Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.04.2015, Az. XII ZB 148/14

12. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 12959

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Gegenstand

Anerkennung und Vollstreckbarerklärung der im Wege der einstweiligen Anordnung erlassenen Sorgerechtsentscheidung eines ungarischen Gerichts: Bestellung eines Verfahrensbeistandes für das Kind; Anerkennungshindernis bei unterbliebener Bestellung eines Beistands im Verfahren vor dem Ausgangsgericht


Leitsatz

1. Im Verfahren auf Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung nach der Brüssel IIa-Verordnung ist kein Verfahrensbeistand zu bestellen.

2. Handelt es sich bei der anzuerkennenden Entscheidung um eine einstweilige Anordnung zum Sorgerecht, steht der Umstand, dass das Ausgangsgericht dem Kind keinen Verfahrensbeistand bestellt hat, einer Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung grundsätzlich nicht entgegen.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 17. Zivilsenats - Familiensenat - des [X.] vom 5. März 2014 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.

[X.]: 5.000 €

Gründe

A.

1

Die Antragstellerin begehrt die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung einer zu ihren Gunsten erfolgten Sorgerechtsentscheidung eines [X.] Gerichts (im Folgenden: Kreisgericht).

2

Aus der Ehe der Beteiligten ist eine am 1. April 2010 geborene Tochter hervorgegangen. Die Antragstellerin (im Folgenden: Mutter) hat die [X.], der Antragsgegner (im Folgenden: Vater) die [X.] und das Kind sowohl die [X.] als auch die [X.] Staatsangehörigkeit.

3

Die Beteiligten lebten zunächst in [X.]. Nach einem gemeinsamen Aufenthalt in [X.] kam es im Juni 2012 zu einem Streit zwischen den Eheleuten; die Mutter verblieb mit dem Kind in [X.]. Im Oktober 2012 leitete sie dort ein Ehescheidungsverfahren ein. Im Laufe des Verfahrens einigten sich die Eltern darauf, dass das Kind bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens bei der Mutter leben sollte.

4

Nachdem der Vater das Kind nach Ausübung seines Umgangsrechts nicht zur Mutter zurückgebracht hatte, erwirkte sie beim Kreisgericht eine einstweilige Anordnung, mit der ihr das Sorgerecht für das Kind übertragen und das Umgangsrecht des [X.] mit dem Kind geregelt wurde. Ferner wurde der Vater verpflichtet, das Kind innerhalb von zwei Tagen an die Mutter herauszugeben. Eine hiergegen eingelegte Berufung des [X.] zum Landgericht blieb erfolglos.

5

Das Amtsgericht hat auf Antrag der Mutter die Anerkennung der Sorgerechtsentscheidung ausgesprochen und die Herausgabeverpflichtung mit einer Vollstreckungsklausel für das Gebiet der Bundesrepublik [X.] versehen. Das [X.] hat die Beschwerde des [X.] zurückgewiesen. Hiergegen wendet er sich mit seiner Rechtsbeschwerde.

B.

6

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

I.

7

Das Rechtsmittel ist zulässig.

8

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 1 Nr. 1, 28 des Gesetzes zur Aus- und Durchführung bestimmter Rechtsinstrumente auf dem Gebiet des internationalen Familienrechts (Internationales Familienrechtsverfahrensgesetz - IntFamRVG) vom 26. Januar 2005 ([X.] I S. 162) [X.]. Art. 21, 28, 34 der Verordnung ([X.]) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung ([X.]) Nr. 1347/2000 (im Folgenden: [X.]) statthaft (vgl. Senatsbeschluss vom 25. Juli 2012 - [X.] 170/11 - FamRZ 2012, 1561 Rn. 6).

9

Gemäß §§ 1 Nr. 1, 28 IntFamRVG [X.]. § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist die Rechtsbeschwerde auch im Übrigen zulässig, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet.

