Bundesverwaltungsgericht, EuGH-Vorlage vom 27.04.2016, Az. 1 C 22/15

1. Senat | REWIS RS 2016, 12221

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Gegenstand

Vorlage zur Vorabentscheidung an den EuGH zur Auslegung von EUV 604/2013


Leitsatz

Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung der Frage, ob auf einen Asylbewerber nach der im Anschluss an eine Überstellung erfolgten illegalen Wiedereinreise die Regelungen der Dublin III-VO (juris: EUV 604/2013) mit der Obliegenheit zur Stellung eines (Wieder-)Aufnahmegesuchs und der Möglichkeit eines Zuständigkeitsübergangs anwendbar sind.

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Es wird gemäß Art. 267 A[X.]V eine Vorabents[X.]heidung des Geri[X.]htshofs der [X.] zu folgenden Fragen eingeholt:

1. In einem Fall, in dem der Drittstaatsangehörige na[X.]h Stellung eines zweiten Asylantrags in einem anderen Mitgliedstaat (hier: [X.]) aufgrund geri[X.]htli[X.]her Ablehnung seines Antrags auf Aussetzung der Überstellungsents[X.]heidung na[X.]h der Verordnung ([X.]) Nr. 604/2013 des [X.] und des Rates vom 26. Juni 2013 ([X.]) in den originär zuständigen Mitgliedstaat der ersten Asylantragstellung (hier: [X.]) überstellt wurde und er dana[X.]h umgehend illegal in den zweiten Mitgliedstaat (hier: [X.]) zurü[X.]kgekehrt ist:

a) Ist na[X.]h den Grundsätzen der [X.] für die geri[X.]htli[X.]he Überprüfung einer Überstellungsents[X.]heidung die Sa[X.]hlage im Zeitpunkt der Überstellung maßgebli[X.]h, weil mit der fristgere[X.]ht erfolgten Überstellung die Zuständigkeit endgültig bestimmt und daher zuständigkeitsrelevante Vors[X.]hriften der [X.] für die weitere Entwi[X.]klung ni[X.]ht mehr anzuwenden sind, oder sind na[X.]hträgli[X.]he Entwi[X.]klungen der für die Zuständigkeit im Allgemeinen erhebli[X.]hen Umstände - z.B. Ablauf von Fristen zur Wiederaufnahme oder (neuerli[X.]hen) Überstellung - zu berü[X.]ksi[X.]htigen?

b) Sind na[X.]h abges[X.]hlossener Zuständigkeitsbestimmung aufgrund der Überstellungsents[X.]heidung weitere Überstellungen in den originär zuständigen Mitgliedstaat mögli[X.]h und bleibt dieser Mitgliedstaat zur Aufnahme des Drittstaatsangehörigen verpfli[X.]htet?

2. Wenn die Zuständigkeit mit der Überstellung ni[X.]ht endgültig bestimmt ist: Wel[X.]he der na[X.]hstehend genannten Regelungen ist in einem sol[X.]hen Fall auf eine Person im Sinne des Art. 18 Abs. 1 Bu[X.]hstaben b, [X.] oder d [X.] wegen des no[X.]h laufenden Re[X.]htsbehelfsverfahrens gegen die bereits vollzogene Überstellungsents[X.]heidung anzuwenden:

a) Art. 23 [X.] (analog) mit der Folge, dass bei einem ni[X.]ht fristgere[X.]hten erneuten Wiederaufnahmegesu[X.]h ein Zuständigkeitsübergang na[X.]h Art. 23 Abs. 2 und 3 [X.] eintreten kann, oder

b) Art. 24 der [X.] (analog) oder

[X.]) keine der unter a) und b) genannten Regelungen?

3. Für den Fall, dass auf eine sol[X.]he Person weder Art. 23 no[X.]h Art. 24 [X.] (analog) anwendbar sind (Frage 2 Bu[X.]hstabe [X.]): Sind aufgrund der angefo[X.]htenen Überstellungsents[X.]heidung bis zum Abs[X.]hluss des dagegen geri[X.]hteten Re[X.]htsbehelfsverfahrens weitere Überstellungen in den originär zuständigen Mitgliedstaat (hier: [X.]) mögli[X.]h und bleibt dieser Mitgliedstaat zur Aufnahme des Drittstaatsangehörigen verpfli[X.]htet - unabhängig von der Stellung weiterer Wiederaufnahmegesu[X.]he ohne Bea[X.]htung der Fristen des Art. 23 Abs. 3 oder Art. 24 Abs. 2 [X.] und unabhängig von Überstellungsfristen gemäß Art. 29 Abs. 1 und 2 [X.]?

4. Für den Fall, dass auf eine sol[X.]he Person Art. 23 [X.] (analog) anzuwenden ist (Frage 2 Bu[X.]hstabe a): Ist das erneute Wiederaufnahmegesu[X.]h an eine neue Frist na[X.]h Art. 23 Abs. 2 [X.] (analog) gebunden? Wenn ja: Wird diese neue Frist dur[X.]h die Kenntnis der zuständigen Behörde von der Wiedereinreise in Lauf gesetzt oder ist für den Fristanlauf ein anderes Ereignis maßgebend?

