Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.04.2014, Az. 1 StR 638/13

1. Strafsenat | REWIS RS 2014, 6236

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Gegenstand

Strafverfahren: Erfolglosigkeit der Verfahrensrüge der Verletzung des Rechts des Angeklagten zur Befragung eines Belastungszeugen


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 22. Juli 2013 im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

4. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.

5. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen [X.]ihilfe zur "[X.]itragsvorenthaltung" in 187 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung zur [X.]währung ausgesetzt wurde.

2

Die auf mehrere Verfahrensrügen und die näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten bleibt zum Schuldspruch erfolglos, hat aber zum Strafausspruch Erfolg. Die auf die näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft zum Nachteil des Angeklagten ist auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Sie bleibt erfolglos.

I.

3

Der Verurteilung liegt im [X.] Folgendes zugrunde:

4

Der gesondert verfolgte [X.].   hat als Geschäftsführer einer GmbH (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB) in 187 Fällen Sozialversicherungsbeiträge für Fahrer, die als Arbeitnehmer bei der GmbH beschäftigt waren, nicht bzw. nicht vollständig abgeführt. Hierdurch wurden den Sozialversicherungsträgern im Zeitraum Januar 2003 bis August 2006 Sozialversicherungsbeiträge in einem Umfang von 238.578,34 Euro vorenthalten. Der Angeklagte hat [X.]. hierbei in Kenntnis aller Umstände unterstützt. [X.] wurden durch eine von [X.]. vertretene GmbH 41.000 Euro auf die [X.]itragsrückstände gezahlt.

5

1. Im Einzelnen ist zu den (Haupt-)Taten [X.].   s Folgendes festgestellt:

6

[X.]. war im Tatzeitraum Geschäftsführer der [X.] (nachfolgend: [X.]). Diese hatte sich als Subunternehmerin gegenüber den  [X.] (nachfolgend: [X.] ) sowie [X.] (nachfolgend: [X.]       ) zur Abholung und Auslieferung von Sendungen in einem bestimmten Gebiet verpflichtet. Die Verträge enthielten detaillierte Regelungen zur Durchführung der Transportaufträge - z.B. zum technischen Ablauf der Auslieferung und Abholung der Pakete, zu Auftreten und Kleidung der Fahrer sowie zur [X.]schriftung, Reinigung und [X.]rtung der Fahrzeuge -, deren Einhaltung im Einverständnis mit [X.].   durch die Auftraggeber überwacht wurde.

7

Obwohl die [X.] nach dem Vertrag mit der [X.]   ihrerseits keine Subunternehmer heranziehen durfte, schloss die [X.] mit zahlreichen Fahrern als Subunternehmerverträge bezeichnete Verträge ab. Um dies zu verschleiern, beschäftigte die [X.] die für [X.]   tätigen Fahrer zusätzlich als Paketsortierer und meldete sie insoweit mit einem Bruttolohn von 600 Euro zur Sozialversicherung an. Darüber hinaus schloss [X.]. als Geschäftsführer einer weiteren GmbH - der [X.] (nachfolgend: [X.]) - mit allen Fahrern "Subunternehmerverträge" ab. Auch dies diente der Verschleierung der wahren Verhältnisse. Die [X.] stand in keinen vertraglichen [X.]ziehungen zu der [X.]   und der [X.]           . Die Fahrer erhielten als Gegenleistung für die Abholung und Auslieferung der Sendungen für die genannten [X.] Vergütungen scheinbar sowohl von der [X.] als auch von der [X.]. [X.]ünde, die diese Aufteilung objektiv nachvollziehbar erscheinen lassen könnten, ergaben sich nicht.

