Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.03.2008, Az. 5 StR 611/07

5. Strafsenat | REWIS RS 2008, 5165

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5 [X.][X.]BESCHLUSS vom 5. März 2008 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern - 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 5. März 2008 beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 13. August 2007 wird nach § 349 Abs. 4 StPO a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte we-gen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbe-fohlenen in drei Fällen verurteilt worden ist; b) das Urteil dahin ergänzt, dass der Angeklagte wegen drei Taten des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbe-fohlenen freigesprochen wird; c) das Urteil im Übrigen mit den zugehörigen [X.] aufgehoben. 2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die hierauf entfallenden notwendigen Auslagen des Ange-klagten, soweit Freispruch und Einstellung erfolgt sind. 3. Im Umfang der Aufhebung (1 c) wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verblei-benden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Straf-kammer des [X.] zurückverwiesen.

- 3 - [X.]e
Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von [X.] in 35 Fällen, davon in 32 Fällen in Tateinheit mit [X.] Missbrauch von Kindern und in drei Fällen in Tateinheit mit schwe-rem sexuellem Missbrauch von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat Erfolg. 1 Nach den Feststellungen des [X.] missbrauchte der Ange-klagte seine 1992 geborene Tochter zwischen 1999 und [X.] 2005 in 35 Fällen. In 32 dieser Fälle fasste er das Mädchen an die unbedeckte Brust oder Scheide, in 30 Fällen führte er zudem ihre Hand an seinen Penis, [X.] er onanierte. In drei Fällen musste das Mädchen den Penis des [X.] nehmen, bis der Angeklagte in ihren Mund ejakulierte. 2 3 1. Hinsichtlich der drei Fälle, in denen der Angeklagte wegen schwe-ren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Miss-brauch von [X.] verurteilt worden ist, ist das landgerichtliche Urteil aufzuheben und das Verfahren insoweit nach § 206a StPO einzustel-len, weil es an der Prozessvoraussetzung einer ordnungsgemäßen [X.] fehlt. In der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklageschrift werden dem Angeklagten 35 Taten des sexuellen Missbrauchs seiner Toch-ter zur Last gelegt. Ein Eindringen in den Körper des Mädchens wird dabei nicht beschrieben. Vielmehr liegt dem [X.] zugrunde, dass das Mädchen seine Hand an den Penis des Angeklagten halten musste, bis er zum Orgasmus kam. Demgegenüber enthalten die als drei Fälle schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes ausgeurteilten Taten einen jeweils an-deren Lebenssachverhalt, nämlich ausschließlich die Stimulation des Penis bis zum Samenerguss im Mund des Mädchens ohne jegliche vorangegange-ne oder begleitende Manipulationen. Deshalb handelt es sich dabei nicht um 4 - 4 - eine Ergänzung des angeklagten Geschehensablaufs, sondern um drei an-dere Fälle, die von der Anklage nicht umfasst sind. 2. Soweit die Anklageschrift dem Angeklagten 35 Fälle des sexuellen Missbrauchs der Tochter des Angeklagten durch Anlegen ihrer Hand an sei-nen Penis zur Last legt, hat die [X.] sich nur vom Vorliegen von 32 solcher Fälle überzeugen können. Die von der [X.] vorgenommene Umdeutung der drei übrig gebliebenen Fälle beschreibt andere Lebenssach-verhalte (vgl. oben 1.) und beinhaltet damit nicht die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten im Sinne der drei anderen Anklagevorwürfe; in diesen Fällen hat der Angeklagte sich nicht von seiner Tochter mit der Hand stimulieren lassen. Der [X.] holt den erforderlichen Freispruch in diesen drei Fällen nach. 5 6 3. Auch im Übrigen halten die Feststellungen revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. 