Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.12.2006, Az. VI ZR 175/05

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 317

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES [X.]/05 Verkündet am: 12. Dezember 2006 [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 249 Hd Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Erstattung von Anwaltskosten für ei-ne Abmahnung außerhalb des [X.] (hier: unerbetene Telefonwer-bung) verlangt werden kann. [X.], Urteil vom 12. Dezember 2006 - [X.]/05 - [X.]

AG [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. [X.] und [X.] [X.], [X.], Pauge und [X.] für Recht erkannt: Die Revision gegen das Urteil der Zivilkammer 15 des [X.] vom 16. August 2005 wird auf Kosten des [X.] zu-rückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand: Der Kläger ist Rechtsanwalt und macht Gebühren aus einem sich selbst erteilten Mandat für ein Abmahnschreiben geltend. 1 Der Kläger erhielt von den Beklagten am 22. September 2004 auf sei-nem beruflich genutzten Telefonanschluss einen Anruf, in dem diese für [X.] warben. Er stand mit den Beklagten weder in geschäftli-chem Kontakt noch konnte vermutet werden, er sei mit derartigen Anrufen ein-verstanden. Der Kläger forderte die Beklagten mit Schreiben vom 23. September 2004 erfolgreich zur Abgabe einer strafbewehrten [X.] - 3 - sungserklärung auf (Abmahnung). Die Beklagten verweigerten jedoch die [X.] von Anwaltsgebühren für diese Abmahnung. 3 Die Klage auf Zahlung der Anwaltsgebühren in Höhe von 740,88 • (und über weitere 2 • für das in dem zuvor durchgeführten Mahnverfahren benutzte Formular) hat das Amtsgericht abgewiesen. Die Berufung des [X.] blieb ohne Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht hat Ansprüche des [X.] auf Schadensersatz gemäß §§ 823, 249 [X.] und auf Aufwendungsersatz nach den Regeln der Ge-schäftsführung ohne Auftrag verneint. Die Rechtsprechung des [X.] zu wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen sei zu verallgemeinern. Bei typischen, unschwer zu erkennenden und zu verfolgenden Rechtsverletzungen habe der Betroffene seine eigene Sachkunde einzusetzen. Als Abmahnung - um ein Kostenrisiko nach § 93 ZPO zu vermeiden - habe ein einfaches Unter-lassungsverlangen genügt. Für den Kläger als Rechtsanwalt sei es nicht erfor-derlich gewesen, hiermit einen anderen Anwalt zu beauftragen. Es bestehe deshalb auch bei einem [X.] kein Gebührenanspruch. 4 I[X.] Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision stand. 5 - 4 - Einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch hat das Berufungsge-richt ohne Rechtsfehler verneint. Ein solcher Anspruch besteht nicht, weil es wegen der erfolgreichen Abmahnung zu einem Rechtsstreit im Sinne des § 91 Abs. 1 ZPO nicht gekommen ist. 6 7 Ebenso wenig haben die Beklagten nach materiellem Recht Anwaltsge-bühren des [X.] zu zahlen. Das Berufungsgericht hat einen Gebührenan-spruch des [X.] aus dem sich selbst erteilten Mandat für das [X.] vom 23. September 2004 fehlerfrei verneint. 1. Einen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG hat das Berufungsgericht mit Recht nicht in Betracht gezogen. Der Kläger gehört nicht zu dem in § 8 Abs. 3 UWG (in der seit 8. Juli 2004 in [X.] getretenen Fassung - § 22 UWG) genannten Kreis der Anspruchsberechtigten; insbesondere ist er kein Mitbewerber im Sinne von §§ 2 Abs. 1 Nr. 3, 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG. 8 2. Ein materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch außerhalb des [X.] steht dem Kläger ebenfalls nicht zu. Das Berufungsgericht hat insbesondere einen Anspruch des [X.] auf Schadensersatz gemäß §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1 [X.] im Ergebnis zu Recht verneint, ohne dass es darauf ankommt, ob sich bei unerwünschter Telefonwerbung ein Anspruch aus einer Verletzung des Rechts des [X.] am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (vgl. dazu Hefermehl/[X.]/[X.], Wettbewerbsrecht, 24. Aufl., § 7 UWG Rn. 33 m.w.[X.]) oder aus einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des [X.] (vgl. [X.]/[X.], 4. Aufl., § 1 [X.] Rn. 150; [X.] Kommentar-[X.], § 12 Rn. 153; [X.], MMR 1999, 643, 644) ergeben könnte. 