5. Für den Fall, dass auf eine sol[X.]he Person Art. 24 [X.] (analog) anzuwenden ist (Frage 2 Bu[X.]hstabe b):

a) Ist das erneute Wiederaufnahmegesu[X.]h an eine neue Frist na[X.]h Art. 24 Abs. 2 [X.] (analog) gebunden? Wenn ja: Wird diese neue Frist dur[X.]h die Kenntnis der zuständigen Behörde von der Wiedereinreise in Lauf gesetzt oder ist für den Fristanlauf ein anderes Ereignis maßgebend?

b) Wenn der andere Mitgliedstaat (hier: [X.]) eine na[X.]h Art. 24 Abs. 2 [X.] (analog) zu bea[X.]htende Frist verstrei[X.]hen lässt: Begründet die Stellung eines neuen Asylantrags gemäß Art. 24 Abs. 3 [X.] unmittelbar die Zuständigkeit des anderen Mitgliedstaates (hier: [X.]) oder kann dieser trotz des neuen Asylantrags erneut den originär zuständigen Mitgliedstaat (hier: [X.]) ohne Bindung an eine Frist um Wiederaufnahme ersu[X.]hen oder den Ausländer ohne Wiederaufnahmegesu[X.]h in diesen Mitgliedstaat überstellen?

[X.]) Wenn der andere Mitgliedstaat (hier: [X.]) eine na[X.]h Art. 24 Abs. 2 [X.] (analog) zu bea[X.]htende Frist verstrei[X.]hen lässt: Ist dann die Re[X.]htshängigkeit eines im anderen Mitgliedstaat (hier: [X.]) vor der Überstellung gestellten Asylantrags der Stellung eines neuen Asylantrags gemäß Art. 24 Abs. 3 [X.] glei[X.]hzustellen?

d) Wenn der andere Mitgliedstaat (hier: [X.]) eine na[X.]h Art. 24 Abs. 2 [X.] (analog) zu bea[X.]htende Frist verstrei[X.]hen lässt und der Ausländer weder einen neuen Asylantrag stellt no[X.]h die Re[X.]htshängigkeit eines im anderen Mitgliedstaat (hier: [X.]) vor der Überstellung gestellten Asylantrags der Stellung eines neuen Asylantrags gemäß Art. 24 Abs. 3 [X.] glei[X.]hzustellen ist: Kann der andere Mitgliedstaat (hier: [X.]) erneut den originär zuständigen Mitgliedstaat (hier: [X.]) ohne Bindung an eine Frist um Wiederaufnahme ersu[X.]hen oder den Ausländer ohne Wiederaufnahmegesu[X.]h in diesen Mitgliedstaat überstellen?

Gründe

I

1

Der Kläger, ein [X.] Staatsangehöriger, wurde am 12. September 2014 von der Polizei in [X.] aufgegriffen und stellte am 29. Oktober 2014 einen Asylantrag. Bei seiner Anhörung durch das [X.] ([X.]) gab er an, über das Meer von [X.] nach [X.] und von dort aus auf dem Landweg nach [X.] gereist zu sein. Eine [X.] ergab, dass der Kläger bereits am 4. September 2014 in [X.] Asyl beantragt hatte. Daraufhin ersuchte das [X.] am 11. November 2014 die [X.] Behörden um die Wiederaufnahme des [X.], ohne eine Antwort zu erhalten.

2

Mit Bescheid vom 30. Januar 2015 lehnte das [X.] den Asylantrag des [X.] wegen der Zuständigkeit [X.]s als unzulässig ab und ordnete seine Abschiebung nach [X.] an.

3

Der Kläger beantragte, die aufschiebende Wirkung seiner gleichzeitig erhobenen Klage anzuordnen, da das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in [X.] systemische Mängel aufwiesen. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 12. März 2015 ab und wies die Klage mit Urteil vom 30. Juni 2015 ab. Daraufhin wurde der Kläger am 3. August 2015 nach [X.] abgeschoben, kehrte aber Mitte August 2015 illegal nach [X.] zurück.

4

Seine Berufung hatte vor dem Oberverwaltungsgericht Erfolg. Zwar hat das Berufungsgericht in seinem Beschluss vom 3. November 2015 [X.] als originär zuständig für die Prüfung des Asylantrags angesehen. Die Zuständigkeit sei aber gemäß Art. 29 Abs. 2 [X.] [X.] auf die Bundesrepublik [X.] übergegangen, da der Kläger nicht innerhalb der Sechs-Monatsfrist des Art. 29 Abs. 1 [X.] [X.] überstellt worden sei. Diese Frist sei mit der (fingierten) Annahme des [X.]s durch die [X.] Behörden am 26. November 2014 angelaufen. Bei dem erfolglos gebliebenen Antrag des [X.] auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes handele es sich nicht um einen mit aufschiebender Wirkung versehenen Rechtsbehelf im Sinne des Art. 29 Abs. 1 [X.] [X.]. In Ermangelung jeglicher Anhaltspunkte sei davon auszugehen, dass [X.] nach Ablauf der Überstellungsfrist nicht mehr zur Wiederaufnahme des [X.] bereit sei.

5

Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten. Sie rügt, die Überstellung des [X.] sei fristgemäß erfolgt. Denn die sechsmonatige Überstellungsfrist sei nicht mit der (fingierten) Annahme des [X.]s, sondern erst mit dem ablehnenden Beschluss des [X.] im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes angelaufen. Im Übrigen entfalteten die Frist- und Zuständigkeitsbestimmungen der [X.] [X.] keine individualschützende Wirkung. Schließlich habe sich der Kläger selbst der Prüfung seines Asylbegehrens im zuständigen Mitgliedstaat ([X.]) begeben, so dass keine Situation eines "[X.] in orbit" vorliege.

6

Der Kläger verteidigt die Entscheidung des Berufungsgerichts.

