Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.01.2018, Az. AnwZ (Brfg) 12/17

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2018, 14878

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Gegenstand

Anwaltliches Berufsrecht: Zulassung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds als Syndikusrechtsanwalt; Benachteiligungsverbot


Leitsatz

1. Als Syndikusrechtsanwalt kann nicht zugelassen werden, wer zum Zeitpunkt der Zulassungsentscheidung als Betriebsrat von seiner beruflichen Tätigkeit vollständig befreit ist.

2. Das Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG gebietet nicht die Zulassung des freigestellten Betriebsratsmitglied als Syndikusrechtsanwalt.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes [X.] vom 25. November 2016 (1 [X.] 50/16) wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen werden nicht erstattet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25.000 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Beigeladene ist seit dem 28. Oktober 1992 im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Anstellungsvertrag vom 27. November/2. Dezember 1991 wurde er zum 1. Januar 1992 als Sachbearbeiter in der Rechtsabteilung der B.           Krankenversicherung a.[X.], der heutigen [X.]    Krankenversicherung AG (Arbeitgeberin) eingestellt. Mit [X.] der [X.] vom 17. Februar 1997 wurde er mit Wirkung ab dem 1. Januar 1997 von der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung befreit. Der Beigeladene wurde mit Wirkung vom 1. September 2011 als Spezialist in der Gruppe "Allgemeine Leistung / [X.] / Regress / Rückforderung" seiner Arbeitgeberin eingesetzt. Seit dem 12. März 2014 ist er Vorsitzender des Betriebsrats des Hauptbetriebs der [X.]    Krankenversicherung [X.]und für die Dauer der Ausübung dieses Amtes von seiner Tätigkeit als Unternehmensjurist vollumfänglich freigestellt.

2

Mit Schreiben vom 24. Februar 2016 beantragte der Beigeladene unter Beifügung einer von ihm und seiner Arbeitgeberin unterzeichneten Tätigkeitsbeschreibung bei der Beklagten die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt. Im weiteren Verlauf des Zulassungsverfahrens legte er eine neue Tätigkeitsbeschreibung vom 3. Mai 2016 sowie eine - ebenfalls von ihm und seiner Arbeitgeberin unterzeichnete - ergänzende Erklärung vom 14./15. Juni 2016 vor. Die Beklagte ließ mit [X.] vom 22. Juni 2016 den Beigeladenen als Syndikusrechtsanwalt gemäß § 46 Abs. 2 [X.] bei der [X.]     Krankenversicherung AG zur Rechtsanwaltschaft zu.

3

Auf die hiergegen gerichtete Klage der Rentenversicherungsträgerin hat der [X.] den [X.] vom 22. Juni 2016 aufgehoben und die Berufung zugelassen. Nach Auffassung des [X.]s lagen zum Zeitpunkt des [X.]es die Voraussetzungen für die Zulassung des Beigeladenen als Syndikusrechtsanwalt gemäß § 46a Abs. 1, § 46 Abs. 2 bis 5 [X.] nicht vor. Zwar entspreche die vom Beigeladenen - jedenfalls bis zum 12. März 2014 - ausgeübte Tätigkeit den Anforderungen des § 46 Abs. 3 [X.]. Er übe die anwaltliche Tätigkeit, für die er die Syndikuszulassung beantragt habe, jedoch tatsächlich nicht aus, da er seit dem 12. März 2014 für seine Tätigkeit als Betriebsratsvorsitzender von seiner eigentlichen Tätigkeit freigestellt sei. Aus dem Wortlaut von § 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und § 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [X.] sowie der Gesetzesbegründung zu § 46 [X.] ergebe sich eine tätigkeitsbezogene Definition des [X.] dahingehend, dass der ganz eindeutige Schwerpunkt der ausgeübten Tätigkeit im anwaltlichen Bereich liegen müsse und für eine Zulassung aufgrund einer abstrakten, ehemals ausgeübten oder in der Zukunft gegebenenfalls wieder auszuübenden Tätigkeit kein Raum sei.

