Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29.11.2012, Az. 10 C 14/12

10. Senat | REWIS RS 2012, 896

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Tatbestand

1

Der Kläger, ein [X.] Staatsangehöriger, begehrt ein Visum zum Familiennachzug zu seinem in [X.] lebenden Vater.

2

Der am 10. November 1993 geborene Kläger beantragte im Juni 2009 die Erteilung eines Visums zum Zweck der Familienzusammenführung zu seinem Vater. Dieser, ebenfalls ein [X.] Staatsangehöriger, hält sich seit 1997 im [X.] auf, ist mit einer [X.] Staatsangehörigen verheiratet und besitzt eine Niederlassungserlaubnis. Er lebt zusammen mit seiner Ehefrau und deren erwachsenem [X.], einem im Juli 2005 geborenen gemeinsamen Kind, dem älteren Bruder des [X.] sowie der Mutter seiner Ehefrau in einer Wohnung. Ihm wurde nach Anerkennung der Vaterschaft mit Zustimmung der Mutter des [X.] durch Urteil des [X.] ([X.]) vom 22. Januar 2007 das alleinige Sorgerecht für den Kläger übertragen.

3

Die [X.] in [X.] lehnte mit [X.] vom 4. August 2009 und [X.] vom 14. September 2009 die Visumerteilung ab. Der Vater des [X.] sei nicht allein personensorgeberechtigt, da die Sorgerechtsübertragung durch das [X.] Gericht nicht wirksam sei, sondern gegen den ordre public verstoße. Wegen mangelnder Kenntnisse der [X.] Sprache und der schlechten Erfahrungen mit der Integration von Jugendlichen im Alter des [X.] entspreche der Nachzug nicht dem Kindeswohl.

4

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, über den Visumantrag erneut zu entscheiden. Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] mit Urteil vom 10. Mai 2012 die erstinstanzliche Entscheidung geändert und die Beklagte unter Aufhebung des [X.]s der [X.] Botschaft verpflichtet, dem Kläger ein Visum zum Familiennachzug zu erteilen. Die Entscheidung ist darauf gestützt, dass dem Vater des [X.] infolge der Entscheidung des [X.]n [X.]s das alleinige Sorgerecht zustehe. Diese rechtskräftige Entscheidung sei mit dem [X.] ordre public zu vereinbaren und deshalb aufenthaltsrechtlich zu respektieren. [X.] könne, ob sich die Voraussetzungen für die Anerkennung der [X.]n Sorgerechtsentscheidung vorrangig nach Art. 7 und Art. 16 des [X.] Minderjährigenschutzabkommens ([X.]) oder nach Art. 7 und Art. 10 des [X.] ([X.]) richteten, da beide Regelungen hier zum gleichen Ergebnis führten. Aus beiden Übereinkommen ergebe sich, dass ausländische Sorgerechtsentscheidungen im [X.] grundsätzlich anerkannt werden müssten und die [X.] des ordre public nur ausnahmsweise zum Tragen komme. Dieser Vorbehalt schließe es grundsätzlich aus, ausländische Entscheidungen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Ein ordre public-Verstoß liege erst vor, wenn das Entscheidungsergebnis nach inländischen Vorstellungen untragbar erscheine oder die Entscheidung in einem Verfahren zustande gekommen sei, das grundlegenden rechtsstaatlichen Anforderungen nicht genüge. Das Urteil des [X.]n [X.]s entspreche sowohl in verfahrensrechtlicher wie materiellrechtlicher Hinsicht den Anerkennungsvoraussetzungen. Der Kläger und seine Eltern seien vom [X.] angehört worden und hätten der Übertragung des Sorgerechts zugestimmt. Die Verhandlung habe ausweislich des ausführlichen Protokolls, das von einem Psychiater, einem Pädagogen sowie einem Fachmann für Sozialdienste unterzeichnet sei und Details zur familiären Gesamtsituation enthalte, in der [X.] stattgefunden. Ein materiellrechtlicher Verstoß gegen den ordre public liege ebenfalls nicht vor. Ohne Bedeutung sei, ob das [X.] Recht eine Sorgerechtsübertragung auf den mit der Kindesmutter nicht verheirateten Vater vorsehe, denn eine Überprüfung am Maßstab des [X.]n Rechts sei [X.] Gerichten verwehrt. Von Bedeutung sei nicht, ob das Kindeswohl die Sorgerechtsübertragung zwingend erfordere, sondern ob es der Übertragung im Ergebnis zwingend entgegenstehe. Die das Urteil tragende Motivation, dem Kläger durch die Übersiedlung zu seinem Vater in [X.] eine bessere Förderung und Ausbildung und damit bessere wirtschaftliche Ausgangsbedingungen zu bieten, spreche nicht gegen das Kindeswohl. Die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 [X.] seien erfüllt. Sowohl im Zeitpunkt der Vollendung des 16. Lebensjahres des [X.] als auch zum Entscheidungszeitpunkt sei der Lebensunterhalt der aus dem Kläger, seinem Vater, dessen Ehefrau, dem gemeinsamen [X.] und dem älteren Bruder des [X.] bestehenden häuslichen Familiengemeinschaft gesichert. Nicht zu berücksichtigen seien der ebenfalls im Haushalt lebende erwachsene [X.] der Ehefrau und deren Mutter, da sie nicht zur Familie des Stammberechtigten gehörten.

