Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.10.2000, Az. XII ZR 179/98

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2000, 838

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]Verkündet am:18. Oktober 2000Breskic,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z: neinBGB §§ 566, 150 Abs. 2, 126 Abs. 2Zu den Anforderungen an die Wahrung der gesetzlichen Schriftform, wenn ein inForm eines fertigen [X.] gemachtes Angebot zum Abschluß eines [X.] nur mit Änderungen angenommen wird und der Vertragspartner [X.] zustimmt.[X.], Urteil vom 18. Oktober 2000 - [X.] - [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 18. Oktober 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. [X.] und [X.], [X.], [X.] und Prof. Dr. Wagenitzfür Recht erkannt:Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des 1. Zivil-senats des [X.] vom 25. Mai 1998 auf-gehoben und das Urteil der 9. Zivilkammer des [X.] vom 11. Februar 1998 abgeändert.Es wird festgestellt, daß der zwischen den [X.]en [X.] über die Ladenfläche Nr. E- im Erdgeschoß [X.] "S. G. D. " in [X.]aufunbestimmte Zeit geschlossen ist.Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.Von Rechts [X.]:Die Klägerin mietete im Jahre 1993 von der Beklagten ein Ladenlokal indem Einkaufszentrum "S. " in [X.] an. Am 20. Juli 1993 übersandtedie Klägerin der Beklagten ein aus mehreren Teilen und einigen Anlagen be-stehendes Mietvertragsangebot. Der Geschäftsführer der Klägerin hatte jedenTeil der Urkunde unterschrieben. Die verschiedenen Teile und die Anlagen- 3 -waren durch Schnur und Siegel fest miteinander verbunden. Die Mietdauersollte [X.] betragen. In dem Begleitschreiben heißt es, die [X.] sich bis zum 30. November 1993 an ihr Vertragsangebot gebunden.Die Vertreter der Beklagten unterschrieben unter dem Datum des20. September 1993 jeden Teil der Urkunde, brachten aber über ihren Unter-schriften jeweils den Zusatz an: "gilt nur im Zusammenhang mit unseremSchreiben vom 20.9.93".In diesem Schreiben, mit dem die unterschriebene Vertragsurkunde derKlägerin zurückgeschickt wurde, heißt es, die Vermieterin werde für das [X.] insgesamt eine Glasversicherung abschließen, auch für dieSchaufensteranlagen der Mieter, und die Kosten umlegen; die in dem [X.] Sicherheitsleistung solle durch eine bestimmte Bürgschaft gelei-stet werden; in Abweichung von dem schriftlichen Mietvertrag solle die [X.] zum 31. Dezember eines jeden Jahres (nicht: zum Endeder Heizperiode) erfolgen.Am Ende des Schreibens wird ausgeführt:"Der als Anlage beigefügte Mietvertrag gilt nur auf der [X.] in diesem Schreiben genannten Bedingungen. Wir bitten [X.] um umgehende Rücksendung der von Ihnen unterschrie-benen beiliegenden Kopie dieses Schreibens, das [X.] Geschäftsführer der Klägerin unterzeichnete eine Fotokopie [X.] der Beklagten vom 20. September 1993 und sandte es an die [X.] [X.] -Die [X.]en streiten darüber, ob bei diesem Zustandekommen des [X.] die Schriftform des § 566 BGB gewahrt ist. Die Klägerin möchte [X.] vor Ablauf der [X.] ordentlich kündigen und begehrt zur Vorbe-reitung einer solchen Kündigung die Feststellung, daß der [X.] der Schriftform als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gilt. [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte [X.]. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Feststellungsbegehren weiter.Entscheidungsgründe:Die zulässige Revision hat auch in der Sache Erfolg. Die [X.] die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Feststellungsklage ist zulässigund begründet.1. Das erforderliche besondere Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) istgegeben. Ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Be-stehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses liegt vor, wenn bezüg-lich des Rechtsverhältnisses eine Unsicherheit besteht und wenn das auf [X.] hin ergehende Urteil geeignet ist, diese Unsicherheit zubeseitigen und dem Kläger eine Richtschnur für sein künftiges Verhalten zubieten ([X.]Z 69, 144, 147; [X.]