1. Das [X.] hat seine in [X.], 1567 veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet:

Bei Anwendung der vom [X.] und vom [X.] aufgestellten Grundsätze sei festzustellen, dass das Kreisgericht seine Entscheidung als gemäß Art. 8 ff. [X.] international zuständiges Gericht habe treffen wollen. Zwar habe es in seinem Beschluss nicht ausdrücklich auf die Zuständigkeitsnormen der [X.] Bezug genommen. Unter Berücksichtigung der Gründe des Beschlusses ergebe sich indes die Hauptsachezuständigkeit gemäß Art. 8 ff. [X.] "ersichtlich" aus der erlassenen Entscheidung. Ausweislich ihrer Gründe könne kein Zweifel daran bestehen, dass das Kreisgericht von einem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes in [X.] ausgegangen sei, wodurch die allgemeine internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte gemäß Art. 8 [X.] für Entscheidungen über die elterliche Verantwortung begründet worden sei. Damit seien für die Anerkennung der Entscheidung die Art. 21 ff. [X.] anwendbar.

Nach Art. 21 Abs. 1 [X.] gelte der Grundsatz, dass Entscheidungen auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung aus anderen Mitgliedstaaten automatisch anerkannt würden. Die im Verfahren nach Art. 21 Abs. 3 [X.] zu prüfenden Anerkennungshindernisse für Entscheidungen betreffend die elterliche Verantwortung seien in Art. 23 [X.] abschließend aufgeführt. Wenn das Gericht des [X.] seine Zuständigkeit - wie hier - gemäß Art. 8 ff. [X.] bejaht habe, sei das Gericht des [X.] aufgrund des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens, der der Anerkennungssystematik der [X.] zugrunde liege, nach Art. 24 [X.] an die Beurteilung der Zuständigkeit des Erstgerichts gebunden, weshalb die internationale Zuständigkeit des Gerichts des [X.] nicht überprüft werden dürfe. Ebenfalls irrelevant für das Anerkennungsverfahren sei der Einwand des [X.], es entspreche dem Wohl des Kindes mehr, wenn es seinen Aufenthalt bei ihm statt bei der Mutter in [X.] habe. Ebenso wenig sei im Anerkennungsverfahren der Wille des Kindes zu berücksichtigen. Denn Art. 26 [X.] verbiete eine inhaltliche Nachprüfung der anzuerkennenden Entscheidung betreffend die elterliche Verantwortung. Ausgeschlossen sei damit auch die Prüfung, ob das Gericht des [X.] die Tatsachen richtig festgestellt und gewürdigt habe.

Soweit der Vater annehme, dass die Entscheidung des [X.] in [X.] widerspreche, sei dies nicht zu prüfen. Denn gemäß Art. 23 lit. a [X.] bestehe ein Anerkennungshindernis nur dann, wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung des Mitgliedstaats, in dem sie beantragt werde, d.h. dem [X.]n ordre public, widerspreche. Nachdem weder nach dem Vortrag des [X.] noch nach dem Akteninhalt ein Verstoß gegen den [X.]n ordre public ersichtlich sei, der nur dann anzunehmen sei, wenn die Anerkennung der ausländischen Entscheidung gegen ein grundlegendes Prinzip der Rechtsordnung des [X.] verstoße, liege kein Anerkennungshindernis gemäß Art. 23 lit. a [X.] vor.

Ebenfalls nicht gegeben sei ein Anerkennungshindernis gemäß Art. 23 lit. b [X.]. Zwar sei das Kind durch das Kreisgericht nicht angehört worden. Eine Pflicht zur Anhörung des Kindes habe aber nicht bestanden. Abgesehen davon, dass es zum damaligen Zeitpunkt gerade erst drei Jahre alt und zudem unbekannten Aufenthalts gewesen sei, habe es sich um einen "dringenden Fall" gehandelt, nämlich ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.