5

Die Beklagte rügt mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, dass die Anerkennung der Entscheidung des [X.]n Amtsgerichts zu einem mit wesentlichen Grundsätzen des [X.] Rechts und insbesondere mit den Grundrechten unvereinbaren Ergebnis führe. Nach [X.]m Recht stehe das Sorgerecht allein der Mutter zu. Ein Verlust bzw. eine Entziehung ihres Sorgerechts habe mangels der dafür notwendigen Voraussetzungen nicht stattgefunden. Das Amtsgericht habe das Kindeswohl völlig unzulänglich in den Blick genommen. So habe es nicht geprüft, ob zwischen dem Kläger und seinem Vater eine echte familiäre Bindung bestehe und wie sich die Betreuungssituation in [X.] darstelle.

6

Der Kläger verteidigt die angegriffene Entscheidung. Er trägt vor, die Ehe seiner nach islamischem Recht verheirateten Eltern sei aufgrund eines [X.]n Amnestiegesetzes legalisiert worden. Daher sei die Sorgerechtsübertragung nach [X.]m Recht wirksam. Die Beklagte lege der Überprüfung des [X.]n Urteils am Maßstab des ordre public überzogene Anforderungen zugrunde.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der [X.]eklagten hat keinen Erfolg. Das [X.]erufungsgericht hat die [X.]eklagte gemäß § 32 Abs. 3 [X.] ohne Verletzung revisiblen Rechts zur Erteilung eines Visums zum [X.] verpflichtet. Der Vater des [X.] ist allein personensorgeberechtigt, da das [X.] Sorgerechtsurteil nicht gegen den ordre public verstößt (1.). Die Feststellungen des [X.]erufungsgerichts tragen auch dessen Annahme, dass der Lebensunterhalt des [X.] sowohl im Zeitpunkt der [X.]erufungsverhandlung als auch im Zeitpunkt der Vollendung des 16. Lebensjahres gesichert ist und damit auch die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 [X.] vorliegt (2.).

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1. Der Kläger erfüllt die besonderen Voraussetzungen des § 32 Abs. 3 [X.] für einen Anspruch auf [X.]. Nach § 32 Abs. 3 [X.] ist dem minderjährigen Kind eines Ausländers, welches das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, eine Aufenthaltserlaubnis - und vor der Ausreise gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 und 2 [X.] ein Visum - zu erteilen, wenn beide Eltern oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil u.a. eine Aufenthaltserlaubnis besitzen.

9

1.1 Maßgebend für die [X.]eurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei [X.] auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (st[X.]pr, Urteil vom 7. April 2009 - [X.]VerwG 1 [X.] 17.08 - [X.]VerwGE 133, 329 Rn. 10). Während des Revisionsverfahrens eingetretene Rechtsänderungen sind vom Revisionsgericht allerdings zu berücksichtigen, wenn das [X.]erufungsgericht - entschiede es nunmehr anstelle des [X.] - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (Urteil vom 1. November 2005 - [X.]VerwG 1 [X.] 21.04 - [X.]VerwGE 124, 276 <279>). Daher ist der Nachzugsanspruch des [X.] an dem [X.] in der Fassung der [X.]ekanntmachung vom 25. Februar 2008 ([X.]) zu messen, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie der [X.] vom 1. Juni 2012 ([X.]). Hierdurch hat sich die Rechtslage hinsichtlich der hier einschlägigen [X.]estimmungen aber nicht geändert.

Sind aufenthaltsrechtliche Ansprüche an eine Höchstaltersgrenze geknüpft - wie hier beim [X.] die Vollendung des 16. Lebensjahres -, ist für die Einhaltung der Altersgrenze ausnahmsweise auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen (vgl. Urteil vom 7. April 2009 a.a.[X.]). Wenn die Altersgrenze im Laufe des Verfahrens überschritten wird, folgt daraus, dass die übrigen Anspruchsvoraussetzungen spätestens auch im Zeitpunkt des Erreichens der Altersgrenze vorgelegen haben müssen. Danach eingetretene Sachverhaltsänderungen zugunsten des [X.]etroffenen können grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Insoweit bedarf es bei Anspruchsgrundlagen mit einer Höchstaltersgrenze, die der [X.]etroffene - wie hier der Kläger - im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Verhandlung oder Entscheidung überschritten hat, einer auf zwei unterschiedliche Zeitpunkte bezogenen Doppelprüfung (Urteil vom 7. April 2009 a.a.[X.]).