8

2. Zu den Arbeitsabläufen ist Folgendes festgestellt:

9

[X.].   organisierte und koordinierte die Fahrer untereinander. Er teilte die übernommenen Einsatzgebiete in kleinere [X.] und wies den Fahrern jeweils eine feste Route zu. Zudem hielt er Springer vor, die bei Verhinderung oder Überlastung eines Fahrers zum Einsatz kamen. Neben dem Zustellgebiet bestimmte [X.].   Start- und Endpunkt der Tour sowie Arbeitsbeginn und Arbeitsende. Den Fahrern wurde in der Regel aufgrund von [X.] gegen Entgelt ein Fahrzeug zur Verfügung gestellt. Während der Fahrt mussten die Fahrer telefonisch sowohl für [X.].   als auch für die [X.]   bzw. die [X.]          erreichbar sein. Die Vorgaben von [X.]   bzw. [X.]         zur Durchführung der Transportaufträge reichte [X.].   an die Fahrer weiter, Verstöße dagegen wurden mit Vertragsstrafen sanktioniert. Die Fahrer waren durch ihre Tätigkeit für die [X.] bzw. scheinbar die [X.] voll ausgelastet. Mit Ausnahme zweier Fahrer, die gelegentlich Kleinaufträge für Dritte ausführten, boten die Fahrer ihre Leistungen keinem [X.] an und bedienten keine weiteren Auftraggeber. Die Abrechnung mit den Fahrern erfolgte monatlich mittels Gutschriften mit Umsatzsteuerausweis der [X.] bzw. der [X.] in Abhängigkeit von der Anzahl der ausgelieferten und abgeholten Pakete bzw. der Anzahl der Stopps, wobei das für die Fahrzeugnutzung anfallende Entgelt sowie weitere [X.]träge - etwa für Vertragsstrafen - in Abzug gebracht wurden.

Nach Auffassung der [X.] handelte es sich bei den Fahrern nicht um selbständige Subunternehmer, sondern um abhängig beschäftigte Arbeitnehmer. Als Arbeitgeberin sei - trotz der weitgehenden Überlagerung des Vertragsverhältnisses durch die detaillierten Regelungen zur Durchführung der Transporte in den Verträgen mit [X.]   bzw. [X.]          - die [X.] anzusehen, die gegenüber [X.]   und [X.]           zur Durchführung der Transporte verpflichtet war. Der Schadensberechnung hat die [X.] die in den Gutschriften ausgewiesenen "Nettoumsätze" (gemeint: ohne Umsatzsteuer) ohne [X.]rücksichtigung der vorgenommenen Abzüge für die Fahrzeugnutzung, Vertragsstrafen u.a. zugrunde gelegt und diese gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] auf ein Bruttoentgelt hochgerechnet.

3. Zu den [X.]ihilfehandlungen durch den Angeklagten ist Folgendes festgestellt:

Der Angeklagte stellte der [X.] bzw. der [X.] Büroräume in seinem Wohnhaus in [X.]             zur Verfügung, von wo aus die Geschäfte geführt wurden. Während [X.]. das operative Geschäft übernahm, kümmerte sich der Angeklagte um die kaufmännischen Angelegenheiten. Er hielt sich täglich in den Büroräumen auf und war über alle Abläufe vor Ort in den Depots von [X.]   und [X.]            informiert. [X.].   stimmte sich mit dem Angeklagten ab und traf keine wichtigen Entscheidungen ohne dessen Zustimmung. Der Angeklagte führte gemeinsam mit [X.]. die Vertragsverhandlungen mit [X.]   und [X.]          , sprach regelmäßig bei [X.]   und [X.]          vor und sorgte für die reibungslose Durchführung der Verträge. Außerdem verhandelte er in Einzelfällen die Verträge mit den Fahrern. [X.]i Verhinderung [X.].   s  übernahm er vollumfänglich dessen Aufgabengebiet und kümmerte sich auch um das operative Geschäft.

II.

Unbeschadet der Frage, ob eine [X.]ihilfehandlung des Angeklagten rechtsfehlerfrei festgestellt ist, könnte das Urteil schon dann keinen [X.]stand haben, wenn die (Haupt-)Taten [X.].   s rechtlich fehlerhaft gewertet wären. Dies ist jedoch nicht der Fall.