II

7

Der Rechtsstreit ist auszusetzen. Gemäß Art. 267 A[X.]V ist eine Vorabentscheidung des [X.]s der [X.] ([X.]) zu den im [X.] formulierten Fragen einzuholen. Diese Fragen betreffen die Auslegung der Verordnung ([X.]) Nr. 604/2013 des [X.] und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist - [X.] [X.] S. 31 - ([X.] [X.]). Da es um die Auslegung von Unionsrecht geht, ist der [X.] zuständig.

8

1. Für die rechtliche Beurteilung der auf Aufhebung des Bescheides vom 30. Januar 2015 gerichteten Anfechtungsklage sind das Asylgesetz ([X.]) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 ([X.]), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 ([X.] I S. 390) und Art. 2 des Gesetzes zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 11. März 2016 ([X.] I S. 394), sowie die [X.] [X.] maßgeblich. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des [X.] - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 Satz 1 [X.] auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen hat, müsste es, wenn es jetzt entschiede, die neue Rechtslage zugrunde legen. Die Anwendbarkeit der [X.] [X.] ergibt sich aus Art. 49 Abs. 2 Satz 1 [X.] [X.], wonach die Verordnung auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar ist, die - wie hier - ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten, d.h. ab dem 1. Januar 2014, gestellt werden, und die ab diesem Zeitpunkt ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme gilt.

9

Den hiernach maßgeblichen rechtlichen Rahmen des Rechtsstreits bilden die folgenden Vorschriften des nationalen Rechts:

§ 27a [X.]

Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der [X.] oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

§ 34a [X.]

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) abgeschoben werden, ordnet das [X.] die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. (...)

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der [X.]ordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. (...)

§ 77 [X.]

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. (...)

Im Übrigen ist auf Art. 2 Abs. 1 und 2 des unter anderem zwischen den Regierungen der Bundesrepublik [X.] und der [X.]ischen Republik geschlossenen Übereinkommens betreffend die Rückübernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt vom 29. März 1991 in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Juli 1993 ([X.] II S. 1099) hinzuweisen. Die genannte Vorschrift lautet:

Art. 2 Rückübernahmeabkommen

(1) Die Vertragspartei, über deren Außengrenze die Person eingereist ist, die im Hoheitsgebiet der ersuchenden Vertragspartei die geltenden Voraussetzungen für die Einreise oder den Aufenthalt nicht oder nicht mehr erfüllt, übernimmt auf Antrag dieser Vertragspartei formlos diese Person.

(2) Als Außengrenze im Sinne dieses Artikels gilt die zuerst überschrittene Grenze, die nicht Binnengrenze der Vertragsparteien gemäß dem Übereinkommen vom 14. Juni 1985 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen ist.

2. Die Vorlagefragen sind entscheidungserheblich und bedürfen einer Klärung durch den [X.] der [X.].

a) Gemäß § 27a [X.] ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der [X.] oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Mit der Bezugnahme auf die Rechtsvorschriften der [X.] verweist § 27a [X.] insbesondere auf die Vorschriften der [X.] [X.] zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist. Ist hiernach ein anderer Mitgliedstaat zuständig und hat dieser Mitgliedstaat ein an ihn gerichtetes Aufnahme- oder [X.] angenommen, lehnt das [X.] den in [X.] gestellten Asylantrag als unzulässig ab und ordnet zugleich gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 [X.] die Abschiebung in den zuständigen Staat an. Bei der Abschiebungsanordnung handelt es sich um die Anordnung einer Überstellung im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und [X.] ([X.]) Nr. 1560/2003 der [X.] vom 2. September 2003 ([X.] [X.]), zuletzt geändert durch die Durchführungsverordnung ([X.]) Nr. 118/2014 der [X.] vom 30. Januar 2014 ([X.] L 39 S. 1) (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 1 C 26.14 - juris Rn. 11 ff.).

Bei der gerichtlichen Überprüfung der Entscheidung des [X.]s stellt das Gericht gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 [X.] grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. Diese Sonderregelung für asylrechtliche Streitigkeiten soll dazu beitragen, den Streit über das Asyl- und Bleiberecht umfassend zu beenden und neue Verwaltungsverfahren möglichst zu vermeiden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 1997 - 1 [X.] - [X.] 402.240 § 45 AuslG 1990 Nr. 8 S. 13). Hiernach sind bei der gerichtlichen Überprüfung in einem Fall wie dem vorliegenden auch nach Erlass der behördlichen Entscheidung und Durchführung der Überstellung bis zur letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz - hier des Berufungsgerichts - eintretende Umstände zu berücksichtigen, wenn sie nach dem anwendbaren materiellen Unionsrecht für die Bestimmung der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates von Bedeutung sind.

b) Auf der Grundlage der für das vorlegende Gericht bindenden Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts kann nicht abschließend beurteilt werden, ob [X.] nach Maßgabe der [X.] [X.] originär für die Prüfung des Asylantrags des [X.] zuständig ist und sich deshalb die durch das [X.] getroffenen Entscheidungen als rechtmäßig erweisen.

Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 [X.] [X.] wird ein Antrag auf internationalen Schutz nur von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des [X.] der [X.] [X.] als zuständiger Staat bestimmt wird. Dabei ist von der nach Art. 7 Abs. 1 [X.] [X.] genannten Rangfolge und gemäß Art. 7 Abs. 2 [X.] [X.] von der Situation auszugehen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag zum [X.] in einem Mitgliedstaat stellt. Lässt sich anhand dieser Kriterien der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist nach der allgemeinen Auffangregelung in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 [X.] [X.] der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Ist die Überstellung an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat nicht möglich, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller dort systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 [X.]-Grundrechtecharta ([X.]) mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 [X.] [X.] die Prüfung nach den Kriterien des [X.] fort. Kann danach keine Überstellung an einen aufgrund der Kriterien von [X.] bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, wird nach der weiteren Auffangregelung in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 [X.] [X.] der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat zuständig.