Das Amtsgericht habe auch zu Recht und im gebotenen Umfang die Entscheidung des [X.] für vollstreckbar erklärt. Die Voraussetzungen für eine Vollstreckbarerklärung nach Art. 28 [X.] lägen vor. Es bestünden auch keine Versagungsgründe nach Art. 23 [X.], auf den in Art. 31 Abs. 2 [X.] für die Vollstreckbarerklärung verwiesen werde. Anders als Sorgerechtsregelungen, bei denen es sich um Gestaltungs- bzw. Feststellungsentscheidungen handele, seien [X.] einer Vollstreckbarerklärung zugänglich. Das Amtsgericht habe daher in zutreffender Weise die Vollstreckbarerklärung nur auf die Herausgabeverpflichtung aus dem Beschluss des [X.] erstreckt.

2. Dies hält rechtlicher Überprüfung stand. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde brauchte das [X.] in dem Verfahren auf Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung nach der [X.] [X.] für das Kind keinen Verfahrensbeistand zu bestellen. Ebenso wenig sind Gründe ersichtlich, die eine Versagung der Anerkennung bzw. Vollstreckbarkeitserklärung rechtfertigten.

a) Zu Recht hat das [X.] seine Entscheidung auf Art. 21 ff. [X.] gegründet, obwohl es sich bei der anzuerkennenden Entscheidung um eine einstweilige Anordnung handelt.

aa) [X.] das Gericht eine einstweilige Maßnahme, die den Bereich der elterlichen Sorge betrifft, ist für die Anwendung der Art. 21 ff. [X.] darauf abzustellen, ob das Ursprungsgericht seine Zuständigkeit auf Art. 8 ff. [X.] gestützt hat. Denn Art. 24 [X.] untersagt es dem Vollstreckungsgericht, die Zuständigkeit des Gerichts des [X.] zu überprüfen. Hat das Ursprungsgericht seine Zuständigkeit nach Art. 8 ff. [X.] bejaht, ist das Vollstreckungsgericht an diese Beurteilung der Zuständigkeit gebunden (Senatsbeschluss [X.], 270 = FamRZ 2011, 542 Rn. 16, 22). Ist dies zweifelhaft, ist anhand seiner Ausführungen in der Entscheidung zu prüfen, ob es seine Zuständigkeit auf eine Vorschrift der [X.] stützen wollte (Senatsbeschlüsse [X.], 270 = FamRZ 2011, 542 Rn. 23 und vom 28. April 2011 - [X.] 170/11 - FamRZ 2011, 959 Rn. 9).

bb) Diese Maßstäbe hat das [X.] zutreffend auf den vorliegenden Fall angewandt. Zwar hat das Kreisgericht die [X.] [X.] nicht ausdrücklich erwähnt. Zu Recht stellt das [X.] indes darauf ab, es lasse sich der Begründung eindeutig entnehmen, dass das Kreisgericht von einem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes in [X.] ausgegangen war. Dies wird schließlich auch von der Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel gezogen.

b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist im Verfahren auf Anerkennung bzw. auf Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung gemäß Art. 21 ff. und 28 ff. [X.] kein Verfahrensbeistand für das Kind zu bestellen.

aa) Das Verfahren nach der [X.] [X.] sieht die Bestellung eines [X.] nicht vor. In diesem Verfahren geht es ausschließlich um die Prüfung der Voraussetzungen für die Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung, nicht aber um eine materiell-rechtliche Entscheidung in [X.], wie sie die Bestimmung des § 158 FamFG voraussetzt.

(1) Gemäß Art. 21 Abs. 1 [X.] werden die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. Nach Art. 21 Abs. 3 [X.] kann eine Partei, die - wie hier die Mutter - ein Interesse hat, eine Entscheidung über die Anerkennung beantragen. Art. 23 [X.] benennt die Gründe, bei deren Vorliegen eine Entscheidung über die elterliche Verantwortung nicht anerkannt wird. Schließlich bestimmt Art. 26 [X.], dass die anzuerkennende Entscheidung keinesfalls in der Sache selbst nachgeprüft werden darf.

