Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.06.2001, Az. 3 StR 166/01

3. Strafsenat | REWIS RS 2001, 2202

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[X.] 166/01vom20. Juni 2001in der Strafsachegegenwegen sexueller Nötigung u.a.- 2 -Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 20. Juni 2001 gemäß § 349 Abs. 4StPO einstimmig beschlossen:Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 17. November 2000 mit den Feststellungenaufgehoben.Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auchüber die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammerdes [X.] zurückverwiesen.Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in Ta-teinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Kindes und sexuellem Mißbrauch einerSchutzbefohlenen in sechs Fällen und wegen sexuellen Mißbrauchs eines [X.] in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch einer Schutzbefohlenen in 25 Fällenzu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt.Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, der die Verletzung mate-riellen Rechts rügt und namentlich die Beweiswürdigung beanstandet. [X.] hat Erfolg.Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben, weil es die abge-urteilten Taten mangels jeglicher über ein schematisiertes sexuelles Kern[X.] hinausgehenden Konkretisierung der Tatumstände nicht ausreichendindividualisiert und ihm nicht entnommen werden kann, anhand welcher [X.] 3 -kreter Anknüpfungspunkte im Beweisergebnis sich das [X.] davonüberzeugt hat, daß der Angeklagte die abgeurteilten 31 Straftaten gegen [X.] begangen hatte. Dies läßt besorgen, daß sich das [X.]keine Überzeugung von jeder der einzelnen Taten verschafft, sondern im We-ge der Schätzung die Zahl der [X.] Straftaten ohne zureichendeTatsachengrundlage festgelegt hat.Bei der Aburteilung in Serie begangener sexueller Mißbrauchshandlun-gen an Kindern dürfen zwar zur Vermeidung unvertretbarer Strafbarkeitslückenan die Individualisierung der einzelnen Taten im Urteil keine übersteigertenAnforderungen gestellt werden, da eine Konkretisierung der jeweiligen Strafta-ten nach genauer Tatzeit und exaktem Geschehensablauf oft nicht möglich ist.Der Tatrichter muß sich aber in objektiv nachvollziehbarer Weise zumindest dieÜberzeugung verschaffen, daß es in einem gewissen Zeitraum zu einer be-stimmten Mindestzahl von Straftaten gekommen ist. Entscheidend dabei [X.], daß eine - möglicherweise auf nicht völlig sicherer Grundlage hochge-rechnete - Gesamtzahl von Straftaten festgestellt wird, sondern daß das [X.] von jeder einzelnen individuellen Straftat, die es aburteilt, überzeugt ist([X.]St 42, 107, 109 f.). Ist eine Individualisierung einzelner Taten mangelsBesonderheiten im Tatbild oder der Tatumstände nicht möglich, sind [X.] zu bezeichnen, anhand derer der Tatrichter den [X.] eingrenzt und auf die sich seine Überzeugung von der [X.] der Begehungsweise der Mißbrauchstaten des Angeklagten in diesemZeitraum gründet (vgl. [X.], 208; NStZ-RR 1999, 79).Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung nicht ge-recht. Nach den Urteilsgründen stützt das [X.] den Schuldspruch alleinauf folgende Angaben der Nebenklägerin: Der Angeklagte habe im Zeitraum- 4 -von Juli 1989 bis Ende Oktober 1991 in der Wohnung in der [X.]-straße in [X.] mindestens dreißigmal seinen Penis an ihrer Scheide gerie-ben, mindestens dreißigmal habe er an ihrer Scheide geleckt und mehr alsdreimal, aber unter zwanzigmal habe er versucht, sie zum Oralverkehr zu be-wegen, wobei es jedoch wegen ihrer Gegenwehr beim Reiben des Penis anihrem Mund bis zum Samenerguß geblieben sei; die verschiedenen Variantenseien mindestens in einem Fall nacheinander praktiziert worden, es sei [X.] vorgekommen, daß der Angeklagte nur eine der Varianten ausgeführthabe; außerdem sei es mehr als fünfmal, möglicherweise mehr als zehnmalvorgekommen, daß der Angeklagte es ihr durch Festhalten