Das [X.]erufungsgericht hat das Nachzugsbegehren des [X.] zutreffend an § 32 Abs. 3 [X.] und nicht nach der Vorgängerregelung des § 20 Abs. 3 Satz 1 Ausländergesetz 1990 ([X.]) geprüft. Der Vater des [X.] hat sich vor dem 1. Januar 2005 rechtmäßig in [X.] aufgehalten, und der Kläger ist vor diesem Zeitpunkt geboren. Damit gilt nach § 104 Abs. 3 [X.] hinsichtlich der personen- und familienbezogenen Nachzugsvoraussetzungen weiterhin § 20 [X.], es sei denn das [X.] gewährt eine günstigere Rechtsposition. Dies ist hier der Fall, da § 32 Abs. 3 [X.] bei Vorliegen der Tatbestandvoraussetzungen einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis vermittelt, während § 20 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 [X.] den Nachzug zu einem allein sorgeberechtigten Elternteil in das Ermessen der Ausländerbehörde stellt (Urteil vom 26. August 2008 - [X.]VerwG 1 [X.] 32.07 - [X.]VerwGE 131, 370 Rn. 4 f.).

1.2 Zu Recht ist das [X.]erufungsgericht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 32 Abs. 3 [X.] vorliegen. Die gesetzliche Höchstaltersgrenze ist eingehalten, denn zum Zeitpunkt der Antragstellung im Juni 2009 hatte der Kläger das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet. Sein Vater besitzt seit 2003 eine Aufenthaltserlaubnis und ist nach der Sorgerechtsentscheidung im Urteil des [X.] vom 22. Januar 2007 für den Kläger allein personensorgeberechtigt. Diese Entscheidung ist im vorliegenden Verfahren jedenfalls nach dem [X.] Übereinkommen über die Zuständigkeit der [X.]ehörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5. Oktober 1961 ([X.], 1150) - Minderjährigenschutzabkommen ([X.]) - anzuerkennen.

1.2.1 Der [X.]egriff der alleinigen Personensorgeberechtigung ist mit [X.]lick auf Art. 4 Abs. 1 [X.]uchst. c der Richtlinie 2003/86/[X.] vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung ([X.] 251 S. 12 vom 3. Oktober 2003) - sog. [X.] - unionsrechtlich auszulegen. Im Sinne dieser [X.]estimmung besitzt ein Elternteil das Sorgerecht nur, wenn er "allein" sorgeberechtigt ist, dem anderen Elternteil also bei der Ausübung des Sorgerechts keine substantiellen Mitentscheidungsrechte und -pflichten zustehen, etwa in [X.]ezug auf Aufenthalt, Schule und Ausbildung oder Heilbehandlung des Kindes (Urteil vom 7. April 2009 a.a.[X.] Rn. 16).

1.2.2 Wem das Sorgerecht für ein Kind zusteht, beurteilt sich in Fällen mit Auslandsbezug anhand der Regelungen des Internationalen Privatrechts nach dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 21 [X.][X.]G[X.]). Diese Kollisionsnorm, die die Auswahl des materiellrechtlichen [X.] bei einer anstehenden Sorgerechtsentscheidung steuert, tritt zurück, wenn bereits eine Sorgerechtsentscheidung einer ausländischen Stelle vorliegt und sich die verfahrensrechtliche Frage nach deren Anerkennung stellt.

Das [X.]erufungsgericht hat festgestellt, dass das rechtskräftige [X.] Sorgerechtsurteil dem Vater des [X.] das alleinige Sorgerecht verschafft hat. Diese Würdigung ist revisionsrechtlich gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 293 ZPO wie eine Tatsachenfeststellung zu behandeln (vgl. Urteile vom 7. April 2009 a.a.[X.] Rn. 17 und vom 19. Juli 2012 - [X.]VerwG 10 [X.] 2.12 - NJW 2012, 3461 Rn. 16); § 545 Abs. 1 ZPO findet keine Anwendung. An diese Feststellung des [X.]erufungsgerichts zum Inhalt und den Rechtswirkungen des ausländischen Urteils ist der Senat deshalb gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, da die Revision keine Verfahrensrüge erhoben hat und ihre Angriffe gegen die inhaltliche Richtigkeit der Sorgerechtsentscheidung daher ins Leere gehen.

Die Anerkennung ausländischer Urteile richtet sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren grundsätzlich nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 328 ZPO. Für die Anerkennung ausländischer [X.] enthält § 108 Abs. 1 i.V.m. § 109 FamFG allerdings eine Sonderregelung, die die Grundnorm des § 328 ZPO auch im Verwaltungsprozess verdrängt. Gemäß § 108 Abs. 1 FamFG ist für die Anerkennung von [X.] ausländischer Gerichte kein besonderes Verfahren vor [X.] Gerichten oder [X.]ehörden vorgesehen, sondern es gilt der Grundsatz der [X.] ([X.], [X.]eschluss vom 9. April 2010 - 4 UF 56/10 - NJW-RR 2010, 1225 <1226>). Nach § 97 Abs. 1 FamFG gehen allerdings Regelungen in völkerrechtlichen Vereinbarungen, soweit sie unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, den Vorschriften des FamFG vor.