1. Die [X.] ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass es sich bei der [X.] um eine Arbeitgeberin [X.]. § 266a StGB handelte, zu der die Fahrer in einem sozialversicherungspflichtigen [X.]schäftigungsverhältnis (vgl. § 7 Abs. 1 [X.]) standen.

a) Wer Arbeitgeber im Sinne von § 266a StGB ist, richtet sich nach dem Sozialversicherungsrecht, das seinerseits diesbezüglich auf das Dienstvertragsrecht der §§ 611 ff. [X.] abstellt. Arbeitgeber ist danach derjenige, dem gegenüber der Arbeitnehmer zur Erbringung von Arbeitsleistungen verpflichtet ist und zu dem er in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis steht, das sich vor allem durch die Eingliederung des Arbeitnehmers in den [X.]trieb des Arbeitgebers ausdrückt. Das [X.]stehen eines solchen [X.]schäftigungsverhältnisses zum Arbeitgeber bestimmt sich dabei nach den tatsächlichen Gegebenheiten, die einer wertenden Gesamtbetrachtung zu unterziehen sind. In diese Gesamtbetrachtung sind vor allem das Vorliegen eines umfassenden arbeitsrechtlichen Weisungsrechts, die Gestaltung des Entgelts und seiner [X.]rechnung (etwa Entlohnung nach festen Stundensätzen), Art und Ausmaß der Einbindung in den [X.]triebsablauf des [X.] sowie die Festlegung des täglichen [X.]ginns und des Endes der konkreten Tätigkeit einzustellen. Die Vertragsparteien können aus einem nach den tatsächlichen Verhältnissen bestehenden [X.]schäftigungsverhältnis resultierende sozialversicherungsrechtliche Abführungspflichten nicht durch eine abweichende Vertragsgestaltung beseitigen (insgesamt st. Rspr. vgl. zusammenfassend zuletzt [X.], [X.]schluss vom 4. September 2013 - 1 StR 94/13, [X.], 23 mwN).

b) An diesen Maßstäben gemessen hat die [X.] rechtsfehlerfrei das [X.]stehen sozialversicherungspflichtiger [X.]schäftigungsverhältnisse zwischen der [X.] und den Fahrern angenommen. Sie hat die betrieblichen Abläufe sowohl hinsichtlich der Durchführung der Transporte für die [X.]   ([X.] ff.) als auch für die [X.]           ([X.] ff.) im Einzelnen festgestellt und dabei insbesondere die betriebliche Arbeitsorganisation, das [X.]stehen von Weisungsrechten [X.].   s im Hinblick auf die detaillierten Regelungen zur Durchführung der Transporte in den Verträgen mit den Auftraggebern [X.]   bzw. [X.]          sowie das Fehlen weiterer Auftraggeber der Fahrer in [X.]dacht genommen. Sie hat in ihre [X.]trachtungen aber auch gegenläufige Gesichtspunkte einbezogen, nämlich dass die Vergütung der Fahrer aufgrund der [X.]messung nach der Anzahl der Pakete bzw. Anzahl der Stopps monatlich variierte, die Fahrer die Kosten für die Nutzung der Fahrzeuge selbst trugen, die Fahrer die Reihenfolge der Auslieferung bzw. Abholung innerhalb der ihnen zugeteilten festen Route selbst bestimmen konnten und dass die Fahrer jeweils ein Gewerbe angemeldet und Umsatzsteuer abgeführt hatten. Die auf [X.]undlage der festgestellten tatsächlichen Gegebenheiten erfolgte [X.]wertung als sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis ist nach alledem nicht zu beanstanden.

