Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.10.2020, Az. KVR 64/19

Kartellsenat | REWIS RS 2020, 2139

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Kartellverwaltungssache: Beschwerdebefugnis des Zielunternehmens in der Fusionskontrolle


Tenor

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Betroffene zu 1 meldete beim [X.] das Vorhaben an, ihre Beteiligung an der Betroffenen zu 2 von 22,48 % auf 28,76 % zu erhöhen. Das [X.] gab das [X.] frei. Die dagegen von der Betroffenen zu 2 eingelegte Beschwerde wurde vom Beschwerdegericht als unzulässig verworfen.

2

Dagegen hat sich die Betroffene zu 2 mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde gewandt. Während des [X.] hat die Betroffene zu 1 ihre gesamte Beteiligung an der Betroffenen zu 2 an einen Dritten verkauft. Die Betroffene zu 2 und das [X.] haben daraufhin das Rechtsbeschwerdeverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt und beantragt, die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben.

3

II. Aufgrund der übereinstimmenden [X.]rledigungserklärungen hat der Senat nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Diese [X.]ntscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss in entsprechender Anwendung von § 161 Abs. 2 Satz 1, § 101 Abs. 3 VwGO; § 91a Abs. 1 Satz 2, § 128 Abs. 3, 4 ZPO (vgl. KG, [X.]/[X.] 4648, 4649; [X.] in [X.]/Bunte, [X.], 13. Aufl., § 73 Rn. 13 a.[X.].).

4

1. [X.]ntsprechend der Vereinbarung der Betroffenen zu 2 mit dem [X.] sind die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben; eine [X.]rstattung notwendiger Auslagen findet insoweit nicht statt. Soweit die Betroffene zu 1 begehrt, ihre Auslagen der Betroffenen zu 2 aufzuerlegen, ist darüber gemäß § 78 [X.] i.V.m. § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO, § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO nach billigem [X.]rmessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Dabei genügt eine summarische Prüfung der [X.]rfolgsaussicht in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht. Ist der Verfahrensausgang danach offen, kommt eine [X.]rstattung außergerichtlicher Kosten nicht in Betracht (vgl. [X.], Beschluss vom 31. Mai 2006 - [X.] 1/05, [X.]/[X.] D[X.]-R 1783 - Call Option, juris Rn. 8).

5

2. So liegt der Fall hier. Der Verfahrensausgang ist offen. Das Beschwerdegericht hat die Begründetheit der Beschwerde nicht geprüft und dazu keine Feststellungen getroffen. Die Zulässigkeit der Beschwerde ist nicht ohne Weiteres zu verneinen.

6

a) Der Senat hat bisher noch nicht entschieden, ob und gegebenenfalls unter welchen weiteren Voraussetzungen das Zielunternehmen eines Zusammenschlusses gegen eine Freigabeentscheidung des [X.]s beschwerdebefugt sein kann. Das Beschwerdegericht hat zutreffend erkannt, dass die von ihm erörterte Senatsrechtsprechung andere Fallkonstellationen betrifft.

7

aa) Im Fall [X.] ([X.], Beschluss vom 9. Oktober 2012, juris) war das Zielunternehmen durch die Freigabe eines Zusammenschlusses nicht materiell beschwert, weil der in Rede stehende Anteilserwerb in seinem Gesellschaftsvertrag vorgesehen war (zur fehlenden materiellen Beschwer von Vertragsbeteiligten durch eine die Vertragsdurchführung fördernde Verfügung des [X.] vgl. auch [X.], Beschluss vom 31. Oktober 1978 - [X.] 7/77, [X.]/[X.] [X.] 1562, juris Rn. 33 - Air-Conditioning).

