Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.06.2014, Az. IX ZR 239/13

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 5000

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX
ZR 239/13

vom

5. Juni
2014

in dem
Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 78 Abs. 1 Satz 3, § 233 B, Fe
Übernimmt es ein [X.], im Auftrag seiner Partei nach seiner Wahl einen beim [X.] zugelassenen Rechtsanwalt mit der Einlegung einer zuge-lassenen Revision zu beauftragen, will dieser das Mandat aber nur nach Abschluss einer Honorarvereinbarung übernehmen, muss sich der [X.] vergewissern, dass die Honorarvereinbarung mit
seinem Mandanten rechtzeitig abgeschlossen wird, und andernfalls einen anderen beim [X.] zugelassenen Rechts-anwalt beauftragen.
[X.], Beschluss vom 5. Juni 2014 -
IX ZR 239/13 -
OLG Hamm

[X.]

-

2

-
Der IX.
Zivilsenat des [X.]s hat durch [X.] [X.],
den Richter [X.], die
Richterin [X.],
den
Richter Dr.
[X.] und die Richterin Möhring

am
5. Juni
2014
beschlossen:

Der Antrag der [X.], ihr Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des 5.
Zivilsenats des [X.] vom 9.
September 2013 zu gewähren, wird zurückgewiesen.

Die Revision der [X.] gegen das genannte Urteil wird als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

Der [X.]äger macht als Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermö-gen des D.

(nachfolgend: Schuldner) gegen dessen Tochter als Beklagte auf der Grundlage einer Schenkungsanfechtung nach §§
134, 143 Abs.
1 [X.] einen Anspruch auf Bewilligung einer Grundbuchberichtigung da-hingehend geltend, dass alleiniger Eigentümer der Schuldner sei, nicht -
wie eingetragen
-
der Schuldner und die Beklagte in Gesellschaft bürgerlichen Rechts.
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3

-

Das Landgericht hat der [X.]age stattgegeben. Die Berufung der [X.] ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen.

Das Berufungsurteil ist dem Prozessbevollmächtigten der
[X.] am 16.
September 2013 zugestellt worden. Am 30.
Oktober 2013 hat die Beklagte, vertreten durch einen beim [X.] zugelassenen Rechtsanwalt, Revision eingelegt und Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einlegung der Revision beantragt. Zur Begründung macht sie geltend, der wirtschaftlich hinter dem Rechtsstreit stehende Schuldner habe nach Besprechung mit dem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt Dr.
K.

,
entschie-den, dass ein beim [X.] zugelassener Rechtsanwalt mit der [X.] der Revision beauftragt werden solle. Daraufhin habe Dr.
K.

den zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt Dr.
[X.].

,
ersucht, einen geeigneten beim [X.] zugelassenen Rechtsanwalt zu be-auftragen. Dieser habe mit Schreiben vom 7.
Oktober 2013 den Auftrag an Rechtsanwalt beim [X.] Dr.
[X.]

erteilt und darum gebeten, die weitere Korrespondenz mit den erstinstanzlichen Kollegen und dem Schuld-ner zu führen. Er habe die entsprechenden Post-
und Mailadressen angegeben.

Herr Rechtsanwalt Dr.
[X.]

habe mit Mail vom 14.
Oktober 2013 seine grundsätzliche Bereitschaft zur Übernahme des Mandats bekundet, die Übernahme aber vom Abschluss einer Honorarvereinbarung abhängig [X.]. An das Angebot halte er sich bis 15.
Oktober 2013, 14.00
Uhr gebun-den. Diese Mail habe er an Rechtsanwalt Dr.
[X.].

und zugleich in Kopie an Rechtsanwalt Dr.
K.

und den Schuldner gesandt. Beide Rechtsanwälte [X.] diese Mail erhalten, nicht aber der Schuldner.