Auf der Grundlage dieser unionsrechtlichen Vorgaben ist das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend von einer originären Zuständigkeit [X.]s ausgegangen. Diese ergibt sich hier in Ermangelung vorrangiger Regelungen aus Art. 13 Abs. 1 [X.] [X.]. Danach ist ein Mitgliedstaat für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig, wenn auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 22 Abs. 3 [X.] [X.] genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung ([X.]) [X.], festgestellt wird, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaates illegal überschritten hat; die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts. Hierzu hat das Berufungsgericht für das Revisionsgericht bindend festgestellt (§ 137 Abs. 2 VwGO), dass der Kläger von [X.] aus die Seegrenze [X.]s am 29. August 2014 illegal überschritten hat. Die damit in Lauf gesetzte Frist von zwölf Monaten war zum Zeitpunkt der Stellung des ersten Antrags auf internationalen Schutz in [X.] auch noch nicht verstrichen. Denn nach den wiederum bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger am 4. September 2014 in [X.] den ersten Asylantrag gestellt.

Die originäre Zuständigkeit [X.]s kann jedoch durch den Senat nicht abschließend beurteilt werden. Denn das Berufungsgericht hat - von seinem rechtlichen Standpunkt aus konsequent - keine Tatsachenfeststellungen dazu getroffen, ob das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen in [X.] systemische Schwachstellen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 [X.] [X.] aufweisen, so dass [X.] gegebenenfalls bei der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates nach den Kriterien des [X.] der [X.] [X.] außer Betracht zu lassen wäre. Der Kläger hat sich in den Vorinstanzen substantiiert auf systemische Defizite in [X.] berufen, so dass diesem Einwand von Amts wegen nachzugehen ist. Sind nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand systemische Schwachstellen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 [X.] [X.] hinsichtlich [X.]s zumindest nicht ausgeschlossen, kommt in Ermangelung jeglicher Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines dritten Mitgliedstaates auch eine Zuständigkeit [X.]s über die Auffangregelung in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 [X.] [X.] in Betracht.

c) Die Frage, ob nach Art. 3 Abs. 2 [X.] [X.] [X.] oder [X.] zuständig ist, kann entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht deshalb offenbleiben, weil [X.] jedenfalls nachträglich gemäß Art. 29 Abs. 2 [X.] [X.] zuständig geworden ist. Denn der Kläger ist bei richtiger Berechnung der Überstellungsfrist fristgemäß nach [X.] überstellt worden.

Art. 29 Abs. 2 [X.] [X.] bestimmt, dass der originär zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur ([X.] ist und die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat übergeht, wenn die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten nach Art. 29 Abs. 1 [X.] [X.] durchgeführt wird. Nach Art. 29 Abs. 1 [X.] [X.] ist eine Überstellung durchzuführen, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des ([X.] durch einen anderen Mitgliedstaat (erste Variante) oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Art. 27 Abs. 3 [X.] [X.] aufschiebende Wirkung hat (zweite Variante). Bei dem nach der zweiten Variante maßgeblichen Tatbestandsmerkmal der "aufschiebenden Wirkung" handelt es sich um einen unionsrechtlichen Begriff, der durch den Verweis auf Art. 27 Abs. 3 [X.] [X.] alle Fälle erfasst, in denen eine Überstellungsentscheidung im Rahmen der den Mitgliedstaaten in Art. 27 Abs. 3 [X.] [X.] eingeräumten Möglichkeiten zur Ausgestaltung eines wirksamen Rechtsbehelfs nicht vollzogen werden darf. Denn wie sich aus der zu Art. 20 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung ([X.]) 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 ([X.] [X.]) ergangenen Rechtsprechung des [X.]s ergibt, ist bei der Auslegung der [X.]-Bestimmungen zum einen die Effektivität des von den Mitgliedstaaten gewährleisteten gerichtlichen Rechtsschutzes zu wahren und der Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten zu respektieren. Zum anderen ist sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten auch bei der zweiten Variante die volle Frist zur Bewerkstelligung der Überstellung nutzen können. Die Frist beginnt bei der zweiten Variante daher erst zu laufen, wenn sichergestellt ist, dass die Überstellung in Zukunft erfolgen wird und lediglich deren Modalitäten zu regeln bleiben, d.h. ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird und die der Durchführung nicht mehr entgegenstehen kann ([X.], Urteil vom 29. Januar 2009 - C-19/08 [[X.]:[X.]:[X.]], [X.] - Rn. 43 ff.).

Daraus folgt, dass die Überstellungsfrist grundsätzlich mit der Annahme des Aufnahme- oder [X.]s durch den anderen Mitgliedstaat anläuft. Die zweite Variante greift erst dann, wenn eine Überstellungsentscheidung erlassen wurde und wegen eines in Umsetzung der Vorgaben des Art. 27 Abs. 3 [X.] [X.] eingelegten Rechtsbehelfs nicht vollzogen werden kann. Dies ist nach nationalem Recht der Fall, wenn der Antragsteller bei dem Verwaltungsgericht Klage gegen die Abschiebungsanordnung erhoben und innerhalb der Frist von einer Woche gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 [X.] die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage beantragt hat. Denn nach § 34a Abs. 2 Satz 2 [X.] ist eine Abschiebung bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung über den Antrag unabhängig vom Verfahrensausgang kraft Gesetzes nicht zulässig. Diese Regelung dient der Umsetzung des Art. 27 Abs. 3 Buchst. c [X.] [X.]. Danach sorgen die Mitgliedstaaten unter anderem dadurch für einen wirksamen Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat, bei einem Gericht innerhalb einer angemessenen Frist eine Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung zu beantragen, und die Überstellung ausgesetzt wird, bis die Entscheidung über den ersten Antrag auf Aussetzung ergangen ist.