4

Auch die Systematik der Neuregelung der Bundesrechtsanwaltsordnung führe zu diesem Ergebnis. Wenn der Syndikusrechtsanwalt nach § 46b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 [X.] jede wesentliche Änderung der Tätigkeit innerhalb des Arbeitsverhältnisses unverzüglich anzuzeigen habe und die Rechtsanwaltskammer tätigkeitsbezogene Änderungen des Arbeitsverhältnisses zum Anlass nehmen müsse, über den Widerruf der Zulassung zu entscheiden, lasse sich auch daraus schließen, dass es nicht auf eine abstrakte oder ehemalige Tätigkeit, sondern ausschließlich auf die aktuell ausgeübte Tätigkeit ankomme.

5

Aus der in § 6 Abs. 5 SGB VI bestimmten Erstreckung der Befreiung von der Versicherungspflicht auf eine andere, im Voraus zeitlich begrenzte versicherungspflichtige Tätigkeit und dem gemäß § 78 Satz 2 BetrVG für Betriebsratsmitglieder geltenden Benachteiligungsverbot folge nichts anderes. Letzteres stelle lediglich einen subjektiven Schutzanspruch des Betriebsratsmitglieds gegenüber seinem Arbeitgeber, nicht aber gegenüber Zulassungs- und Aufsichtsbehörden dar. Selbst wenn man dies anders im Sinne eines universellen Schutzanspruchs mit Verfassungsrang gegenüber jedweder Benachteiligung sehen wolle, sei eine verfassungskonforme Auslegung von § 46 [X.] nicht möglich, da sie zu dem Wortlaut der Norm und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde.

Entscheidungsgründe

I.

6

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

7

1. Die gegen den Zulassungsbescheid der Beklagten vom 22. Juni 2016 gerichtete Klage ist zulässig. Die Klägerin ist als Träger der Rentenversicherung aufgrund der in § 46a Abs. 2 Satz 4 [X.] vorgesehenen Bindungswirkung der Zulassungsentscheidung gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt (vgl. [X.] eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte, BT-Drucks. 18/5201, [X.]). Entgegen der Auffassung der Beklagten ist auch ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage gegeben.

8

a) Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt nur, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann (BVerwGE 121, 1, 3; [X.]/[X.], VwGO, 23. Aufl., Vorb § 40 Rn. 38). Es fehlt daher für Klagen, deren Erfolg die Rechtsstellung des [X.] nicht verbessern kann (BVerwGE 78, 85, 91; [X.]/[X.], VwGO, 14. Aufl., Vor §§ 40-53 Rn. 16). Im Zweifel ist das Rechtsschutzbedürfnis zu bejahen (BVerwG aaO).

9

b) Durch den mit der Klage angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2016 wird die Rechtsstellung der Klägerin berührt. Diese ist gemäß § 46a Abs. 2 Satz 4 [X.] bei ihrer Entscheidung über die [X.] des Beigeladenen von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung an die bestandskräftige Entscheidung der Beklagten gebunden. Mit der - mittels der vorliegenden Klage erstrebten - Aufhebung des Bescheides vom 22. Juni 2016 kann sie mithin ihre Rechtsstellung verbessern. Ob die Klägerin, wenn der Beigeladene - wie nicht - bereits vor seiner Betriebsratstätigkeit als Syndikusrechtsanwalt zugelassen und von der Versicherungspflicht befreit worden wäre, die [X.] auf Antrag des Beigeladenen gemäß § 6 Abs. 5 Satz 2 [X.] für die befristete Betriebsratstätigkeit hätte aufrechterhalten müssen, ist unerheblich. Maßgeblich ist, worauf die Berufungserwiderung zu Recht hinweist, nicht ein hypothetischer, sondern allein der festgestellte Sachverhalt und damit die fehlende Zulassung des Beigeladenen als Syndikusrechtsanwalt vor Aufnahme der Betriebsratstätigkeit. Auf dieser Grundlage ist ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin gegeben.

