Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.10.2010, Az. KVR 33/09

Kartellsenat | REWIS RS 2010, 2682

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Gegenstand

Fusionskontrolle: Fortsetzungsfeststellungsantrag wegen Präjudizwirkung einer Untersagungsverfügung bei Vollzug des Zusammenschlussvorhabens durch bedingte Freigabe - EDEKA/Plus


Leitsatz

EDEKA/Plus

Eine Untersagungsverfügung kann nur dann eine zur Zulässigkeit eines Fortsetzungsfeststellungsantrags führende Präjudizwirkung entfalten, wenn ein gleichartiges Zusammenschlussvorhaben wie das untersagte möglich erscheint. Dafür ist grundsätzlich erforderlich, dass das Zielunternehmen des Zusammenschlussvorhabens bei im Wesentlichen unveränderten Marktverhältnissen noch am Markt ist und erneut als Beteiligter eines Zusammenschlussvorhabens in Betracht kommt. Besteht das Zielobjekt dagegen nicht mehr, weil das Zusammenschlussvorhaben unter Nebenbestimmungen freigegeben und vollzogen worden ist, scheidet ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse regelmäßig aus .

Tenor

Die Rechtsbeschwerden der Betroffenen zu 1 und 2 gegen den Beschluss des 1. Kartellsenats des [X.] vom 27. Mai 2009 werden zurückgewiesen.

Die Betroffenen zu 1 und 2 tragen die Kosten des [X.] einschließlich der notwendigen Auslagen des [X.]. Die notwendigen Auslagen der Beigeladenen im Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erstattet.

Gründe

1

I. Die Betroffene zu 1, die [X.] Zentrale [X.] (im Folgenden: [X.]), ist die Führungsgesellschaft der [X.]-Gruppe. Diese betreibt mehr als 6.600 [X.]. Die Betroffene zu 2, die [X.] (im Folgenden: [X.]), unterhält im Lebensmitteleinzelhandel über die Kaiser's [X.] AG Supermärkte und betrieb über die Betroffene zu 3, die [X.] (im Folgenden: [X.]), bei der es sich um ihr hundertprozentiges Tochterunternehmen handelte, Discountmärkte.

2

[X.] und [X.] beabsichtigten, ihre jeweiligen inländischen Lebensmittel-Discountaktivitäten in einem Gemeinschaftsunternehmen, der neu zu errichtenden [X.] [X.] (im Folgenden: [X.]), zusammenzuführen. Hieran sollten [X.] - zum Teil über eine Beteiligung an [X.], zum Teil direkt - zu 70% und [X.] zu 30% beteiligt werden. Sodann sollte [X.] ihr wesentliches operatives [X.] Discountgeschäft mit rund 2.900 [X.]-Filialen und [X.] ihr operatives Geschäft der [X.] GmbH & Co. OHG, [X.], mit mehr als 1.000 Filialen im Lebensmitteleinzelhandel in die [X.] einbringen. [X.] sollte von [X.] und [X.] gemeinsam kontrolliert werden. Des Weiteren war eine Kooperation von [X.] und [X.] beim [X.]inkauf für das Supermarktgeschäft beabsichtigt.

3

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das [X.] das [X.] nur unter umfangreichen Nebenbestimmungen freigegeben ([X.]/[X.] D[X.]-V 1607). Unter anderem hat es die Freigabe unter folgende aufschiebende Bedingungen gestellt:

[X.] a des Beschlusses

Innerhalb von sechs (höchstens neun) Monaten nach Zustellung der Freigabeverfügung veräußert [X.] sämtliche [X.]-Standorte, die in näher bezeichneten und zu sieben "Clustern" zusammengefassten geographischen Bereichen belegen sind, an Dritte und schließt unveräußerliche Standorte.