c) Der Senat hat erwogen, ob die Fahrer im Wege einer - dann ersichtlich unerlaubten - Arbeitnehmerüberlassung bei der [X.]   und der [X.]         tätig waren. Allerdings wäre die [X.] auch in diesem Fall Arbeitgeberin und der Angeklagte damit tauglicher Täter. Gemäß § 10 Abs. 1 i.V.m. § 9 Nr. 1 [X.] wäre ein Arbeitsverhältnis zwischen der [X.]   bzw. der [X.]            als Entleiherinnen und den Fahrern entstanden. Da jedoch die [X.] als Verleiherin das Entgelt an die Fahrer gezahlt hat, würde sie neben den Entleiherfirmen [X.]   bzw. [X.]           als Arbeitgeberin gelten und mit diesen als Gesamtschuldnerin haften soweit sich die Sozialversicherungsbeiträge auf das von ihr gezahlte Entgelt beziehen (vgl. § 28e Abs. 2 Sätze 3 und 4 [X.]). Dies hätte allerdings gegebenenfalls Auswirkungen auf die [X.]stimmung der subjektiven Tatseite oder auch auf die Strafzumessung wegen der dann im Innenverhältnis möglicherweise primären Haftung der [X.]   und der [X.]       . Letztlich kann dies jedoch offen bleiben, weil kein Fall der Arbeitnehmerüberlassung vorliegt.

(1) Eine Überlassung zur Arbeitsleistung [X.]. § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 [X.] liegt vor, wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in dessen [X.]trieb eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach Weisungen des Entleihers und in dessen Interesse ausführen (vgl. [X.], Urteile vom 18. Januar 2012 - 7 [X.], EzA [X.] § 1 Nr. 14, und vom 6. August 2003 - 7 [X.], EzA [X.] § 1 Nr. 13).

Von der Arbeitnehmerüberlassung zu unterscheiden ist die Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem [X.] aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrags. In diesen Fällen wird der Unternehmer für einen anderen tätig. Der Unternehmer organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und bleibt für die Erfüllung der in dem [X.] oder für die Herstellung des geschuldeten Werks gegenüber dem Drittunternehmen verantwortlich. Die zur Ausführung des Dienst- oder Werkvertrags eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen den Weisungen des Unternehmers und sind dessen Erfüllungsgehilfen. Der [X.] kann jedoch dem Werkunternehmer selbst oder dessen Erfüllungsgehilfen Anweisungen für die Ausführungen des Werks erteilen. Entsprechendes gilt für Dienstverträge. Über die rechtliche Einordnung eines Vertrags entscheidet der Geschäftsinhalt und nicht die von den Parteien gewünschte Rechtsfolge oder eine [X.]zeichnung, die dem Geschäftsinhalt tatsächlich nicht entspricht (vgl. [X.] aaO).

(2) Gegenstand des Vertrages zwischen der [X.] und der [X.]   bzw. der [X.]           war die Auslieferung und Abholung von Sendungen in einem bestimmten Gebiet. Es ist nicht zu beanstanden, dass die [X.] im Rahmen der auch hier gebotenen Gesamtbewertung - auch unter [X.]rücksichtigung des genannten Inhalts der Verträge zwischen [X.]und den [X.] und den Vorgaben zu deren Einhaltung - insbesondere im Hinblick auf die eigenständige Organisation der Touren und des Einsatzes der Fahrer von der Erteilung arbeitsrechtlicher Weisungen durch [X.]. und nicht durch [X.]   bzw. [X.]          ausgegangen ist.

(3) Die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge, der [X.]weisantrag auf Vernehmung von       [X.].    zum [X.]weis der Tatsache, dass [X.]   die Arbeitsbedingungen bestimmt und umfassend kontrolliert habe, sei rechtsfehlerhaft als völlig ungeeignetes [X.]weismittel abgelehnt worden, bleibt aus den vom [X.] schon in der Antragsschrift vom 3. Dezember 2013 zutreffend dargelegten [X.]ünden ohne Erfolg.

d) Die Annahme der [X.], [X.].   habe zumindest billigend in Kauf genommen, dass es sich bei den Fahrern auch hinsichtlich der Auslieferung der Pakete um Arbeitnehmer handelte, so dass diese mit ihrem Gesamtentgelt gegenüber den Sozialversicherungsträgern anzumelden und entsprechend Sozialversicherungsbeiträge abzuführen waren, wird von den Feststellungen getragen.

