vorgesehene Besetzung einer der beiden Stellen mit dem weiteren Beteiligten zu 3). Es besteht zudem die Gefahr, daß die Stelle nunmehr der Antragsteller zu 1) erhält. Daher kann der [X.] 5 -

ligte zu 3) aus eigenem Recht die Entscheidung des [X.]s überprüfen lassen, ohne zunächst einen neuen Bescheid des [X.] abwarten zu müssen (Senat, Beschluß vom 16. Juli 2001 - [X.] 1/01 - [X.] 2001, 443, 444; Beschluß vom 16. März 1998 - [X.] 26/97 - NJW-RR 1998, 1598).

Das Rechtsmittel ist im Hauptantrag (Wiederherstellung der vom Antragsgegner zugunsten des Beteiligten zu 3) getroffenen Auswahlent-scheidung) unbegründet. Das [X.] hat den Antragsgegner zu Recht zu einer erneuten Bescheidung verpflichtet, weil der angefoch-tene Erlaß rechtswidrig ist und den Antragsteller zu 1) in seinen Rechten verletzt. Er unterliegt daher auch gegenüber dem - durch die Auswahl-entscheidung begünstigten - weiteren Beteiligten zu 3) der Aufhebung (vgl. Senat, Beschluß vom 16. Juli 2001 - [X.] 8/01 - NJW-RR 2001, 1564, 1565 m.w.[X.]; Beschluß vom 22. November 2004 - [X.] 16/04 - NJW 2005, 212).

1. Die vom Antragsgegner getroffene Auswahlentscheidung beruht auf einer fehlerhaften Grundlage, weil der vom Antragsteller zu 1) [X.] Zivildienst nur mit 15 Monaten - statt richtig mit 20 Monaten - be-rücksichtigt worden ist.

a) Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 3 [X.] ist die Dauer der [X.], in der ein Bewerber hauptberuflich als Rechtsanwalt tätig war, bei der [X.] angemessen zu berücksichtigen. Nach § 6 Abs. 3 Satz 4 [X.] sind die Landesregierungen oder die von ihnen ermächtig-ten Stellen berechtigt, durch Rechtsverordnung Bestimmungen über die Anrechnung der Wehr- und Ersatzdienstzeiten auf die Anwaltstätigkeit zu - 6 -

treffen. Dadurch sollen Nachteile ausgeglichen werden, die der Bewerber infolge seiner Einziehung zum Wehr- oder Ersatzdienst dadurch erleiden kann, daß er wegen dieser Dienstleistung im Vergleich zu [X.], die keinen Wehr- oder Ersatzdienst leisten mußten, erst später in das anwaltliche Berufsleben eintreten kann (vgl. Senat, Beschluß vom 14. Juni 1997 - [X.] 46/96 - [X.] 1999, 235, 236). Von dieser Ermäch-tigungsgrundlage ist für [X.] mit der [X.] Ge-brauch gemacht worden. Nach ihrem § 1 [X.] sind auf die [X.] der nach § 6 Abs. 3 Satz 3 [X.] zu berücksichtigenden Dauer der hauptberufli-chen anwaltlichen Tätigkeit [X.]en des Grundwehrdienstes oder von [X.] bis zur Dauer von zwei Jahren anzurechnen. [X.]en eines Ersatzdienstes im Zivildienst oder einer Tätigkeit als Soldat auf [X.] wer-den gemäß § 1 Nr. 2 [X.] bis zur Dauer des [X.] nach den Grundsätzen der [X.] behandelt.

b) Das [X.] (Beschlüsse vom 20. April 2004 - 1 BvR 838/01 u.a. - [X.] 110, 304 = [X.] 2004, 560 = [X.] 2004, 281 = NJW 2004, 1935 und vom 8. Oktober 2004 - 1 BvR 702/03 - NJW 2005, 50) hat die gesetzlichen Eignungskriterien des § 6 Abs. 3 [X.] grundsätzlich gebilligt. Das schließt die Berücksichtigung der Dauer der [X.], in der der Bewerber hauptberuflich als Rechtsanwalt tätig war, ein. Daher bestehen keine Bedenken, gemäß § 6 Abs. 3 Satz 4 [X.] i.V. mit der jeweiligen Landesverordnung weiterhin den Wehr- und Zivildienst auf die anwaltliche Berufszeit anzurechnen. Allerdings wird der reinen Dauer der Anwaltstätigkeit - abgesehen von der Min-destwartezeit des § 6 Abs. 2 [X.] [X.] - nach den Vorgaben des [X.] künftig bei der Auswahlentscheidung ein gerin-geres Gewicht zukommen. Die Berufserfahrung als Rechtsanwalt allein - 7 -