[X.] e

Am Gemeinschaftsunternehmen [X.] werden [X.] mit durchgerechnet 80% und [X.] mit durchgerechnet 20% beteiligt, indem [X.] einen Geschäftsanteil von 17% und [X.] einen solchen von 83% an der [X.] halten und am Gemeinschaftsunternehmen [X.] die [X.] mit 24% und [X.] mit 76% beteiligt werden.

[X.] f

In den gesellschaftsrechtlichen Regelungen der [X.] und des Gemeinschaftsunternehmens [X.] ist eine gemeinsame Kontrolle der Unternehmen durch [X.] und [X.] auszuschließen, indem [X.] allein von [X.] und das Gemeinschaftsunternehmen [X.] allein von [X.] kontrolliert werden darf und die hierzu dem [X.] vorgelegten Gesellschaftsverträge nur mit Zustimmung des Amtes geändert werden dürfen.

4

Weiter ist die Freigabeentscheidung unter anderem mit folgender Auflage versehen worden:

Nr. [X.] des Beschlusses

Für den Zeitraum von zwei Jahren nach Zustellung des Beschlusses dürfen [X.] und [X.] in den bezeichneten sieben Clustern weder geschlossene [X.]-Standorte wiedereröffnen (wozu auch der Rückkauf von Standorten zählen würde) noch in unmittelbarer Nähe zu den an Dritte veräußerten [X.] eigene [X.] neu eröffnen.

5

Die Zusammenschlussbeteiligten haben die mit der Freigabeverfügung verbundenen aufschiebenden Bedingungen fristgerecht erfüllt und das [X.] sodann vollzogen. Dabei hat [X.] über die vom [X.] vorgegebenen Beteiligungsverhältnisse hinaus [X.] im [X.]rgebnis zu 85% erworben, während [X.] nur eine Beteiligung in Höhe von 15% übernommen hat.

6

[X.], [X.] und [X.] haben gegen einzelne Nebenbestimmungen Beschwerden eingelegt. Alle Betroffenen haben die Feststellung der Rechtswidrigkeit des [X.] (aufschiebende Bedingung I 1 a) erstrebt. [X.] und [X.] haben darüber hinaus die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verbots begehrt, ein gemeinsam kontrolliertes Gemeinschaftsunternehmen zu bilden (aufschiebende Bedingungen [X.] und f). [X.] schließlich hat mit der Anfechtungsbeschwerde das Verbot einer Wiedereröffnung geschlossener [X.]-Standorte bzw. einer Neueröffnung in unmittelbarer Nähe von veräußerten [X.] (Auflage zu [X.]) angegriffen.

7

Das Beschwerdegericht hat die Beschwerden als unzulässig verworfen ([X.], [X.]/[X.] 2630). Die Betroffenen zu 1 und 2 verfolgen mit ihren vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerden ihren gemeinsamen Beschwerdeantrag weiter, die Rechtswidrigkeit der Bedingung zu I 1 a festzustellen. [X.] beantragt hinsichtlich der Auflage zu [X.] - nach Ablauf der darin bestimmten Frist - ebenfalls die Feststellung der Rechtswidrigkeit. Hinsichtlich der Bedingungen zu [X.] und f haben [X.] und das [X.] das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

8

II. [X.] sind unbegründet. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerden von [X.] und [X.] zu Recht als unzulässig verworfen. Die im Rechtsbeschwerdeverfahren erstmals als Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 71 Abs. 2 Satz 2 [X.] formulierte Beschwerde von [X.] ist ebenfalls unzulässig.

9

A. Zur Begründung seiner [X.]ntscheidung hat das Beschwerdegericht im Wesentlichen ausgeführt:

Die Freigabebedingungen seien erfüllt worden und hätten sich hierdurch erledigt. Die Beschwerde könne nur noch auf die gerichtliche Feststellung gerichtet sein, dass die angegriffenen Bedingungen rechtswidrig gewesen seien. Dafür fehle es jedoch an dem nach § 71 Abs. 2 Satz 2 [X.] erforderlichen berechtigten Interesse der Betroffenen.

