Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 24.02.2021, Az. 4 AZN 897/20

4. Senat | REWIS RS 2021, 8456

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Verletzung rechtlichen Gehörs - zutreffende Eingruppierung


Tenor

1. Auf die Beschwerde des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 26. August 2020 - 2 Sa 393/19 - aufgehoben.

2. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.

3. Der Streitwert wird auf 23.025,24 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des [X.] und daraus resultierende Differenzentgeltansprüche. Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise, soweit sie auf Vergütung nach [X.] 10 [X.]/[X.] seit dem 1. August 2015 gerichtet war, stattgegeben. Das [X.] hat die Klage auf die Berufung des Beklagten insgesamt abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde, die er auf die Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) stützt.

2

II. [X.] ist begründet, da das [X.] wesentlichen Sachvortrag bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt hat (§ 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 ArbGG).

3

1. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene [X.] zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Deshalb müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Gericht auf [X.] des [X.] zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (st. Rspr., zuletzt zB [X.] 17. September 2020 - 2 BvR 1605/16 - Rn. 14 mwN).

4

2. Nach diesen Maßstäben hat das [X.] den Anspruch des [X.] auf rechtliches Gehör verletzt.

5

a) Das [X.] hat angenommen, es handle sich bei den mit der Klage geltend gemachten [X.]n 11 und 10 [X.]/[X.] gegenüber der [X.] 9c [X.]/[X.], nach der der Kläger vergütet wird, um [X.]. Deshalb setze ein schlüssiger Klagevortrag nicht nur eine genaue Darstellung der eigenen Tätigkeit voraus, sondern verlange einen Vergleich mit den „[X.]“ der Ausgangsfallgruppe nebst entsprechendem Tatsachenvortrag. Dabei sei zunächst die Benennung einer Vergleichsgruppe von Arbeitnehmern, deren Tätigkeit entsprechend der [X.] bewertet sei, erforderlich. In einem zweiten Schritt sei dieser Vergleichstätigkeit die dabei wahrzunehmende „Normalschwierigkeit“ bzw. „Normalbedeutung“ zuzuordnen und ihr die besondere Schwierigkeit und Bedeutung der Tätigkeit des klagenden Arbeitnehmers gegenüberzustellen (S. 17 f. Entscheidungsgründe). Die klageabweisende Entscheidung stützt das [X.] sodann im [X.] darauf, dass das Vorbringen des [X.] den erforderlichen wertenden Vergleich nicht ermögliche. Dieser habe zwar den ersten Vergleichsschritt vorgenommen, sei dabei aber stehen geblieben, ohne der Vergleichstätigkeit die „Normalschwierigkeit“ bzw. „Normalbedeutung“ zuzuordnen. Der behauptete Unterschied der jeweiligen Schwierigkeit und Bedeutung könne schon deshalb nicht bewertet werden, da nicht „unstreitig“ sei, dass die klägerische Tätigkeit ein Wissen und Können verlange, das die Anforderungen der [X.] in gewichtiger Weise übersteige. Hinsichtlich der die besondere Schwierigkeit begründen sollenden Komplexität seiner Tätigkeit lasse das klägerische Vorbringen einen Vergleich mit der Tätigkeit der [X.] vermissen. Die der klägerischen Tätigkeit in Abschn. 6 der Stellenbeschreibung zugeschriebene Bedeutung hebe ihn von der [X.] nicht ab.

6

b) Damit geht das [X.] auf wesentlichen Vortrag des [X.] nicht ein, ohne dass erkennbar wäre, dass es diesen Vortrag von seinem Rechtsstandpunkt aus als unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert angesehen hat.

7

aa) Der Kläger hat - wie die Beschwerde darlegt - im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 23. April 2020 umfangreich dazu vorgetragen, warum sich seiner Auffassung nach seine Tätigkeit gegenüber dem Sachbearbeiter Altlasten/Bodenschutz heraushebt und eine Vergütung nach [X.] 10 [X.]/[X.] rechtfertigt (dort S. 2 ff. = [X.]. 269 ff. [X.]). Darüber hinaus hat er im selben Schriftsatz auf mehreren Seiten dargelegt, worin aus seiner Sicht eine Heraushebung seiner Tätigkeit auch gegenüber der [X.] 10 [X.]/[X.] (Sachbearbeiter Immissionsschutz) liegt und eine Vergütung nach [X.] 11 [X.]/[X.] rechtfertigt (dort S. 8 ff. = [X.]. 275 ff. [X.]). Auf diesen Sachvortrag ist das [X.] an keiner Stelle seiner Entscheidung konkret eingegangen. Im Tatbestand ist der Sachvortrag nicht wiedergegeben, sondern es wird lediglich allgemein darauf hingewiesen, dass der Kläger zur Darstellung der Heraushebung einen Vergleich mit dem Sachbearbeiter Altlasten/Bodenschutz einerseits und mit dem Sachbearbeiter [X.] (vorgetragen vom Kläger war „Immissionsschutz“) vornimmt. Im Übrigen wird lediglich der Akteninhalt allgemein in Bezug genommen. Im maßgeblichen Teil der Entscheidungsgründe, der etwa 1,5 Seiten umfasst, wird dieser Sachvortrag des [X.] nicht erwähnt, obwohl er den [X.] seiner Argumentation darstellt. Vielmehr vertritt das [X.] lediglich in allgemeinen Worten die Auffassung, der Kläger habe seine Darlegungslast zum wertenden Vergleich nicht erfüllt. Dabei findet sich keine Begründung des [X.]s, warum der Vortrag aus dem Schriftsatz des [X.] vom 23. April 2020 den [X.] nicht genügen soll und welchen Vortrag das [X.] insoweit noch ergänzend benötigt hätte (vgl. zur gerichtlichen Hinweispflicht in einer solchen Konstellation zuletzt zB [X.] 13. Mai 2020 - 4 [X.] - Rn. 44). Insgesamt wird nicht erkennbar, dass das [X.] den genannten Vortrag berücksichtigt hat.

8

bb) Soweit das [X.] auf die für die auszuübende Tätigkeit des [X.] geforderte Qualifikation eingeht und meint, nicht er benötige eine rechtliche Zusatzqualifikation oder einen Abschluss als [X.], sondern die [X.] (S. 21 letzter Absatz Entscheidungsgründe), ist nicht nachvollziehbar, auf welchen Tatsachenvortrag der Parteien diese Annahme gestützt wird. [X.] weist zutreffend darauf hin, dass nach der vom Kläger vorgelegten und vom [X.] in Bezug genommenen Stellenbeschreibung (dort Ziffer 7) vom Stelleninhaber eine rechtliche Zusatzqualifikation gefordert wird.

9

III. Da der Rechtsstreit revisionsrechtlich bedeutsame Fragen nicht aufwirft, macht der Senat von der [X.] gemäß § 72a Abs. 7 ArbGG Gebrauch (vgl. zur Zurückverweisung an eine andere Kammer [X.] 12. Dezember 2006 - 3 [X.]/06 - Rn. 33 f., [X.]E 120, 322). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG, § 3 ZPO.

        

    W. Reinfelder    

        

    Rinck    

        

    Klug    

        

        

        

    S. Gey-Rommel    

        

    Kümpel    

                 

Meta

4 AZN 897/20

24.02.2021

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZN

vorgehend ArbG Bautzen, 24. Oktober 2019, Az: 4 Ca 4191/19, Urteil

§ 72 Abs 2 ArbGG, § 72a ArbGG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 24.02.2021, Az. 4 AZN 897/20 (REWIS RS 2021, 8456)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 8456

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