2. Die Klage ist auch begründet.

a) Die Voraussetzungen für eine Zulassung des Beigeladenen als Syndikusrechtsanwalt gemäß §§ 46 f. [X.] liegen nicht vor.

aa) Der [X.] hat zutreffend erkannt, dass sich aus Wortlaut (§ 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und 4, § 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [X.]) und Systematik des Gesetzes sowie der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 18/5201) eindeutig ergibt, dass als Syndikusrechtsanwalt nur derjenige zugelassen werden kann, dessen zum [X.]punkt der Zulassungsentscheidung tatsächlich ausgeübte Tätigkeit den gesetzlichen Zulassungskriterien entspricht. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die umfassenden Ausführungen des angefochtenen Urteils (S. 10-12) Bezug genommen, denen sich der [X.] uneingeschränkt anschließt. Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen:

Auch aus dem Wortlaut von § 46b Abs. 2 Satz 2 [X.] ergibt sich die Abhängigkeit der Zulassung von der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit des Betreffenden. Danach ist die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ganz oder teilweise zu widerrufen, wenn die "tatsächlich ausgeübte Tätigkeit" nicht mehr den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 [X.] entspricht.

Zahlreiche weitere Stellen der Gesetzesbegründung belegen - neben den im Urteil des [X.]s zitierten -, dass eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nur aufgrund der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit erfolgen kann. So wird dort vielfach die "tätigkeitsbezogene Zulassung als Syndikusrechtsanwalt" betont. Die Rechtsanwaltskammer prüfe und bescheinige, ob beziehungsweise dass die "tätigkeitsbezogenen Voraussetzungen vorliegen, die eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ermöglichen" (BT-Drucks. 18/5201, [X.], 32). Die erteilte [X.] von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung ende bei einer "Änderung der Tätigkeit" (aaO, [X.]). § 46 Abs. 3 [X.] benenne kumulativ Merkmale, die die anwaltliche Tätigkeit des [X.] kennzeichneten und zwingend vorliegen müssten (aaO, [X.]8). Es sei erforderlich, dass das Anstellungsverhältnis durch diese Merkmale und Tätigkeiten "beherrscht" werde (aaO, [X.]9). Die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt knüpfe an die "ausgeübte Tätigkeit" an (aaO, [X.]). Folglich sei die Zulassung zu widerrufen, wenn die von dem Syndikusrechtsanwalt im Rahmen seines Anstellungsverhältnisses ausgeübte Tätigkeit nicht mehr den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 [X.] entspreche (aaO, S. 35). Wesentliche Änderungen der Tätigkeit erforderten eine Anpassung der Zulassung (aaO, S. 36).

bb) Eine ergänzende Auslegung der §§ 46 f. [X.] dahingehend, dass nicht ausschließlich auf die zum [X.]punkt der Zulassungsentscheidung tatsächlich ausgeübte, sondern auch auf eine vor Aufnahme des [X.] ausgeübte Tätigkeit abgestellt werden könne, kommt, wie der [X.] ebenfalls zutreffend erkannt hat, nicht in Betracht.

Für die Auslegung von Gesetzen ist nach der Rechtsprechung des [X.] und des [X.] der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist. Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte, die einander nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig ergänzen (vgl. nur [X.] 133, 168 Rn. 66 mwN; [X.], NJW 2014, 3504 Rn. 15; [X.], Urteil vom 20. März 2017 - [X.] ([X.]) 33/16, [X.], 818 Rn. 19 mwN; [X.], Beschluss vom 16. Mai 2013 - [X.], [X.], 2674 Rn. 27). Eine Auslegung, die zu dem Wortlaut des Gesetzes, der Gesetzessystematik und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch tritt, ist ausgeschlossen (vgl. zu den Grenzen einer verfassungskonformen Auslegung [X.] 110, 226, 267 mwN; [X.], Urteil vom 20. März 2017, aaO Rn. 44 mwN; zu den Voraussetzungen einer ergänzenden Auslegung der in § 134 Abs. 4 Nr. 1-11 [X.] angeführten knappschaftlichen Katalogarbeiten bei einem freigestellten Betriebsratsmitglied vgl. [X.], Urteil vom 27. Januar 2016 - L 6 R 161/13, BeckRS 2016, 66730 Rn. 38).

Nach diesen Grundsätzen ist eine ergänzende Auslegung der §§ 46 f. [X.] in vorgenanntem Sinne ausgeschlossen. Sie widerspräche - wie gezeigt - dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes, der Gesetzessystematik und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers, wonach Voraussetzung für die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt eine zum [X.]punkt der Zulassungsentscheidung tatsächlich ausgeübte Tätigkeit ist, die den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 [X.] entspricht.