Das gelte zum einen für eine Wiederholungsgefahr oder ein Interesse der Betroffenen an einer Klärung der Rechtslage im Hinblick auf ihr künftiges Verhalten im Sinne der älteren Rechtsprechung des [X.]. Denn dafür sei Voraussetzung, dass sich der Beschwerdeführer auf ein konkretes Vorhaben berufen könne, für das gleiche tatsächliche und rechtliche Verhältnisse gälten und an dem dieselben Unternehmen beteiligt seien. Weder [X.] noch [X.] hätten ein derart konkretes [X.] dargelegt.

Zum andern seien auch die vom [X.] in der [X.]ntscheidung [X.]/[X.] (Urteil vom 25. September 2007 - [X.] 30/06, [X.], 179) aufgestellten großzügigeren Voraussetzungen für ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht erfüllt. Danach genüge zwar, dass ein künftiges [X.] nur möglich erscheine. Auch diese Möglichkeit dürfe aber nicht nur theoretisch sein und müsse sich auf den der fusionskontrollrechtlichen [X.]ntscheidung zugrunde liegenden Prognosezeitraum von längstens fünf Jahren beziehen. Unverändert erforderlich sei zudem eine hinreichende präjudizielle Wirkung der angefochtenen [X.] [X.]ntscheidung. Dazu sei erforderlich, dass das künftige [X.] alle Begründungselemente aufweise, die von der Behörde als entscheidungsrelevant angesehen worden seien (quantitative Identität), und der künftige Fusionsfall in Bezug auf seine wettbewerblichen Wirkungen auf diese Begründungselemente hinreichend vergleichbar sei (qualitative Vergleichbarkeit). Auch diese Voraussetzungen seien von den Betroffenen nicht dargelegt worden.

So sei hinsichtlich einer Vielzahl der von der Beschwerde angeführten [X.]rwerbsmöglichkeiten nicht dargetan, dass sie innerhalb von maximal fünf Jahren in Betracht kämen. [X.]in Rückerwerb der an [X.] veräußerten 313 [X.]-Standorte etwa sei in dem maßgeblichen Zeitraum nicht zu erwarten, da [X.] diese Standorte aus einem langfristigen unternehmensstrategischen Interesse erworben habe.

Zum anderen fehle es auch bei künftigen [X.], bei denen [X.] als [X.]rwerberin auftrete, an der erforderlichen präjudiziellen Wirkung. Denn das [X.] habe eine marktbeherrschende Stellung von [X.] nur in einzelnen [X.] festgestellt, die es zu sieben "Clustern" zusammengefasst habe. Dabei sei es nicht nur von den in diesen Clustern bestehenden Marktanteilen von [X.] und [X.] in Höhe von gemeinsam jeweils über 33% ausgegangen, sondern habe im Rahmen einer Gesamtbetrachtung weitere regionale und bundesweite markt- und unternehmensbezogene Strukturkriterien in seine Würdigung einbezogen. Künftige [X.] würden nicht sämtliche dieser Begründungselemente aufweisen und auch in ihren wettbewerblichen Auswirkungen nicht hinreichend vergleichbar sein.

Soweit sich die Beschwerde von [X.] gegen die Auflage richte, innerhalb von zwei Jahren keinen geschlossenen [X.]-Standort wiederzueröffnen und keine Standorte in unmittelbarer Nähe verkaufter [X.]-Standorte neu zu eröffnen, fehle es [X.] an einer materiellen Beschwer.

B. Diese Ausführungen halten im [X.]rgebnis der rechtlichen Überprüfung stand.

1. Zu Recht hat das Beschwerdegericht angenommen, dass eine Anfechtung der Bedingungen in dem Beschluss des [X.]s nicht (mehr) zulässig ist, nachdem die Betroffenen sämtliche Bedingungen erfüllt haben (zur Frage der Zulässigkeit einer isolierten Anfechtung einer Bedingung im Übrigen s. [X.], [X.]/[X.] 1397, 1399; Mestmäcker/Veelken in [X.]/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 4. Aufl., [X.] § 40 Rn. 103; [X.], [X.], 5. Aufl., § 40 Rn. 26).