2. Die [X.] hat rechtsfehlerfrei eine [X.]ihilfe des Angeklagten zu den (Haupt-)Taten [X.].   s festgestellt.

a) Die Verfahrensrüge, das Konfrontationsrecht des Angeklagten aus Art. 6 Abs. 3 Buchst. [X.] sei verletzt, bleibt ohne Erfolg.

(1) Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Eine Vernehmung des nicht rechtskräftig abgeurteilten [X.].   war nicht möglich, nachdem dieser sich auf sein umfassendes Auskunftsverweigerungs-recht nach § 55 [X.] berufen hatte. Die [X.] hat die Aussagen, die er in seiner eigenen Hauptverhandlung gemacht hatte, durch Vernehmung der damaligen Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft festgestellt und hinsichtlich der Tätigkeit des Angeklagten zu dessen Nachteil in ihre Erwägungen einbezogen.

(2) Der Vortrag der Revision, der Angeklagte habe [X.].   nicht befragen können, trifft zwar zu, kann hier aber den [X.]stand des Urteils nicht gefährden. Es ist nicht zu beanstanden, dass die [X.] die den Angeklagten belastenden Angaben [X.].   s im Rahmen der [X.]weiswürdigung verwertet hat.

Zwar hat der Angeklagte als besondere Ausformung des [X.]undsatzes der [X.] ein Recht, [X.]lastungszeugen unmittelbar zu befragen oder befragen zu lassen. [X.]lastungszeuge in diesem Sinn kann auch der (frühere) Mitangeklagte sein, der in dem gegen ihn gerichteten Verfahren als Angeklagter Angaben gemacht hat (vgl. [X.], [X.]schluss vom 22. Juni 2005 - 2 StR 4/05, [X.], 321). Wenn ein [X.]lastungszeuge nur außerhalb der Hauptverhandlung vernommen worden ist, muss dem [X.]schuldigten dieses Recht zur konfrontativen [X.]fragung entweder bei der Vernehmung oder zu einem späteren Zeitpunkt eingeräumt werden (vgl. [X.], [X.]schluss vom 8. Oktober 2009 - 2 BvR 547/08, [X.], 925; [X.], [X.]schluss vom 17. März 2010 - 2 [X.], [X.]St 55, 70, 74 jeweils mwN). Die konfrontative [X.]fragung [X.].   s war dem Angeklagten nicht möglich, da dieser von seinem Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 [X.] Gebrauch gemacht hat ([X.]). Dass die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft als mittelbare Zeugin befragt werden konnte, reicht zur [X.]hrung des Konfrontationsrechts nicht aus (vgl. [X.], [X.]schluss vom 22. Juni 2005 - 2 StR 4/05, [X.], 321).

Der Ausschluss des [X.]fragungsrechts führt hier jedoch nicht zur Unverwertbarkeit der belastenden Aussage, da das Verfahren in seiner Gesamtheit einschließlich der Art und Weise der [X.]weiserhebung und -würdigung den Geboten der [X.] genügt ([X.], [X.]schluss vom 8. Oktober 2009 2 BvR 547/08, [X.], 925, 926; [X.], [X.]schluss vom 17. März 2010 2 [X.], [X.]St 55, 70, 74 f. jeweils mwN). Der Umstand, dass der Angeklagte keine Möglichkeit zur konfrontativen [X.]fragung des Zeugen hatte, ist der Justiz nicht zuzurechnen (vgl. [X.], [X.]schluss vom 8. Oktober 2009 - 2 BvR 547/08, [X.], 925, 926; [X.], [X.]schluss vom 29. November 2006 - 1 [X.], [X.]St 51, 150, 155). Den [X.]mühungen der [X.] um eine Sicherstellung des Konfrontationsrechts waren im Hinblick auf den [X.]undsatz der [X.] von vornherein [X.]enzen gesetzt, da [X.].   von seinem Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 [X.] Gebrauch gemacht hat (vgl. auch [X.], [X.]schluss vom 9. Juni 2009 - 4 [X.], [X.], 581; [X.], Urteil vom 19. Juli 2012 - 29881/07, [X.], 170; [X.], [X.], 57. Aufl., Art. 6 [X.] Rn. 22c). Die [X.] hat zudem im Rahmen der [X.]weiswürdigung hinreichend berücksichtigt, dass [X.]. vom Angeklagten nicht befragt werden konnte (vgl. [X.], [X.]schluss vom 8. Oktober 2009 - 2 BvR 547/08, [X.], 925, 926; [X.], Urteil vom 25. Juli 2000 - 1 StR 169/00, [X.]St 46, 93, 104 f.). Die [X.], die sich ersichtlich bewusst war, dass die Angaben [X.].   s in dem gegen ihn gerichteten Verfahren nur über die damalige Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft in die Hauptverhandlung eingeführt wurden, hat seine Aussage einer umfassenden [X.]weiswürdigung unterzogen ([X.] f.). Die Feststellungen zu der Aufgabenverteilung zwischen dem Angeklagten und [X.].   stützt die Kammer dabei nicht nur auf die Angaben [X.].   s, sondern auch auf die Angaben weiterer Zeugen sowie die in die Hauptverhandlung eingeführten Urkunden.