Das Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19. Oktober 1996 ([X.]) - [X.] Kinderschutzübereinkommen ([X.]) - ist mangels Ratifizierung des Übereinkommens durch die [X.] hier nicht anwendbar. Daher kommen im vorliegenden Fall als gemäß § 97 Abs. 1 FamFG vorrangig anzuwendende völkerrechtliche Vereinbarungen nur das [X.] Minderjährigenschutzabkommen und das [X.] über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des [X.] vom 20. Mai 1980 ([X.]) - [X.]s Sorgerechtsübereinkommen ([X.]) - in [X.]etracht. Es spricht einiges dafür, dass sich die Anerkennung einer ausländischen Sorgerechtsentscheidung als Vorfrage für den [X.] vorrangig nach dem auf jeden Fall anwendbaren [X.] Minderjährigenschutzabkommen bestimmt. Denn dieses Vertragswerk regelt die behördliche Zuständigkeit und das anzuwendende Recht zum Schutz von Minderjährigen ganz allgemein, während das [X.] Sorgerechtsübereinkommen spezifische, zwischenstaatlich koordinierte [X.] bei gestörten Sorgerechtsverhältnissen enthält. Das bedarf hier aber keiner Entscheidung. Denn keines der beiden Übereinkommen enthält eine abschließende Regelung für die Anerkennung ausländischer [X.]; insbesondere schließt Art. 19 [X.] die Anwendung anderer internationaler Übereinkünfte nicht aus, um die Anerkennung oder Vollstreckung einer Entscheidung zu erwirken. Da im vorliegenden Verfahren die Voraussetzungen für eine Anerkennung nach dem [X.] Minderjährigenschutzabkommen vorliegen, kann dahinstehen, ob die Entscheidung auch nach dem [X.]n Sorgerechtsabkommen anzuerkennen wäre.

1.2.3 Das Minderjährigenschutzabkommen findet auf den Kläger als Minderjährigen, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der [X.] hat, Anwendung (vgl. Art. 12, 13 [X.]). Gemäß Art. 7 Satz 1 [X.] sind die Maßnahmen, welche die nach den vorstehenden Artikeln zuständigen [X.]ehörden getroffen haben, in allen Vertragsstaaten anzuerkennen; Maßnahmen in diesem Sinne sind auch gerichtliche [X.] ([X.], [X.]eschlüsse vom 25. Oktober 1976 - [X.]/76 - [X.]Z 67, 255 <260> und 28. Mai 1986 - [X.] - NJW-RR 1986, 1130; Urteil vom 11. April 1979 - [X.] - FamRZ 1979, 577). Ein förmliches Anerkennungsverfahren sieht das Abkommen nicht vor. Als Grenze der gegenseitigen Anerkennung enthält Art. 16 [X.] nur den Vorbehalt, dass die [X.]estimmungen dieses Übereinkommens in den Vertragsstaaten unbeachtet bleiben dürfen, wenn ihre Anwendung mit der öffentlichen Ordnung offensichtlich unvereinbar ist (ordre public).

Abzustellen ist dabei nicht auf Art. 6 [X.][X.]G[X.], sondern auf den anerkennungsrechtlichen ordre public international (vgl. nur [X.], Urteile vom 18. Oktober 1967 - [X.] - [X.]Z 48, 327 und vom 21. April 1998 - [X.] - [X.]Z 138, 331 <334>). Mit diesem ist eine ausländische Entscheidung nicht schon dann unvereinbar, wenn [X.] - hätte er die zur Anerkennung stehende Entscheidung getroffen - aufgrund zwingenden [X.] Rechts zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Maßgeblich ist vielmehr, ob das Ergebnis der ausländischen Entscheidung zu den Grundgedanken der [X.] Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass es nach [X.]r Vorstellung untragbar erscheint. Prüfungsmaßstab sind dabei vor allem die Grundrechte. Die ausländische Entscheidung ist nicht auf ihre Rechtmäßigkeit am Maßstab des ausländischen Rechts zu überprüfen (Verbot der [X.]). [X.]ei der Anerkennung ausländischer [X.] liegt in materieller Hinsicht ein Verstoß gegen den ordre public erst dann vor, wenn die Hinnahme der Entscheidung wegen ihres Inhalts im Ergebnis mit wesentlichen Grundsätzen des [X.] Familien- und Kindschaftsrechts offensichtlich unvereinbar ist (materiellrechtlicher ordre public). Dabei steht das Wohl des Kindes im Mittelpunkt der Prüfung. Jede Regelung des Sorgerechts wirkt sich auf das Wohl des Kindes aus und muss daher das Kind in seiner Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigen. Ein Verstoß gegen den ordre public kann sich auch aus dem der anzuerkennenden Entscheidung vorangegangenen Verfahren ergeben, also der Art und Weise ihres Zustandekommens. Dies ist der Fall, wenn die ausländische Entscheidung aufgrund eines Verfahrens ergangen ist, das von den Grundprinzipien des [X.] Verfahrensrechts in einem solchen Maße abweicht, dass sie nach der [X.] Rechtsordnung nicht als in einem geordneten, rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann (verfahrensrechtlicher ordre public). Eine am Kindeswohl orientierte Sorgerechtsentscheidung erfordert daher auch eine Verfahrensgestaltung, die eine hinreichende [X.]erücksichtigung der grundrechtlichen Stellung des betroffenen Kindes garantiert (siehe etwa Art. 12 Abs. 2 KRK; vgl. auch [X.], [X.]eschlüsse vom 5. November 1980 - 1 [X.]vR 349/80 - [X.]E 55, 171 <182> und vom 14. Juli 2010 - 1 [X.]vR 3189/09 - [X.]K 17, 407 Rn. 19). Das Sorgerechtsverfahren ist unter [X.]erücksichtigung des Alters des Kindes, seines Entwicklungsstandes und seiner seelischen Verfassung so zu gestalten, dass der Entscheidungsträger möglichst zuverlässig die Grundlagen einer am Kindeswohl orientierten Entscheidung erkennen kann. Das erfordert jedenfalls bei [X.] grundsätzlich eine persönliche Anhörung und bei jüngeren Kindern zumindest ein funktionales Äquivalent, durch das ihnen Gelegenheit gegeben wird, ihre Interessen auf altersgerechte Weise zu formulieren und in das Verfahren einzubringen.