[X.] von [X.] angegriffene Auflage, innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren ab Zustellung des Beschlusses des [X.]s keine geschlossenen [X.]-Standorte wiederzueröffnen und in unmittelbarer Nähe zu den veräußerten [X.] keine [X.] neu zu eröffnen (Auflage [X.]). Diese Auflage war im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Rechtsbeschwerdegericht (vgl. zu diesem Zeitpunkt [X.], Urteil vom 8. Juli 1955 - [X.], [X.]Z 18, 98, 106; Beschluss vom 20. April 2010 - [X.] 1/09, [X.]/[X.] 661 Rn. 16 - [X.]/GN Store Nord) erledigt, da der [X.] abgelaufen war. Deshalb hat [X.] zu Recht ihren Antrag umgestellt und verlangt jetzt nur noch die Feststellung, dass die Auflage rechtswidrig war.

2. Im [X.]rgebnis zutreffend ist auch die Annahme des [X.], für die Feststellung, dass die in Streit stehende Bedingung (I 1 a) rechtswidrig sei, fehle es an einem berechtigten Interesse der Betroffenen i.S. des § 71 Abs. 2 Satz 2 [X.].

a) [X.]in derartiges "Fortsetzungsfeststellungsinteresse" besteht nach der älteren Rechtsprechung des Senats dann, wenn eine Wiederholung der Behördenentscheidung zu erwarten ist oder wenn die Klärung der durch die [X.]ntscheidung entstandenen unklaren Rechtslage für den Beschwerdeführer im Hinblick auf sein künftiges Verhalten von unmittelbarem Interesse ist ([X.], Beschluss vom 5. Mai 1967 - [X.] 1/65, [X.]/[X.] 852, 854 - [X.]; Beschluss vom 9. Juli 2002 - [X.] 1/01, [X.]Z 151, 260, 268 f. - Stellenmarkt für [X.]; für den Verwaltungsprozess ebenso BVerwG, NVwZ 1994, 282 f.). Dazu muss im Bereich der Fusionskontrolle mit einem vergleichbaren [X.] konkret zu rechnen sein.

b) Diese Rechtsprechung hat der Senat in der [X.]ntscheidung [X.]/[X.] weiterentwickelt. Danach kann sich im Verfahren der [X.] das Fortsetzungsfeststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr auch aus der Präjudizierung eines entsprechenden, wenn auch derzeit noch nicht absehbaren [X.]s ergeben ([X.], Beschluss vom 25. September 2007 - [X.] 30/06, [X.], 179 Rn. 16 ff. - [X.]/[X.]; Beschluss vom 14. April 2010 - [X.] 1/09, [X.]/[X.] 2905 Rn. 16 - [X.]/GN Store Nord). Damit trägt der Senat dem Umstand Rechnung, dass [X.] nach einer Untersagung durch das [X.] aus wirtschaftlichen Gründen häufig aufgegeben werden und bei einem erneuten vergleichbaren Vorhaben wiederum mit einer Untersagung zu rechnen ist. Dadurch verringern sich zugleich die Chancen des von der Untersagung Betroffenen, im Rahmen künftiger [X.] überhaupt als potenzieller Vertragspartner in [X.]rwägung gezogen zu werden. Der in dieser Situation gebotene Rechtsschutz soll den Betroffenen dadurch gewährt werden, dass im Rahmen der Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde nach § 71 Abs. 2 Satz 2 [X.] ein großzügigerer Maßstab an das Feststellungsinteresse angelegt wird.

