Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.01.2018, Az. 1 StR 239/17

1. Strafsenat | REWIS RS 2018, 15997

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:090118U1STR239.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
1
StR
239/17

vom
9. Januar 2018
in der Strafsache
gegen

wegen schweren Raubes

-
2
-
Der 1.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom
9. Januar 2018, an der teilgenommen haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
Dr. Raum,

der
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Jäger
und die Richterinnen am Bundesgerichtshof
Cirener,
[X.],
[X.],

Staatsanwalt

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

in der Verhandlung

als Verteidiger,

Justizobersekretärin

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

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-
1.
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des [X.] vom 22. November 2016 wird
verworfen.

2.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Ausla-gen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat gegen den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung weiterer Verur-teilungen einen Dauerarrest von vier Wochen verhängt und ihm verschiedene Weisungen erteilt.

Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten ein-gelegten und auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision die [X.] materiellen Rechts. Sie erstrebt die Verurteilung zu einer Jugendstrafe wegen der Schwere der Schuld.

Ihr Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

1. Nach den Feststellungen des [X.]s verließ der zur Tatzeit 19
Jahre und acht Monate alte Angeklagte mit drei Begleitern am 5. Juli 2016 1
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gegen 19.30 Uhr das Volksfest in V.

. Als sie feststellten, dass sie zu wenig Zigaretten hatten, um gemeinsam rauchen zu können, erklärte der leicht angetrunkene

Er sprach die Passanten

B.

und

W.

auf [X.] an, wobei er in der rechten Hand eine fast ausgetrunkene Flasche Bier (0,5 l) hielt. Beide wiesen ihn jedoch ab und setzten ihren Weg fort. Der Zeuge B.

, der eine [X.] erhalten hatte, blieb stehen und be-gann, sein [X.] zu beantworten.

Der Angeklagte beschloss nun spontan und
alkoholbedingt enthemmt, das Smartphone an sich zu bringen. Er trat von hinten an

B.

heran und schlug ihm von schräg hinten die Flasche gegen den Kopf, wobei us einer Ausholbewegung wie für einen Schlag mit der bloßen zerbrach. Dann entriss ihm der Angeklagte mit der linken Hand das [X.], um es zu behalten und flüchtete. Kurz vor seiner Festnahme durch die Polizei warf er das Mobiltelefon in ein Gebüsch. Der Geschädigte erhielt das Mobiltelefon zurück. Er hatte durch den Schlag mit der Flasche eine 1 cm lan-ge, tiefe Platzwunde an der linken [X.], eine kleine Risswunde am lin-ken Ohrläppchen und ein Schädel-Hirn-Trauma ersten Grades erlitten, das
ihm etwa zwei Tage Beschwerden bereitete.

2. Die Kammer hat das Vorliegen der Schwere der Schuld gemäß
§ 17 Abs. 2 Alt. 2 JGG verneint.
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Zwar könne das objektive Gewicht der Tat hinsichtlich der Schwere des Unrechts nach allgemeinem Strafrecht, das eine [X.] von fünf führe dies hier in der Gesamtabwägung mit der Persönlichkeitsstruktur des [X.] nicht zur Bejahung der Schwere der Schuld. In der konkreten Ausge-staltung handele es sich um eine durch ungewohnten Alkoholkonsum ent-hemmte Handlung des Angeklagten. Dieser habe in einer jugendtypischen

e-nommen. Gerade hierin zeige sich das jugendtypische fehlende Nachdenken und Reflektieren in einer Kurzschlussreaktion. Die Tat sei von keinerlei [X.] getrieben gewesen, da der Angeklagte zum Tatzeitpunkt [X.] ein Mobiltelefon mit Vertrag besessen und es auch für die erforderlichen Kontakte zu seinem [X.] zuverlässig genutzt habe.

II.