Der Übergang von der ersten auf die zweite Variante des Art. 29 Abs. 1 [X.] [X.] setzt allerdings voraus, dass die mit der Annahme des Aufnahme- oder [X.]s angelaufene Überstellungsfrist noch nicht abgelaufen war. Denn es versteht sich von selbst, dass die an den Ablauf der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 [X.] [X.] geknüpften Rechtsfolgen durch ein Ereignis, das eine neue Überstellungsfrist in Lauf setzt, nicht rückgängig gemacht werden können. Zugleich ergibt sich aus Sinn und Zweck der in die zweite Variante aufgenommenen Beschränkung auf einen Rechtsbehelf, der aufschiebende Wirkung hat, dass bei dieser Variante der Beginn der Überstellungsfrist nur so lange herausgeschoben wird, wie die Überstellungsentscheidung wegen eines Rechtsbehelfs nicht vollzogen werden darf. Das ist nach nationalem Recht indes nicht mehr der Fall, wenn das Verwaltungsgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt hat. Denn ab diesem Zeitpunkt sind die Behörden aus Rechtsgründen nicht länger an der Durchführung der Abschiebung gehindert.

Deshalb begann die Überstellungsfrist im vorliegenden Fall zunächst am 26. November 2014 mit der gemäß Art. 25 Abs. 2 [X.] [X.] nach Ablauf von zwei Wochen fingierten Annahme des fristgemäß gestellten Wiederaufnahmeersuchens an [X.]. Der Kläger hat aber gegen die Überstellungsentscheidung Klage erhoben und rechtzeitig einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt. Die nach der ersten Variante des Art. 29 Abs. 1 [X.] [X.] in Lauf gesetzte Überstellungsfrist war zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht abgelaufen, so dass die zweite Variante des Art. 29 Abs. 1 [X.] [X.] greift. Wegen der durch den Antrag bewirkten Unterbrechung der Überstellungsfrist begann diese (erneut) mit Bekanntgabe des vorläufigen Rechtsschutz ablehnenden verwaltungsgerichtlichen Beschlusses am 12. März 2015 an die Beklagte und war folglich bei der Überstellung des [X.] am 3. August 2015 noch nicht abgelaufen.

d) Die Frage, ob nach Art. 3 Abs. 2 [X.] [X.] [X.] oder [X.] originär zuständig ist, könnte allerdings dann offenbleiben, wenn infolge der illegalen Wiedereinreise des [X.] zu dem hier nach § 77 Abs. 1 Satz 1 [X.] maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts am 3. November 2015 die Zuständigkeit nach den Vorschriften der [X.] [X.] auf [X.] übergegangen oder ein erneut durchzuführendes Wiederaufnahmeverfahren noch nicht abgeschlossen war. [X.] wird dann, ob nach den Grundsätzen der [X.] [X.] mit einer fristgemäß erfolgten Überstellung die Zuständigkeit für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz noch nicht endgültig bestimmt ist, sondern im Falle einer umgehenden illegalen Rückkehr des Asylbewerbers ein erneutes (Wieder-)Aufnahmeverfahren - gegebenenfalls mit erneuter Beachtung zuständigkeitsrelevanter Fristen - durchzuführen wäre. In diesem Zusammenhang stellen sich die oben genannten unionsrechtlichen Fragen zur Auslegung der [X.] [X.].

aa) Die Frage 1 Buchstabe a soll klären, ob nach den Grundsätzen der [X.] [X.] für die gerichtliche Überprüfung einer Überstellungsentscheidung abweichend von der nationalen Regelung des § 77 Abs. 1 Satz 1 [X.] unionsrechtlich die Sachlage im Zeitpunkt der fristgerecht erfolgten Überstellung maßgeblich ist. Denn es spricht einiges dafür, dass nach einer fristgerecht erfolgten Überstellung in den originär zuständigen Mitgliedstaat die Zuständigkeit dieses Mitgliedstaates endgültig bestimmt ist und die Vorschriften der [X.] [X.], insbesondere diejenigen über die Durchführung eines [X.], auf nachträgliche tatsächliche Umstände wie die illegale Wiedereinreise eines Asylbewerbers nicht mehr anwendbar sind.

Zu dieser Frage enthält die [X.] [X.] keine ausdrücklichen Regelungen. Die Vorschriften über das Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeverfahren sind jedenfalls nicht unmittelbar auf eine solche Fallkonstellation zugeschnitten, so dass allenfalls eine analoge Anwendung in Betracht käme. Art. 21 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 1 [X.] [X.] knüpfen die Einleitung eines Aufnahme- bzw. [X.] an die (erneute) Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz in dem ersuchenden Mitgliedstaat. Die hiernach vorausgesetzte Situation ist mit der vorliegenden allenfalls insoweit vergleichbar, als der Kläger in [X.] vor seiner Überstellung einen (erneuten) Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte, über den zum Zeitpunkt seiner illegalen Wiedereinreise noch nicht rechtskräftig entschieden worden war. Art. 24 Abs. 1 [X.] [X.] erfasst zwar Konstellationen, in denen sich ein Drittstaatsangehöriger ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates aufhält und keinen neuen Antrag auf internationalen Schutz stellt. Wie die Regelung in Art. 24 Abs. 3 [X.] [X.] zeigt, wonach dem Drittstaatsangehörigen bei nicht fristgerechter Stellung eines [X.]s die Gelegenheit zu geben ist, einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, passt jedoch auch diese Vorschrift nicht unmittelbar auf den Fall eines bereits anhängigen, noch nicht rechtskräftig beschiedenen Antrags.