b) [X.] ist die [X.]wertung des festgestellten Verhaltens des Angeklagten als vorsätzliche [X.]ihilfe zu den (Haupt-)Taten [X.].   s nicht zu beanstanden ohne dass dies näherer Ausführungen bedürfte.

III.

Dagegen war der Strafausspruch auf die Revision des Angeklagten aufzuheben. Die [X.] hat den Schuldumfang der (Haupt-)Taten, zu denen der Angeklagte [X.]ihilfe geleistet hat, nicht rechtsfehlerfrei bestimmt.

1. Allerdings bleiben sämtliche hierauf bezogene Verfahrensrügen erfolglos.

a) Die Rüge der Verletzung von § 393 Abs. 2 [X.] greift nicht durch.

Der Rüge liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Im Rahmen einer Außenprüfung des zuständigen Finanzamts bei der [X.] wurden [X.] über an Kurierfahrer gezahlte Vergütungen erstellt. Die [X.] hat die Außenprüferin [X.].        als Zeugin vernommen und die [X.] im Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführt. Sowohl die Aussage der Zeugin als auch den Inhalt der Urkunden hat sie für die Feststellung der an die Fahrer gezahlten [X.]träge herangezogen, die die [X.]undlage der Schadensberechnung bilden. Der Angeklagte hatte der Verwertung der [X.] sowie der Zeugeneinvernahme der Außenprüferin widersprochen. Die [X.] hat den Widerspruch mit der [X.]gründung zurückgewiesen, eine Verwendung sei nicht durch § 393 Abs. 2 [X.] ausgeschlossen, da der Angeklagte nicht an der gegen die [X.] gerichteten Außenprüfung beteiligt gewesen sei und insbesondere keine Angaben gegenüber den Steuerbehörden gemacht habe.

[X.]undlage von im Rahmen einer Außenprüfung (§ 193 [X.]) gefertigten [X.] sind regelmäßig Unterlagen, die aufgrund gesetzlicher, nicht ausschließlich der Sicherstellung der [X.]steuerung dienender Aufzeichnungspflichten (z.B. Buchführungspflicht gemäß § 140 [X.] i.V.m. § 238 HGB) erstellt und in Erfüllung der Mitwirkungspflichten aus § 200 [X.] vorgelegt werden. Solche gesetzlichen Aufzeichnungs- und Vorlagepflichten betreffen den [X.]bereich der grundgesetzlich gewährleisteten [X.] auch dann nicht, wenn die zu erstellenden oder vorzulegenden Unterlagen auch zur Ahndung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten verwendet werden dürfen (vgl. [X.], [X.]schlüsse vom 27. April 2010 - 2 BvL 13/07, [X.], 341 [zu § 393 Abs. 2 [X.]], vom 22. Oktober 1980 - 2 BvR 1172/79, 2 BvR 1238/79, [X.]E 55, 144, und vom 7. Dezember 1991 - 2 BvR 1172/81, NJW 1982, 568). Eine Tatsachengrundlage dafür, dass der Inhalt der [X.] hier ausnahmsweise auf Angaben [X.]. s als gesetzlichem Vertreter der [X.], die dieser im Rahmen der Außenprüfung gemacht hat, und damit auf von ihm offenbarten Tatsachen beruhen, hat die Revision nicht vorgetragen. Ebenso wenig lässt sich ihrem Vortrag entnehmen, welche konkreten Tatsachen auf den Angaben [X.].   s beruhen. Anhaltspunkte dafür ergeben sich weder aus den Urteilsgründen, wonach die [X.]triebsprüferin [X.].       die [X.] auf [X.]undlage der in der Buchhaltung der [X.] vorhandenen Gutschriften und [X.]lege erstellt hat, noch aus sonstigen Umständen.

