Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.05.2015, Az. 5 StR 91/15

5. Strafsenat | REWIS RS 2015, 10832

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS

5
StR 91/15

vom
20. Mai 2015
in der Strafsache
gegen

wegen
Einfuhr von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

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Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 20. Mai 2015
beschlossen:

Auf die Revision des
Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 3. September 2014 mit den Feststellungen gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkam-mer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Einfuhr von
Betäubungs-mitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben
mit Betäu-bungsmitteln
in nicht geringer Menge in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheits-strafe von 13 Jahren und sechs Monaten verurteilt, ihn im Übrigen freigespro-chen und einen Geldbetrag für verfallen erklärt. Hiergegen richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten.

Das Rechtsmittel hat mit der nicht präkludierten und den Anforderungen des
§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechenden Rüge vorschriftswidriger Beset-zung der Strafkammer Erfolg (§ 338 Nr. 1b StPO i.V.m. § 21e Abs. 3 [X.]). Auf die übrigen Einwände gegen das ansonsten nicht zu beanstandende Urteil kommt es somit nicht an.

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1. Im Wesentlichen liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

a)
Nach Eingang der Anklageschrift am 10. April 2014 richtete die [X.] (im Folgenden bei der Bezeichnung der Strafkammern

i-ge an die Präsidentin des [X.] und die Präsidiumsmitglieder, in der sie die Verfahrens-, Terminierungs-
sowie Besetzungssituation der [X.] 29 be-schrieb. Die Vorsitzende teilte unter anderem mit, dass sich die Strafkammer
außerstande sehe, weitere Haftsachen, die vor dem 18. August 2014 begon-,
und bat um [X.]. Unter dem 11. April 2014 bewirkte sie die Zustellung der Anklageschrift unter Hinweis auf
den Hauptver-handlungsbeginn am 3. Juni 2014 mit weiteren vier Hauptverhandlungstagen im Juni und sechs Hauptverhandlungstagen vom 2. bis 10. Juli
2014, an denen

Durch Präsidiumsbeschluss vom 17.
April 2014 wurden der [X.] 29 mit sofortiger Wirkung bis zum 15. Juni 2014 keine allgemeinen Haftsachen mehr zugewiesen. Einen Tag nach unveränderter Zulassung der Anklageschrift [X.] die Vorsitzende der [X.]
29 unter dem 14. Mai 2014 eine E-Mail an die [X.] der drei nach dem Geschäftsverteilungsplan des [X.] Ham-burg für 2014 zuständigen Vertreterkammern und erkundigte sich, ob im [X.] auf die Verh-ren Reihen
für die Vertretungn
Vorsitzenden
erklärten, dass kein Mitglied der Vertreterkammern abkömmlich sei. Nachdem die Vorsitzende der [X.] 29 die Präsidentin des [X.] hier-von unterrichtet und
um Bestellung eines außerordentlichen Vertreters
gebeten hatte, wurde durch [X.] vom 20. Mai 2014
der Vorsitzende Rich-3
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ter am [X.]

S.

für das vorliegende Verfahren zum außeror-dentlichen Vertreter
bestimmt.

In der am 3. Juni 2014 begonnenen
Hauptverhandlung
erhob die Vertei-digung des Angeklagten rechtzeitig
eine Besetzungsrüge in Bezug auf den ver-tretenden [X.]. Darin beanstandete sie nicht nur, dass die Vorsitzende kei-nen Versuch unternommen habe, die Teilnahme eines geschäftsplanmäßigen Vertreters durch
eine kurzfristige Veränderung der Terminierung zu ermögli-chen, sondern auch, dass für die Bestellung eines außerordentlichen Vertreters die Entscheidungsgrundlage seitens des Präsidiums nicht ersichtlich sei. [X.] rügte sie die unzureichende Vertreterregelung mit drei Vertreterkammern im Geschäftsverteilungsplan des [X.], weil eine
Erschöpfung der [X.] bei dieser
Terminierung der Sache
vorhersehbar gewesen sei.

In ihrer Stellungnahme zur Besetzungsrüge
vom 5.
Juni 2014 verwies die Präsidentin des [X.]
darauf, dass der Geschäftsverteilungsplan zur Bestellung außerplanmäßiger Vertreter zwar keine abstrakte Regelung enthalte, das Präsidium eine
solche
aber
auch nicht für erforderlich gehalten habe und

nur in den seltenen, bei Beginn des Geschäftsjahres nicht absehbaren [X.]
...
mit der Bestellung eines außerordentlichen Vertreters befasst.
Mit Beschluss der Strafkammer
vom 12. Juni
2014 wurde der [X.] unter Hinweis auf die im Einzelnen dargelegte Erforderlichkeit der Zuziehung eines Vertreters zurückgewiesen.
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b) Unwidersprochen hat die Revision im Übrigen Folgendes dargetan und durch Vorlage entsprechender Schriftstücke belegt:

