Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.09.2023, Az. 5 StR 120/23

5. Strafsenat | REWIS RS 2023, 8409

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Tenor

1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 6. Oktober 2022 aufgehoben mit Ausnahme der Feststellungen; diese bleiben bestehen.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehenden Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft werden verworfen.

- Von Rechts wegen -

Entscheidungsgründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen sowie wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Beihilfe zu bandenmäßigem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Dagegen wenden sich der Angeklagte sowie die Staatsanwaltschaft, deren zuungunsten des Angeklagten eingelegtes Rechtsmittel vom [X.] vertreten wird, jeweils mit einer auf die Sachrüge – im Fall des Angeklagten auch auf eine unausgeführte Verfahrensrüge – gestützten Revision. Beide Rechtsmittel haben weitgehend Erfolg.

I.

2

1. Nach den Feststellungen schloss sich der Angeklagte vor Mai 2021 mit den gesondert Verfolgten [X.], [X.], [X.].     und – ab Oktober 2021 – auch mit dem gesondert Verfolgten [X.]    zusammen in der Absicht, gemeinsam Betäubungsmittel, namentlich Kokain, Marihuana, Amphetamin und [X.], mittels eines Pkw-Lieferdienstes (sogenanntes „Kokstaxi“) gewinnbringend an Kunden in und um N.        zu veräußern.

3

a) Zur Organisationsstruktur des Lieferdienstes hat das [X.] Folgendes festgestellt:

4

Als Gründer und Chef der Bande fungierte der gesondert Verfolgte [X.]. Er erwarb die Betäubungsmittel, koordinierte ihre Verteilung auf die einzelnen Fahrer und übernahm die Abrechnung der Einnahmen. Er erstellte zudem wöchentlich Schichtpläne, mit denen die Fahrer den an jedem Tag bestehenden zwei Fahrerschichten zugeordnet wurden. Die gesondert Verfolgten [X.], [X.].     und [X.]    waren insbesondere als Fahrer für die Bande tätig.

5

Während der [X.] war es Aufgabe der Fahrer, sich mit einem Fahrzeug zu einem vom Kunden angegebenen Lieferort zu begeben und ihm dort die gewünschte Art und Anzahl an Betäubungsmitteleinheiten gegen Barzahlung zu verkaufen. Dazu waren die Fahrzeuge stets mit einem Grundsortiment zum Verkauf bereits vorportionierter Betäubungsmitteleinheiten ausgestattet. Es bestand jeweils aus mindestens 20 Verkaufseinheiten Kokain zu je 0,5 Gramm, 20 Einheiten Cannabis zu je fünf Gramm Marihuana, sieben Einheiten Amphetamin zu je acht Gramm sowie zwei Einheiten [X.] zu je acht Stück. Jede Verkaufseinheit kostete 50 Euro. Im tatrelevanten Zeitraum veräußerten die Fahrer während ihrer [X.] zu keinem Zeitpunkt sämtliche mitgeführten Betäubungsmittel. Es blieben durchgängig Restbestände zurück, welche die Fahrer bis zum Beginn der nächsten Schicht im Pkw oder an anderen Orten verwahrten. Zu Beginn einer Schicht füllten die Fahrer ihren [X.] derart wieder auf, dass zumindest das Grundsortiment erreicht war.

6

Als Bindeglied zwischen den Kunden und den Fahrern fungierte [X.]. Diese Aufgabe übten im Tatzeitraum stets entweder der Angeklagte oder der gesondert Verfolgte [X.]aus; an einem Tag ging der gesondert Verfolgte [X.] dieser Tätigkeit nach. [X.] bediente ein eigens von der Bande vorrätig gehaltenes Mobiltelefon mit der in [X.] bekannten Mobilfunknummer für Betäubungsmittelbestellungen. In diesem Zentralhandy waren Kundenkontakte abgespeichert. Hatte ein Kunde über [X.] seine Bestellung aufgegeben, war es Aufgabe des [X.]s zu prüfen, ob der Kunde als Kontakt gespeichert war, ihm anschließend den Lieferzeitpunkt mitzuteilen sowie über das Mobiltelefon Kontakt zum schichthabenden Auslieferungsfahrer aufzunehmen und diesen den vom Kunden gewünschten Übergabeort mitzuteilen. Eine [X.]schicht umfasste zwei Fahrerschichten. Jeder Fahrer verkaufte pro Schicht mindestens 25 Verkaufseinheiten Betäubungsmittel an Kunden. [X.] erhielt für jede vermittelte Verkaufseinheit einen Betrag in Höhe von zwei Euro.