Eine solche Tätigkeit übt der Beigeladene zurzeit nicht aus, sondern eine andere Tätigkeit.

b) Die somit derzeit nicht mögliche Zulassung des Beigeladenen als Syndikusrechtsanwalt durch die Beklagte verstößt nicht gegen die für Mitglieder des Betriebsrats geltende Schutzbestimmung des § 78 Satz 2 [X.]. Danach dürfen Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt werden; dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung.

aa) Zwar richtet sich das Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 [X.] nicht nur gegen den Arbeitgeber, sondern gegen jedermann. Es richtet sich auch gegen außerbetriebliche Stellen (vgl. [X.], Urteil vom 10. Juni 1969 - 1 [X.], BeckRS 1959, 103354 zu § 53 Abs. 2 [X.] a.F.; [X.], [X.], 560 Rn. 32 zu § 78 Satz 1 [X.]; [X.], [X.], 15. Aufl., § 78 Rn. 12; [X.]/[X.], [X.], § 78 Rn. 5 [01.12.2017]; [X.] in [X.] Kommentar zum Arbeitsrecht, 17. Aufl., § 78 [X.] Rn. 6) und ist daher grundsätzlich auch von der Beklagten zu beachten.

bb) Keine Benachteiligung im Sinne von § 78 Satz 2 [X.] stellt es jedoch dar, wenn sich für das Betriebsratsmitglied Nachteile unmittelbar aus dem Gesetz ergeben und der Arbeitgeber beziehungsweise die außerbetriebliche Stelle lediglich einer gesetzlichen Verpflichtung nachkommt. Die Benachteiligung beruht dann nicht auf einer Handlung des Arbeitgebers beziehungsweise der außerbetrieblichen Stelle, sondern auf der Anwendung des Gesetzes (vgl. zur Anwendung des Steuerrechts durch den Arbeitgeber: [X.], AP [X.] 1972 § 37 Nr. 37 (unter [X.]); [X.], [X.], 263; GK-[X.]/[X.], 10. Aufl., § 78 Rn. 60; [X.] in [X.]/[X.]/Glock/Nicolai/[X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 78 Rn. 21). So muss etwa ein freigestelltes Betriebsratsmitglied den Abzug von Steuern und Sozialversicherungsanteilen hinnehmen, auch wenn es vor seiner Freistellung für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit abgabenfreie Zuschläge zum Lohn erhalten hat. Denn die unversteuerte Auszahlung setzt nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit voraus ([X.], 478, 479 f.; [X.], AP [X.] 1972 § 37 Nr. 37 (unter I 5 a); [X.], [X.], 263; [X.] in [X.]/Summer, Besoldungsrecht des [X.] und der Länder, 65. Update 4/17, § 47 [X.] Rn. 24; [X.], aaO; [X.], aaO; zur tatsächlich ausgeübten Beschäftigung als Voraussetzung der Zuordnung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds zur Knappschaftsversicherung gemäß § 133 [X.] vgl. [X.], Urteil vom 27. Januar 2016, aaO Rn. 37). Hieran ändert nichts, dass ein Betriebsratsmitglied nach den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes ganz allgemein nicht benachteiligt werden darf. Angesichts der eingehenden Regelungen des Steuerrechts sind die dort abschließend aufgeführten [X.] im Hinblick auf das betriebsverfassungsrechtliche Benachteiligungsverbot nicht im Wege der Gesetzesauslegung zu erweitern. Die weitgehend politische Entscheidung, ob Teile der [X.] von freigestellten Betriebsratsmitgliedern steuerfrei sein sollen, bleibt vielmehr dem Gesetzgeber vorbehalten ([X.], aaO S. 480 f.).

Eine entsprechende Situation besteht hinsichtlich der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt gemäß §§ 46 f. [X.]. Sie setzt - wie ausgeführt - voraus, dass zum [X.]punkt der Zulassungsentscheidung die vom Betroffenen tatsächlich ausgeübte Tätigkeit den gesetzlichen Zulassungskriterien entspricht. Eine Rechtsanwaltskammer, die einen angestellten, als Betriebsratsmitglied von seiner betrieblichen Tätigkeit freigestellten Rechtsanwalt nicht als Syndikusrechtsanwalt zulässt, verstößt daher nicht gegen § 78 Satz 2 [X.], sondern wendet lediglich das Gesetz an. Etwaige Nachteile für den betroffenen Rechtsanwalt ergeben sich in diesem Fall unmittelbar aus dem Gesetz und nicht aus der Verweigerung der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt durch die Rechtsanwaltskammer.