Eine eindeutige Antwort auf die aufgeworfene Fragestellung ergibt sich auch nicht aus dem mit der [X.] [X.] verfolgten zentralen Ziel, eine rasche Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zu ermöglichen, um den effektiven Zugang zu den Verfahren der Gewährung internationalen Schutzes zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz nicht zu gefährden (5. Erwägungsgrund). Zwar würde eine jedenfalls analoge Anwendung der Vorschriften über das (Wieder-)Aufnahmeverfahren es ermöglichen, dass der Betroffene in einem geordneten Verfahren wieder in den für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz originär zuständigen Mitgliedstaat überstellt und zeitnah entweder dort oder bei einem etwaigen Zuständigkeitsübergang infolge einer Fristversäumnis in dem anderen Mitgliedstaat mit einer inhaltlichen Prüfung des Asylantrags begonnen werden kann. Aber die Obliegenheit eines Mitgliedstaates, in solchen Fällen erneut ein Aufnahme- bzw. [X.] durchführen zu müssen, könnte Asylbewerber dazu veranlassen, sich trotz der Überstellung wieder in den von ihnen favorisierten Mitgliedstaat zu begeben. Dann hätten es Asylbewerber stets in der Hand, die zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten im Wege eines Aufnahme- oder [X.] getroffene Zuständigkeitsbestimmung durch eine illegale Rückkehr wieder in Frage zu stellen und damit letztendlich eine ihren persönlichen Interessen nicht entsprechende Zuständigkeitsbestimmung zu unterlaufen. Eine solche Annahme liefe dem Ziel des [X.]-Systems zuwider, durch Schaffung einheitlicher Verfahren und Kriterien zur Zuständigkeitsbestimmung die [X.] gerade zu verhindern (vgl. [X.], Urteil vom 17. März 2016 - [X.]/15 [X.] [[X.]:[X.]:C:2016:188], [X.] - Rn. 52).

bb) Für den Fall, dass mit einer einmal fristgerecht erfolgten Überstellung die Zuständigkeit unter den Mitgliedstaaten endgültig bestimmt ist, bedarf es - hierauf zielt der zweite Teil der ersten Vorlagefrage (Frage 1 Buchstabe b) - zudem der Klärung, ob aufgrund der einmal getroffenen Überstellungsentscheidung weitere Überstellungen in den zuständigen Mitgliedstaat möglich sind und dieser nach Sinn und Zweck der Regelungen der [X.] [X.] zur Aufnahme des Drittstaatsangehörigen verpflichtet bleibt.

Ist die Zuständigkeit mit der einmal erfolgten Überstellung endgültig festgelegt, bedarf es gegenüber dem Asylbewerber einer rechtlichen Grundlage für eine erneute Überstellung in den für die Prüfung seines Antrags zuständigen Mitgliedstaat. Diese könnte, wenn keine Obliegenheit zur Durchführung eines erneuten ([X.] gegenüber dem anderen Mitgliedstaat besteht, weiterhin in der einmal getroffenen Überstellungsentscheidung liegen. Als Anknüpfungspunkt für eine fortbestehende (Wieder-)Aufnahmepflicht des originär zuständigen Mitgliedstaates ließe sich die Vorschrift des Art. 18 Abs. 1 [X.] [X.] anführen. Danach ist der nach den Kriterien der Verordnung zuständige Mitgliedstaat in den durch Art. 18 Abs. 1 Buchst. a bis d [X.] [X.] näher bestimmten Fällen zur Aufnahme- bzw. Wiederaufnahme eines Antragstellers verpflichtet. Allerdings ist, wie die weiteren aufeinander abgestimmten Regelungen in [X.] der [X.] [X.] zeigen, die Durchführung einer (weiteren) Überstellung ohne vorherige Durchführung eines Aufnahme- bzw. [X.] jedenfalls nicht ausdrücklich vorgesehen.

Deshalb ist auch in Betracht zu ziehen, dass sich die Rückführung des Asylbewerbers im [X.] an eine einmal durchgeführte Überstellung nicht mehr nach den Bestimmungen der [X.] [X.] richtet. Dann käme als Rechtsgrundlage für eine Rückführung Art. 6 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2008/115/[X.] des [X.] und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die gemeinsamen Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger ([X.] L 348 S. 98) in Betracht. Nach dieser Bestimmung sind Drittstaatsangehörige, die sich illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates aufhalten und Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates sind, zu verpflichten, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaates zu begeben; kommen sie dieser Verpflichtung nicht nach, erlassen die Mitgliedstaaten eine Rückkehrentscheidung. Dazu müsste die sich aus Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/[X.] des [X.] und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes ([X.] [X.] S. 60) ergebende Berechtigung, bis zur erstinstanzlichen Entscheidung der [X.] über den Antrag auf internationalen Schutz im Mitgliedstaat zu verbleiben, als eine "sonstige Aufenthaltsberechtigung" im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2008/115/[X.] anzusehen sein, die diesen Mitgliedstaat zur Aufnahme der betreffenden Person verpflichtet. Das würde indes voraussetzen, dass das Asylverfahren in dem anderen Mitgliedstaat (hier: [X.]) noch nicht abgeschlossen ist.