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-

Rechtsanwalt Dr.
[X.].

habe auf die Mail hin nichts unternommen, weil er zu
Verhandlungen über eine Honorarvereinbarung nicht bevollmächtigt ge-wesen sei und dem Schreiben habe entnehmen können, dass es auch an Rechtsanwalt Dr.
K.

und den Schuldner persönlich gerichtet gewesen sei. Auf Nachfrage der Kanzlei Dr.
[X.]

am
Mittag des 15.
Oktober 2013 habe seine Kanzlei dieser mitgeteilt, man sei nicht zu Verhandlungen über Sonder-honorare bevollmächtigt, Rechtsanwalt Dr.
[X.]

möge sich unmittelbar an den Schuldner wenden.

Rechtsanwalt Dr.
K.

habe die Mail von
Herrn [X.]

am 14.
Oktober 2013 vorsorglich an den Schuldner weitergeleitet. Rechtsanwalt Dr.
K.

sei zu Honorarvereinbarungen ebenfalls nicht ermächtigt gewesen und davon ausgegangen, dass sich der Schuldner unmittelbar mit Dr.
[X.]

verständigen werde. Auch diese Mail von Dr.
K.

habe der Schuldner, ob-wohl wie die Mail von Dr.
[X.]

an seinen üblichen
Mailaccount gerichtet, aus nicht nachvollziehbaren Gründen, wohl eines technischen Defekts, nicht erhalten. Der Schuldner sei, weil
er ohne Rückmeldung geblieben sei, davon ausgegangen, dass gemäß seinem Auftrag Revision eingelegt worden sei. Der Defekt des [X.] sei erst am 23.
Oktober 2013 aufgefallen infolge einer weiteren Mail von Rechtsanwalt Dr.
K.

, die den Schuldner ebenfalls nicht erreicht habe, in dem unmittelbar nachfolgenden Telefonat. Erst dann sei [X.] geworden, dass die [X.] ungenutzt verstrichen gewesen sei. Rechtsanwalt [X.]

habe die Übernahme des Mandats danach auf nochmalige Anfrage abgelehnt. Deshalb sei der jetzige Prozessbevollmächtigte der [X.] mandatiert worden.

Die Versäumung der [X.] sei weder von der [X.] noch von dem für sie handelnden Schuldner verschuldet gewesen. Der 5
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[X.] sei deshalb Wiedereinsetzung in die versäumte [X.] zu ge-währen.

II.

Die eingelegte Revision ist unzulässig, weil die [X.], die gemäß §
548 ZPO einen Monat ab Zustellung des Berufungsurteils beträgt, nicht ein-gehalten worden ist. Sie ist deshalb gemäß §
552 ZPO zu verwerfen.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte [X.] ist [X.], weil die Beklagte nicht glaubhaft gemacht hat, dass sie ohne ihr Verschulden gehindert war, diese Frist einzuhalten.

1. Der Wiedereinsetzungsantrag ist zulässig. Er ist gemäß §
234 Abs.
1 ZPO rechtzeitig und gemäß §§
236, 549 ZPO formgerecht beantragt und be-gründet sowie die [X.] nachgeholt worden. Die geltend gemach-ten Wiedereinsetzungsgründe wurden glaubhaft gemacht.

2. Nach den
von der [X.] glaubhaft gemachten Umständen war diese jedoch nicht ohne ihr Verschulden verhindert, das Rechtsmittel rechtzeitig einzulegen. Der [X.] ist jedenfalls das Verschulden ihrer erst-
und zweit-instanzlichen Prozessbevollmächtigten gemäß §
85 Abs.
2 ZPO zuzurechnen.

a) Es fehlt allerdings bereits an Ausführungen dazu, in welcher Weise die Beklagte die Einlegung der Revision veranlasst hat. [X.] wird lediglich das Verhalten des "wirtschaftlich hinter dem Rechtsstreit stehenden [X.]", das sich die Beklagte nach ihrer Ansicht zurechnen lassen müsse. 8
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Dass der Insolvenzschuldner für sie Vertretungsvollmacht hat, legt der [X.] nicht dar. Das kann
dem Vorbringen allenfalls
mittelbar ent-nommen werden.

b) Wird mit dem Wiedereinsetzungsantrag eine solche Vollmacht
unter-stellt, hat sich die Beklagte jedenfalls das Verschulden ihrer Bevollmächtigten gemäß §
85 Abs.
2 ZPO zurechnen zu lassen.

