Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.09.2002, Az. X ARZ 217/02

X. Zivilsenat | REWIS RS 2002, 1670

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BUNDESGERICHTSHOFBESCHLUSS[X.] 217/02vom10. September 2002in dem [X.]:ja[X.]Z:[X.]: neinZPO §§ 36 Abs. 1 Nr. 6, 281 Abs. 2 Satz 4a)Die von einem zuständigen Gericht ausgesprochene Verweisung ist will-kürlich und daher nicht bindend, wenn sie darauf beruht, daß das Gerichteine bereits vor längerer Zeit vorgenommene Gesetzesänderung, mit dergerade solche Verweisungen unterbunden werden sollen, nicht zur Kennt-nis genommen oder sich ohne weiteres darüber hinweggesetzt hat (im [X.].[X.]. v. 19.01.1993 - [X.] 845/92, NJW 1993, 1273).b)Weist das Gericht die Parteien von sich aus auf eine angebliche, im [X.] aber nicht vorgesehene Verweisungsmöglichkeit hin, so sind auch derdaraufhin vom Kläger gestellte Verweisungsantrag und das [X.] Beklagten mit diesem Antrag nicht geeignet, der rechtswidrigen [X.] den [X.] zu nehmen.[X.], [X.]. v. 10. September 2002 - [X.] 217/02 - [X.] AG Stuttgart AG [X.] -Der X. Zivilsenat des [X.] hat am 10. September 2002durch [X.],Scharen, [X.] und [X.]:Als zuständiges Gericht wird das [X.] bestimmt.Gründe:[X.] Antrag der Klägerin hat das [X.] gegen [X.] einen Mahnbescheid wegen angeblicher Schadensersatzansprücheaus einem Verkehrsunfall, der sich im Bezirk des Amtsgerichts [X.], erlassen. Nach Widerspruchserhebung durch die Beklagte ist der [X.] am 18. Februar 2002 an das [X.]abgegeben worden.Die Klägerin hat im [X.] dieses Gericht, in dessen Bezirk die Beklagteihren Sitz hat, als für ein streitiges Verfahren zuständig bezeichnet.Das [X.]hat am 27. Februar 2002 ein Schreiben an dieKlägerin mit folgendem Zusatz verfügt: "Sofern sich der Unfall nicht im Bereichder Zuständigkeit des [X.]ereignet hat und Verweisung andas Gericht des [X.] beantragt wird, möge erklärt werden, ob die Verwei-sung im schriftlichen Verfahren erfolgen kann." Daraufhin hat die Klägerin die- 3 -Abgabe des Verfahrens an das [X.] beantragt. Sie hat sich [X.] auf einen gleichlautenden, mit Telefax vom 25. Februar 2002 beim Amtsge-richt [X.]eingereichten Antrag bezogen. Auf Befragen hat die Beklagte [X.] Einwände gegen eine Verweisung im schriftlichen Verfahren erhoben. [X.] hat sich das [X.]mit [X.]uß vom 27. März 2002 [X.] unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das [X.] verwiesen. Dieses hat die Übernahme mit [X.]uß vom 22. April 2002 [X.].Das [X.], dem das [X.] die Sa-che gemäß § 36 Abs. 2 ZPO zur Entscheidung vorgelegt hat, hält den Verwei-sungsbeschluß des [X.] für bindend und somit die Zustän-digkeit des Amtsgerichts W. für gegeben. Dem stehe die Angabe [X.], das streitige Verfahren solle vor dem [X.]durchgeführt werden, nicht entgegen. Zwar sei gemäß § 696 Abs. 1 Satz 1,§ 700 Abs. 3 Satz 1 ZPO eine Korrektur der im [X.] getroffenen Zu-ständigkeitswahl nur durch übereinstimmendes, bereits vor der Abgabe an [X.] erklärtes Verlangen der Parteien möglich. Der Verweisungs-beschluß entbehre jedoch auch im vorliegenden Fall, in dem die [X.] Erklärungen erst nach der Abgabe erfolgten, nicht jeder rechtlichenGrundlage und sei daher nicht willkürlich.Weil sich das [X.] hierbei in Widerspruch zu einerRechtsauffassung sieht, die in Entscheidungen des [X.]sSchleswig ([X.] 2001, 50) und des [X.]