unmöglich gemachthabe, sich seinen Nachstellungen zu entziehen.Dieser Schilderung ist zwar eine hinreichende Eingrenzung des Tatzeit-raumes und die Bezeichnung des [X.] zu entnehmen. Ihr ermangelt jedochjegliche Konkretisierung auch nur eines einzigen individuellen konkreten [X.]; dies, obwohl sich nach den Urteilsgründen ([X.]) die Bekun-dungen der Nebenklägerin durch einen überzeugenden Detailreichtum sowohlhinsichtlich der verschiedenen Mißbrauchshandlungen als auch bezüglich eherunbedeutender Randereignisse ausgezeichnet haben sollen. Es bleibt auchvöllig offen, an welchen Umständen sich die Zeugin bei der Angabe der jeweilsgenannten Mindestzahl einer Tatvariante orientierte. Auch eine Frequenz [X.] des Angeklagten gegen die Nebenklägerin - etwa geknüpft an wie-derkehrende Situationen des familiären Zusammenlebens und sich hierausergebender [X.] - wird nicht genannt. Ein Schluß von diesendürftigen Mitteilungen auf eine Mindestanzahl von Mißbrauchsfällen mit je be-stimmten Tathandlungen muß sich daher in einer Schätzung ohne ausreichen-de Tatsachengrundlage erschöpfen.- 5 -Dies wird durch die Beweiswürdigung des [X.] anschaulichbelegt. Auf der Grundlage der im Urteil mitgeteilten Angaben der Nebenkläge-rin kommt die Strafkammer - nach einem Rechenwerk unter Anwendung [X.] - zu der Auffassung, der Angeklagten habe mindestens 31 Ta-ten begangen. Dabei habe er in mindestens sechs Fällen die Nebenklägerinfestgehalten und an ihrer Scheide geleckt, in mindestens einem Fall alle dreivon der Nebenklägerin beschriebene Tatvarianten nacheinander durchgeführt,in mindestens drei weiteren Fällen den Oralverkehr versucht und nach Schei-tern des Versuchs seinen Penis am Mund der Nebenklägerin bis zum Samen-erguß gerieben, in mindestens zwanzig Fällen seinen Penis bis zum Samener-guß an der Scheide der Nebenklägerin gerieben und in mindestens einemweiteren Fall an der Scheide geleckt. Soweit die Revision geltend macht, daßAnzahl und Tatbild der danach abgeurteilten Taten weitgehend von der Schil-derung der Nebenklägerin abweichen und der Verurteilung auch Vorgänge zu-grunde gelegt werden, die so nach den Angaben der Nebenklägerin nicht [X.] sind, trifft dies auf die angefochtene Entscheidung zu. Jedoch wird [X.] nicht stets dadurch beschwert, daß in Anwendung des Zweifels-satzes verschiedene vom Tatopfer geschilderte Fälle des sexuellen Miß-brauchs mit unterschiedlichen Tatvarianten zu einer Tat zusammengefaßt wer-den (vgl. [X.]R StGB vor § 1/[X.] Kindesmißbrauch 4; [X.],[X.]. vom 26. April 2000 - 3 [X.]). Dies setzt jedoch voraus, daß [X.] sich jeweils eine sichere Überzeugung von der Verwirklichung dereinzelnen Mißbrauchsvarianten verschafft hat. Dies ist vorliegend nicht [X.].Die Sache muß daher neu verhandelt und dabei der Versuch unternom-men werden, soweit wie möglich [X.] zu individualisieren. Dies sollte [X.] auf den - angeblichen - Detailreichtum der Angaben der Nebenkläge-rin, der im angefochtenen Urteil für die Überzeugungsbildung nicht nutzbargemacht wurde, möglich sein. Zumindest sind nach den oben dargelegtenGrundsätzen die Anknüpfungspunkte mitzuteilen, die das [X.] zugrunde gelegt hat und auf die der neue Tatrichter seineÜberzeugung von der Mindestzahl der dem Angeklagten anlastbaren [X.] und der jeweiligen Begehungsform stützt.Im übrigen wird zu beachten sein, daß Mißbrauchstaten, die der Ange-klagte an der Nebenklägerin vor dem 5. Oktober 1990 beging, wegen [X.] Verfolgungsverjährung nicht mehr als sexueller Mißbrauch von Schutzbe-fohlenen (§ 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB) abgeurteilt werden können. Auf die [X.] vom 4. Mai 2000 wird insoweit Bezuggenommen.[X.] Pfister von [X.]

Meta

3 StR 166/01

20.06.2001

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.06.2001, Az. 3 StR 166/01 (REWIS RS 2001, 2202)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 2202

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