[X.]in Bedürfnis nach zusätzlichem Rechtsschutz besteht aber dann nicht mehr, wenn sich die aus der rechtlichen Sicht der Kartellbehörde für die Untersagung maßgeblichen Gesamtumstände, insbesondere die Marktverhältnisse, so wesentlich geändert haben, dass die frühere Beurteilung keine prägende Bedeutung für die spätere Prüfung eines erneuten [X.]s haben kann. Ist eine solche Änderung eingetreten, genügt für ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse - wie der Senat in der [X.]ntscheidung [X.]/GN Store Nord klargestellt hat - nicht, dass sich einzelne in dem [X.] aufgeworfene Fragen auch bei künftigen [X.] stellen können (Beschluss vom 14. April 2010 - [X.] 1/09, [X.]/[X.] 2905 Rn. 16). Denn es ist nicht Aufgabe der Gerichte, Gutachten zu abstrakten Rechtsfragen zu erstatten, auch wenn diese für künftige [X.]ntscheidungen Bedeutung haben mögen. [X.]rforderlich ist vielmehr, dass ein unmittelbarer [X.]influss der gerichtlichen [X.]ntscheidung auf künftige Behördenentscheidungen zu erwarten ist. Nur wenn ein künftiges [X.] in Rede steht, das ohne gerichtliche Überprüfung des erledigten Vorhabens voraussichtlich ebenfalls untersagt werden würde, kann die Beschwerde nach den Grundsätzen der [X.]/[X.]-[X.]ntscheidung zulässig sein.

c) [X.]ine Untersagungsverfügung kann danach nur dann eine zur Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde führende Präjudizwirkung entfalten, wenn ein gleichartiges [X.] wie das untersagte möglich erscheint. Dafür ist grundsätzlich erforderlich, dass - wie in den Fällen [X.]/[X.] und [X.]/GN Store Nord - bei im Wesentlichen unveränderten Marktverhältnissen das Zielunternehmen des [X.]s noch am Markt ist und erneut als Beteiligter eines [X.]s in Betracht kommt. Wenn das Zielobjekt dagegen nicht mehr besteht, weil das [X.] unter Nebenbestimmungen freigegeben und danach vollzogen worden ist, scheidet ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse regelmäßig aus. Denn dann haben sich die Marktverhältnisse in der Regel in erheblicher Weise geändert. [X.]in erneutes [X.] könnte sich nur auf ein anderes Zielunternehmen beziehen. Dieses Vorhaben könnte nicht mit derjenigen Begründung untersagt oder wiederum nur unter Nebenbestimmungen freigegeben werden, mit der bei der erfolgten Freigabe unter Nebenbestimmungen die Ablehnung einer unbedingten Freigabe begründet worden ist. Möglich wäre allein, dass einzelne Begründungselemente in der neuen [X.]ntscheidung wiederholt würden. Dies allein reicht aber nicht aus, um eine Präjudizierung der [X.] [X.]ntscheidung selbst annehmen zu können.

d) Nach diesen Maßstäben ist auch im vorliegenden Fall eine ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse begründende präjudizielle Wirkung der Verfügung des [X.] zu verneinen.

aa) Das [X.] hat zur Begründung der Freigabe unter Bedingungen und Auflagen ausgeführt:

Durch das [X.] würde [X.] eine marktbeherrschende Stellung auf 66 von insgesamt 345 [X.], zusammengefasst in sieben Clustern, erlangen.

Bei der sachlichen Marktabgrenzung sei von einem einheitlichen Markt für den Lebensmitteleinzelhandel auszugehen. Innerhalb dieses Marktes sei zwischen verschiedenen Vertriebslinien zu unterscheiden. Sie beträfen die [X.] mit einem warenhausähnlichen Sortiment einschließlich eines [X.], die Vollsortimenter mit einem ebenfalls eine Vielzahl von Produkten des Lebensmitteleinzelhandels umfassenden Sortiment, die [X.] mit einer begrenzten Anzahl von Produkten und weniger (Hersteller-)Markenartikel, einer einfachen Ladenausstattung und niedrigen Preisen und schließlich die Hard-Discounter mit einer Verstärkung der Merkmale der [X.]. Im Rahmen eines stark abgestuften Wettbewerbsverhältnisses bestehe engerer Wettbewerb nur zwischen den Vertriebsschienen Vollsortimenter und [X.]. Regional seien die Märkte mit einem Radius von 20 km bzw. einer Fahrtzeit von 20 Autominuten um das jeweils prägende regionale Oberzentrum abzugrenzen.