Nach diesen Maßstäben steht der ordre public der Anerkennung des Urteils des [X.] vom 22. Januar 2007 nicht entgegen. Das [X.]erufungsgericht hat festgestellt, dass der Kläger in einer Verhandlung in der Sozialabteilung des [X.]n Familiengerichts angehört worden ist und der Übertragung des Sorgerechts zugestimmt hat. Auch seine Mutter ist dort aufgetreten und hat ihr Einverständnis mit der Sorgerechtsübertragung erklärt. Mit [X.]lick auf diese Verfahrenshandhabung und das Vorliegen einer einvernehmlichen Sorgerechtsentscheidung überspannt die [X.]eklagte mit ihrer Rüge, das [X.] Gericht habe den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt, die Anforderungen des verfahrensrechtlichen ordre public. Die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf den Vater des [X.] lässt auch materiell kein Ergebnis erkennen, das mit [X.]lick auf das Kindeswohl mit den Grundwerten des [X.] Familien- und Kindschaftsrechts offensichtlich nicht zu vereinbaren ist. Auch das [X.] Familienrecht kennt das alleinige Sorgerecht des nichtehelichen [X.] (§ 1672 Abs. 1 [X.]G[X.]). Der Vorhalt der Revision, im konkreten Fall sei die Sorgerechtsentscheidung im Wesentlichen ausländerrechtlich motiviert bzw. von ökonomischen Interessen getragen, geht von der Fehlvorstellung aus, diese Kriterien stünden notwendigerweise im Gegensatz zum Kindeswohl. Das ist schon wegen des Förderprinzips als Ausfluss des Kindeswohls nicht der Fall. Der Sache nach greift die Revision im Gewande der Rüge eines Verstoßes gegen den ordre public die ihrer Auffassung nach falsche Abwägung des [X.]n Familiengerichts an, das den absehbaren Integrationsproblemen der Kinder nicht das für deren Wohl gebotene Gewicht beigemessen habe; mit dieser eigenen [X.]ewertung des Kindeswohls muss sie indes erfolglos bleiben.

2. Die weiteren Nachzugsvoraussetzungen sind gegeben. Nach den Feststellungen im [X.]erufungsurteil ist die Passpflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 [X.]) sowie das Erfordernis ausreichenden Wohnraums (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 [X.]) erfüllt. Das [X.]erufungsgericht ist ferner zu Recht davon ausgegangen, dass der Lebensunterhalt des [X.] sowohl im Zeitpunkt der [X.]erufungsentscheidung als auch bei Vollendung des 16. Lebensjahres gesichert war und damit die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 [X.] vorliegt.

2.1 Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 [X.] setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Dies ist nach § 2 Abs. 3 [X.] der Fall, wenn der Ausländer ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Dabei bleiben die in § 2 Abs. 3 Satz 2 [X.] aufgeführten öffentlichen Mittel außer [X.]etracht. Erforderlich ist mithin die positive Prognose, dass der Lebensunterhalt des Ausländers in Zukunft auf Dauer ohne Inanspruchnahme anderer öffentlicher Mittel gesichert ist. Dies erfordert einen Vergleich des voraussichtlichen Unterhaltsbedarfs mit den nachhaltig zur Verfügung stehenden Mitteln. Dabei richten sich sowohl die Ermittlung des zur Verfügung stehenden Einkommens als auch der Unterhaltsbedarf bei erwerbsfähigen Ausländern und Personen, die mit ihnen in einer [X.]edarfsgemeinschaft leben, seit dem 1. Januar 2005 grundsätzlich nach den entsprechenden [X.]estimmungen des Sozialgesetzbuchs ([X.]) [X.] - [X.] II. Unerheblich ist dabei, ob Leistungen tatsächlich in Anspruch genommen werden; nach dem gesetzlichen [X.] kommt es nur auf das [X.]estehen eines entsprechenden Anspruchs an (grundlegend Urteil vom 26. August 2008 - [X.]VerwG 1 [X.] 32.07 - [X.]VerwGE 131, 370 Rn. 19 ff.).

