Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.10.2022, Az. VIa ZR 275/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 6643

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Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 18. Zivilsenats des [X.] vom 1. Februar 2022 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt insgesamt und in der Hauptsache teilweise aufgehoben und im Ausspruch zur Hauptsache wie folgt neu gefasst:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 3. Zivilkammer des [X.] vom 14. Juni 2021 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels und der Berufung der Beklagten abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin und [X.]       zur gesamten Hand 13.785,22 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31. Dezember 2020 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des [X.] 1,6 l TDI 77 kW, Fahrzeug-Identifizierungsnummer                    .

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu ¼ und die Beklagte zu ¾.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die beklagte [X.] wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Die Klägerin und ihr Ehemann kauften am 12. Juli 2012 von einem Vertragshändler der [X.] ein Neufahrzeug des Typs [X.] zum Preis von 30.200,01 €, das im Oktober 2012 ausgeliefert wurde. Das Fahrzeug ist mit einem von der [X.] entwickelten Dieselmotor der Baureihe [X.] ausgestattet. Dieser verfügte über eine Motorsteuerungssoftware, die das Durchfahren des [X.] auf dem Prüfstand erkannte und in diesem Fall einen geringeren [X.] als im Normalbetrieb bewirkte. Die Verwendung der Software wurde im [X.] 2015 öffentlich bekannt.

3

Mit der im Jahr 2020 erhobenen Klage hat die Klägerin im Wesentlichen die Erstattung des Kaufpreises - zahlbar an sie und ihren Ehemann zur gesamten Hand - abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst [X.] um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs sowie die Feststellung des Annahmeverzugs der [X.] begehrt. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das [X.] hat dem [X.] in Höhe von 700 € Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagte unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels und der Berufung der [X.] verurteilt, an die Klägerin und ihren Ehemann 18.315,22 € nebst [X.] um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs zu zahlen. Zudem hat es festgestellt, dass sich die Beklagte mit der "Rücknahme" des Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die uneingeschränkt statthafte (vgl. [X.], Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], [X.]Z 233, 16 Rn. 16 ff.; Urteil vom 21. März 2022 - [X.], [X.], 745 Rn. 7) und auch im Übrigen zulässige Revision der [X.] hat teilweise Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen wie folgt begründet:

6

Die Beklagte sei der Klägerin und ihrem Ehemann dem Grunde nach wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß §§ 826, 31 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Der Anspruch sei ausgehend von dem gezahlten Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 11.884,79 €, also einer Zahlung in Höhe von 18.315,22 €, an sie selbst und ihren Ehemann Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs gerechtfertigt. Zwar sei der Anspruch aus §§ 826, 31 BGB mit Ablauf des Jahres 2019 verjährt. Die Klägerin könne ihn aber gemäß §§ 826, 852 Satz 1 BGB weiterhin in voller Höhe geltend machen. Die Beklagte habe das Entgelt, das ihr aus dem Verkauf des Fahrzeugs an ihren Vertragshändler zugeflossen sei, im Sinne von § 852 Satz 1 BGB auf Kosten der Klägerin erlangt. Auf die konkrete Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen der [X.] und dem Händler komme es nicht an. Da die Beklagte nach dem Vortrag der Klägerin, der als zugestanden anzusehen sei, jedenfalls [X.] aus dem Verkauf an den Händler erlangt habe und dieser Betrag den gemäß §§ 826, 31 BGB ersatzfähigen Schaden der Klägerin übersteige, ergebe sich aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB keine Beschränkung des Anspruchs.

II.

7

Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

8

1. Der [X.] ist in der Hauptsache entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nur in Höhe von 13.785,22 € Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des erworbenen Fahrzeugs begründet.