Die überragende Marktstellung von [X.] auf den genannten [X.] ergebe sich aus einer Gesamtbetrachtung aller den Lebensmitteleinzelhandel auf regionaler und auf Bundesebene prägenden Strukturkriterien. Durch den Zusammenschluss baute [X.] ihre auf [X.] ohnehin schon bestehende herausragende Marktstellung zu einer überragenden Marktstellung aus. [X.]s wäre zu erwarten, dass [X.] nach dem Zusammenschluss so erhebliche strukturelle Vorteile hätte, dass sie die Handlungsspielräume der Wettbewerber auf Dauer einschränken oder sogar beseitigen könnte.

Für eine nach der Übernahme der [X.]-Standorte zu erwartende überragende Marktstellung von [X.] in den sieben Clustern spreche, dass [X.] auf zahlreichen der geprüften Regionalmärkte mit weitem Abstand Marktführer sei und der Zusammenschluss nicht nur zu einer Marktanteilsaddition führte, sondern auch zu einer erheblichen [X.]rweiterung des Standortnetzes von [X.]. Mit [X.] fiele durch den Zusammenschluss ein enger Wettbewerber von [X.] in den Vertriebsschienen Vollsortimenter und [X.] weg; es blieben nur noch [X.] und, mit [X.]inschränkungen, die [X.] übrig. [X.] verfüge über eine insgesamt hohe Marktpräsenz, ein umfassendes Vertriebsschienenkonzept und über die bundesweit mit Abstand größte [X.]; durch den Zusammenschluss könnte [X.] ihren herausragenden Zugang zu den Absatzmärkten weiter ausbauen. Die überragende Marktstellung von [X.] wäre nach dem Zusammenschluss auch durch einen Preiswettbewerb nicht wirkungsvoll angreifbar, weil die [X.] nur ein Teil des Marketing-Mix im Lebensmitteleinzelhandel sei und die wettbewerblichen Verhaltensspielräume der führenden Anbieter hierdurch nicht entscheidungserheblich begrenzt werden könnten. Mit einem Marktzutritt dritter Unternehmen sei angesichts der hohen Marktzutrittsschranken im Lebensmitteleinzelhandel nicht zu rechnen. Schließlich hätte [X.] nach dem Zusammenschluss einen überragenden Zugang zu den [X.] insbesondere im Bereich der Herstellermarken.

bb) Daraus ergibt sich hinsichtlich der von [X.] und [X.] angegriffenen Bedingung, in den Clustern sämtliche [X.]-Standorte an Dritte zu veräußern oder zu schließen, keine Präjudizierung eines künftigen [X.]s. Dabei kann offen bleiben, ob auf dem [X.] vergleichbare künftige Fusionen überhaupt möglich erscheinen. Denn jedenfalls würde das [X.]rgebnis einer Überprüfung derartiger Vorhaben nicht durch die für die angegriffene Nebenbestimmung gegebene Begründung präjudiziert.

[X.]ine solche präjudizielle Wirkung kommt überhaupt nur insoweit in Betracht, als das [X.] angenommen hat, dass auf den 66 innerhalb der Cluster liegenden [X.] ohne die Nebenbestimmung eine marktbeherrschende Stellung der [X.] entstände. Auch auf diesen Märkten ist jedoch das Zielobjekt des [X.]s nicht mehr vorhanden. [X.] als der engste Wettbewerber von [X.] hat 313 [X.]-Filialen übernommen. Die weiteren 46 Standorte sind ebenfalls von Wettbewerbern im Lebensmitteleinzelhandel gekauft worden.