2.1.1 Demzufolge ist der Einkommens- und [X.]edarfsberechnung grundsätzlich der Personenkreis zugrunde zu legen, der sich aus den Regeln über die [X.]edarfsgemeinschaft gemäß § 9 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 7 Abs. 2 bis 3a [X.] II ergibt (Urteil vom 16. November 2010 - [X.]VerwG 1 [X.] 21.09 - [X.]VerwGE 138, 148 Rn. 14 ff.) unabhängig davon, inwieweit zwischen diesen Personen unterhaltsrechtliche [X.]eziehungen bestehen. Ob mit [X.]lick auf § 2 Abs. 3 [X.] auch volljährige Kinder in die [X.]edarfsgemeinschaft ihres leiblichen Elternteils und dessen nicht verheirateten Partners einzubeziehen sind, braucht hier nicht entschieden zu werden. Innerhalb einer [X.]edarfsgemeinschaft, deren gesamter [X.]edarf nicht aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt wird, gilt jede Person im Verhältnis des eigenen [X.]edarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig (§ 9 Abs. 2 Satz 3 [X.] II) und hat im Regelfall einen Leistungsanspruch in Höhe dieses Anteils. Das führt regelmäßig dazu, dass der Lebensunterhalt des Ausländers dann nicht gesichert ist, wenn der Gesamtbedarf der [X.]edarfsgemeinschaft, deren Mitglied er ist, nicht durch eigene Mittel bestritten werden kann.

Für die [X.]erechnung des zur Verfügung stehenden Einkommens sind von dem gemäß § 11 Abs. 1 [X.] II zu ermittelnden [X.]ruttoeinkommen die in § 11b [X.] II genannten [X.]eträge abzuziehen. Dazu zählen grundsätzlich auch die freiwillig geleisteten Altersvorsorgebeiträge (§ 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 4 [X.] II), hinsichtlich derer eine gewisse Vermutung dafür spricht, dass sie auch zukünftig in gleicher Höhe gezahlt werden. [X.] sind ferner der Freibetrag für Erwerbstätige gemäß § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Abs. 3 [X.] II sowie die Pauschale von 100 €, die nach § 11b Abs. 2 Satz 1 [X.] II an die Stelle der [X.]eträge nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 5 tritt. Allerdings sind gesetzliche Unterhaltsverpflichtungen abweichend von § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 [X.] II unabhängig von einer Titulierung einkommensmindernd zu berücksichtigen (Urteil vom 7. April 2009 - [X.]VerwG 1 [X.] 17.08 - [X.]VerwGE 133, 329 Rn. 33). Dies gilt allerdings nur in der Höhe, in der eine Titulierung auch unter [X.]erücksichtigung des Ranges der Unterhaltsgläubiger rechtlich möglich wäre, und auch nur solange, wie die Erbringung bzw. Geltendmachung von Unterhaltsleistungen tatsächlich zu erwarten ist. Wurden Unterhaltsleistungen über einen längeren Zeitraum weder erbracht noch geltend gemacht, ist regelmäßig davon auszugehen, dass dies auch in der Zukunft der Fall sein wird.

Die [X.]edarfsberechnung bestimmt sich grundsätzlich nach § 19 Abs. 1 Satz 3 [X.] II; danach umfassen die Leistungen des [X.] den Regelbedarf, die Mehrbedarfe sowie den [X.]edarf für Unterkunft und Heizung. [X.] nicht anzusetzen sind jedoch die in § 28 [X.] II enthaltenen [X.]edarfe für [X.]ildung und Teilhabe. Denn würde man sie als aufenthaltsschädlich berücksichtigen, liefe das dem Grundanliegen des Gesetzgebers zuwider, gerade die Integration ausländischer Kinder systematisch zu fördern, um u.a. Defizite in der sprachlichen Verständigung abzubauen, die den tatsächlichen Zugang zum Arbeitsmarkt beschränken und damit oft zu entsprechenden [X.] Folgelasten führen (vgl. [X.]TDrucks 15/420 S. 61, 68).

Etwaige Ansprüche auf [X.]ewilligung von Wohngeld bleiben bei der [X.]erechnung der Sicherung des Lebensunterhalts grundsätzlich außen vor. Wohngeld gehört nicht zu den in § 2 Abs. 3 Satz 2 [X.] genannten privilegierten öffentlichen Leistungen und ist daher nicht geeignet, eine bestehende [X.] zu schließen (vgl. [X.]eschluss vom 4. November 1996 - [X.]VerwG 1 [X.] 189.96 - [X.]uchholz 402.240 § 17 [X.] 1990 Nr. 7). Auf der anderen Seite schadet der [X.]ezug von Wohngeld aber auch nicht, wenn der [X.]edarf aus eigenem Einkommen, Vermögen oder aufenthaltsrechtlich unschädlichen öffentlichen Leistungen bereits gedeckt ist.

Ist der nach den Regelungen des [X.] II bestehende [X.]edarf nicht vollständig gedeckt, ist zu prüfen, ob die verbleibende [X.] durch einen Kinderzuschlag gemäß § 6a [X.]KGG geschlossen werden kann. Denn der Kinderzuschlag gehört gemäß § 2 Abs. 3 [X.] zu den aufenthaltsrechtlich unschädlichen Sozialleistungen und soll verhindern, dass Eltern nur wegen der Unterhaltsbelastung für ihre Kinder Arbeitslosengeld II in Anspruch nehmen müssen ([X.]TDrucks 15/1516 S. 83).