Nach Art. 28 Abs. 1 [X.] werden die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen über die elterliche Verantwortung für ein Kind, die in diesem Mitgliedstaat vollstreckbar und die zugestellt worden sind, in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt, wenn sie dort auf Antrag einer berechtigten Partei für vollstreckbar erklärt wurden. Gemäß Art. 31 Abs. 2 [X.] kommen für eine Ablehnung des Antrages ebenfalls die Versagungsgründe des Art. 23 [X.] zum Tragen.

Hinsichtlich des Verfahrens finden gemäß § 1 Nr. 1 IntFamRVG die §§ 16 bis 31 IntFamRVG Anwendung. Diese für das Vollstreckungsverfahren geltenden Normen sind gemäß § 32 IntFamRVG auch auf das Verfahren der Anerkennungsfeststellung anzuwenden. Zudem besagt § 14 Nr. 2 IntFamRVG, dass das Familiengericht über den Antrag auf Feststellung der Anerkennung als Familiensache im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit entscheidet. Zwar wird damit das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) in Bezug genommen. Das bedeutet entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde indes nicht, dass danach das Anerkennungsverfahren wie ein Sorgerechtsverfahren zu führen ist und damit § 158 FamFG zur Anwendung gelangt. Vielmehr sind nur die Verfahrensvorschriften anzuwenden, die für das Anerkennungsverfahren von Belang sind.

(2) § 50 [X.], der die Bestellung des Verfahrenspflegers ursprünglich regelte (jetzt § 158 FamFG: Verfahrensbeistand), war mit dem Kindschaftsrechtsreformgesetz vom 16. Dezember 1997 ([X.] I S. 2942) zum 1. Juli 1998 in das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ([X.]) eingefügt worden. Dabei hat sich der Gesetzgeber von der Erwägung leiten lassen, dass in familiengerichtlichen Verfahren im Einzelfall trotz der vorhandenen verfahrensrechtlichen Bestimmungen, die eine nach materiellem Recht am Kindeswohl zu orientierende Gerichtsentscheidung ermöglichen sollen (Amtsermittlungsgrundsatz, Anhörung des Kindes und des [X.], Beschwerderecht für Minderjährige über 14 Jahre), Defizite bei der Wahrung der Interessen der von diesen Verfahren besonders betroffenen Kinder auftreten können (BT-Drucks. 13/4899 [X.]). Dazu heißt es in der Gesetzesbegründung u.a.: "Es fehlt bislang im Verfahren in den Fällen, in denen erhebliche Interessengegensätze zwischen dem Kind und den gesetzlichen Vertretern bestehen und in denen die gesetzlichen Vertreter infolgedessen die Kindesinteressen nicht in das Verfahren einbringen, an einer Person, die allein die Interessen des Kindes wahrnimmt" (BT-Drucks. 13/4899 [X.] f.). Die Bestellung von [X.] solle nur in solchen Verfahren angeordnet werden, in denen sie auf Grund der konkreten Umstände im Einzelfall notwendig sei, weil sonst die Wahrung der Kindesinteressen nicht gewährleistet sei. Nur in diesem - engen - Rahmen sei wegen des damit verbundenen Eingriffs in das Elternrecht eine Verfahrenspflegerbestellung gerechtfertigt (BT-Drucks. 13/4899 S. 130).

(3) Gemessen hieran besteht im Anerkennungsverfahren nach der [X.] [X.] keine Notwendigkeit, einen Verfahrensbeistand zu bestellen.