([X.] 1994, 94) vertreten wird, hat es die Sache gemäß § 36 Abs. 3 ZPO [X.] des zuständigen Gerichts [X.] 4 -I[X.] Grund der zulässigen Divergenzvorlage ist das [X.]als zuständiges Gericht zu [X.] in § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO genannten Voraussetzungen für ei-ne Zuständigkeitsbestimmung liegen vor. Das [X.] , in dessenBezirk die Beklagte ihren Sitz hat und das deshalb - wegen Fehlens eines ab-weichenden ausschließlichen Gerichtsstands - gemäß §§ 12, 17 ZPO für [X.] örtlich zuständig ist, hat sich durch einen gemäß § 281 Abs. 2 [X.] ZPO unanfechtbaren [X.]uß für unzuständig erklärt. Das [X.]hat im [X.]ußweg die Übernahme des Verfahrens abgelehnt. [X.], um zur Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu gelangen ([X.]Z102, 338, 339 f.).2.Das [X.] ist für den vorliegenden Rechtsstreitzuständig.a)Die örtliche Zuständigkeit des [X.] wird [X.] nach § 32 ZPO bestehende konkurrierende örtliche Zuständigkeit [X.] nicht berührt. Der Klägerin stand insoweit ein Wahlrechtim Sinne des § 35 ZPO zu. Davon hat sie dadurch Gebrauch gemacht, daß [X.] dem [X.] das örtlich zuständige [X.] gemäß § 690Abs. 1 Nr. 5 ZPO als das für ein streitiges Verfahren zuständige Gericht be-stimmt hat. Seit der Neufassung dieser Vorschrift durch das am 1. Januar 1992in [X.] getretene [X.] vom 17. Dezember 1990(BGBl I, 2847) muß nicht mehr zwingend der allgemeine Gerichtsstand [X.] als zuständiges Gericht angeben werden. Daher gibt es heute- 5 -keinen Grund mehr für die zum früheren Recht vertretene Auffassung, wonachdiese Angabe keine Wahl zwischen mehreren Gerichtsständen bedeute unddas Wahlrecht daher noch im Verlauf des weiteren Verfahrens ausgeübt wer-den könne.Die Parteien hätten zwar übereinstimmend verlangen können, daß [X.] vom Mahngericht, dem [X.] , nicht an das Amtsge-richt S. , sondern an ein anderes Gericht abgegeben werde (§ 696 Abs. 1Satz 1, letzter Halbsatz ZPO). Ein solcher übereinstimmender Antrag ist [X.] Mahngericht bis zur Abgabe an das [X.] nicht eingegan-gen. Nach deren Vollzug ist die von der Klägerin getroffene Wahl unwiderruf-lich und verbindlich ([X.].[X.]. v. 19.01.1993 - [X.] 845/92, [X.])Das [X.] konnte den Rechtsstreit demgemäßnicht an das [X.] verweisen. Eine Verweisung kommt nur dannin Betracht, wenn bei dem Gericht, bei dem die Sache rechtshängig ist, ein Ge-richtsstand nicht eröffnet ist. Dies gilt auch, wenn - wie im vorliegenden Fall -die Rechtshängigkeit erst durch Abgabe gemäß § 696 Abs. 1 Satz 1 ZPO be-gründet wurde. Zwar wird das Gericht, an das der Rechtsstreit abgegeben wird,durch diese Abgabe nicht in gleicher Weise wie durch eine Verweisung wegenfehlender Zuständigkeit nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO gebunden (vgl. § 696Abs. 5 ZPO); es hat vielmehr seine Zuständigkeit nach den [X.] zu prüfen. Eine Verweisung ist ihm danach jedoch nur im Fall seinerUnzuständigkeit eröffnet; ist es - wie hier - zumindest auch für die Entschei-dung zuständig, scheidet eine Verweisung [X.])Dem [X.] des [X.] kommtauch keine Bindungswirkung zu.Zwar sind im Interesse der [X.] und zur Vermeidung [X.] und dadurch bewirkten Verzögerungen und [X.] des Verfahrens [X.] gemäß § 281 Abs. 2Satz 2 ZPO unanfechtbar. Dies entzieht auch einen sachlich zu Unrecht er-gangenen [X.] und die diesem [X.]uß zugrunde liegendeEntscheidung über die Zuständigkeit grundsätzlich jeder Nachprüfung ([X.]Z102, 338, 340; [X.], [X.]. v. 08.04.1992 - [X.] 8/92, NJW-RR 1992, 902f.; [X.].[X.]. v. 22.06.1993 - [X.] 340/93, NJW 1993, 2810).Nach ständiger Rechtsprechung kommt einem [X.] [X.] dann keine Bindungswirkung zu, wenn er schlechterdings nicht als [X.] des § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann ([X.], 379,384; [X.]Z 2, 278, 280), etwa weil er auf der Verletzung rechtlichen Gehörsberuht oder weil er jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als will-kürlich betrachtet werden muß ([X.]Z 71, 69, 72 ff.; [X.], [X.]. v.04.12.1991 - [X.] 29/91, NJW-RR 1992, 383; [X.].[X.]