Bundesfinanzhof, Urteil vom 05.04.2022, Az. VII R 52/20

7. Senat | REWIS RS 2022, 3481

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Gegenstand

Entlastungsanspruch für Branntweinsteuer


Leitsatz

1. Der Entlastungsanspruch nach § 154 Abs. 1 BranntwMonG setzt nicht voraus, dass die Erzeugnisse bereits in dem Zeitpunkt nachweislich versteuert sind, in dem sie in das Steuerlager aufgenommen werden.

2. Bei einem unversteuerten Bezug von Erzeugnissen entsteht der Entlastungsanspruch nach § 154 Abs. 1 BranntwMonG nicht bereits mit deren Aufnahme in das Steuerlager, sondern frühestens mit der Festsetzung der für das Erzeugnis entstandenen Branntweinsteuer.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 13.08.2020 - 6 K 1905/17 Z aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt die Produktion und den Handel mit [X.]lkohol und alkoholischen Produkten.

2

[X.]m 29.04.2015 lieferte die [X.] (GmbH) insgesamt 5 668,229 l vergälltes Ethanol 1 % [X.] (Branntwein) vermeintlich im Steueraussetzungsverfahren an die Klägerin, die das Ethanol an diesem Tag in ihr Steuerlager aufnahm.

3

Im Rahmen einer [X.]ußenprüfung bei der GmbH wurde festgestellt, dass für diese Lieferung kein validiertes elektronisches Verwaltungsdokument (e-VD) verwendet worden war. Der Prüfungsbericht kam zu dem Ergebnis, dass die Lieferung deshalb nicht unter Steueraussetzung erfolgt und die Branntweinsteuer mit der Entnahme des Branntweins aus dem Steuerlager der GmbH entstanden sei. Die GmbH meldete daraufhin den Vorgang am 28.12.2016 zur Versteuerung beim Hauptzollamt [X.] an. Bereits am 27.12.2016 hatte die GmbH im Nachgang zu ihrer Rechnung vom 29.04.2015 der Klägerin die Branntweinsteuer in Höhe von 73.857,02 € netto in Rechnung gestellt.

4

Mit [X.]ntrag vom 28.12.2016, beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt --HZ[X.]--) am 04.01.2017 eingegangen, beantragte die Klägerin die Entlastung von der Branntweinsteuer für 5 668,229 l nach § 154 des Gesetzes über das Branntweinmonopol (Branntweinmonopolgesetz --[X.]--). Diesen [X.]ntrag lehnte das HZ[X.] am 25.01.2017 ab und führte zur Begründung aus, die Entlastung sei ausgeschlossen, weil die Festsetzungsfrist nach § 169 [X.]bs. 2 der [X.]bgabenordnung ([X.]) zum 31.12.2016 abgelaufen sei.

5

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

6

Das Finanzgericht (FG) urteilte, das HZ[X.] habe den [X.] der Klägerin nach § 154 [X.]bs. 1 [X.] zu Recht wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung verneint. Die Festsetzungsfrist für Vergütungsansprüche beginne mit [X.]blauf des Jahres zu laufen, in dem der Vergütungsanspruch infolge der Verwirklichung des [X.] entstanden sei (Verweis auf Senatsurteil vom 20.09.2016 - VII R 7/16, [X.], 360, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --[X.]-- 2016, 308). In diesem Zusammenhang komme es darauf an, ob auf die [X.]ufnahme in das Steuerlager der Klägerin am 29.04.2015 oder erst auf die [X.]nmeldung der Branntweinsteuer am 28.12.2016 abzustellen sei. Das Gesetz selbst enthalte keine Definition des Begriffs "nachweislich versteuert". [X.]usgehend von dem Senatsurteil in [X.], 360, [X.], 308 (zu § 51 des [X.]) sei der [X.] jedoch bereits mit der [X.]ufnahme in das Steuerlager entstanden, weil die Entstehung der Steuer und die Voraussetzungen der Entlastung zu diesem Zeitpunkt aus den [X.] der GmbH und der Klägerin als Empfängerin "verifizierbar" gewesen seien. Hingegen stelle der in § 56 [X.]bs. 3 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung des Branntweinmonopolgesetzes (Branntweinsteuerverordnung --BrStV--) geforderte Nachweis der Versteuerung mittels einer Versteuerungsbestätigung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck lediglich eine verfahrensrechtliche Regelung dar (Verweis auf [X.], Urteil vom 18.05.2017 - 14 K 2093/14, [X.], Beilage 2018, Nr. 3, 6).