[X.]) Vom 29. November 2013 bis 1. Oktober 2014 wurden in elf gleichge-lagerten
Fällen durch das Präsidium des [X.]
außerordentliche Vertre-ter in Strafsachen bestellt: Dies geschah in zwei
Fällen
im November und [X.] 2013 und Anfang
März 2014
in einem Fall; dem vorliegenden Fall folg-ten bis Oktober 2014 sieben weitere
Fälle.

bb)
Das Protokoll der außerordentlichen Präsidiumssitzung des Landge-richts
vom 22. Januar 2014
weist
aus, dass Diskussionsthema die angespannte Terminslage in drei
großen Strafkammern gewesen war.

cc) In einem Schreiben des Vorsitzenden der [X.]
22 vom 20. Febru-ar
2014 wird unter Hinweis auf dessen Überlastungsanzeigen vom 27.
Septem-ber, 25. November und 19. Dezember 2013 abermals um eine Entlastung er-sucht.

2. Die [X.]bank war mit dem Vorsitzenden [X.]

S.

nicht ordnungsgemäß besetzt.

Zwar hat der [X.] grundsätzlich anerkannt, dass die [X.] sein kann ([X.], Beschlüsse vom 7. Juni 1977

5 [X.], [X.]St 27, 209, 210; vom 19. August 1987

2 [X.]/87,
NStZ 1988, 36, 37; Urteil vom 19. Dezember 1990

2 [X.], [X.]
1993, 398). Allerdings soll §
21e [X.] verhindern, dass für bestimmte Einzelsachen bestimmte [X.] 8
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ausgesucht werden können;

d hoc-n-falls dann in Betracht kommen, wenn die anlassgebende Entwicklung bei Auf-stellung des [X.] nicht voraussehbar gewesen ist ([X.], Beschluss vom 19.
August 1987

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[X.]/87
[X.]O). Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben.

Den
strengen Maßstäben, die das Recht auf den gesetzlichen [X.]

ungeachtet der aus Sicht des Senats heute unzureichenden [X.] (vgl. zur seinerzeitigen Überbesetzung [X.] NJW 1995, 2703, 2705)

einfordert ([X.], Urteil vom 4. Februar 2015

2 [X.]/14),
wird
die Geschäftsverteilung des [X.] Hamburg für 2014 nicht gerecht.
Es lag schon bei Aufstellung des [X.] auf der Hand, dass
die Bestimmung von [X.]n aus drei Vertreterkammern, mithin lediglich neun [X.]n,
nicht hinreichen konnte. Wie die Revision zutref-fend ausgeführt hat, zeichneten
sich bei lebensnaher Betrachtung eingedenk der
vorhandenen Mindestbesetzung in den großen Strafkammern, der Urlaubs-
und Krankheitszeiten, der teilweise identischen Sitzungstage der beteiligten Kammern
und des mehr oder weniger längeren Einsatzes einer Vielzahl von Proberichtern Konstellationen ab, in denen eine
Erschöpfung
der kurzen [X.] eintreten würde.

Dementsprechend hatte das Präsidium des [X.] schon mit [X.] vom 29. November
und 5. Dezember
2013 jeweils einen außeror-dentlichen Vertreter
bestellen müssen. Dasselbe geschah am 4. März 2014 für eine der Vertreterkammern der [X.] 29, nämlich die [X.] 31. Dem folgte im Mai
2014 für das vorliegende Verfahren, im Juni 2014 für zwei, im Juli 2014 für einen, für August 2014 für zwei und für September 2014 für zwei Verfahren je-weils die Bestellung eines zeitweiligen Vertreters.
Darüber hinaus hatte der
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Vorsitzende der [X.] 22 am 22. Februar 2014
angezeigt, die Geschäftslage in seiner Strafkammer
sei entsprechend seinen Anzeigen vom
27. September, 25.
November und 19. Dezember
2013 so angespannt, dass er die fortdauern-de Entlastung
erbeten müsse. Dass dies nicht nur ein Einzelfall war,
sondern insgesamt die Situation
der
Strafkammern beschrieb,
folgt aus dem Protokoll der außerordentlichen Präsidiumssitzung vom 22. Januar 2014, in der die an-gespannte Terminierungslage von drei weiteren Strafkammern thematisiert worden war. Unter diesen Umständen durfte [X.] nicht durch eine zeitweilige Einzelbestellung eines Vertreters für den verhinderten [X.] gemäß § 21e Abs. 3 [X.] geschaffen werden.
Vielmehr hätte
eine auf Dauer angelegte Er-weiterung der Vertreterreihe nach abstrakten, verfassungsrechtlich durch Art.
101 Abs. 1 GG gebotenen
Grundsätzen
erfolgen müssen, wie sie etwa in (vgl. [X.], Urteile vom 30.
November 1990

2 [X.], NStZ 1991, 195, 196; vom 19. Dezem-ber
1990

2 [X.], [X.] 1993, 398).

Die Entscheidung entspricht dem Antrag des [X.].

Sander
Schneider
Dölp

König
Feilcke

16

Meta

5 StR 91/15

20.05.2015

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.05.2015, Az. 5 StR 91/15 (REWIS RS 2015, 10832)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 10832

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2 StR 76/14

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