7

b) Das [X.] hat folgende konkrete Handlungen des Angeklagten im Rahmen des Lieferdienstes festgestellt:

8

aa) Anfang Juli 2021 erwarb der Angeklagte 500 Stück Salbenkruken für einen Gesamtbetrag von 100 Euro. Diese dienten als Verpackungsmaterial für zwei Kilogramm Amphetamin, welche der gesondert Verfolgte [X.]Ende Juni erworben hatte und die in der Folgezeit durch die Bande abverkauft wurden.

9

bb) Vom 9. bis zum 21. November 2021 übernahm der Angeklagte an zwölf Tagen die [X.]tätigkeit für die Bande (Tat 16 der Anklageschrift), während die gesondert Verfolgten [X.], [X.].     und [X.]    als Fahrer fungierten.

cc) Am 29. November und am 6. Dezember 2021 ging der Angeklagte erneut der [X.]tätigkeit für die Bande nach (Taten 17 bis 19 der Anklageschrift). An diesen Tagen waren die gesondert Verfolgten [X.]    und [X.].      als Fahrer tätig.

2. Mit der zugelassenen Anklage war dem Angeklagten zudem zur Last gelegt worden, bereits im Zeitraum von Anfang Mai bis Ende September 2021 jeweils an mindestens 15 Tagen monatlich für die Bande als [X.] fungiert und hierfür vom gesondert Verfolgten [X.]insgesamt mindestens 1.280 Euro erhalten zu haben (Taten 1 bis 15 der Anklageschrift). Im Tatzeitraum habe der Angeklagte zudem mehrfach – zuletzt im Juli 2021 – Verpackungsmaterial für die Bande bestellt und gelegentlich Auslieferungsfahrzeuge angemietet.

Im Eröffnungsbeschluss wurde für die Taten 1 bis 9 der Anklageschrift der Tatzeitraum auf Ende Mai bis Ende September 2021 konkretisiert. Zudem wurde dort sowie bei den Taten 12 bis 15 der Anklageschrift eine Zeit der Unterbrechung der Tätigkeit der Bande zwischen 28. Juli und 10. September 2021 aus dem für relevant erachteten Tatzeitraum ausgenommen.

3. Das [X.] hat den Angeklagten wie folgt schuldig gesprochen:

a) Den Erwerb des Verpackungsmaterials Anfang Juli 2021 hat es als Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 30a Abs. 1 BtMG, § 27 Abs. 1 StGB angesehen.

b) Die Ausübung der [X.]tätigkeit hat die [X.] als bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bewertet, begangen als Mittäter neben den gesondert verfolgten Fahrern [X.], [X.].     und [X.]    (§ 30a Abs. 1 BtMG, § 25 Abs. 2 StGB).

Dabei hat das [X.] hinsichtlich der [X.]tätigkeit vier Taten angenommen. Es ist davon ausgegangen, dass die Betäubungsmittelumsätze der gesondert Verfolgten [X.], [X.].     und [X.]    im Zeitraum 9. bis 21. November 2021 (Tat 16 der Anklageschrift) wegen der Entnahme aus einem [X.] eine Bewertungseinheit und damit eine Tat bilden. Die späteren Abverkäufe am 29. November und am 6. Dezember 2021 durch die gesondert Verfolgten [X.]    (Tat 17 der Anklage) und [X.].     (Taten 18 und 19 der Anklage) hätten für sich ebenfalls jeweils eine Bewertungseinheit gebildet. Diese letztgenannten drei Taten stünden aufgrund [X.] Ausführungshandlungen in Form des Vorrätighaltens der Kundendaten über das [X.]handy, insbesondere der Telefonnummern, zueinander in Tateinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB. Zwischen Tat 16 und den Taten 17 bis 19 der Anklageschrift hat das [X.] Tatmehrheit angenommen.

c) Von den mit der Anklage vorgeworfenen weiteren 15 Taten des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hat das [X.] den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, da die Beweisaufnahme „keine ausreichenden Feststellungen ergeben“ habe.