c) Es ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch aus [X.] nicht geboten, auf die von einem - die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt anstrebenden - Betriebsratsmitglied vor Beginn seines Amtes ausgeübte Tätigkeit abzustellen.

aa) Die von der Beklagten im Rahmen von "Kontrollüberlegungen" hierzu angeführte Situation eines bereits vor seiner Wahl in den Betriebsrat als Syndikusrechtsanwalt zugelassenen Angestellten ist vorliegend nicht gegeben. Zu entscheiden ist nicht, ob eine bereits zuvor erfolgte Zulassung als Syndikusrechtsanwalt bei Aufnahme des [X.] zu widerrufen wäre, sondern ob im Falle der erst während der Betriebsratstätigkeit beantragten Zulassung die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit im [X.]punkt der Zulassungsentscheidung derjenigen eines [X.] entsprechen muss.

Im Übrigen verliert in dem von der Beklagten gebildeten hypothetischen Fall das Betriebsratsmitglied für die [X.] seiner Betriebsratstätigkeit - entgegen der Auffassung der Beklagten - gemäß § 6 Abs. 5 Satz 2 [X.] nicht seine [X.] von der Versicherungspflicht. Nach dieser Vorschrift erstreckt sich die [X.] von der Versicherungspflicht in den Fällen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 [X.] auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die [X.] der Tätigkeit den Erwerb der einkommensbezogenen Versorgungsanwartschaften gewährleistet. Diese Voraussetzungen können bei einem als Betriebsrat tätigen Syndikusrechtsanwalt erfüllt sein. Die Amtszeit des Betriebsrats ist gemäß § 21 [X.] im Voraus begrenzt. Die Versicherungspflicht besteht während der Betriebsratstätigkeit fort ([X.], Urteil vom 23. November 1977 - 9 RV 72/76, BeckRS 1977, 30407033 mwN). Gewährleistet der Versorgungsträger - wie im Fall des Beigeladenen (vgl. Schriftsatz des Beigeladenen vom 9. Mai 2017, [X.]) - für die [X.] der Betriebsratstätigkeit den Erwerb der einkommensbezogenen Versorgungsanwartschaften, erstreckt sich die [X.] von der Versicherungspflicht auf die Tätigkeit als Betriebsrat.

bb) Soweit die Beklagte meint, aus der von ihr im Hinblick auf § 231 Abs. 4b [X.] angestellten verfassungsrechtlichen Betrachtung ergebe sich ein Verstoß gegen das Verbot der Benachteiligung und Ungleichbehandlung gemäß Art. 3 GG, vermag der [X.] dem nicht zu folgen. Der Beigeladene war insbesondere nicht gehalten, seine Freistellung als Betriebsratsvorsitzender aufzugeben und in seine Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt zurückzukehren, um sodann dafür zugelassen zu werden und von der rückwirkenden [X.] von der Versicherungspflicht im Sinne des § 231 Abs. 4b [X.] zu profitieren.

Nach § 231 Abs. 4b [X.] wirkt eine [X.] von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.], die unter Berücksichtigung der [X.]rechtsanwaltsordnung in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung erteilt wurde, auf Antrag vom Beginn derjenigen Beschäftigung an, für die die [X.] von der Versicherungspflicht erteilt wird. Sie wirkt nach der genannten Bestimmung auch vom Beginn davor liegender Beschäftigungen an, wenn während dieser Beschäftigungen eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk bestand. Die [X.] wirkt frühestens ab dem 1. April 2014. Sie wirkt jedoch auch für [X.]en vor dem 1. April 2014, wenn für diese [X.]en einkommensbezogene Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt wurden. Der Antrag auf rückwirkende [X.] kann nur bis zum Ablauf des 1. April 2016 gestellt werden.