b) Auch die Rüge, die [X.] habe den [X.]weisantrag vom 21. Mai 2013 auf Neuberechnung der durch die Firmen [X.]und [X.]abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge anhand der tatsächlich an die Fahrer ausgezahlten [X.]träge unter Verstoß gegen § 244 Abs. 3 [X.] zu Unrecht abgelehnt, greift nicht durch. Die [X.] hat den Antrag zu Recht mit der [X.]gründung abgelehnt, es seien keine Tatsachen unter [X.]weis gestellt worden.

[X.]i dem Antrag handelt es sich nämlich weder um einen [X.]weisantrag, der nur unter den in § 244 Abs. 3 bis 5 [X.] genannten Voraussetzungen abgelehnt werden könnte, noch um einen nach Maßgabe von § 244 Abs. 2 [X.] zu bescheidenden [X.]weisermittlungsantrag. Er ist vielmehr auf eine abweichende rechtliche Würdigung bereits bekannter Tatsachen - nämlich den Inhalt der an die Fahrer gerichteten Gutschriften und den sich daraus ergebenden Abzügen für Fahrzeugnutzung u.a. - gerichtet und betrifft damit eine von der [X.] zu entscheidende Rechtsfrage.

c) Die Verfahrensrüge, mit der die Ablehnung des [X.]weisantrags auf Vernehmung eines Zeugen zur fiktiven Höhe der Vergütung eines angestellten [X.] als bedeutungslos beanstandet wird, bleibt aus den vom [X.] auch schon in der Antragsschrift vom 3. Dezember 2013 zutreffend dargelegten [X.]ünden ohne Erfolg.

2. Jedoch erweist sich die [X.]rechnung der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge als rechtsfehlerhaft.

a) Allerdings ist die [X.] entgegen der Auffassung der Revision zutreffend davon ausgegangen, dass "illegale [X.]schäftigungsverhältnisse" [X.]. § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] vorlagen und eine Hochrechnung auf ein Bruttoentgelt vorzunehmen war. Die Urteilsfeststellungen ergeben nämlich objektiv eine Verletzung von zentralen arbeitgeberbezogenen Pflichten des Sozialversicherungsrechts durch die Nichtzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen (vgl. § 28d, 28e [X.]) und die Verletzung von Meldepflichten (vgl. § 28a [X.]) sowie subjektiv einen auf die Verletzung dieser [X.] gerichteten (bedingten) Vorsatz (vgl. zu den Voraussetzungen der Annahme eines illegalen [X.]schäftigungsverhältnisses BSG, Urteil vom 9. November 2011 - [X.] R 18/09 R, [X.], 254).

b) Die konkrete [X.]messungsgrundlage für die Hochrechnung hat die [X.] aber nicht rechtsfehlerfrei bestimmt.

[X.]undlage der [X.]itragsbemessung ist das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Tätigkeit (vgl. §§ 223, 226 [X.], §§ 161, 162 [X.]I, §§ 341, 342 [X.] sowie §§ 54, 57 [X.]). Arbeitsentgelt sind nach § 14 Abs. 1 Satz 1 [X.] alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer [X.]schäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher [X.]zeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der [X.]schäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden.