Zwar habe sich der Angeklagte dahin eingelassen, dass er von Mai bis zur Unterbrechung der Bandentätigkeit Ende Juli 2021 ein bis drei Tage in der Woche, insgesamt an 19 Tagen, der [X.]tätigkeit für die Bande nachgegangen sei. Der Einlassung folgend sei aber denkbar, dass er in den vier Wochen im Mai vor Beginn des – nach Maßgabe des [X.] – angeklagten Zeitraumes bereits insgesamt an zwölf Tagen die Funktion des [X.]s ausgeübt habe. Hinsichtlich der verbleibenden sieben Tage, in denen der Angeklagte der [X.]tätigkeit im angeklagten Zeitraum nachgegangen sei, könne man nicht ausschließen, dass diese nicht Gegenstand der angeklagten Taten seien. Für eine Verurteilung habe es der Feststellung seiner Mitwirkung an bestimmten, von der Anklage umfassten Umsätzen der jeweiligen Fahrer bedurft. Erkenntnisse, die eine Zuordnung in diesem Sinne hinreichend konkret zuließen, habe man unter Berücksichtigung des Umstandes, dass zeitweilig auch noch andere Personen sowie der gesondert Verfolgte [X.]als Fahrer beteiligt gewesen seien, nicht treffen können.

II.

Die Revision der Staatsanwaltschaft hat überwiegend Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

1. Aufgrund der Revision der Staatsanwaltschaft unterliegt das Urteil in seiner Gesamtheit der Überprüfung durch das Revisionsgericht.

a) Zwar ist das Rechtsmittel nach dem [X.] entgegen dem darin gestellten unbeschränkten Aufhebungsantrag auf die Anfechtung des Freispruchs des Angeklagten in den Fällen 1 bis 15 der Anklageschrift beschränkt. Denn hinsichtlich des Angriffsziels ist der Sinn der Revisionsbegründung maßgeblich, ausweislich derer die Staatsanwaltschaft ausschließlich beanstandet, dass der Angeklagte nicht auch in diesen Fällen verurteilt worden ist. Unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 [X.] versteht der Senat das [X.] dahin, dass die Staatsanwaltschaft die Verurteilung für das [X.] sowie in den Fällen 16 bis 19 der Anklageschrift nicht angreifen will (vgl. hierzu nur [X.], Urteile vom 20. Juli 2022 – 5 [X.]; vom 14. April 2022 – 5 StR 313/21, [X.], 201).

b) Die Beschränkung des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft erweist sich jedoch als unwirksam. Der Freispruch in den Fällen 1 bis 15 der Anklageschrift kann nicht losgelöst von der Verurteilung in den Fällen 16 bis 19 beurteilt werden, da das Urteil Anhaltspunkte dafür enthält, dass aus den unten näher auszuführenden Gründen eine Zusammenfassung der Handlungen des Angeklagten zu einer Tateinheit in Betracht kommt (vgl. [X.], Urteil vom 17. August 2000 – 4 StR 233/00; [X.], 9. Aufl., § 344 Rn. 8 mwN). Hierfür genügt im hier gegebenen Fall unvollständiger Feststellungen bereits die Möglichkeit, dass eine neue Verhandlung das Vorliegen von Tateinheit ergibt (vgl. für den Fall eines möglichen [X.] BayObLG, Urteil vom 27. März 1991 – [X.], NJW 1991, 2582; ferner [X.][X.], [X.], 26. Aufl., § 344 Rn. 21). Denn nur auf diese Weise kann verhindert werden, dass die Verurteilung in Rechtskraft erwächst, was – wenn sich die Annahme einer Bewertungseinheit bestätigt – jedenfalls insoweit einer Verfolgung der vom Freispruch berührten [X.] wegen des Verbots aus Art. 103 Abs. 3 GG entgegenstehen könnte ([X.], Urteil vom 25. Juli 2002 – 4 [X.]/02).