Ob § 231 Abs. 4b [X.] aus Gründen der Gleichstellung dahin auszulegen ist, dass auch solchen Personen eine rückwirkende [X.] von der Rentenversicherungspflicht zu erteilen ist, die ihre - befreiungsfähige - Syndikustätigkeit beendet haben, bevor sie als Syndikusrechtsanwalt nach neuem Recht zugelassen werden konnten (so [X.], [X.], 2760, 2761; [X.], [X.] 2016, 380485; a.[X.]/Segebrecht, [X.], 5. Aufl., § 231 Rn. 16), kann vorliegend dahinstehen. Selbst wenn dies zu verneinen sein sollte, hat der Beigeladene unter Zugrundelegung seines Sachvortrags keine rentenversicherungsrechtlichen Nachteile zu befürchten. Soweit nach der am 3. April 2014 ergangenen Rechtsprechung des [X.]sozialgerichts zu der vor dem 1. Januar 2016 geltenden Rechtslage bei nichtanwaltlichen Arbeitgebern beschäftigte Rechtsanwälte nicht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien waren (z.B. [X.], NJW 2014, 2743 Rn. 28 ff.), haben Inhaber einer begünstigenden [X.]sentscheidung - bezogen auf die jeweilige Beschäftigung, für die die [X.] ausgesprochen wurde - ein rechtlich geschütztes Vertrauen in den Bestand dieser Entscheidung ([X.] aaO Rn. 58). Der Beigeladene ist Inhaber einer solchen [X.]sentscheidung (Bescheid der [X.]versicherungsanstalt für Angestellte vom 17. Februar 1997). Diese hat aus Gründen des Vertrauensschutzes Bestand, wenn sich - wie der Beigeladene vorträgt - seine bis zum Antritt des [X.] am 12. März 2014 (bei derselben Arbeitgeberin) ausgeübte Tätigkeit nicht wesentlich geändert hat (zu den von den Trägern der Rentenversicherung neben den Übergangsregelungen in § 231 Abs. 4 bis 4d [X.] aus Gründen des Vertrauensschutzes angewandten Härtefallregelungen vgl. [X.] in [X.] Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 6 [X.] Rn. 7b [September 2017]). Die [X.] würde sich unter den vorgenannten Voraussetzungen gemäß § 6 Abs. 5 Satz 2 [X.] auch auf die am 12. März 2014 begonnene Betriebsratstätigkeit erstrecken. Letzteres würde ebenso gelten, wenn sich die Tätigkeit des Beigeladenen in der [X.] vor Beginn des [X.] geändert hätte, aber gleichwohl befreiungsfähig geblieben und der Beigeladene daher auf seinen Antrag von der Klägerin erneut von der Versicherungspflicht befreit worden wäre. Eine (neue) Nichtzulassung als Syndikusanwalt berührt nicht die für die aktuelle Beschäftigung - und sei es aus Gründen des Bestandsschutzes - gültige frühere [X.] von der Rentenversicherungspflicht (BT-Drucks. 18/5201 [X.]). Eine solche gültige frühere [X.] läge - unter Zugrundelegung der Angaben des Beigeladenen - mit dem [X.]sbescheid vom 17. Februar 1997 in Verbindung mit § 6 Abs. 5 Satz 2 [X.] für die aktuelle Betriebsratstätigkeit des Beigeladenen vor.

Es trifft daher zwar zu, dass das anwaltliche Berufsrecht in der [X.] einer vorübergehenden [X.] Tätigkeit keine Erstzulassung als Syndikusrechtsanwalt vorsieht, während im Unterschied hierzu das Sozialrecht eine durchgehende [X.] von der Versicherungspflicht ermöglicht. Eine verfassungswidrige "Lücke" zwischen den beiden Rechtsgebieten sieht der [X.] hierin indes nicht. Im Gegenteil werden in der vorliegenden Konstellation etwaige berufsrechtliche Nachteile (keine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt) durch das Sozialrecht und seine Regelungen zur Kontinuität der [X.] von der Versicherungspflicht aufgefangen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 [X.].

Kayser     

      

Bünger     

      

Remmert

      

Braeuer     

      

Kau     

      

Meta

AnwZ (Brfg) 12/17

29.01.2018

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Urteil

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof Hamm, 25. November 2016, Az: 1 AGH 50/16, Urteil

§ 46 BRAO, §§ 46ff BRAO, § 78 S 2 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.01.2018, Az. AnwZ (Brfg) 12/17 (REWIS RS 2018, 14878)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 14878

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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