8

bb) In der Sache "Anteilsveräußerung" ([X.], Beschluss vom 25. September 2007 - [X.] 25/06, [X.]/[X.] D[X.]-R 2138 Rn. 13 bis 17) war die materielle Beschwer entfallen, nachdem der Beschwerdeführer seinen Anteil am Zielunternehmen nahezu vollständig veräußert hatte. Zwar hat der Senat hier ausgeführt, im Falle einer zu Unrecht ergangenen Freigabe eines Zusammenschlusses solle die gerichtliche Kontrolle Wettbewerber davor schützen, in ihren wirtschaftlichen Gestaltungsspielräumen durch das marktbeherrschende Unternehmen eingeschränkt zu werden. [X.]ine materielle Beschwer liege bei einem Beteiligten nur vor, wenn er durch die Freigabe eines Zusammenschlusses in seinem eigenen unternehmerischen und wettbewerblichen Betätigungsfeld auf dem relevanten Markt nachteilig betroffen sei ([X.], [X.]/[X.] D[X.]-R 2138 Rn. 16 - Anteilsveräußerung). Das Zielunternehmen kann aber durch die Freigabe eines Zusammenschlusses in seiner unternehmerischen und wettbewerblichen Tätigkeit nachteilig betroffen sein, etwa wenn ihm infolge einer "feindlichen Übernahme" die [X.]ntwicklung und Umsetzung einer eigenständigen Wettbewerbsstrategie verwehrt wird.

9

b) Der Rechtsprechung des Senats kann danach jedenfalls nicht ohne Weiteres entnommen werden, dass die Beschwerdebefugnis gegen die Freigabe eines Zusammenschlusses auf Wettbewerber des Zielunternehmens oder der Zusammenschlussbeteiligten beschränkt ist. Der vom Beschwerdegericht bejahten Frage, ob nur Dritte außerhalb des Kreises der [X.] beschwerdebefugt sind, kommt danach - wie das Beschwerdegericht zutreffend erkannt hat - rechtsgrundsätzliche Bedeutung zu. Bei der gebotenen summarischen Prüfung ist nicht veranlasst, diese Frage im [X.] nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO, § 91a ZPO zu klären. Denn es entspricht nicht dem Zweck der [X.]ntscheidung über die Kosten nach [X.]rledigung des Rechtsstreits, Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung zu klären oder das Recht fortzubilden ([X.], Beschluss vom 18. Oktober 2011 - [X.] 35/08, [X.]/[X.] D[X.]-R 3465, juris Rn. 4 mwN).

3. Danach entspricht es billigem [X.]rmessen, von einer [X.]rstattung außergerichtlicher Kosten auch für die weiteren Verfahrensbeteiligten einschließlich der Betroffenen zu 1 abzusehen.

Meier-Beck     

        

Kirchhoff     

        

Tolkmitt

        

Picker     

        

Linder     

        

 

Meta

KVR 64/19

27.10.2020

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Düsseldorf, 10. Juli 2019, Az: VI-2 Kart 1/18 (V), Beschluss

§ 40 GWB, § 63 GWB, § 78 GWB, § 161 Abs 2 S 1 VwGO, § 91a ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.10.2020, Az. KVR 64/19 (REWIS RS 2020, 2139)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2139

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

KVZ 100/10 (Bundesgerichtshof)

Fusionskontrollverfahren: Zulässigkeit der Beschwerde eines beigeladenen Verbands gegen die Freigabeentscheidung des Bundeskartellamts


KVR 25/06 (Bundesgerichtshof)


KVR 57/16 (Bundesgerichtshof)

Fusionskontrolle: Befugnis des Bundeskartellamts zur Untersagung eines gegen das Vollzugsverbots verstoßenden Verhaltens; unter das Vollzugsverbot …


KVR 64/17 (Bundesgerichtshof)

Fusionskontrolle: Befugnisse des Bundeskartellamts bei Verstoß gegen das Vollzugsverbot; Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen …


KVR 33/09 (Bundesgerichtshof)

Fusionskontrolle: Fortsetzungsfeststellungsantrag wegen Präjudizwirkung einer Untersagungsverfügung bei Vollzug des Zusammenschlussvorhabens durch bedingte Freigabe - EDEKA/Plus


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.