kann den notarspezifischen Praxisbezug nicht ersetzen. Die [X.] ist zwar aussagekräftig in bezug auf die Vertrautheit mit der Praxis der Rechtsbesorgung und deren organisatorischer Bewältigung, die [X.] im Umgang mit dem [X.] Bürger und das durch Er-fahrung gewonnene Verständnis für deren Anliegen. All das geschieht indes im Kontext der für den Rechtsanwaltsberuf typischen einseitigen Interessenwahrnehmung, kann Rechtsgebiete betreffen, die nur geringe Berührung mit der notariellen Berufstätigkeit haben, und ist häufig nicht gekennzeichnet durch die Vorbereitung umfänglicher Urkunden samt der Überwachung ihrer Durchführung. Es wird somit darauf ankommen und zu gewichten sein, inwieweit der jeweilige Schwerpunkt der Anwaltstätig-keit "notarnäher" oder "notarferner" ausgestaltet war ([X.] [X.] 2004, 560, 567, 570 unter [X.] 3 b, 5 a; Senat, Beschluß vom 22. November 2004 aaO [X.] unter 5 a bb). Dennoch haben Bewerber unverändert (vgl. § 6 Abs. 2 Nr. 2 [X.] i.d.[X.] vom 16. Februar 2005, [X.] S. 75) Anspruch darauf, daß die Landesjustizverwaltungen für die vom [X.] vorgegebene Gewichtung eine zutref-fend errechnete Dauer der Anwaltstätigkeit zum Ausgangspunkt nehmen.

c) Im Falle des Antragstellers zu 1) waren weitere fünf Monate Er-satzdienst auf die Dauer seiner Anwaltstätigkeit anzurechnen und hätten mit zusätzlichen 1,25 Punkten in die damalige Auswahlentscheidung des Antragsgegners Eingang finden müssen. Da der Antragsteller zu 1) mit 113,40 Punkten und der weitere Beteiligte zu 3) mit 113,65 Punkten nur 0,25 Punkte auseinander lagen, hätte der Antragsgegner deshalb dem weiteren Beteiligten zu 3) nicht unter Bezugnahme auf diesen Punkte-vorsprung den Vorzug geben dürfen. Er muß auch bei seiner neu zu tref-- 8 -

fenden Auswahlentscheidung von einer 5 Monate längeren Anwaltstätig-keit für den Antragsteller zu 1) ausgehen.

(1) § 1 Nr. 2 [X.] sieht die Anrechnung von [X.]en ei-nes Ersatzdienstes im Zivildienst "bis zur Dauer des Grundwehrdienstes" vor und verweist dazu auf die Grundsätze des § 1 [X.] [X.]. Darin ist eine Anrechnung von [X.]en des Grundwehrdienstes oder von [X.] bis zur Dauer von zwei Jahren vorgesehen.

Zum Wehrdienst gehören nach § 4 [X.] neben dem Grundwehr-dienst (§ 5 [X.]) die Gesamtdauer der vorgesehenen [X.] (§ 6 Abs. 2 [X.]) und [X.] nach früherer Rechtslage - der Dienst in der Verfügungsbereitschaft (§ 5a [X.] a.[X.]). Grundwehrdienst und [X.] bilden zusammen die Bemessungsgrundlage für die Dauer des Ersatzdienstes ([X.] 69, 1, 29 f.; [X.] NVwZ 1988, 1118), ohne daß es darauf ankommt, ob und in welchem Umfang die Wehrpflichtigen tatsächlich zu [X.] einberufen werden. Der zu leistende Zivil-dienst kann damit länger dauern als der tatsächlich durchschnittlich zu leistende Wehrdienst. Der Antragsteller zu 1) hat auf dieser Grundlage 20 Monate Ersatzdienst erbracht.

(2) Der Verordnungsgeber wollte den Ersatzdienst ausweislich § 1 Nr. 2 [X.] nach den Grundsätzen des § 1 [X.] [X.]s-VO behandeln. Daher kann nur der dem Antragsteller zu 1) tat-sächlich abverlangte Ersatzdienst von 20 Monaten maßgeblich sein, nicht aber ein [X.]raum, der der Dauer des Grundwehrdienstes i.S. des § 5 [X.] von - damals - 15 Monaten entspricht. Anderenfalls hätte ein Ersatzdienstleistender, obwohl er einer Dienstverpflichtung unterworfen - 9 -