2. Soweit der Angeklagte freigesprochen wurde, weist das Urteil in mehrfacher Hinsicht Rechtsfehler auf.

a) Es genügt schon nicht den insoweit bestehenden Darstellungsanforderungen. Wird der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, so müssen nach Mitteilung des Anklagevorwurfs im Urteil zunächst diejenigen Tatsachen festgestellt werden, die der Tatrichter für erwiesen hält. Erst auf dieser Grundlage ist in der Beweiswürdigung darzulegen, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen zusätzlichen Feststellungen nicht getroffen werden können. Nur hierdurch wird das Revisionsgericht in die Lage versetzt, nachprüfen zu können, ob der Freispruch auf rechtlich bedenkenfreien Erwägungen beruht ([X.], Urteile vom 2. März 2022 – 5 [X.]; vom 5. Februar 2013 – 1 [X.], NJW 2013, 1106). Für die Taten 1 bis 15 der Anklageschrift hat die [X.] aber keine Feststellungen zu den Handlungen des Angeklagten getroffen.

So hat die [X.] schon nicht festgestellt, an wie vielen Tagen der Angeklagte im Zeitraum Mai bis Ende September 2021 der [X.]tätigkeit nachging. Der bloße Verweis auf seine insoweit nicht weiter gewürdigte Einlassung genügt hierzu nicht, zumal der Angeklagte sich ausweislich der Urteilsgründe nicht auf die erwähnten 19 Tage festgelegt hat, sondern auch eine [X.]tätigkeit an 22 Tagen für möglich gehalten hat. Auch erwähnen die Urteilsgründe lediglich beiläufig, dass neben den gesondert Verfolgten [X.], [X.], [X.].     und [X.]    noch weitere Fahrer für die Bande tätig waren. Feststellungen zu dieser – für das Ausmaß der potentiell durch den Angeklagten koordinierten Auslieferungstätigkeit der Bande wesentlichen – Frage enthält das Urteil darüber hinaus aber nicht, insbesondere nicht dazu, inwieweit hiervon der Zeitraum der Taten 1 bis 15 betroffen ist.

Zudem fehlen im Urteil die erforderlichen Angaben, um das Konkurrenzverhältnis der Taten untereinander sowie in Bezug zu denjenigen Taten beurteilen zu können, für die der Angeklagte verurteilt wurde. So ist zwar festgestellt, dass bei den Fahrern am [X.]de stets Restbestände an Betäubungsmitteln zurückblieben, welche im Pkw oder an anderen Orten verwahrt wurden, bis die Fahrer ihren Vorrat zum Beginn der nächsten Schicht bis zum Erreichen des [X.] wieder auffüllten. Es bleibt jedoch schon offen, inwieweit dem Angeklagten diese Handhabung bekannt war. Ebenso ist unklar, ob sie auch über die Pause der Bandentätigkeit zwischen Juli und September 2021 hinweg praktiziert wurde. Nicht geklärt hat das [X.] zudem, wann über den Tatzeitraum hinweg die zwei Kilogramm Amphetamin verkauft wurden, für die der Angeklagte Verpackungsmaterial beschafft hatte.

b) Angesichts der im Urteil im Übrigen enthaltenen Angaben zum Verbleib von [X.] bei den Fahrern sowie zur Verpackung des Amphetamins kann der Freispruch auch deshalb keinen Bestand haben, weil nicht ausschließbar ist, dass die betroffenen Taten mit den abgeurteilten Taten in Tateinheit stehen. Für letztere steht daher im Raum, dass das [X.] insoweit seiner Kognitionspflicht (§ 264 [X.]) nicht voll gerecht geworden ist. Sie gebietet, den durch die zugelassene Anklage abgegrenzten [X.] durch vollständige Aburteilung des einheitlichen Lebensvorgangs zu erschöpfen. Der Unrechtsgehalt der Tat muss ohne Rücksicht auf die dem Eröffnungsbeschluss zugrunde gelegte Bewertung ausgeschöpft werden, soweit keine rechtlichen Gründe entgegenstehen (st. Rspr.; vgl. zuletzt etwa [X.], Urteile vom 24. Mai 2023 – 5 StR 82/23; vom 8. Dezember 2021 – 5 [X.], [X.], 409, 410 mwN).