Das Verfahren nach der [X.] [X.] dient allein der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung, nicht aber einer Überprüfung der Entscheidung in der Sache; vielmehr verbietet Art. 26 [X.] eine solche Überprüfung (Verbot der [X.]). Damit ist es - jenseits der Versagungsgründe des Art. 23 [X.] - nicht Gegenstand des [X.], eine neue und eigenständige am Kindeswohl zu orientierende Prüfung durchzuführen, weshalb es einer Unterstützung des Kindes durch einen Verfahrensbeistand nicht bedarf. Der Einschränkung der Überprüfungsmöglichkeiten des Gerichts liegt die Prämisse des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug darauf zugrunde, dass ihre jeweiligen nationalen Rechtsordnungen in der Lage sind, einen gleichwertigen und wirksamen Schutz der auf Unionsebene und insbesondere in der [X.] zu bieten ([X.] FamRZ 2011, 355 Rn. 70).

bb) Soweit die Rechtsbeschwerde auf das vorliegende Verfahren die Rechtsprechung des [X.] anwenden will, wonach unter bestimmten Umständen im Verfahren nach dem [X.] Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25. Oktober 1980 ([X.] [X.] - [X.]) ein Verfahrensbeistand zu bestellen ist, verkennt sie, dass die Verfahren nicht vergleichbar sind.

(1) In Art. 13 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 [X.] ist geregelt, dass eine Rückgabeanordnung ausnahmsweise unterbleiben kann, wenn die Rückgabe das Kind in eine unzumutbare Lage brächte oder das Kind sich der Rückgabe in einer angesichts seines Alters und seiner Reife beachtlichen Weise widersetzt.

Nach der Rechtsprechung des [X.]s ist das [X.] [X.] dem Kindeswohl in gleicher Weise verpflichtet wie das [X.] Verfassungsrecht. Es betont die Bedeutung des Kindeswohls in der Präambel und gewährleistet seine Beachtung im Zusammenspiel von Rückführung als Regel (Art. 12 Abs. 1 [X.]) und Ausnahmen nach Art. 13 und Art. 20 [X.], wonach [X.] unterbleiben, wenn sie mit dem Kindeswohl unvereinbar sind ([X.] FamRZ 1999, 85, 87). Der Tatrichter muss die Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 [X.]. Abs. 3 [X.] im Falle gegenläufiger Rückführungsanträge nach dem [X.] [X.] näher prüfen, um dem Schutzauftrag des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG und dem Grundrecht der Kinder aus Art. 2 Abs. 1 GG gerecht zu werden ([X.] FamRZ 1999, 85, 88). In einem solchen Fall muss den Kindern die Möglichkeit eingeräumt werden, ihr eigenes Interesse, das möglicherweise weder von den Eltern noch von dem Gericht zutreffend erkannt oder formuliert wird, in einer den Anforderungen des rechtlichen Gehörs entsprechenden Eigenständigkeit im Verfahren geltend zu machen. Dieses geschieht bei Kindern, deren Alter und Reife eine eigene Wahrnehmung ihrer Verfahrensrechte nicht erlaubt, durch einen Vertreter, den § 50 [X.] als Verfahrenspfleger (jetzt Verfahrensbeistand nach § 158 FamFG) vorsieht ([X.] FamRZ 1999, 85, 88).

(2) Die Besonderheiten des Verfahrens nach dem [X.] [X.] lassen sich nicht auf das hier vorliegende Verfahren nach der [X.] [X.] übertragen.

Zwar spielen die Anhörung des Kindes (Erwägungsgrund 19) und die Wahrung der Grundrechte des Kindes (Erwägungsgrund 33) im Rahmen der [X.] [X.] ebenfalls eine wichtige Rolle. Dem Ziel, diese Rechte des Kindes zu gewährleisten, dient indes allein Art. 23 [X.], der die Gründe für die Nichtanerkennung einer Entscheidung über die elterliche Verantwortung bestimmt. Demgegenüber verbietet Art. 26 [X.] eine Überprüfung der Entscheidung in der Sache.

c) Ebenfalls zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass weder die Anerkennung noch die Vollstreckbarerklärung nach Art. 23 ([X.]. Art. 31 Abs. 2) [X.] zu versagen ist.

aa) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde widerspricht die Anerkennung der [X.] Entscheidung nicht offensichtlich dem [X.]n ordre public i.S. von Art. 23 lit. a [X.].