/[X.], ZPO 22. Aufl. § 256 Rdn. 16).Durch die beantragte Feststellung kann geklärt werden, ob die Klägerin denzwischen den [X.]en bestehenden Mietvertrag unter Einhaltung der gesetzli-chen Kündigungsfrist kündigen kann oder ob sie [X.] gebunden [X.] -2. Nach § 566 BGB bedarf ein Mietvertrag über ein Grundstück, der [X.] als ein Jahr geschlossen wird, der schriftlichen Form. Wird [X.] nicht eingehalten, ist der Vertrag nicht etwa unwirksam, er gilt vielmehr- unabhängig von etwa in dem Vertrag getroffenen anderen Regelungen - alsfür unbestimmte Zeit geschlossen. Nach Ablauf von einem Jahr kann er [X.] gekündigt werden.Das Berufungsgericht führt aus, die [X.]en hätten wirksam eine Lauf-zeit des Vertrages von [X.]n vereinbart. Der zwischen ihnen abge-schlossene Mietvertrag wahre nämlich die gesetzliche Schriftform. Nach derneueren Rechtsprechung des [X.] könne sich die Einheit eineraus mehreren Teilen bestehenden Urkunde nicht nur aus einer festen Verbin-dung ergeben, sondern auch aus fortlaufender Paginierung, Numerierung dereinzelnen Bestimmungen, einheitlicher graphischer Gestaltung, inhaltlichemZusammenhang des Textes oder vergleichbaren Merkmalen. Bei dem [X.] der Beklagten vom 20. September 1993 handele es sich nicht um eineNachtragsurkunde, es unterscheide sich vielmehr nicht von einer dem Vertragbeigefügten Anlage. Ein unmißverständlicher inhaltlicher Zusammenhang zwi-schen diesem Schreiben und dem schriftlichen Mietvertrag sei durch die wech-selseitige Bezugnahme und den inhaltlichen Kontext eindeutig hergestellt.Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrecht-lichen Überprüfung nicht stand.3. Es handelt sich im vorliegenden Fall nicht vorrangig um die Frage,wann eine Anlage zu einem Vertrag, die wesentlichen Vertragsinhalt enthält,als Teil der die Schriftform wahrenden Vertragsurkunde angesehen [X.] 6 -Die Klägerin hat der Beklagten einen von ihr - der Klägerin - bereits un-terschriebenen Vertragsentwurf zur Gegenzeichnung übersandt. Damit hat sieder Beklagten ein Vertragsangebot gemacht. Die Beklagte hat dieses [X.] der Klägerin jedoch nicht so angenommen, wie es ihr gemachtworden ist, sondern nur mit Modifizierungen. Das bedeutet rechtlich, daß [X.] Vertragsangebot der Klägerin abgelehnt und der Klägerin ein neues, ge-ändertes Vertragsangebot unterbreitet hat. Das ursprünglich von der Klägeringemachte Angebot war damit erledigt (§ 150 Abs. 2 BGB).Zwar betrafen die von der Beklagten gewünschten Modifizierungen un-bedeutende Nebenpunkte, die die Vertragsparteien wohl außerhalb der Urkun-de - ohne Einhaltung der Schriftform - hätten regeln können. Im Rahmen des§ 150 Abs. 2 BGB ist es jedoch ohne Bedeutung, ob es sich um [X.] unwesentliche Änderungen handelt (vgl. [X.]/[X.], [X.]. 1996 § 150 Rdn. 8; [X.]/[X.], 3. Aufl. § 150 Rdn. 3; So-ergel/Wolf, [X.]. § 150 Rdn. 9, jeweils m.[X.]). Auch geringfügige, un-wesentliche Änderungsvorschläge gegenüber dem unterbreiteten [X.] führen dazu, daß es für das Zustandekommen des Vertrages einer [X.] des Vertragspartners bedarf.Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt lediglich in wenigen, im [X.] ausdrücklich geregelten Sonderfällen. Bei einem Versicherungsvertragkönnen Änderungen in der Annahmeerklärung des Versicherers Vertragsinhaltwerden, wenn sie im Versicherungsschein enthalten sind und der [X.] trotz eines Hinweises nicht innerhalb eines Monats nach [X.] schriftlich widerspricht (§ 5 [X.]). Nach demUN-Kaufrecht (Art. 19 [X.]: Übereinkommen der [X.] überVerträge über den internationalen Warenkauf; BGBl. [X.], 588) stellen Er-- 7 -gänzungen oder Abweichungen, welche das Angebot nicht wesentlich ändern,eine Annahme des Angebots dar, wenn der Anbietende nicht unverzüglich [X.] der Übereinstimmung beanstandet.Diese jeweils