2.1.2 Im Anwendungsbereich der [X.] (Richtlinie 2003/86/[X.]) - und damit auch im vorliegenden Fall - ist der [X.]egriff der Lebensunterhaltssicherung zu modifizieren. Denn in der Systematik dieser Richtlinie stellt der Anspruch auf Genehmigung der Familienzusammenführung gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie die Grundregel dar, so dass die den [X.] in Art. 7 Abs. 1 [X.]uchst. c der Richtlinie verliehene [X.]efugnis zur Regelung der Nachzugsvoraussetzungen eng auszulegen ist ([X.], Urteil vom 4. März 2010 - [X.]. [X.]-578/08 [X.] - Slg. 2010, [X.] = NVwZ 2010, 697 Rn. 43). Der in Art. 7 Abs. 1 [X.]uchst. c der Richtlinie eröffnete Handlungsspielraum darf von den Mitgliedstaaten nicht in einer Weise genutzt werden, dass das [X.] - die [X.]egünstigung der Familienzusammenführung - und die praktische Wirksamkeit der Richtlinie beeinträchtigt werden ([X.], Urteil vom 4. März 2010 a.a.[X.] Rn. 43). Nach dieser Rechtsprechung bezieht sich der [X.]egriff der Sozialhilfe(leistungen) in Art. 7 Abs. 1 [X.]uchst. c der Richtlinie als autonomer [X.]egriff des Unionsrechts nur auf Unterstützungsleistungen, die einen Mangel an ausreichenden festen und regelmäßigen Einkünften ausgleichen, nicht aber auf eine Hilfe, die es erlauben würde, außergewöhnliche oder unvorhergesehene [X.]edürfnisse zu befriedigen ([X.], Urteil vom 4. März 2010 a.a.[X.] Rn. 49). Die Sozialhilfe i.S.d. Art. 7 Abs. 1 [X.]uchst. c der Richtlinie 2003/86/[X.] erfasst daher nur Leistungen, die von öffentlichen [X.]ehörden zur Kompensation des Mangels an ausreichenden festen und regelmäßigen Einkünften gewährt werden, um die allgemein notwendigen Kosten des Lebensunterhalts für den Ausländer und seine Familienangehörigen zu bestreiten; sie schließt nicht die besondere Sozialhilfe zur [X.]estreitung besonderer, individuell bestimmter notwendiger Kosten des Lebensunterhalts ein ([X.], Urteil vom 4. März 2010 a.a.[X.] Rn. 52).

Für die von der Richtlinie 2003/86/[X.] erfassten Fälle hat der 1. Senat des [X.] bereits entschieden, dass es der Anwendungsvorrang des Unionsrechts gebietet, bei der Einkommensberechnung den Freibetrag für Erwerbstätigkeit nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Abs. 3 [X.] II nicht zulasten des nachzugswilligen Ausländers abzusetzen. Denn dieser Freibetrag wird in erster Linie aus arbeitsmarkt- bzw. beschäftigungspolitischen Gründen gewährt und soll eine Anreizfunktion zur Aufnahme bzw. [X.]eibehaltung einer Erwerbstätigkeit haben, nicht aber einen Mangel an ausreichenden festen und regelmäßigen Einkünften im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs ausgleichen (Urteil vom 16. November 2010 - [X.]VerwG 1 [X.] 20.09 - [X.]VerwGE 138, 135 Rn. 33). Hinsichtlich des in § 11b Abs. 2 Satz 1 [X.] II pauschaliert erfassten [X.] verlangt das Gebot der individualisierten Prüfung gemäß Art. 17 der Richtlinie 2003/86/[X.], den Nachweis geringerer Aufwendungen als die gesetzlich veranschlagten 100 € zuzulassen (Urteil vom 16. November 2010 a.a.[X.] Rn. 34).

Der [X.]edarfsberechnung sind auch im Anwendungsbereich der [X.] neben dem [X.]edarf für Unterkunft und Heizung (§ 22 [X.] II) grundsätzlich die in § 20 [X.] II vorgesehenen Regelbedarfssätze zugrunde zu legen (zur Nichtberücksichtigung der nach § 77 Abs. 4 [X.] II für eine Übergangszeit geltenden Werte vgl. Urteil des Senats vom heutigen Tag - [X.]VerwG 10 [X.] 4.12 - Rn. 37). [X.]ei bereits im Entscheidungszeitpunkt nach Grund und Höhe absehbaren Mehrbedarfen ist anhand des unionsrechtlichen [X.]egriffs der Sozialhilfe in Art. 7 Abs. 1 [X.]uchst. c der Richtlinie 2003/86/[X.] wie folgt zu differenzieren:

- Die [X.] (§ 21 Abs. 3 [X.] II; vgl. Urteil vom 26. August 2008 - [X.]VerwG 1 [X.] 32.07 - [X.]VerwGE 131, 370 Rn. 25) sowie die Kosten der dezentralen Warmwassererzeugung (§ 21 Abs. 7 [X.] II) sind in die [X.]edarfsberechnung einzustellen. Denn sie decken allgemein notwendige Kosten des Lebensunterhalts der anspruchsberechtigten Personengruppen und dienen nicht der [X.]efriedigung außergewöhnlicher oder unvorhergesehener [X.]edürfnisse.