9 - 5 - Zwar gehören zu den bei einer Schädigung gemäß §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1 [X.] zu ersetzenden Herstellungskosten regelmäßig die Kosten der Rechtsverfolgung, so dass auch die Kosten eines Rechtsanwalts erstattungsfä-hig sein können. Ein Schädiger hat nach ständiger Rechtsprechung des [X.] jedoch nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis (hier: den unerbetenen Werbeanruf) adäquat verursachten Anwaltskosten zu [X.], sondern nur solche, die aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation (sogenannte "subjektbezogene Scha-densbetrachtung"; vgl. Senat, [X.] 66, 239, 245, 248 f.; 115, 364, 369; 155, 1, 5; 163, 362, 365; Urteil vom 7. Dezember 2004 - [X.] ZR 119/04 - [X.], 381) zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (vgl. Senat, [X.] 127, 348, 350 f.; Urteile vom 10. Januar 2006 - [X.] ZR 43/05 - [X.], 521, 522, jeweils m.w.[X.]). Daran fehlt es. 10 a) Im Wettbewerbsrecht ist die Beauftragung eines Anwalts für [X.] - sowohl unter dem Gesichtspunkt einer Geschäftsführung ohne Auftrag als auch unter schadensersatzrechtlichem Blickwinkel - nicht erforderlich, wenn bei typischen, unschwer zu verfolgenden Wettbewerbsverstößen der [X.] über hinreichende eigene Sachkunde zur zweckentsprechenden Rechts-verfolgung verfügt ([X.], Urteil vom 6. Mai 2004 - [X.] - NJW 2004, 2448 "[X.]"). Diese wird vom Gesetzgeber insbesondere bei Einrichtungen im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 UWG vorausgesetzt (vgl. Begr. [X.] UWG-Novelle 2004, [X.]. 15/1487, [X.], zu § 12 Abs. 1). Das entspricht der Rechtsprechung des [X.] ([X.], Urteil vom 12. April 1984 - [X.] - NJW 1984, 2525 "Anwaltsabmahnung"), nach der auch größeren Wirt-schaftsunternehmen mit eigener Rechtsabteilung und Rechtsanwälten im Fall der eigenen Betroffenheit regelmäßig zuzumuten ist, Abmahnungen selbst aus-zusprechen ([X.], Urteil vom 6. Mai 2004 - [X.] - aaO; ebenso [X.], [X.], 559, 560; Hefermehl/[X.]/[X.], aaO, § 9 Rn. 1.29 11 - 6 - und § 12 Rn. 1.93; [X.] in: [X.] jurisPK-UWG, § 12 Rn. 29; [X.] in: [X.], UWG, § 12 Rn. 85; [X.], Wettbe-werbsrecht, Rn. 156). 12 b) Vergleichbare Grundsätze gelten auch außerhalb des Wettbewerbs-rechts. Ist in einem einfach gelagerten Schadensfall die Verantwortlichkeit für den Schaden und damit die Haftung von vornherein nach Grund und Höhe der-art klar, dass aus der Sicht des Geschädigten kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass der Schädiger ohne weiteres seiner Ersatzpflicht nach-kommen werde, so ist es im Allgemeinen auch nach der ständigen Rechtspre-chung des erkennenden Senats aus der Sicht des Geschädigten zur Scha-densbeseitigung nicht erforderlich, schon für die erstmalige Geltendmachung des Schadens gegenüber dem Schädiger einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Vielmehr ist der Geschädigte in derart einfach gelagerten Fällen grundsätzlich gehalten, den Schaden zunächst selbst geltend zu machen. Die sofortige [X.] eines Anwalts kann sich nur unter besonderen Voraussetzungen als erforderlich erweisen, wenn etwa der Geschädigte aus Mangel an geschäftli-cher Gewandtheit oder sonstigen Gründen wie etwa Krankheit oder Abwesen-heit nicht in der Lage ist, den Schaden selbst anzumelden (vgl. Senat, [X.] 127, 348, 351 f.; Urteil vom 12. Dezember 2006 - [X.] ZR 188/05 - zur Veröffentli-chung bestimmt). Hiernach erweist sich die sofortige Einschaltung eines Anwalts auch aus der Sicht des Geschädigten dann als nicht erforderlich, wenn er selbst über ei-gene Fachkenntnisse und Erfahrungen zur Abwicklung des konkreten [X.] verfügt. Dieses Wissen hat er besonders in den oben beschriebenen, einfach gelagerten, aus seiner Sicht zweifelsfreien Fällen bei der erstmaligen Geltendmachung des Schadens einzusetzen (vgl. [X.]/[X.], 4. Aufl., § 249 Rn. 175; [X.], Grundlagen der Kostenerstattung, 13 - 7 - 1985, S. 56 [der dies freilich im Rahmen des § 254 [X.] prüft]; ähnlich [X.]/[X.], [X.], 12. Aufl., § 249 Rn. 62; [X.] 1995, 97; [X.] AnwBl 1995, 208 = [X.], 69; wohl auch Klingelhöffer jurisPR-[X.]ivilR 25/04, [X.]. 4; kritisch [X.], 257, 258 ff.). 