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s beschränken sich die Sorgfaltspflichten bei der Erteilung eines [X.] durch einen Rechtsanwalt der Vorinstanz nicht darauf, rechtzeitig ein Auftragsschrei-ben zu versenden. Der Absender muss sich vielmehr grundsätzlich innerhalb der Rechtsmittelfrist, gegebenenfalls durch Rückfrage, rechtzeitig vergewissern, ob der beauftragte Rechtsanwalt den Auftrag übernimmt; eine Ausnahme gilt nur dann, wenn -
was hier nicht geltend gemacht wird
-
zwischen dem Absen-der und dem Rechtsmittelanwalt im Einzelfall oder allgemein eine Absprache dahin besteht, dass dieser [X.] annehmen, prüfen und ausfüh-ren wird ([X.], Beschluss vom 11.
Juli 1988 -
II
ZB 5/88, [X.]Z 105, 116, 117
ff; vom 7.
November 1995 -
XI
ZB 21/95, NJW-RR 1996, 378; vom 23.
November 2006 -
IX
ZB 291/05, [X.], Rn.
5; vom 4.
März 2008 -
VI
ZR 66/07, NJW-RR 2008, 1452 Rn.
5).

Im Falle der Ablehnung des Mandats durch den zunächst in Aussicht genommenen Rechtsanwalt muss der Auftraggeber in der Lage sein, den [X.] noch rechtzeitig einem anderen Rechtsanwalt zu erteilen, um die Durchführung des Rechtsmittels zu gewährleisten ([X.], Beschluss vom 7.
November 1995, aaO).

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aa) Den Schuldner trifft allerdings an der Versäumung der Frist kein [X.]. Er hat den Auftrag zur Einlegung der Revision rechtzeitig dem erstin-stanzlichen Prozessbevollmächtigten erteilt. Die Mail des Rechtsanwalts Dr.
[X.]

vom 14.
Oktober 2013 und die Weiterleitung dieser Mail durch den erst-instanzlichen Prozessbevollmächtigten hat der Schuldner nach dem glaubhaft gemachten Sachverhalt nicht erhalten. Da er den Auftrag unbedingt erteilt hatte, bestand für ihn ohne besonderen Anlass kein Grund, an der rechtzeitigen [X.] der Revision zu zweifeln und besondere Maßnahmen zur Fristwahrung zu ergreifen.

bb) Sowohl den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten wie den zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten trifft jedoch an der Nichteinhaltung der Frist ein Verschulden.

(1) Der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte Dr.
[X.].

hatte es im Auftrag des erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten Dr.
K.

für die [X.] übernommen, für die Einlegung der Revision beim [X.] zu sorgen. An dieser Verpflichtung hatte sich durch das Schreiben des [X.]s Dr.
[X.]

vom 14.
Oktober 2013 nichts geändert. Die Auswahl des zu beauftragenden Rechtsanwalts am [X.] hatte der Schuldner sei-nen Instanzanwälten überlassen. War der von diesen
ausgesuchte [X.] nicht bereit, den Auftrag zu den gesetzlichen Gebühren zu übernehmen, musste Dr.
[X.].

klären, ob die Voraussetzungen für die Übernahme des Mandats durch diesen Anwalt geschaffen wurden. War dies nicht
der Fall, hätte er einen anderen beim [X.] zugelassenen Rechtsanwalt beauf-tragen müssen.
Er durfte auf die Nachricht von Dr.
[X.]