9

a) Das Berufungsgericht hat unangefochten und rechtsfehlerfrei angenommen, die Klägerin und ihr Ehemann hätten einen Anspruch gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 BGB auf Erstattung des von ihr und ihrem Ehemann für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs, dem die Beklagte allerdings die Einrede der Verjährung nach § 214 Abs. 1 BGB entgegenhalten könne (vgl. [X.], Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], [X.]Z 233, 16 Rn. 24 ff., 33 ff. mwN).

b) Ebenfalls zutreffend ist das Berufungsgericht von der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 852 Satz 1 BGB in Fällen der vorliegenden Art ausgegangen (vgl. [X.], Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], [X.]Z 233, 16 Rn. 54 ff.). Zwar hat es rechtsfehlerhaft angenommen, auf die Ausgestaltung der Rechtsbeziehung zwischen dem Fahrzeughersteller und dem Händler komme es nicht an, obgleich der schadensauslösende Vertragsschluss zwischen dem Geschädigten und dem Händler einerseits und der Erwerb des Anspruchs auf Zahlung des [X.] bzw. der Erwerb des [X.] durch den Hersteller andererseits für die Anwendbarkeit des § 852 BGB auf derselben, wenn auch mittelbaren Vermögensverschiebung beruhen müssen, das Fahrzeug vom Händler also aufgrund einer Bestellung des Geschädigten erworben worden sein muss (vgl. [X.], Urteil vom 21. Februar 2022, aaO, Rn. 18; Urteil vom 21. März 2022 - [X.], [X.], 745 Rn. 27 f.; Urteil vom 13. Juni 2022 - [X.], [X.], 1604 Rn. 18). Im Ergebnis ist das Berufungsgericht jedoch zutreffend zur Einschlägigkeit des § 852 BGB gelangt. Dass dem Neuwagenkauf der Klägerin und ihres Ehemanns bei dem Händler eine Bestellung des Fahrzeugs durch den Händler bei der [X.] zugrunde lag, hat die Revision im Hinblick auf den Inhalt der vom Berufungsgericht konkret in Bezug genommenen Anlage [X.] (Rechnung vom 15. Oktober 2012) in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht mehr in Frage gestellt.

c) [X.] hat das Berufungsgericht indessen die Anspruchshöhe berechnet. Nach der Rechtsprechung des [X.] hat die Beklagte nach §§ 826, 852 Satz 1 BGB erlangt und herauszugeben den [X.], den das Berufungsgericht unbeanstandet in Höhe des vom Kläger entrichteten Kaufpreises abzüglich der [X.] - hier [X.] (30.200,01 € abzüglich 4.530 €) - ermittelt hat. Von diesem [X.] ist nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung der Wert der von der Klägerin gezogenen Nutzungen in Abzug zu bringen, den das Berufungsgericht gemäß § 287 ZPO in Höhe von 11.884,79 € geschätzt hat. Der Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB besteht mithin in Höhe von 13.785,22 € zuzüglich Zinsen nach §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des erworbenen Fahrzeugs (vgl. [X.], Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], [X.], 742 Rn. 16).

2. Keinen Bestand hat die Feststellung des Annahmeverzugs durch das Berufungsgericht. Die Klägerin hat mit der Berufung die Verurteilung der [X.] in Höhe von 30.200,01 € abzüglich der Nutzungsentschädigung aufgrund der Fahrleistung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung (11.884,79 €), mithin in Höhe von 18.315,22 €, begehrt. Sie hat damit über 20% mehr beansprucht, als ihr bei richtiger rechtlicher Betrachtung zusteht. Die Forderung eines nicht nur unerheblich höheren als des geschuldeten Betrags schließt ein ordnungsgemäßes Angebot der Zug um Zug zu erbringenden Leistung aus. Der für diese Beurteilung maßgebliche Zeitpunkt ist der Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz ([X.], Urteil vom 29. Juni 2021 - [X.], [X.], 1560 Rn. 16 f.).

III.

Das Berufungsurteil ist in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil es sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Da die teilweise Aufhebung des angefochtenen Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).

[X.]     

      

Möhring     

      

Götz   

      

Rensen     

      

Vogt-Beheim     

      

Meta

VIa ZR 275/22

17.10.2022

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 1. Februar 2022, Az: 18 U 4286/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.10.2022, Az. VIa ZR 275/22 (REWIS RS 2022, 6643)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 6643

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