(1) Das gilt zunächst hinsichtlich der unterbliebenen Bestellung eines [X.] für das Kind im Ausgangsverfahren.

(a) Insoweit kommt allein ein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public in Betracht. Dieser setzt voraus, dass die Entscheidung des ausländischen Gerichts aufgrund eines Verfahrens ergangen ist, das von den Grundprinzipien des Verfahrensrechts des [X.] in einem solchen Maße abweicht, dass die Entscheidung nicht als in einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren ergangene angesehen werden kann (vgl. Senatsbeschluss [X.], 188 = [X.], 1816 Rn. 25 mwN u.a. zu § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO; [X.]/[X.] 2. Aufl. Art. 22 [X.] 2003 Rn. 5 sowie Art. 23 [X.] 2003 Rn. 3; s. auch [X.] FamRZ 2001, 257, 264, nach dem die Anforderungen für die Bestellung eines [X.] nicht unbesehen auf die Anerkennung ausländischer Entscheidungen übertragen werden sollten).

(b) Zu Recht wendet die Rechtsbeschwerdeerwiderung gegen diese Rüge ein, dass es nach den getroffenen Feststellungen an einem solchen Verstoß fehlt.

Im [X.]n Verfahrensrecht hat das Gericht gemäß § 158 Abs. 1FamFG dem minderjährigen Kind in [X.], die seine Person betreffen, einen geeigneten Verfahrensbeistand zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. Der Verfahrensbeistand hat gemäß § 158 Abs. 4 Satz 1 und 2 FamFG das Interesse des Kindes festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen und das Kind über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in geeigneter Weise zu informieren.

Danach wäre im vorliegenden Fall auch nach [X.]m Verfahrensrecht die Bestellung eines [X.] nicht zwingend erforderlich gewesen. Zwar mag der mögliche Wechsel des Kindes vom - in [X.] lebenden - Vater zur Mutter nach [X.] die Bestellung eines [X.] nahelegen. Zu berücksichtigen ist vorliegend indes, dass das Kreisgericht im Eilverfahren entschieden hat und dass weder ihm noch der Mutter der Aufenthaltsort des im Zeitpunkt der Entscheidung des [X.] dreijährigen Kindes bekannt waren. Schon aus diesem Grund wäre es dem Verfahrensbeistand nicht möglich gewesen, das Interesse des Kindes festzustellen. Ebenso wenig wäre er tatsächlich in der Lage gewesen, das Kind über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in geeigneter Weise zu informieren. Daher erscheint es auch nach [X.]m Verfahrensrecht vertretbar, in einer solchen Situation von der Bestellung eines [X.] abzusehen. Jedenfalls stellt der Beschluss des [X.] keine Entscheidung dar, die nicht in einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren ergangen wäre.

(2) Auch begründen die Ausführungen des [X.], wonach das Kind wegen seines Alters dringend der mütterlichen Betreuung bedürfe, entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde keinen Verstoß gegen den [X.]n ordre public gemäß Art. 23 lit. a [X.].

(a) Einschlägig wäre insoweit der materielle ordre public. Aus der Notwendigkeit, gemäß Art. 23 lit. a [X.] auch das Wohl des Kindes zu berücksichtigen, folgt eine einheitliche Prüfung des ordre public unter besonderer Gewichtung des Kindeswohls als einem "integralen Bestandteil" der öffentlichen Ordnung im Bereich der elterlichen Sorge ([X.]/[X.] Art. 23 [X.] IIa Rn. 2; s. auch [X.]/[X.] 2. Aufl. Art. 23 [X.] 2003 Rn. 2 und [X.]/[X.] EuZPR/[X.] [2010] Art. 23 [X.] Rn. 4). Dabei sind die ultima-ratio-Funktion des ordre [X.] und das Kindeswohl im Rahmen einer praktischen Konkordanz zu bestmöglicher Verwirklichung zu bringen. Der Prüfungsmaßstab richtet sich nach dem Recht des [X.] ([X.]/[X.] Art. 23 [X.] IIa Rn. 2). Auch wenn danach die Anerkennung von [X.] der Berücksichtigung des Kindeswohls verpflichtet bleibt, darf dieser Kontrollmaßstab nicht zu einer - gemäß Art. 26 [X.] unzulässigen - Sachprüfung führen ([X.] FamRZ 2001, 257, 263).