. v. 09.07.2002- [X.] 110/02, zur Veröffentlichung vorgesehen).Im vorliegenden Fall hat das [X.] den Parteien zwarrechtliches Gehör gewährt. Dem [X.]uß haftet jedoch ein [X.] an, der ihn als willkürlich erscheinen läßt. Zwar läßt der [X.]ußjegliche Begründung vermissen; der rechtliche Ausgangspunkt des Amtsge-richts ist aber aus dem Akteninhalt, insbesondere aus der Verfügung vom27. Februar 2002, deutlich zu erkennen. Das Gericht ist offensichtlich davon- 7 -ausgegangen, trotz seiner eigenen örtlichen Zuständigkeit könne die Klägerinauch noch nach Abgabe der Sache durch das Mahngericht ein anderes zu-ständiges Gericht wählen, weshalb auf entsprechenden Antrag die Verweisungan dieses Gericht auszusprechen sei. Sonst hätte das Amtsgericht nicht derKlägerin von sich aus anheimgestellt, einen Verweisungsantrag zu stellen.Dem dahinter stehenden Rechtsstandpunkt ist jedenfalls durch [X.] des § 696 Abs. 1 Nr. 5 ZPO die Grundlage entzogen worden. [X.] mit der Rechtsänderung verbundene Folge hat das Gericht entweder nichtzur Kenntnis genommen oder es war nicht gewillt, sich an die Änderung dergesetzlichen Voraussetzungen einer Verweisung im Mahnverfahren zu halten.Jedenfalls lassen sich aus der Akte keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, daßsich das Amtsgericht mit der geltenden Rechtslage auseinandergesetzt undnach Gründen für die Zulässigkeit einer Verweisung gesucht haben könnte.Unter diesen Umständen kann der [X.] nicht hinge-nommen werden. Wie der [X.]at bereits entschieden hat, ist eine Verweisungwillkürlich, wenn ein Gericht eine bereits vor längerer Zeit vorgenommene [X.]esänderung, mit der gerade solche Verweisungen unterbunden werdensollen, offenbar nicht zur Kenntnis genommen hat ([X.].[X.]. v. 19.01.1993- [X.] 845/92, NJW 1993, 1273). Dies gilt in besonderem Maße, wenn diebetreffende Gesetzesänderung - wie im vorliegenden Fall - bereits mehr alszehn Jahre zurückliegt und ihre Konsequenzen für die Verweisung des [X.]s nach § 281 ZPO in der Rechtsprechung und Kommentarliteratur aus-führlich erörtert worden sind. Nicht minder schwerwiegend wäre der [X.], wenn das Gericht das geänderte Gesetz zwar gekannt, sich [X.] weiteres darüber hinweggesetzt haben sollte. Aus diesem Grund kann- 8 -der [X.] schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPOergangen angesehen werden.Auch der Umstand, daß die Klägerin einen Verweisungsantrag gestellthat und die Beklagte mit der Verweisung einverstanden gewesen ist, führt zukeinem anderen Ergebnis. Wenn das Gericht durch die Verweisung [X.] einem übereinstimmenden Verlangen beider Parteien entspricht,kann dies zwar nach teilweise vertretener Auffassung in manchen Fällen [X.] sein, einen rechtsfehlerhaft zustandegekommenen [X.] nicht willkürlich erscheinen zu lassen ([X.], [X.]. v. 23.03.1988- IVb ARZ 8/88, [X.], 943; [X.], [X.] 1997, 74 f.;Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 696 Rdn. [X.]). Dies kann aber [X.] nicht gelten, wenn ein unzweifelhaft zuständiges Gericht die Parteien, diesich bislang zur Frage einer Verweisung noch nicht geäußert haben, von sichaus auf die angeblich bestehende Möglichkeit einer Verweisung hinweist.Wenn die Parteien daraufhin die Verweisung beantragen bzw. sich mit ihr ein-verstanden erklären, liegt die Annahme nicht fern, daß sie durch die rechtlichunzutreffende Information dazu veranlaßt worden sind. Schon aus [X.] sind die Erklärungen der Parteien nicht geeignet, der [X.] den [X.] zu nehmen.MelullisJestaedtRi[X.] Scharen isturlaubsbedingtorts-abwesend und dahergehindert zu [X.] 9 -[X.]Asendorf

Meta

X ARZ 217/02

10.09.2002

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ARZ

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.09.2002, Az. X ARZ 217/02 (REWIS RS 2002, 1670)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 1670

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