Folgt man dem nicht, verbliebe in Ermangelung anderweitiger unionsrechtlicher Grundlagen für eine Überstellung in den im [X.]-Verfahren als zuständig bestimmten Mitgliedstaat allenfalls ein Rekurs auf bilaterale Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten. Unter den vorliegenden Umständen wäre dabei eine Überstellung an [X.] nach Maßgabe von Art. 2 Abs. 1 des unter anderem zwischen den Regierungen der Bundesrepublik [X.] und der [X.]ischen Republik geschlossenen Übereinkommens betreffend die Rückübernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt vom 29. März 1991 in Betracht zu ziehen. Danach übernimmt die Vertragspartei, über deren Außengrenze eine Person eingereist ist, die im Hoheitsgebiet der ersuchenden Vertragspartei die geltenden Voraussetzungen für die Einreise oder den Aufenthalt nicht (mehr) erfüllt, diese Person formlos auf Antrag dieser Vertragspartei. Wie sich aus dieser Regelung ergibt, muss es sich bei dem hiernach zur Übernahme verpflichteten Staat indes nicht zwangsläufig um den für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaat handeln, auch wenn dies unter den vorliegenden Umständen der Fall wäre.

cc) Die weiteren Vorlagefragen sind durch den [X.] nur für den Fall zu beantworten, dass mit einer fristgerecht durchgeführten Überstellung in den originär zuständigen Mitgliedstaat die Zuständigkeitsbestimmung nicht endgültig abgeschlossen ist. Sie zielen auf die Klärung, welche Regelungen der [X.] [X.] im Falle der illegalen Rückkehr eines überstellten Drittstaatsangehörigen unter Umständen wie den vorliegenden - gegebenenfalls analog - Anwendung finden und wie diese Vorschriften dabei im Einzelnen auszulegen sind. Nach der Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts kommt dabei in Betracht, dass Art. 23 [X.] [X.] über das Wiederaufnahmeverfahren nach erneuter Antragstellung, Art. 24 [X.] [X.] über das Wiederaufnahmeverfahren ohne erneute Antragstellung oder aber keine dieser beiden Vorschriften heranzuziehen ist (Frage 2).

aaa) Für den Fall, dass weder Art. 23 noch Art. 24 [X.] [X.] - gegebenenfalls analog - Anwendung finden, bedarf der Klärung, ob aufgrund der angefochtenen Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des dagegen gerichteten Rechtsbehelfsverfahrens weitere Überstellungen in den originär zuständigen Mitgliedstaat (hier: [X.]) möglich sind und dieser Mitgliedstaat unabhängig von der Stellung weiterer [X.]e ohne Beachtung der Fristen des Art. 23 Abs. 2 und 3 oder Art. 24 Abs. 2 [X.] [X.] und auch unabhängig von Überstellungsfristen gemäß Art. 29 Abs. 1 und 2 [X.] [X.], die gegebenenfalls zu einem Zuständigkeitsübergang auf den anderen Mitgliedstaat (hier: [X.]) führen können, zur Wiederaufnahme des Drittstaatsangehörigen verpflichtet bleibt (Frage 3).

bbb) Für den Fall, dass Art. 23 [X.] [X.] - gegebenenfalls analog - Anwendung findet, bedarf der Klärung, ob die Stellung eines dann erforderlichen erneuten [X.]s an eine neue zweimonatige oder dreimonatige Frist nach Art. 23 Abs. 2 [X.] [X.] gebunden ist und ob - falls diese Frage zu bejahen sein sollte - diese neue Frist bereits durch die Kenntnis der zuständigen Behörde von der Wiedereinreise oder durch ein anderes Ereignis in Lauf gesetzt wird (Frage 4). Gemäß Art. 23 Abs. 2 [X.] [X.] ist ein Wiederaufnahmeverfahren so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von zwei Monaten nach einer [X.] im Sinne von Art. 9 Abs. 5 der Verordnung ([X.]) [X.] zu stellen. Stützt sich das [X.] auf andere Beweismittel als auf Angaben aus dem [X.], ist es innerhalb von drei Monaten, nachdem der Antrag auf internationalen Schutz im Sinne von Art. 20 Abs. 2 [X.] [X.] gestellt wurde, an den ersuchten Mitgliedstaat zu richten. Unmittelbar ist diese Regelung allein auf eine Situation zugeschnitten, in der nach Stellung eines Antrags auf internationalem Schutz in dem originär zuständigen Mitgliedstaat (hier: [X.]) in dem um Wiederaufnahme ersuchenden Mitgliedstaat (hier: [X.]) ein neuer Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird und bei dessen Prüfung entweder eine [X.] oder sonstige Beweismittel und Indizien auf eine Zuständigkeit des originär zuständigen Mitgliedstaates hinweisen. Es liegt auf der Hand, dass die hiernach ursprünglich in Lauf gesetzte zweimonatige bzw. dreimonatige Frist für die Stellung eines [X.]s nicht auch für die Stellung eines weiteren [X.]s nach illegaler Rückkehr maßgeblich sein kann. Denn im Falle einer illegalen Rückkehr wird diese Frist - wie hier - regelmäßig verstrichen sein. In Ermangelung einer erneuten [X.] bzw. eines erneuten Antrags könnte als ein den Fristlauf auslösendes Ereignis aber möglicherweise auf die Kenntnis der nach Art. 35 Abs. 1 [X.] [X.] für die Einleitung des [X.] zuständigen nationalen Behörde, hier des [X.]es, von der illegalen Rückkehr des Drittstaatsangehörigen abzustellen sein.