Ein tateinheitliches Verhältnis aller angeklagten Taten des Angeklagten ist vorliegend deshalb denkbar, weil er nach den Feststellungen mittäterschaftlich als Vermittler an den täglichen Absatzhandlungen der Fahrer mitwirkte, die sich wiederum aufgrund der Wiederauffüllung des nie aufgebrauchten [X.] stets mit den Auslieferungen der vorangegangenen und der folgenden Schicht überschnitten. Im Einzelnen:

aa) Der Angeklagte hat gegen Provisionszahlungen des gesondert Verfolgten [X.]in dessen Auftrag die Umsatzgeschäfte der Fahrer vermittelt und auf diese Weise mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, nämlich eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeiten entfaltet. Mit Blick auf seine zentrale Funktion für das „Kokstaxi“-Liefersystem sowie auf sein durch die Provisionszahlungen vermitteltes Eigeninteresse am [X.] hat das [X.] den Angeklagten rechtsfehlerfrei als Mittäter jedenfalls der Fahrer angesehen (vgl. zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln [X.], Beschluss vom 11. April 2022 – 4 [X.]; speziell bei Vermittlungsgeschäften [X.], Beschluss vom 8. Juni 2022 – 5 [X.], [X.], 248).

bb) Sind an mehreren Taten ‒ insbesondere an einer Deliktserie ‒ mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, so ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] für jeden Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden (siehe nur [X.], Beschluss vom 6. Oktober 2020 – 4 StR 251/20, NStZ-RR 2020, 375; Urteil vom 28. März 2018 – 2 StR 176/17).

Die Handelsmenge des Angeklagten bestand jeweils in dem durch jeden Fahrer mitgeführten Grundsortiment. Die darin enthaltenen Einheiten wurden zwar an getrennte Abnehmer ausgeliefert, jedoch hielten die Fahrer während ihrer Schicht ständig das gesamte Grundsortiment zum Verkauf bereit. Alle Tätigkeiten des Angeklagten im Rahmen seiner Schicht als [X.] bezogen sich ebenfalls auf den Absatz der zu Schichtbeginn von einem Fahrer als Grundsortiment mitgeführten 49 Verkaufseinheiten. Sie überschnitten sich folglich und stehen daher in gleichartiger Tateinheit.

Da die Fahrer in jeder Schicht auch noch Betäubungsmitteleinheiten aus der vorangegangenen Schicht mitführten und die nunmehr übrig bleibenden Einheiten wiederum erst in der nachfolgenden Schicht verkauft wurden, ergeben sich zusätzliche, zu Tateinheit führende Überschneidungen zwischen den [X.] folgenden [X.] der Fahrer und damit auch zwischen den [X.]schichten des Angeklagten. Denn die Mitnahme solcherart zusammengesetzter Sortimente begründete jeweils einen Besitz der Fahrer an den vom Vortag verbliebenen und den neu übernommenen Einheiten, der über eine bloße Gleichzeitigkeit hinausging und die Wertung rechtfertigt, dass die tatsächliche Ausübung des Besitzes über die eine Menge zugleich die Ausübung der tatsächlichen Verfügungsgewalt über die andere darstellte (vgl. nur [X.], Beschlüsse vom 1. Februar 2023 – 5 StR 408/22; vom 5. Juni 2019 – 2 StR 287/18, [X.], 227 mwN).