Damit sind die Wettbewerber von [X.] auf diesen [X.] gestärkt worden. Bei einem erneuten [X.] müsste diese geänderte Marktsituation berücksichtigt und auf ihre Auswirkungen auf die Wettbewerbslage auf den vom [X.] als "kritisch" angesehenen [X.] hin untersucht werden. Zudem müsste bei der Bewertung der Auswirkungen eines künftigen [X.]s auf die Marktstellung der [X.] bedacht werden, dass durch den angemeldeten Zusammenschluss nach der Begründung der angefochtenen Verfügung mit [X.] ein "enger Wettbewerber" von [X.] weggefallen wäre, was bei einem neuen [X.] nicht der Fall sein muss. Wollte [X.] erneut auf den "kritischen" [X.] Standorte aus dem [X.] und Soft-Discount-Bereich übernehmen, könnte eine Untersagung daher nicht mit der Begründung der angefochtenen Verfügung erfolgen, sondern erforderte eine eigenständige Bewertung der dann gegebenen konkreten Marktsituation auf dem jeweiligen Regionalmarkt.

Daran ändert auch der von den Betroffenen in der mündlichen Verhandlung - an sich zutreffend - hervorgehobene Gesichtspunkt nichts, dass das [X.] seine Bewertung, durch den Zusammenschluss in der angemeldeten Form wäre eine marktbeherrschende Stellung der [X.] auf 66 [X.] entstanden, wesentlich mit einer ohnehin schon bestehenden herausragenden Marktstellung auf [X.] begründet hat. Denn damit ist nur ein, wenngleich zentrales, Begründungselement der Verfügung angesprochen, an dessen Überprüfung die Betroffenen wegen der dahinterstehenden [X.]inschätzungen (insbesondere zur Aufteilung des Gesamtmarktes in vier Vertriebslinien, zur Stärke des von [X.] ausgehenden Wettbewerbsdrucks, zur Relevanz des Preiswettbewerbs und zur Bedeutung des Zugangs zu [X.]) ein starkes Interesse haben mögen. Dieses Begründungselement konnte nach der Begründung der Verfügung aber gerade allein eine vollständige Untersagung des angemeldeten [X.]s noch nicht tragen, weil das Vorhaben andernfalls insgesamt hätte untersagt werden müssen. Da dies nicht der Fall war, bedurfte es aus der Sicht des [X.]s einer Beurteilung der Situation auf den [X.] der sieben Cluster und der bei einem Vollzug des angemeldeten Zusammenschlusses zu erwartenden Auswirkungen, die auf den Seiten 52 bis 70 der angefochtenen Verfügung vorgenommen worden ist. [X.]ben eine solche eigenständige Beurteilung wäre auch bei einem weiteren [X.] erforderlich, durch das die Marktposition der [X.] auf aus der Sicht des [X.]s "kritischen" [X.] gestärkt würde.

3. Für den Antrag von [X.], die Rechtswidrigkeit der Auflage [X.] festzustellen, gilt nichts anderes. Auch dieser Antrag ist mangels eines dafür bestehenden Fortsetzungsfeststellungsinteresses i.S. des § 71 Abs. 2 Satz 2 [X.] unzulässig.

C. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Betroffenen zu 1 und 2 gemäß § 78 [X.] zu tragen.

Dies betrifft auch den für erledigt erklärten Teil des Verfahrens. Ohne die [X.]rledigungserklärung hätte die Beschwerde auch insoweit zurückgewiesen werden müssen, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt.

Meier-Beck                           Bergmann                                 Strohn

                        Löffler                                     [X.]

Meta

KVR 33/09

05.10.2010

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Düsseldorf, 27. Mai 2009, Az: VI-Kart 9/08 (V), Beschluss

§ 71 Abs 2 S 2 GWB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.10.2010, Az. KVR 33/09 (REWIS RS 2010, 2682)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2682

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