Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.05.2018, Az. IX R 33/16

9. Senat | REWIS RS 2018, 8564

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Gegenstand

Gebäude-AfA - Wechsel von der degressiven AfA zur AfA nach der tatsächlichen Nutzungsdauer - Nachträgliche Herstellungskosten bei degressiver AfA


Leitsatz

Ein Wechsel von der in Anspruch genommenen degressiven AfA gemäß § 7 Abs. 5 EStG zur AfA nach der tatsächlichen Nutzungsdauer gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG ist nicht möglich .

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 27. Oktober 2015  5 K 1909/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Eigentümerin des Grundstücks [X.] in [X.] Das Grundstück ist bebaut mit einem 1994 für den Betrieb eines Autohauses errichteten Gebäude (Werkstatt und Verkaufsräume) und Außenanlagen. Die Klägerin vermietet das Grundstück seit Fertigstellung des Gebäudes an das von ihrem Ehemann als Einzelkaufmann betriebene Autohaus.

2

Im Jahr 2009 errichtete die Klägerin auf dem Grundstück einen Anbau an das bestehende Werkstattgebäude und überdachte einen Teil der Freifläche. Dafür wandte sie Herstellungskosten von insgesamt 85.137 € auf.

3

In den Jahren von 1994 bis 2008 machte die Klägerin bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung degressive Absetzungen für Abnutzung (AfA) gemäß § 7 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf die [X.] geltend. Diese beliefen sich ursprünglich auf 584.390 €. Der am 1. Januar 2009 noch nicht abgeschriebene [X.] belief sich auf 255.665 €.

4

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte die Klägerin AfA in Höhe von 33.477 € geltend. Auf Nachfrage korrigierte sie den Betrag auf 34.081 €. Entgegen der bisherigen Annahmen betrage die voraussichtliche Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes nicht 50, sondern nur 25 Jahre. Der am 1. Januar 2009 noch nicht abgeschriebene [X.] von 255.665 € müsse um die im Streitjahr angefallenen Herstellungskosten von 85.137 € auf 340.802 € erhöht und auf die restlichen 10 Jahre gleichmäßig verteilt werden (§ 7 Abs. 4 Satz 2 EStG).

5

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) berücksichtigte demgegenüber als AfA nur 1,25 % der um die nachträglichen Herstellungskosten erhöhten ursprünglichen Bemessungsgrundlage (584.390 € + 85.137 € = 669.527 € x 1,25 % = gerundet 8.370 €) und führte zur Erläuterung aus, eine kürzere als die bislang angenommene voraussichtliche Nutzungsdauer sei nicht dargelegt worden (nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung geänderter Einkommensteuerbescheid vom 24. Oktober 2011). Den Einspruch wies das [X.] als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidung vom 4. Mai 2012).

6

Das Finanzgericht ([X.]) hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision erhebt die Klägerin die Sachrüge (Verletzung von § 7 Abs. 5 und § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG).

7

Die Klägerin beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben, den Einkommensteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung zu ändern und die Einkommensteuer auf den Betrag festzusetzen, der sich ergibt, wenn bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung Abschreibungen in Höhe von 34.081 € berücksichtigt werden.

8

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

9

Die Revision ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

1. Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG können bei Gebäuden, die der Erzielung von Einkünften dienen und nach dem 31. Dezember 1924 fertiggestellt worden sind, jährlich 2 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten als Werbungskosten abgezogen werden. Beträgt die tatsächliche Nutzungsdauer des Gebäudes weniger als 50 Jahre, können anstelle dieser Absetzungen die der tatsächlichen Nutzungsdauer entsprechenden [X.] vorgenommen werden (§ 7 Abs. 4 Satz 2 EStG). Bei Gebäuden, die der Steuerpflichtige aufgrund eines vor dem 1. Januar 1995 gestellten Bauantrags hergestellt hat, können abweichend von Abs. 4 degressive Abschreibungen vorgenommen werden: in den ersten acht Jahren jeweils 5 %, in den darauf folgenden sechs Jahren jeweils 2,5 % und in den darauf folgenden 36 Jahren jeweils 1,25 % (§ 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG).