nicht deshalb un-tätig bleiben, weil ausweislich der Mail eine Kopie an den Schuldner und den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten gehen sollten. Er musste insoweit in 16
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Rechnung stellen, dass der Zugang der Mail an den Schuldner wegen der Ge-fahr einer technischen Störung nicht gesichert war ([X.], Beschluss vom 16.
Mai 2013 -
IX
ZB 272/11, [X.], 1232 Rn.
23; vom 17.
Juli 2013 -
I
ZR 64/13, NJW 2014, 556 Rn.
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f). Da er die Erteilung des Auftrags an einen vor dem [X.] postulationsfähigen Rechtsanwalt übernommen hatte, musste er dafür Sorge tragen, dass der Auftrag übernommen wird. [X.] hatte er auch um Bestätigung der Übernahme des Mandats gebeten. Da eine solche Bestätigung abgelehnt worden war, musste er sicherstellen, dass die Voraussetzungen für die Übernahme des Mandats geschaffen wurden,
oder einen anderen Rechtsanwalt beauftragen.

(2) Den erstinstanzlichen Anwalt Dr.
K.

trifft ebenfalls ein Verschul-den. Er hatte es gegenüber der [X.] übernommen, für den rechtzeitigen Eingang der Revision beim [X.] zu sorgen. Diese Pflicht hat
er
schuldhaft verletzt.
Nachdem er erfahren hatte, dass Rechtsanwalt
Dr.
[X.]

nur aufgrund einer Honorarvereinbarung tätig werden würde, wurde er durch das bloße Weiterleiten
dieser Mail an den Schuldner seinen Sorgfaltspflichten schon deshalb nicht gerecht, weil auch er nicht darauf ver-trauen konnte, dass die Mail von
Dr.
[X.]

oder seine eigene Mail den Schuldner erreichen würden. Er musste zumindest organisatorische Maßnah-men ergreifen, die eine Kontrolle des Zugangs ermöglichten, etwa durch Anfor-derung einer Lesebestätigung ([X.], Beschluss vom 17.
Juli 2013, aaO Rn.
11). Zudem durfte er selbst für den Fall, dass den Schuldner die Mails er-reichten, nicht darauf vertrauen, dass die Honorarvereinbarung unmittelbar zwi-schen dem Schuldner und dem [X.] geschlossen werden würde. Er hatte vielmehr den Schuldner zu beraten, welche Alternativen hierzu [X.], gegebenenfalls diese rechtzeitig wahrzunehmen. Für die Beklagte bestand nicht die Alternative, Revision bei Abschluss einer Honorarvereinbarung mit 19
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Rechtsanwalt [X.]

oder überhaupt nicht einzulegen. Es hätte ein anderer Anwalt beauftragt werden können. Rechtsanwalt Dr.
K.

musste sich [X.] vergewissern, dass die Voraussetzungen für die Einlegung der Revision geschaffen waren. Er konnte dies nach Übernahme des Auftrags nicht kom-mentarlos
dem Schuldner überlassen, ohne sich über dessen entsprechendes Tätigwerden zu vergewissern. Darauf, dass Rechtsanwalt [X.]

beim Schuldner nachfragen würde, konnte er sich nicht verlassen. Mit Rechtsanwalt
[X.]

bestand noch kein Vertrag. Er
hatte seine Bedingungen mitgeteilt. Die Telefonnummer des Schuldners war ihm nicht bekannt gegeben worden. Für schriftliche Nachfragen
fehlte es an der hierfür erforderlichen Zeit. Die [X.] war nicht ausreichend sicher.

Kayser
[X.]
[X.]

[X.]
Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 17.09.2012 -
7 O 353/11 -

OLG Hamm, Entscheidung vom 09.09.2013 -
I-5 [X.] -

Meta

IX ZR 239/13

05.06.2014

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.06.2014, Az. IX ZR 239/13 (REWIS RS 2014, 5000)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5000

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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