Die Nachprüfung des Urteils auf die Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen
Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten ergeben. Die [X.] hat nicht nur schädliche Neigungen rechtsfehlerfrei verneint, sondern auch die Schwere der Schuld gemäß § 17 Abs. 2 Alt. 2 JGG.
1.
Der Schuldgehalt der Tat ist bei der Deliktsbegehung durch jugendli-che und heranwachsende Täter jugendspezifisch zu bestimmen ([X.], Urteil vom 20. April 2016

2 [X.], [X.]St 61, 188, 191

17 Abs. 2 JGG wird daher nicht vorrangig anhand des äußeren [X.] der Tat und ihrer Einordnung nach dem allgemeinen Strafrecht bestimmt, sondern es ist in erster Linie auf die innere Tatseite abzu-7
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stellen ([X.], Urteil vom 19. Februar 2014

2 StR 413/13, [X.], 407, 408). Der äußere Unrechtsgehalt der Tat und das Tatbild sind jedoch insofern von Belang, als hieraus Schlüsse auf die charakterliche Haltung, die Persön-lichkeit und die Tatmotivation des Jugendlichen oder Heranwachsenden gezo-gen werden können ([X.], Beschlüsse vom 17. Dezember 2014

3 StR 521/14, [X.], 155, 156; vom 6. Mai 2013

1 [X.], [X.], 658, 659; vom 14. August 2012

5 [X.], [X.], 289, 290
und
vom 19. November 2009

3 [X.], [X.], 281; Urteil vom 11. November 1960

4 StR 387/60, [X.]St 15, 224, 226). Entscheidend ist, ob und in wel-chem Umfang sich die charakterliche Haltung, die Persönlichkeit sowie die Tatmotivation des [X.] vorwerfbar in der Tat manifestiert haben ([X.], Urteil vom 11. November 1960

4 StR 387/60, [X.]St 15, 224, 226).
2.
Die [X.]

Sinne des § 17 Abs. 2 Alt. 2 JGG diesen Bewertungsmaßstab angelegt. Sie hat insbesondere betont, dass bei der zu treffenden Beurteilung dem äußeren [X.] keine selbständige Bedeutung zukommt.
[X.] wäre es gewesen, die Schwere der Schuld ausschließlich oder wesentlich auf den äußeren Unrechtsgehalt der Tat zu stützen, weil das Entscheidende die innere Tatseite ist, also inwieweit sich charakterliche Haltung, Persönlichkeit und Tatmotivation des Angeklagten in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen haben.
Die [X.] hat die Bewertung des [X.] der Tat auch nicht völlig unterlassen, sondern hat in ihre Gesamtbewertung eingestellt, dass das allgemeine Strafrecht für den schweren Raub eine [X.] von fünf Jahren vorsieht. In diesem Rahmen hat sie erörtert, inwieweit aus der Bewertung des [X.] der Tat ein Schluss auf die Persönlichkeit des
Angeklagten und die Höhe seiner Schuld möglich ist. Sie hat hierbei die Aspek-10
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te der Enthemmung durch ungewohnten Alkoholkonsum, die Spontaneität der
s-nannt sowie die fehlende Notwendigkeit für die Wegnahme des Mobiltelefons, da der Angeklagte ein eigenes besaß.
Nicht ausdrücklich eingestellt hat die [X.] (im Rahmen der Prüfung des Maßes der ausgeübten Gewalt bei § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB und der [X.] begangenen gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB) die Art des Zuschlagens mit der fast leeren Bierflasche. Da das [X.] jedoch zuvor den gegen die linke Kopfseite des Geschädigten erfolgten Schlag anschauliAusholbewegung wie für einen erheblichen Verletzungen des Opfers verursachte, ist auszuschließen, dass ihr dies aus dem Blick geraten sein könnte.
Das Landgericd-e-re mit der Stärke seines verbrecherischen Willens (Kurzschlusshandlung), mit
Zwecken, die er mit der Tat verfolgte (keine persönliche Bereicherung, sondern eine Art Abstrafen).
Zudem kann der Senat den Urteilsgründen, insbesondere den Ausfüh-
mit der gebotenen Sicherheit entnehmen, dass selbst dann, wenn die Schuld die Verhängung von Jugendstrafe deshalb nicht in Betracht kommen kann, weil dies aus erzieherischen Gründen nicht erforderlich ist (vgl. [X.], Urteile vom 12
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11. November 1960

4 StR 387/60, [X.]St 15, 224, 225 f.; vom [X.] 1961

4 StR 301/61, [X.]St 16, 261, 263 und vom 9. August 2000

3 [X.], NStZ-RR 2001, 215, 216;
Beschluss vom 20. Januar 1998

4 [X.], NStZ-RR
1998, 317, 318); denn die [X.] konnte bei dem -

Raum Jäger

Cirener

Fischer Hohoff

Meta

1 StR 239/17

09.01.2018

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.01.2018, Az. 1 StR 239/17 (REWIS RS 2018, 15997)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 15997

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