eine besondere Fallgestaltung regelnden Bestimmungenrechtfertigen es nicht, die dort getroffene Regelung im Wege eines [X.] auf das allgemeine Vertragsrecht zu übertragen und von dem gefe-stigten Verständnis des § 150 Abs. 2 BGB abzurücken. Eine solche Analogieist zu Recht - soweit ersichtlich - in Literatur und Rechtsprechung bisher nichtin Erwägung gezogen worden.Allerdings liegt eine Annahme und keine modifizierende Annahme vor,wenn der Annehmende - für den Vertragspartner erkennbar - zwar Ergänzun-gen vorschlägt, aber klar zum Ausdruck bringt, daß er bei einem Beharren desAntragenden auf dem ursprünglichen Angebot dieses Angebot in der ursprüng-lichen Form auf jeden Fall annimmt und nicht auf seinen Änderungsvorschlä-gen beharrt. Es handelt sich dann um eine uneingeschränkte Annahme [X.] mit einem Ergänzungs- oder Änderungsangebot. Ob eine derartigeErklärung des Annehmenden so zu verstehen ist, ist im Wege der [X.] ermitteln ([X.], Urteile vom 13. Oktober 1982 - [X.] - [X.] 1982,1329, 1330 und vom 30. Januar 1997 - [X.] - NJW-RR 1997, 684,685; [X.], [X.]. § 150 Rdn. 2; [X.]/[X.] aaO § 150 Rdn. 10).Eine Auslegung der modifizierenden Annahmeerklärung der Beklagten in die-sem Sinne scheidet jedoch aus. Die Erklärung ist auszulegen aus der Sicht [X.], also aus der Sicht der Klägerin. Die Beklagte hat derKlägerin unmißverständlich mitgeteilt, der Vertrag solle nur zustande kommen,wenn die Klägerin die vorgeschlagenen Änderungen [X.] 8 -4. Der Mietvertrag ist mit den von der Beklagten vorgeschlagenen Ände-rungen zustande gekommen, als die Klägerin eine Fotokopie des [X.] 20. September 1993 unterschrieben an die Beklagte zurückgesandt hat.Auf diese Weise konnte jedoch die Schriftform des § 566 BGB nicht gewahrtwerden. Nach § 126 Abs. 2 BGB ist es bei einem Vertrag zur Einhaltung dergesetzlichen Schriftform grundsätzlich erforderlich, daß beide Vertragsparteienden Vertragstext auf derselben Urkunde unterschreiben. Das ist im vorliegen-den Fall nicht geschehen. Die Beklagte hat lediglich ihr modifizierendes Ange-bot unterschrieben und die Klägerin auf einem anderen Schriftstück dessenAnnahme. Zwar läßt § 126 Abs. 2 Satz 2 BGB es genügen, wenn über [X.] mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen werden und [X.] die für die andere [X.] bestimmte Urkunde unterzeichnet. Das setztaber voraus, daß jede der beiden Urkunden auch die zum Vertragsschluß not-wendige rechtsgeschäftliche Erklärung des Vertragspartners enthält. Es [X.], wenn eine der unterschriebenen Urkunden nur die Willenserklärung ei-ner [X.] enthält und sich die Willensübereinstimmung erst aus der [X.] beider Urkunden ergibt (Soergel/Hafermehl, aaO § 126 Rdn. 20m.[X.]). Jedenfalls die von der Beklagten unterschriebenen Urkunden [X.] die zum Vertragsschluß führende Erklärung der Klägerin, sie sei mit [X.] der Beklagten einverstanden. Es handelt sich somit umeinen sogenannten Vertragsschluß durch Briefwechsel. Dieser würde einergewillkürten Schriftform genügen (§ 127 Satz 2 BGB), nicht aber der gesetzli-chen Schriftform (§ 126 BGB).5. Da die Schriftform nicht eingehalten ist, kann das Berufungsurteil kei-nen Bestand haben. Der Senat ist in der Lage, selbst abschließend zu [X.] (§ 565 Abs. 3 ZPO). Der Sachverhalt ist unstreitig und weitere tat-sächliche Feststellungen sind weder zu erwarten noch erforderlich. Da die- 9 -Schriftform nicht eingehalten ist, gilt der zwischen den [X.]en [X.] als auf unbestimmte Zeit geschlossen. Anhaltspunkte dafür, dasBerufen der Klägerin auf das Fehlen der Schriftform könne [X.] sein, sind nicht ersichtlich. Der Feststellungsklage [X.] stattzugeben.[X.] Krohn Hahne [X.] Wagenitz

Meta

XII ZR 179/98

18.10.2000

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.10.2000, Az. XII ZR 179/98 (REWIS RS 2000, 838)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 838

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