Die so vermittelte Tateinheit zwischen mehreren [X.] des Angeklagten kann sich über die verurteilten Taten hinaus auch auf diejenigen Tätigkeiten als [X.] erstrecken, für die er freigesprochen worden ist. Denn es kommt in Betracht, dass auch während der Pause der Bandentätigkeit ab Ende Juli 2021 Restmengen bei einzelnen Fahrern verblieben und zur Fortführung des [X.] im September 2021 wieder aufgefüllt wurden. Zudem lassen die Feststellungen offen, über welchen Zeitraum hinweg die zwei Kilogramm Amphetamin verkauft wurden, für deren Verpackung der Angeklagte Anfang Juli 2021 Salbenkruken erworben hatte. Teile dieser Menge können nach diesem Zeitpunkt, zu dem sie naheliegend noch einen einheitlichen Vorrat bildeten, zum Grundsortiment verschiedener Fahrerschichten gehört haben. Soweit der Angeklagte dabei als [X.] mitwirkte, galten seine Bemühungen der gleichen Betäubungsmittelmenge, an deren Absatz er bereits durch die Materialbeschaffung mitgewirkt hatte. In seiner Person können sie daher eine Bewertungseinheit bilden (vgl. etwa [X.], Beschluss vom 16. November 2021 – 3 [X.]/21).

c) Darüber hinaus weist die Revision zu Recht darauf hin, dass sich das [X.] offenbar an einer Verurteilung gehindert gesehen hat, weil es von einem zu geringen Umfang der angeklagten Taten ausgegangen ist.

So liegt der Gliederung der Taten 1 bis 15 der Anklageschrift zwar eine Differenzierung anhand der jeweils eingesetzten Fahrer zugrunde, für die dabei eine Mindestzahl an Einsatztagen benannt wird. Für die mit der Vorbereitung und Koordination der Fahrten befassten Bandenmitglieder, darunter den als [X.] und damit als Bindeglied zwischen Kunden und Fahrern tätigen Angeklagten, bedeutet dies aber nicht, dass von der Anklage lediglich bestimmte Auslieferungsfahrten durch konkrete Fahrer umfasst wären. Vielmehr legt diese dem Angeklagten für den Zeitraum Mai bis September 2021 neben der Bestellung von Verpackungsmaterial und der Anmietung von Fahrzeugen zur Last, monatlich jeweils an mindestens 15 Tagen als [X.] fungiert zu haben. Dass sich dieser Tatvorwurf keineswegs auf die Koordination der Fahrten der in den Taten 1 bis 15 genannten gesondert Verfolgten [X.] und [X.].     beschränkt hat, folgt bereits daraus, dass die Anklage als weitere, zeitweise aktive Fahrer die gesondert Verfolgten M.      [X.], R.  K.    [X.]und         C.         benennt.

Das Ausmaß der angeklagten Taten ergibt sich zudem daraus, dass der Lieferservice im gesamten Tatzeitraum bis auf wenige Ausnahmen täglich erreichbar gewesen sein und die „[X.]“ durch den Angeklagten (lediglich) zusammen mit dem gesondert Verfolgten [X.]geleitet worden sein soll. Auch das [X.] ist bei der Tätigkeit des [X.]s offenbar von einer an jedem Tag ausgeübten Funktion ausgegangen, die stets entweder durch den Angeklagten oder durch den gesondert Verfolgten [X.]ausgeübt worden sei; lediglich an einem Tag habe sie der gesondert Verfolgte [X.] übernommen.

Die Umgrenzungsfunktion der Anklage ist dabei durch die Festlegung auf den modus operandi, die in zentraler Funktion beteiligten Personen, den Tatzeitraum und die sich aus den weiteren Daten ergebende Mindestanzahl an Taten gewahrt (vgl. zu den Anforderungen bei Tatserien [X.], Urteil vom 25. September 2014 – 4 StR 69/14, [X.], 181; Beschluss vom 21. Dezember 2021 – StB 39/21, [X.], 75). Sollen innerhalb der so konkretisierten Tatserie weitere Einsätze als „[X.]“ abgeurteilt werden, so müssen auch hierzu nicht die konkreten Tage der Tätigkeit und die Namen der betreuten Fahrer bezeichnet werden, um die Unterscheidbarkeit von anderen, gleichartigen Taten zu gewährleisten und den Umfang der Rechtskraft festzulegen (vgl. zu den Anforderungen [X.], Beschlüsse vom 28. November 1990 – 2 StR 536/90, [X.]R [X.] § 267 Abs. 1 Satz 1 Mindestfeststellungen 1; vom 18. Mai 1993 – 3 [X.], [X.]R [X.] § 267 Abs. 1 Satz 1 Mindestfeststellungen 4).