7 a) Die abgeurteilten Taten 2 bis 31 sind nicht ausreichend individuali-siert, da sie über ein schematisiertes sexuelles Kerngeschehen hinaus keine konkreten Tatumstände enthalten. Zudem kann den Feststellungen nicht entnommen werden, anhand welcher Anknüpfungspunkte im Beweisergebnis sich das [X.] davon überzeugt hat, dass der Angeklagte in 30 Fällen seine Tochter in der gemeinsamen Wohnung sexuell missbraucht hat. Um eine bestimmte Anzahl von Straftaten einer in allem gleichförmig verlaufenden Serie sexueller Missbrauchshandlungen an Kindern festzustel-len, bedarf es zwar nicht stets einer Konkretisierung nach genauer Tatzeit und exaktem Geschehensablauf, der [X.] muss aber darlegen, aus wel-chen Gründen er die Überzeugung gerade von dieser Mindestzahl von [X.] gewonnen hat (BGHSt 42, 107, 109 f.; [X.], 208; [X.], 523). Daran fehlt es. Das [X.] stellt lediglich pauschal fest, dass es zunächst —häufigerfi und schließlich —[X.] ([X.]) zu den Taten ge-8 - 5 - kommen sei, was in der Beweiswürdigung nur dahin ergänzt wird, es seien —sehr viele Übergriffefi ([X.]) gewesen. Eine Frequenz der Übergriffe des Angeklagten gegen die Nebenklägerin ergibt sich hieraus nicht. Dies lässt besorgen, dass sich das [X.] rechtsfehlerhaft keine Überzeugung von jeder einzelnen Tat verschafft, sondern im Wege der Schätzung die Zahl der [X.] Straftaten ohne zureichende Tatsachengrundlage fest-gelegt hat. b) Das angefochtene Urteil kann aber auch hinsichtlich der [X.] zu den etwas konkreter beschriebenen Taten 1 und 35 der Urteils-gründe keinen Bestand haben. Das [X.] hat seine Überzeugung von der Täterschaft des die Taten bestreitenden Angeklagten auf die Angaben der Nebenklägerin gestützt. Diese hat es vor allem wegen des Umstands, dass die Nebenklägerin —die einzelnen Vorfälle bestimmten Orten zuordnen und zahlreiche Details benennenfi ([X.]) konnte, für glaubhaft erachtet. Dies findet allerdings in der überaus kargen Schilderung der Taten im Urteil keine Stütze. Damit ist der für die Überzeugungsbildung des [X.] maßgebliche Schluss auf die Glaubhaftigkeit der Angaben nicht mit tragfähi-gen und für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Tatsachen belegt. 9 4. Die Einstellung nach § 206a StPO hindert eine Anklage bezüglich der betroffenen Vorwürfe nicht; es wird sich empfehlen, diese Anklage [X.] zu dem hiesigen Verfahren zu verbinden und einheitlich zu ver-handeln. 10 Der neue Tatrichter hat sich ein umfassendes neues Bild von der Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin zu machen, naheliegend unter Hinzuziehung eines aussagepsychologischen Sachverständigen. Sollte er sich davon überzeugen, dass die Anklagevorwürfe zutreffen, wird zu be-achten sein, dass eine vor dem 2. April 1999 begangene [X.] des Angeklagten an der Nebenklägerin wegen Verfolgungsverjährung nicht mehr als sexueller Missbrauch von [X.] abgeurteilt werden kann. Es 11 - 6 - bedarf daher der Festlegung, ob sich der erste Übergriff vor diesem Zeitpunkt zugetragen hat. Des Weiteren wird dann zu klären sein, ob die Vorverurtei-lung des Angeklagten vom 19. Februar 2003 wegen noch nicht vollständiger Vollstreckung bezogen auf den Zeitpunkt des ersten landgerichtlichen Urteils Zäsurwirkung entfaltet. [X.]Raum Brause Schaal

Meta

5 StR 611/07

05.03.2008

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.03.2008, Az. 5 StR 611/07 (REWIS RS 2008, 5165)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 5165

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