2. Ein späterer Wechsel von der in Anspruch genommenen degressiven [X.] nach § 7 Abs. 5 EStG zur [X.] nach § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG ist nicht möglich.

a) Der [X.] ([X.]) musste die Frage bisher nicht beantworten. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist der Steuerpflichtige an die einmal getroffene Wahl für die degressive [X.] nach § 7 Abs. 5 EStG grundsätzlich gebunden. Der spätere Wechsel zu einer anderen [X.]-Methode ist damit grundsätzlich ausgeschlossen ([X.]-Urteil vom 3. April 2001 IX R 16/98, [X.]E 195, 273, [X.] 2001, 599). Insbesondere ist ein Wechsel von der in Anspruch genommenen degressiven [X.] nach § 7 Abs. 5 EStG zu den normalen, linearen Gebäude-[X.] nach § 7 Abs. 4 EStG nicht möglich ([X.]-Urteil vom 10. März 1987 IX R 24/86, [X.]E 149, 527, [X.] 1987, 618). Auf die Frage, ob dies auch einen Wechsel zur [X.] nach der tatsächlichen Nutzungsdauer (§ 7 Abs. 4 Satz 2 EStG) ausschließt, kam es insoweit nicht an. Zugelassen hat der [X.] allerdings den Wechsel von der [X.] nach § 7 Abs. 5 EStG zu den erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG a.F. ([X.]-Urteil in [X.]E 149, 527, [X.] 1987, 618); den umgekehrten Wechsel hat er indes ausgeschlossen ([X.]-Urteil vom 17. Februar 1976 VIII R 188/71, [X.]E 118, 319, [X.] 1976, 414). Zugelassen hat er ferner den Wechsel von einer degressiven [X.] zu einer anderen degressiven [X.] nach einer Nutzungsänderung ([X.]-Urteil vom 15. Februar 2005 IX R 32/03, [X.]E 210, 481, [X.] 2006, 51).

b) Die Finanzverwaltung schließt einen Wechsel von der degressiven [X.] nach § 7 Abs. 5 EStG zur [X.] nach der tatsächlichen Nutzungsdauer bei Gebäuden (§ 7 Abs. 4 Satz 2 EStG) aus, beanstandet jedoch bei Anwendung der degressiven [X.] nach § 7 Abs. 5 EStG die Inanspruchnahme von Absetzung für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung nicht (R 7.4 Abs. 11 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien).

c) Im Schrifttum wird die Frage unterschiedlich beantwortet. Die ganz überwiegende Ansicht schließt einen späteren Wechsel von der in Anspruch genommenen degressiven [X.] zur [X.] nach der tatsächlichen Nutzungsdauer aus (Blümich/[X.], § 7 EStG Rz 565; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 7 EStG Rz 333; [X.], in: [X.][X.], EStG, § 7 Rz F33; [X.] in [X.], EStG, 11. Aufl., § 7 Rz 105; Schnitter in Frotscher, EStG, [X.] 2011, § 7 Rz 481; [X.] in [X.]/[X.], § 7 EStG Rz 232; Bartone in [X.], § 7 EStG Rz 179; [X.] in [X.], Stand 1. Januar 2015, § 7 Rz 195). Lediglich eine Mindermeinung plädiert dafür, den Wechsel zuzulassen ([X.]/[X.], EStG, 27. Aufl., § 7 Rz 176).

d) Der Senat schließt sich der im Schrifttum überwiegend vertretenen Ansicht an. Im Gesetz fehlt eine Regelung für den Übergang von der degressiven zur linearen [X.] bei Gebäuden. Der Übergang ist danach weder vorgesehen noch eindeutig ausgeschlossen ([X.]-Urteil in [X.]E 149, 527, [X.] 1987, 618). Er ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil § 7 Abs. 5 EStG eine starre, unveränderliche Abschreibungsregel enthält, deren Sätze weder unter- noch überschritten werden dürfen (so aber [X.]-Urteil in [X.]E 118, 319, [X.] 1976, 414). Dieser Befund gilt zunächst nur innerhalb der [X.] nach § 7 Abs. 5 EStG und schließt den Wechsel zu einer anderen [X.]-Methode nicht grundsätzlich aus (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 149, 527, [X.] 1987, 618: Wechsel zu § 7b EStG a.F.). Kein Argument ergibt sich ferner aus der Erwägung, dass der Steuerpflichtige, der in den ersten Jahren die Vorteile der degressiven [X.] genossen hat, in späteren Jahren auch die Nachteile der Vorschrift in Kauf nehmen muss. Dies schließt zwar einen Wechsel von der degressiven [X.] nach § 7 Abs. 5 EStG zur linearen [X.] nach § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG generell aus, nicht jedoch einen Wechsel zur [X.] nach der tatsächlichen Nutzungsdauer gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG. Wie der Streitfall zeigt, kann sich bei (behaupteter) kürzerer Nutzungsdauer des Gebäudes die Inanspruchnahme der degressiven [X.] in den ersten Jahren im Nachhinein als nachteilig darstellen.