ccc) Für den Fall, dass in Ermangelung eines erneuten Antrags auf internationalen Schutz nicht Art. 23 [X.] [X.], sondern Art. 24 [X.] [X.] - gegebenenfalls analog - Anwendung findet, ist klärungsbedürftig, ob die Stellung eines erneuten [X.]s an eine neue zwei- oder dreimonatige Frist nach Art. 24 Abs. 2 [X.] [X.] gebunden ist. Falls diese Frage zu bejahen sein sollte, stellt sich die weitere Frage, durch welches Ereignis die Frist in Lauf gesetzt wird (Frage 5 Buchstabe a). Denn ebenso wenig wie die Fristenregelung in Art. 23 Abs. 2 [X.] [X.] ist auch die Fristenregelung in Art. 24 Abs. 2 [X.] [X.] auf eine Situation wie die vorliegende zugeschnitten. Die vorstehenden Erwägungen zur Auslegung von Art. 23 Abs. 2 [X.] [X.] gelten daher entsprechend.

Ist der um Wiederaufnahme ersuchende Mitgliedstaat an eine aus Art. 24 Abs. 2 [X.] [X.] (analog) folgende Frist für die Stellung eines [X.]s gebunden, hält das vorlegende Gericht außerdem eine Klärung der an das erfolglose Verstreichen der Frist geknüpften Rechtsfolge für erforderlich (Frage 5 Buchstabe b). Anders als Art. 23 Abs. 3 [X.] [X.] sieht Art. 24 Abs. 3 [X.]-VO nämlich keinen Zuständigkeitsübergang vor, wenn das [X.] nicht fristgerecht gestellt wird. Stattdessen bestimmt Art. 24 Abs. 3 [X.] [X.] lediglich, dass dem Drittstaatsangehörigen die Gelegenheit zu geben ist, einen neuen Antrag zu stellen. Allerdings könnte diese Regelung dahin zu verstehen sein, dass die Stellung eines neuen Antrags im Sinne des Art. 24 Abs. 3 [X.] [X.] unmittelbar die Zuständigkeit des Mitgliedstaates begründet, in dem der neue Antrag gestellt wird. Wirkt die Stellung des neuen Antrags hingegen nicht unmittelbar zuständigkeitsbegründend, könnte dieser Mitgliedstaat berechtigt bleiben, den originär zuständigen Mitgliedstaat ohne Bindung an eine Frist um Wiederaufnahme zu ersuchen oder den Drittstaatsangehörigen ohne [X.] in diesen zu überstellen.

Falls die Stellung eines neuen Antrags gemäß Art. 24 Abs. 3 [X.] [X.] unmittelbar zuständigkeitsbegründend wirken sollte, bedarf außerdem der Klärung, ob die Rechtshängigkeit eines in einem Mitgliedstaat vor der Überstellung gestellten Antrags der Stellung eines neuen Asylantrags im Sinne des Art. 24 Abs. 3 [X.] [X.] gleichzustellen ist (Frage 5 Buchstabe c). Denn der Kläger des Ausgangsverfahrens hat, nachdem er an [X.] überstellt wurde und illegal nach [X.] zurückgekehrt ist, keinen weiteren Asylantrag gestellt, sondern vielmehr den gegen die abschlägige Bescheidung des früheren Antrags noch anhängigen Rechtsbehelf weiterverfolgt.

Ist die vorstehende Frage zu verneinen, bedarf schließlich der Klärung, ob der andere Mitgliedstaat (hier: [X.]) erneut den originär zuständigen Mitgliedstaat (hier [X.]) ohne Bindung an eine Frist um Wiederaufnahme ersuchen oder den Drittstaatsangehörigen ohne [X.] in diesen Mitgliedstaat überstellen kann (Frage 5 Buchstabe d).

Meta

1 C 22/15

27.04.2016

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

EuGH-Vorlage

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 3. November 2015, Az: 1 A 10805/15, Beschluss

Art 267 AEUV, § 27a AsylVfG 1992, § 34a Abs 1 AsylVfG 1992, § 34a Abs 2 AsylVfG 1992, § 77 Abs 1 AsylVfG 1992, Art 6 Abs 1 EGRL 115/2008, Art 6 Abs 2 EGRL 115/2008, Art 9 Abs 1 EURL 32/2013, Art 23 EUV 604/2013, Art 24 EUV 604/2013, Art 27 Abs 3 EUV 604/2013, Art 13 Abs 1 EUV 604/2013, Art 21 EUV 604/2013, Art 29 Abs 1 EUV 604/2013, Art 29 Abs 2 EUV 604/2013, Art 3 EUV 604/2013, Art 49 Abs 2 S 1 EUV 604/2013, Art 18 Abs 1 EUV 604/2013, Art 7 Abs 1 EUV 604/2013, Art 7 Abs 2 EUV 604/2013, Art 2 Abs 1 RückÜbernAbk DEU/BELua

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, EuGH-Vorlage vom 27.04.2016, Az. 1 C 22/15 (REWIS RS 2016, 12221)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 12221

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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W 3 K 14.50155 (VG Würzburg)

Ablauf der Überstellungsfrist


6 L 858/23.A (Verwaltungsgericht Köln)


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