14 Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht im vorliegenden Fall zu Recht einen Erstattungsanspruch versagt (ähnlich [X.] 2002, 167). Nach den von der Revision nicht angegriffenen tatsächlichen Fest-stellungen des Berufungsgerichts war weder die Identität des [X.] noch die Widerrechtlichkeit des ohne Einwilligung erfolgten Anrufs zweifelhaft, sondern stand von Anfang an fest. Der Kläger stand mit den Beklagten nicht in geschäft-lichem Kontakt; Anlass für eine Vermutung, der Kläger sei mit derartigen Anru-fen einverstanden, bestand nicht. Entgegen der Ansicht der Revision wäre selbst bei einer - hier mangels eines Wettbewerbsverhältnisses nicht mögli-chen - Anwendung des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG für die Prüfung einer "unzumutba-ren Belästigung" keine "diffizile Abwägung" nötig. Die Revision zeigt auch kei-nen Vortrag des [X.] auf, der dagegen spräche, dass der konkrete Fall - in dem der Anrufer von Anfang an seine Identität preisgegeben hatte - nicht mit dem ersten [X.] (Abmahnung) hätte erledigt werden [X.] (vgl. Senat, [X.] 127, 348, 352). Jedenfalls genügte außerhalb des wettbewerbsrechtlichen Bereichs un-ter den festgestellten und von der Revision nicht beanstandeten Umständen des Falles ein einfaches [X.] zur Vermeidung eventueller Kostenrisiken (§ 93 ZPO). Ein solches stellte für den Kläger - der nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts schon mehrfach als Partei oder Prozessbevollmächtigter in den ähnlich gelagerten Fällen einer [X.] E-Mail-Werbung (hierzu Senat, Urteil vom 12. Dezember 2006 - [X.] ZR 188/05 - zur Veröffentlichung bestimmt) aufgetreten war - ein reines 15 - 8 - Routinegeschäft dar. Die von der Revision erwogenen Probleme, die sich bei unerbetener Telefonwerbung etwa im Hinblick auf eine Vermutung des Einver-ständnisses oder die unklare Identität des [X.] ergeben könnten, stellen sich nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts im Streitfall nicht. 16 Bestand nach allem in dem hier zu entscheidenden Fall kein Anspruch auf Erstattung von Kosten eines anderen Anwalts, gilt Entsprechendes auch für den Fall der Selbstbeauftragung (vgl. [X.], Urteil vom 6. Mai 2004 - [X.] - aaO). Allein die zeitliche Inanspruchnahme des Geschädigten für die Rechts-verfolgung reicht nicht aus, um die Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten zu begründen (vgl. Senat, [X.] 66, 112, 114; 127, 348, 352; [X.], Urteil vom 6. Mai 2004 - [X.] - aaO; kritisch [X.]/[X.], [X.], 13. Bearbeitung, § 251 Rn. 125 f.). Auch geht es vorliegend um einen Einzelfall, so dass es keiner Entscheidung bedarf, ob eine große Anzahl von [X.] zu einer anderen Beurteilung führen könnte (vgl. Senat, [X.] 127, 348, 352). 17 Die Regelung des § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO, wonach ein Rechtsanwalt, der sich selbst vor dem Prozessgericht vertritt, stets einen Anspruch auf Kos-tenerstattung wie ein mit dem Vertretenen nicht personenidentischer Rechts-anwalt hat, steht dem nicht entgegen. Sie kann als Sonderregelung für das ge-richtliche Verfahren im außergerichtlichen Bereich keine Anwendung finden (vgl. [X.], Urteil vom 6. Mai 2004 - [X.] - aaO m.w.[X.]). 18 3. [X.] hiernach die Beklagten nicht die Bezahlung der [X.], so besteht auch kein Anspruch des [X.] aus Verzug auf [X.] von 2 • für das im Mahnverfahren benutzte Formular. 19 - 9 - 4. Ob als Anspruchsgrundlage auch - wie die Revision andeutet - die §§ 683 Satz 1, 677, 670 [X.] (Geschäftsführung ohne Auftrag) in Betracht [X.] wären (ständige Rechtsprechung im Wettbewerbsrecht vor Einführung des § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG seit [X.] 52, 393 ff. "Fotowettbewerb"), kann dahinstehen. Gemäß § 670 [X.] sind nur "erforderliche" Aufwendungen zu er-setzen. Insoweit gilt Gleiches wie bereits ausgeführt. 20 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. 21 [X.] [X.] [X.] Pauge [X.] Vorinstanzen: AG Berlin-[X.], Entscheidung vom 24.02.2005 - 8 C 352/04 - [X.], Entscheidung vom 16.08.2005 - 15 S 2/05 -

Meta

VI ZR 175/05

12.12.2006

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.12.2006, Az. VI ZR 175/05 (REWIS RS 2006, 317)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 317

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