Ein solcher Wechsel würde jedoch die mit der Vorschrift bezweckte [X.] konterkarieren. § 7 Abs. 5 EStG typisiert die Nutzungsdauer eines Gebäudes und dient damit der [X.]. Bei Wahl der degressiven [X.] nach § 7 Abs. 5 EStG erübrigt sich die Feststellung der tatsächlichen Nutzungsdauer des Gebäudes. Der Steuerpflichtige entscheidet sich bei Wahl der degressiven [X.] bewusst dafür, die Herstellungskosten des Gebäudes in 50 der Höhe nach festgelegten Jahresbeträgen geltend zu machen. Die Vereinfachung tritt nur ein, wenn die Wahl über die gesamte Dauer der Abschreibung bindend ist. Die Wahl der degressiven [X.] ist deshalb unabänderlich.

Dagegen bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Insbesondere durfte der Gesetzgeber bei der Wahl der degressiven [X.] auf eine Anpassungsregelung wie in § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG verzichten. Die degressive [X.] kommt nur bei neu hergestellten Gebäuden in Betracht. Bei neuen Gebäuden ist die Annahme einer voraussichtlichen Nutzungsdauer von 50 Jahren in aller Regel nicht unangemessen. Sollte dies aufgrund der Bauart oder der in Aussicht genommenen Art der Nutzung im Einzelfall anders sein, wird dies in aller Regel von Anfang an erkennbar sein. Dann hat es der Steuerpflichtige in der Hand, von vornherein die Abschreibung gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG zu wählen. Die Möglichkeit, dass sich bei einem neuen Gebäude (ohne eine nachträgliche Änderung der Nutzungsart) erst nachträglich eine wesentlich kürzere voraussichtliche Nutzungsdauer als ursprünglich angenommen ergibt, durfte der Gesetzgeber dagegen vernachlässigen (so schon [X.], [X.] 1969, 161, 170).

Ohne Erfolg macht die Revision schließlich geltend, dass ein nachträglicher Wechsel von der degressiven [X.] zur [X.] nach der tatsächlichen Nutzungsdauer in systematischer Hinsicht eine Rückkehr zum Grundprinzip des § 7 Abs. 1 EStG darstellen würde. Das trifft nicht zu. § 7 Abs. 4 und 5 EStG regeln die Abschreibung bei Gebäuden "abweichend von Absatz 1" (§ 7 Abs. 4 Satz 1 EStG). Ein Rückgriff auf Absatz 1 der Vorschrift ist damit bei Gebäuden ausgeschlossen. Bei Gebäuden ist die Abschreibung nach der tatsächlichen Nutzungsdauer nicht der Grundfall, sondern die Ausnahme. § 7 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 EStG typisieren die Nutzungsdauer des Gebäudes; das ist seit 1964 der Normalfall. Die in § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG davon vorgesehene Abweichung ist die Ausnahme und zudem nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nur "anstelle der Absetzungen nach Satz 1" zulässig.

3. Nachträgliche Herstellungskosten sind bei der degressiven [X.] gemäß § 7 Abs. 5 EStG ab dem Jahr ihres Anfalls zusammen mit den bisherigen Erstellungskosten des Gebäudes nach dem für diese geltenden Prozentsatz abzusetzen ([X.]-Urteil vom 20. Januar 1987 IX R 103/83, [X.]E 149, 448, [X.] 1987, 491). Daran hält der Senat fest. Wie mit dem nicht abgeschriebenen Restwert zu verfahren ist, der nach Ablauf der in § 7 Abs. 5 EStG auf 50 Jahre angelegten Staffel bei nachträglichen Herstellungskosten verbleibt, bedarf im Streitjahr keiner Entscheidung.

4. Nach diesen Maßstäben hält das angefochtene Urteil der Revision stand. Das [X.] ist deshalb der Behauptung des [X.], die bestehenden Gebäude hätten im Streitjahr nur noch eine restliche Nutzungsdauer von 10 Jahren gehabt, zu Recht nicht nachgegangen.

5. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

IX R 33/16

29.05.2018

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 27. Oktober 2015, Az: 5 K 1909/12, Urteil

§ 7 Abs 4 S 2 EStG 2009, § 7 Abs 4 S 1 Nr 2 Buchst a EStG 2009, § 7 Abs 5 S 1 Nr 2 EStG 2009, EStG VZ 2009

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.05.2018, Az. IX R 33/16 (REWIS RS 2018, 8564)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 8564

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