war, die wegen der (abstrakten) Berücksichtigung von [X.] 20 Monate betrug, keine Möglichkeit, diese in ihrer vollen Dauer auf die [X.] seiner hauptberuflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt anrechnen zu lassen, während ein Wehrpflichtiger seinem Grundwehrdienst solche [X.] - sofern erbracht - hinzurechnen kann. Das würde der Zielsetzung des Verordnungsgebers widersprechen, der den Ersatz-dienst dem Wehrdienst bei Anrechnung auf die Dauer der hauptberufli-chen Tätigkeit als Rechtsanwalt ersichtlich hat gleichstellen wollen. Nur das würde auch dem Sinn und Zweck der Bestimmung gerecht, die einen Ausgleich dafür gewähren soll, daß die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Dienstpflichten zu einer Verzögerung bei der Zulassung als Rechtsanwalt geführt hat. Die daraus bedingten beruflichen Nachteile betreffen den Bewerber, der Zivildienst erbracht, und den, der Wehrdienst geleistet hat, gleichermaßen.

(3) Daraus folgt umgekehrt, daß der weitere Beteiligte zu 3) seine zweijährige Dienstzeit als [X.]soldat nicht in vollem Umfang zur [X.] bringen kann. Denn eine Dienstverpflichtung bestand nur im Um-fang des Grundwehrdienstes, der für die Dauer von 15 Monaten durch den freiwillig abgeleisteten Wehrdienst abgegolten ist (§ 7 [X.]). Eine weitergehende Berücksichtigung dieser freiwilligen Dienstverpflichtung käme nur in Betracht, wenn der weitere Beteiligte zu 3) [X.] abgeleistet haben oder von solchen freigestellt worden sein sollte, weil im Einzelfall - obgleich nicht zwingend vorgeschrieben - eine Anrechnung des freiwilligen Dienstes auch auf die andernfalls abzuleistende Wehr-übung erfolgt ist (vgl. [X.]/Walz, [X.] 6. Aufl. § 7 [X.]. 7; [X.], [X.] (Stand: Juli 1999) § 7 [X.]. 13). Das wird vom Beteiligten zu 3) jedoch nicht geltend gemacht. - 10 -

2. Der Erlaß vom 7. Mai 2004 war aber auch deshalb aufzuheben, weil die Auswahlentscheidung des Antragsgegners insgesamt verfas-sungsrechtlichen Vorgaben nicht entsprochen hat.

a) Das [X.] ([X.] aaO S. 564 ff. unter [X.]) hat festgestellt, daß die Auswahl zwischen mehreren Rechtsanwäl-ten, die für das Amt eines Notars in Betracht kommen, nicht den Vorrang desjenigen mit der besten fachlichen Eignung gewährleistet, wenn sich die Verwaltung nach den bestehenden Verwaltungsvorschriften oder All-gemeinen Verfügungen in Angelegenheiten der Notarinnen und Notare richtet. Zu seiner Überprüfung standen u.a. die Niedersächsische [X.] vom 1. März 2001 ([X.]. S. 100) und die Regelung in [X.] (Run-derlaß des [X.] vom 25. Februar 1999 Buchst. A, Abschnitt II, [X.]. [X.]). Diese Verwaltungsvorschriften und Allgemeinen Verfügungen enthalten Aus-wahlkriterien, die im wesentlichen mit denen inhaltsgleich sind, die in § 6 der [X.] a.[X.] für [X.] aufgeführt werden. Eine nach [X.]n Maßstäben erstellte Prognose über die Eignung eines Bewerbers für das von ihm erstrebte öffentliche Amt oder über seine bessere Eignung bei der Auswahl aus einem größeren Kreis von Bewerbern läßt vor allem eine konkrete und einzelfallbezogene Bewertung der fachlichen Leistun-gen des Bewerbers vermissen. Erforderlich ist statt dessen eine Neube-wertung, bei der auch die von den Bewerbern bei der Vorbereitung auf das angestrebte Amt gezeigten theoretischen Kenntnisse und prakti-schen Erfahrungen - wie insbesondere bei den Beurkundungen - diffe-renziert zu gewichten sind. Solange es insoweit an beachtlichen Bewer-tungen noch fehlt, ist eine individuelle Eignungsprognose im weiteren - 11 -

Sinne zu treffen, bei der diese beiden notarspezifischen Eignungskrite-rien mit eigenständigem, höherem Gewicht als bisher im Verhältnis zu der Anwaltspraxis und dem Ergebnis des Staatsexamens einfließen müssen ([X.] aaO S. 566 f. unter [X.] 2, 3, 5 a).