- Nicht zu berücksichtigen sind dagegen die Mehrbedarfe für werdende Mütter (§ 21 Abs. 2 [X.] II), für erwerbsfähige [X.]ehinderte (§ 21 Abs. 4 [X.] II), für eine aus medizinischen Gründen notwendige kostenaufwändige Ernährung (§ 21 Abs. 5 [X.] II), für einen im Einzelfall unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen [X.]edarf (§ 21 Abs. 6 [X.] II) und die Erstausstattungsbedarfe (§ 24 Abs. 3 [X.] II). Diese Leistungen betreffen besondere, individuell bestimmte notwendige Kosten außerhalb des allgemein notwendigen Lebensunterhalts und dienen der [X.]efriedigung außergewöhnlicher oder unvorhergesehener [X.]edürfnisse. Daher sind sie unionsrechtlich der von Art. 7 Abs. 1 [X.]uchst. c der Richtlinie 2003/86/[X.] nicht abgedeckten "besonderen Sozialhilfe" zuzurechnen, die nicht zulasten nachzugswilliger Ausländer berücksichtigt werden darf.

2.1.3 Ist der Lebensunterhalt - auch unter [X.]erücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben - nicht (vollständig) gesichert, ist weiter zu prüfen, ob in dem jeweiligen Einzelfall eine Ausnahme von § 5 Abs. 1 Nr. 1 [X.] in [X.]etracht kommt. Verfassungs-, unions- oder völkerrechtliche Gewährleistungen sowie atypische Umstände des Einzelfalles, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigen, können Ausnahmen vom Regelfall des § 5 Abs. 1 Nr. 1 [X.] rechtfertigen (Urteile vom 26. August 2008 a.a.[X.] Rn. 27, vom 16. November 2010 - [X.]VerwG 1 [X.] 21.09 - [X.]VerwGE 138, 148 Rn. 18 und vom 22. Mai 2012 - [X.]VerwG 1 [X.] 6.11 - DV[X.]l 2012, 1167 Rn. 11). Dabei sind auch im Hinblick auf das unionsrechtliche Gebot der Einzelfallprüfung die in Art. 17 der Richtlinie 2003/86/[X.] genannten Aspekte zu berücksichtigen. Ob ein Ausnahmefall vorliegt, unterliegt in jedem Fall vollständiger gerichtlicher Überprüfung (Urteil vom 22. Mai 2012 a.a.[X.]).

2.2 An diesen Grundsätzen gemessen ist die Annahme des [X.]erufungsgerichts, der Lebensunterhalt des [X.] sei gesichert, im Ergebnis weder zum Zeitpunkt der [X.]erufungsentscheidung noch bei Vollendung des 16. Lebensjahres zu beanstanden (zu den einzelnen Schritten der Einkommens- und [X.]edarfsberechnung vgl. Urteil vom heutigen Tag - [X.]VerwG 10 [X.] 4.12 - Rn. 39 ff.).

Das [X.]erufungsgericht hat bei der Prüfung der Lebensunterhaltssicherung für den Zeitpunkt seiner Entscheidung im Ansatz zutreffend auf die [X.]edarfsgemeinschaft abgestellt, deren Teil der Kläger nach seinem Zuzug wird. Allerdings gehören dieser gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3 [X.]uchst. a und Nr. 4 [X.] II nur der Vater des [X.], dessen Ehefrau, das gemeinsame Kind A. und der Kläger an, nicht jedoch dessen [X.]ruder R. Denn dieser ist auf der Grundlage seiner vom [X.]erufungsgericht festgestellten Einkünfte - wenn auch nur knapp - in der Lage, seinen Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen zu bestreiten (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 Halbs. 2 [X.] II), so dass er weder in die Einkommens- noch in die [X.]edarfsberechnung einzustellen ist. Auch wenn man in der Einkommensberechnung für die [X.]edarfsgemeinschaft überschlägig die Unterhaltszahlungen fortschreibend berücksichtigt, die der Vater für den weiteren [X.]ruder des [X.] in der [X.] jedenfalls im [X.] tatsächlich geleistet hat, ist der Überschuss ausreichend, um von einer Sicherung des Lebensunterhalts für den Kläger auszugehen.

Das gleiche gilt für den Zeitpunkt der Vollendung des 16. Lebensjahres des [X.] am 10. November 2009. Denn die Einkünfte der [X.]edarfsgemeinschaft übersteigen auch bei Abzug der genannten Unterhaltsleistungen sowie der tatsächlichen, aus dem Einkommensteuerbescheid ersichtlichen Werbungskosten die [X.]edarfssumme erheblich. Daher konnte das [X.]erufungsgericht ohne [X.]undesrechtsverstoß offen lassen, ob der Stiefbruder des [X.] [X.]. S. im Hinblick auf seine Einkünfte zu diesem Zeitpunkt der [X.]edarfsgemeinschaft angehört hat oder nicht.

Meta

10 C 14/12

29.11.2012

Bundesverwaltungsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 10. Mai 2012, Az: 11 B 29.10, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29.11.2012, Az. 10 C 14/12 (REWIS RS 2012, 896)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 896

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Wird zitiert von

19 B 8797/17

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1 BvR 3189/09

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