3. Der Freispruch unterliegt daher der Aufhebung. Aus den oben genannten Gründen ist zugleich die Verurteilung für das [X.] sowie die Taten 16 bis 19 der Anklageschrift aufzuheben (vgl. [X.], Urteil vom 25. Juli 2002 – 4 [X.]/02).

III.

Auch die Revision des Angeklagten hat überwiegend Erfolg; sie führt in demselben Umfang wie das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft zur Aufhebung des Urteils.

1. Soweit der Angeklagte verurteilt worden ist, weist das Urteil zu seinem Nachteil insoweit einen Rechtsfehler auf, als die Annahme von Tatmehrheit zwischen den [X.]tätigkeiten vom 9. bis 21. November 2021 (Tat 16 der Anklageschrift) einerseits sowie am 29. November und am 6. Dezember 2021 (Taten 17 bis 19 der Anklageschrift) andererseits durch die Feststellungen nicht belegt ist. Ein tateinheitliches Verhältnis zwischen diesen Taten wird zwar entgegen der Überlegung, welche das [X.] nur für die Taten 17 bis 19 angestellt hat, nicht über die durchgehende Nutzung des Mobiltelefons mit Kundenkontakten begründet. Denn die bloße Verwendung desselben Tatwerkzeugs kann mehrere Handlungen konkurrenzrechtlich nicht zu einer Einheit verbinden. Jedoch folgt aus dem oben Gesagten auch für diese Taten eine Tateinheit aufgrund Überschneidung der Ausführungshandlungen.

2. Weil die rechtsfehlerhaft abgeurteilten Taten danach mit denjenigen angeklagten Taten in Tateinheit stehen könnten, von denen der Angeklagte freigesprochen worden ist, ist das Urteil auch auf seine Revision insoweit aufzuheben. Einer Verschärfung im Schuldspruch nach dem Ergebnis einer neuen Hauptverhandlung steht das Verschlechterungsverbot nicht entgegen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 26. Mai 1967 – 2 [X.], [X.]St 21, 256; vom 17. April 1984 – 2 StR 63/84, [X.], 566; [X.][X.], aaO, § 344 Rn. 21 mwN).

IV.

Da lediglich [X.] inmitten stehen, können entgegen den Anträgen beider Revisionen die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu den Taten, in denen der Angeklagte verurteilt worden ist, bestehen bleiben. Sie können um nicht widersprechende weitere ergänzt werden. Zu den Taten 1 bis 15 der Anklageschrift, für die der Angeklagte freigesprochen worden ist, sind Feststellungen erstmals zu treffen.

Hinsichtlich der Bestellung von Verpackungsmaterial durch den Angeklagten wird das neue Tatgericht zu beachten haben, dass im Fall der Annahme einer Tateinheit, welche die Tätigkeit des Angeklagten als [X.] im gesamten Tatzeitraum umfasst und eine Verurteilung wegen eines in Mittäterschaft begangenen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge trägt, kein Raum mehr bliebe für eine gesonderte Verurteilung wegen einer Beihilfetat. Eine solche ginge vielmehr im täterschaftlichen Handeln auf (vgl. [X.], Urteil vom 7. September 1993 – 1 [X.], [X.], 29; [X.], StGB, 70. Aufl., Vor § 25 Rn. 11).

[X.]     

      

[X.]     

      

Köhler

      

von Häfen     

      

Werner     

      

Meta

5 StR 120/23

27.09.2023

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Kiel, 6. Oktober 2022, Az: 5 KLs 593 Js 54279/22

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.09.2023, Az. 5 StR 120/23 (REWIS RS 2023, 8409)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 8409

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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