b) Zu den Auswirkungen der Rechtsprechung des [X.] zur angemessenen Gewichtung fachspezifischer Leistun-gen beim Zugang zum Beruf des Notars im Nebenamt auf die Auswahl-entscheidung der Justizverwaltung hat der Senat bereits Stellung ge-nommen (Beschluß vom 22. November 2004 aaO). Die Entscheidung des [X.] hat zur Folge, daß der Antragsgegner eine an den verfassungsrechtlichen Vorgaben orientierte neue Auswahlent-scheidung zu treffen hat. Diese darf sich nicht darin erschöpfen, daß im wesentlichen eine tabellarische Gegenüberstellung der bereits nach der [X.] zu berücksichtigenden Merkmale erfolgt, ohne diese für die Beur-teilung der fachlichen Eignung der Bewerber jeweils zu gewichten und die Ergebnisse gegeneinander abzuwägen, um auf dieser Grundlage zu entscheiden, wer dabei besser abschneidet. Vielmehr muß eine ab-schließende, alle Gesichtspunkte umfassende Beurteilung der fachlichen Eignung der Bewerber durch den Antragsgegner stattfinden, damit er so den ihm bei der Auswahl mehrerer geeigneter Bewerber für das Amt des Notars zukommenden Beurteilungsspielraum ausschöpfen kann. Erst dann unterliegt seine Entscheidung gegebenenfalls erneut der gerichtli-chen Nachprüfung (Senat, Beschluß vom 22. November 2004 aaO [X.] unter 4 b).

c) Dem [X.] ist daher, wie die Beschwerde zu Recht geltend macht, nicht darin zu folgen, es stehe bereits fest, daß eine der - 12 -

beiden ausgeschriebenen [X.]n dem weiteren Beteiligten zu 4) zu übertragen und hinsichtlich der verbleibenden zweiten [X.] eine Entscheidung allein zwischen dem Antragsteller zu 1) und dem weiteren Beteiligten zu 3) zu treffen sei. Das greift in unzulässiger Weise in die vom Antragsgegner zu treffende Auswahlentscheidung ein; die bereits festgestellten Eignungsmerkmale führen nicht schon jetzt zu einer Ein-engung des [X.] dahingehend, daß notwendigerweise der weitere Beteiligte zu 4) vorzuziehen ist. Eine Bewertung und Gewich-tung der notarspezifischen Bezüge der anwaltlichen Tätigkeit des [X.]s zu 1) und der beiden weiteren Beteiligten durch den Antrags-gegner steht vielmehr noch aus und darf durch eine gerichtliche Ent-scheidung nicht vorweggenommen werden. Die Auffassung des Oberlan-desgerichts, eine Bewertung der unterschiedlichen Anwaltstätigkeit in bezug auf ihre [X.] oder [X.] könne nicht mehr stattfinden, weil keiner der Bewerber im Bewerbungsverfahren und seinem Vorfeld davon ausgegangen sei, daß eine derartige Bewertung später stattfinden könne, übersieht, daß einer näheren Beschreibung der Anwaltstätigkeit durch die Bewerber nicht der Charakter eines neuen, durch § 6b Abs. 4 Satz 1 [X.] präkludierten Umstandes zukäme. Sie wäre lediglich eine zusätzliche, durch die Rechtsprechung des [X.] veranlaßte Erläuterung der als berücksichtigungsfähig eingebrachten Anwaltszeit. Das genügt, um seitens der Bewerber dem Erfordernis einer vollständigen, auf den Stichtag bezogenen Bewerbung gerecht zu wer-den. Die weitere Klärung zu diesem Punkt ist allein Sache der [X.] (vgl. § 64a [X.]; Senat, Beschluß vom 22. November 2004 aaO [X.] unter 5 [X.]; Beschluß vom 14. Juli 2003 - [X.] 2/03 - [X.] 2004, 34, 36).
- 13 -