Auf dieser [X.]undlage ist die [X.] zutreffend davon ausgegangen, dass die von der [X.] an die Fahrer ausgezahlte und von diesen abgeführte Umsatzsteuer nicht Teil des Arbeitsentgelts ist, da diese zu keiner spürbaren, nachhaltigen [X.]reicherung bei den Fahrern geführt hat ([X.] in jurisPK-[X.], 2. Aufl., § 14 Rn. 45, 46).

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die [X.] die Abzüge für Vertragsstrafen bei der Ermittlung des Arbeitsentgelts unberücksichtigt gelassen hat. Die Entstehung der [X.]itragspflicht hängt nicht davon ab, ob das geschuldete Arbeitsentgelt gezahlt und dem Arbeitnehmer zugeflossen ist. Gegenforderungen eines Arbeitsgebers können unabhängig von der Art ihrer Ausgestaltung im Einzelnen nicht dazu führen, dass ein Arbeitnehmer zwar arbeitet und dabei uneingeschränkt versichert ist, der hierfür der Versichertengemeinschaft zustehende Anspruch sich aber (im Extremfall auf Null) reduziert (vgl. näher dazu BSG, Urteil vom 21. Mai 1996 - 12 RK 64/94, [X.], 224; [X.] in [X.], Sozialrecht, 3. Aufl., § 22 [X.] Rn. 4, 5).

Die Auffassung der [X.], dass auch die [X.]träge, die für die Überlassung der Fahrzeuge und sonstige Fahrzeugkosten in Abzug gebracht wurden, Teil des Arbeitsentgelts sind, beruht dagegen auf einer lückenhaften [X.]weiswürdigung. Es liegt nahe und wäre daher zu erörtern gewesen, dass die gewählte vertragliche Konstruktion - Abschluss eines "[X.]" einerseits, Abschluss eines gesonderten Kfz-Nutzungsvertrages andererseits - hier der Verschleierung des [X.]stehens eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses diente. Wäre hiervon auszugehen, wäre zwischen der [X.] und den Fahrern lediglich ein Entgelt in Höhe der um die Fahrzeugnutzung und die Kosten für den Erhalt des Fahrzeugs gekürzten [X.]träge vereinbart gewesen.

3. Die rechtsfehlerhafte [X.]messung der Höhe der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge und damit des Schuldumfangs zieht die Aufhebung des Strafausspruchs mit den zugehörigen Feststellungen nach sich.

IV.

Die auch vom [X.] nicht vertretene Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg.

Das Vorbringen der Staatsanwaltschaft beschränkt sich im [X.] letztlich auf die Darlegung, die zur [X.]währung ausgesetzte Freiheitsstrafe von einem Jahr sei nicht tat- und schuldangemessen; die [X.] habe den [X.] zu hohes Gewicht beigemessen. Insoweit handelt es sich lediglich um den revisionsrechtlich unbeachtlichen Versuch, rechtsfehlerfreie tatrichterliche Strafzumessungserwägungen durch eigene zu ersetzen. Darüber hinaus macht die Staatsanwaltschaft geltend, die [X.] habe nicht zugunsten des Angeklagten berücksichtigen dürfen, dass [X.].   über eine von ihm vertretene GmbH einen Teil des Schadens in Höhe von 41.000 Euro wiedergutgemacht hat. Dies trifft nicht zu. Wie auch der [X.] zutreffend ausgeführt hat, ist die strafmildernde [X.]rücksichtigung der Schadenswiedergutmachung durch den Haupttäter - der die [X.] ohnehin "kein hohes Gewicht" beigemessen hat - unter dem Gesichtspunkt der Verringerung der verschuldeten Auswirkung der Tat nicht zu beanstanden.

Ri[X.] Dr. [X.]af ist im
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gehindert.

Raum     

[X.]hl     

     Raum

Cirener     

Radtke

Meta

1 StR 638/13

16.04.2014

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Landshut, 22. Juli 2013, Az: 3 KLs 59 Js 30360/12

Art 6 Abs 3 Buchst d MRK, § 55 StPO, § 261 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.04.2014, Az. 1 StR 638/13 (REWIS RS 2014, 6236)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6236

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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