(b) Gemessen hieran ist es von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass das [X.] die Anerkennung der [X.] Sorgerechtsentscheidung nicht versagt hat. Zu Recht weist die Rechtsbeschwerdeerwiderung darauf hin, dass die Rechtsbeschwerde die entsprechenden Ausführungen des [X.] selektiv dargestellt hat. Denn tatsächlich hat es eine umfassende Abwägung aller Umstände vorgenommen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Kreisgericht auch nicht den [X.] aufgestellt, dass die Mutter im Hinblick auf das Kindesalter besser geeignet sei, das Sorgerecht auszuüben. Im Übrigen lässt sich auch der Entscheidung des [X.] in der Berufungsinstanz eine nach Maßstäben des [X.]n ordre public nicht zu beanstandende Abwägung entnehmen.

bb) Ebenso wenig führt die unterbliebene Anhörung des Kindes nach Art. 23 lit. b [X.] zur Versagung der Anerkennung der [X.] Entscheidung.

Danach ist eine Entscheidung nicht anzuerkennen, wenn sie - ausgenommen in dringenden Fällen - ergangen ist, ohne dass das Kind die Möglichkeit hatte, gehört zu werden, und damit wesentliche verfahrensrechtliche Grundsätze des Mitgliedstaats, in dem die Anerkennung beantragt wird, verletzt werden.

Gemessen hieran steht auch die unterbliebene Kindesanhörung der Anerkennung nicht entgegen, weil die anzuerkennende Entscheidung im Eilverfahren ergangen ist. Im Übrigen konnte das Gericht das Kind nicht anhören, weil der Vater den [X.] Gerichten den Aufenthaltsort des Kindes nicht bekannt gegeben hatte.

cc) Schließlich geht die Rüge der Rechtsbeschwerde fehl, dass die in [X.] unterbliebene Anhörung von dem Amtsgericht im Rahmen des [X.] hätte nachgeholt werden müssen.

Im Anerkennungsverfahren ist lediglich zu überprüfen, ob der gemäß Art. 21 Abs. 1 [X.] automatisch eintretenden Anerkennung Versagungsgründe entgegenstehen. Ist dies etwa wegen einer gemäß Art. 23 lit. b [X.] erforderlichen, aber unterbliebenen Anhörung der Fall, ist die Rechtsfolge, dass die Anerkennung zu versagen ist. Verfahrensfehler, die zur Nichtanerkennung führen, können dagegen nicht im Anerkennungsverfahren geheilt werden. Denn damit ginge die Prüfung einher, ob der Erstrichter das Verfahren richtig entschieden hat, was im Anerkennungsverfahren gemäß Art. 26 [X.] ausdrücklich einer Nachprüfung entzogen ist ([X.] FamRZ 2001, 257, 263).

d) Von einer weiteren Begründung wird auch im Hinblick auf den Senatsbeschluss vom 30. April 2014 ([X.] 148/14 - juris) gemäß § 30 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 IntFamRVG [X.]. § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

[X.]

               Botur                             Guhling

Meta

XII ZB 148/14

08.04.2015

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Stuttgart, 5. März 2014, Az: 17 UF 262/13, Beschluss

Art 23 EGV 2201/2003, § 14 Nr 2 IntFamRVG, § 158 FamFG, § 159 FamFG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.04.2015, Az. XII ZB 148/14 (REWIS RS 2015, 12959)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 1603 REWIS RS 2015, 12959

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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