3. Für das weitere Verfahren ist zudem auf folgendes hinzuweisen:

a) [X.] für die durch den Antragsgegner ausge-schriebenen [X.]n war der 31. Juli 2003. Nach § 6b Abs. 2 [X.] ist die Bewerbung um eine [X.] innerhalb der in der [X.] gesetzten - als gesetzliche Ausschlußfrist ausgestalteten - Bewer-bungsfrist einzureichen; dementsprechend sind gemäß § 6b Abs. 4 Satz 1 [X.] bei der Auswahlentscheidung nach § 6 Abs. 3 [X.] nur solche Umstände zu berücksichtigen, die bei Ablauf der [X.] bereits vorlagen. Die Justizverwaltung darf die fachliche Eignung eines Bewerbers um das Amt des Notars nur dann bejahen, wenn diese bis zum Ablauf der Bewerbungsfrist nachgewiesen ist, soweit es sich nicht um eine bloße nachträgliche Erläuterung eines bereits rechtzeitig eingebrachten Umstandes handelt (vgl. oben unter 2 c)). Das gilt nicht nur für die Erbringung, sondern vor allem auch für den Nach-weis der fachlichen Leistungen. Dieser setzt neben der Vorlage entspre-chender Bescheinigungen voraus, daß der Bewerber der [X.] innerhalb der Bewerbungsfrist mitgeteilt hat, welche bei der Vorbe-reitung auf den [X.] bereits erbrachten Leistungen zu seinen [X.] in die Auswahlentscheidung einbezogen werden sollen. Insoweit dient die Festlegung des [X.], aber auch der Gleichbehandlung aller Bewerber aufgrund einer ein-heitlichen Bewertungssituation, die nur gewährleistet ist, wenn zu Beginn des Auswahlverfahrens sämtliche für jeden Bewerber maßgeblichen Kri-terien feststehen (Senat, Beschlüsse vom 22. November 2004 - [X.] 13/04 -; vom 16. März 1998 - [X.] 13/97 - NJW-RR 1998, 1599, 1600, jeweils m.w.[X.]). Einen solchen Nachweis hat der weitere Beteiligte zu 4) erst nach Ablauf der Bewerbungsfrist durch die vom Notar Dr. D. am - 14 -

4. August 2003 ausgestellte Bescheinigung über 21 Niederschriften, die er in der Vertretungszeit vom 14. bis zum 31. Juli 2003 errichtet hat, er-bracht. Entgegen dem vom [X.] eingenommenen Stand-punkt kann dieser Nachweis ebensowenig Berücksichtigung finden wie ein nachträglicher Nachweis etwaiger Beurkundungen im Monat Juli 2003 durch den Antragsteller zu 1). Daß wegen des Wegfalls der [X.] nach § 6 Abs. 2 Nr. 5 [X.] a.[X.] die Zahl der Niederschrif-ten bei der neu zu treffenden Auswahlentscheidung eine gewichtigere Bedeutung erlangt als es bisher der Fall war, vermag daran entgegen der Auffassung des [X.]s nichts zu ändern. Die nach Ablauf der Bewerbungsfrist belegten Qualifikationen für den [X.] könnten allein in künftigen Bewerbungsverfahren als Eignungskriterien Berück-sichtigung finden ([X.]Z 126, 39, 54).

b) Aus den gleichen Gründen muß die Tätigkeit des Antragstellers zu 1) als Notariatsfachangestellter unberücksichtigt bleiben, die in der Bewerbung bis zum 31. Juli 2003 keine Erwähnung findet, sondern erst im Laufe des weiteren Verfahrens vorgebracht worden ist. Der [X.] zu 1) hätte aber schon vor Ablauf der Bewerbungsfrist klar-stellen müssen, daß diese Tätigkeit als zusätzliche Qualifikation für den [X.] geltend gemacht werden soll.

c) Der vom weiteren Beteiligten zu 3) besuchte Lehrgang "Steuern und Betrieb" des [X.] ist nicht gezielt auf die nota-rielle Tätigkeit ausgerichtet und deshalb nicht notarspezifisch. Es genügt nicht, daß ein Lehrgang Bezüge zum [X.] aufweist, wenn das in gleicher oder ähnlicher Weise auch für andere juristische Berufe der Fall ist. Es müssen vielmehr die erforderlichen Rechtskenntnisse unter [X.] 15 -

achtung der besonderen Anforderungen und Gegebenheiten des Notar-berufs nahegebracht werden. [X.] ist nicht in diesem Sinne notar-spezifisch, wenn er sich allgemein an steuerlich interessierte Juristen wendet, die die Fachanwaltsbezeichnung für den Bereich des Steuer-rechts anstreben (vgl. Senat, Beschluß vom 14. Juli 1997 - [X.] 31/96 - [X.] 1997, 902, 904 unter [X.]). Schon gar nicht hat eine [X.] noch vor Aufnahme des rechtswissenschaftlichen Studiums absolvierte - Ausbil-dung zum Bankkaufmann notarspezifische Bezüge. Der weitere [X.]) hat nicht darzulegen vermocht, daß ihm durch diese Ausbildung Kenntnisse vermittelt worden sind, die über das hinausgehen, was nicht auch für jeden anderen juristisch geprägten Beruf von Bedeutung ist.

Schlick [X.]

Kessal-Wulf

[X.]

Eule

Meta

NotZ 29/04

11.07.2005

Bundesgerichtshof Senat für Notarsachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.07.2005, Az. NotZ 29/04 (REWIS RS 2005, 2629)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 2629

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