7

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin. Zur Begründung führt sie aus, das Tatbestandsmerkmal der nachweislichen Versteuerung in § 154 [X.]bs. 1 [X.] habe eine eigenständige Bedeutung und müsse selbständig erfüllt sein. Die Norm verlange nicht, dass die Erzeugnisse bereits nachweislich versteuert seien, wenn sie in das Steuerlager aufgenommen würden; eine derart enge [X.]uslegung sei nicht gerechtfertigt. [X.]nderenfalls käme es im Streitfall zu einem endgültigen [X.]usschluss des [X.]s, weil die Vertragsparteien bei [X.]ufnahme in das Steuerlager irrtümlich von einem Steueraussetzungsverfahren ausgegangen seien. Das Kriterium "nachweislich" bedeute, dass der Entlastungsberechtigte anhand objektiver Kriterien "verifiziert" erkennen können müsse, dass der Steuerschuldner der Erfüllung seiner Steuerschuld nachkomme. Das sei keine lediglich formale Voraussetzung, anders als die [X.]nforderungen an den Nachweis nach § 56 [X.]bs. 3 Satz 1 BrStV. Die [X.]usführungen des HZ[X.] zur Festsetzungsverjährung seien widersprüchlich; wenn nach dessen [X.]uffassung gar kein [X.] entstehe, könne auch keine Festsetzungsfrist in Gang gesetzt werden.

8

Die Klägerin beantragt,
das Urteil der Vorinstanz und den [X.]blehnungsbescheid vom 25.01.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.07.2017 aufzuheben und dem [X.] vom 28.12.2016 stattzugeben.

9

Das HZ[X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das HZ[X.] vertritt die [X.]nsicht, dass die nachweisliche Versteuerung bereits zum Zeitpunkt der körperlichen [X.]ufnahme des Branntweins in das Steuerlager gegeben sein müsse und deshalb im Streitfall kein [X.] entstanden sei. Dies folge aus dem Wortlaut und der grammatikalischen Struktur des § 154 [X.]bs. 1 Satz 1 [X.]. Zwar könnten die [X.]ufnahme in das Steuerlager und die nachweisliche Versteuerung nicht in derselben juristischen Sekunde geschehen. [X.]us § 144 [X.]bs. 1 [X.] ergebe sich jedoch, dass die Versteuerung sehr zeitnah zu erfolgen habe. Werde die Frist zur Steueranmeldung versäumt, entfalle in der Folge der [X.]. [X.]nderenfalls werde die Nachprüfbarkeit der Entlastungsvoraussetzungen durch die Zollverwaltung erschwert. Eine (rückwirkende) Entstehung des [X.]s begegne systematischen Bedenken und gefährde Belange der Steueraufsicht.

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteil in [X.], 360, [X.], 308) sei für eine nachweisliche Versteuerung die bloße Entstehung der Steuer nicht ausreichend. Es müssten vielmehr Umstände hinzutreten, welche die Steuerentstehung verifizierten. Im Streitfall sei der Branntwein nicht buchmäßig erfasst worden, weil die Klägerin und der Lieferant von einer Lieferung unter Steueraussetzung ausgegangen seien. Im Zeitpunkt der [X.]ufnahme in das Steuerlager der Klägerin sei keine nachweisliche Versteuerung gegeben gewesen.

Hilfsweise trägt das HZ[X.] vor, dass mit [X.]blauf des 31.12.2016 Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Ein etwaiger [X.] sei nämlich bereits mit der [X.]ufnahme des Branntweins in das Steuerlager der Klägerin am 29.04.2015 entstanden. [X.]uf den späteren Nachweis der Versteuerung könne dagegen nicht abgestellt werden, weil dieser grundsätzlich erst mit dem [X.] geführt werde; dadurch habe die Verjährung praktisch keine Bedeutung mehr.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Die Feststellungen der Vorinstanz reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob der Klägerin der [X.] nach § 154 Abs. 1 Satz 1 [X.] zusteht.

1. Gemäß § 154 Abs. 1 Satz 1 [X.] werden nachweislich versteuerte Erzeugnisse, die in ein Steuerlager aufgenommen worden sind, auf Antrag von der Steuer entlastet. [X.] ist gemäß § 154 Abs. 1 Satz 2 [X.] der Steuerlagerinhaber. Nach § 56 Abs. 3 Satz 1 [X.] hat der Steuerlagerinhaber als Nachweis der Versteuerung im Steuergebiet dem zuständigen [X.] mit der Steueranmeldung eine Versteuerungsbestätigung des Herstellers oder des Steuerschuldners oder des anderen Verkäufers nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck vorzulegen.

Der [X.] setzt nicht voraus, dass die Erzeugnisse bereits in dem Zeitpunkt nachweislich versteuert sind, in dem sie in das Steuerlager aufgenommen werden.

a) Maßgebend für die Interpretation eines Gesetzes ist der in ihm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers. Der Feststellung des zum Ausdruck gekommenen objektivierten Willens des Gesetzgebers dienen die Auslegung anhand des Wortlauts der Norm (grammatikalische Auslegung), anhand des Zwecks (teleologische Auslegung), aus dem Zusammenhang (systematische Auslegung) sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (historische Auslegung). Zur Erfassung des Inhalts einer Norm darf sich der [X.] dieser verschiedenen Auslegungsmethoden gleichzeitig und nebeneinander bedienen. Ziel jeder Auslegung ist die Feststellung des Inhalts einer Norm, wie er sich aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist (vgl. Urteil des [X.] vom 20.11.2019 - XI R 46/17, [X.], 241, [X.], 195, Rz 25, m.w.N.).

b) Nach § 143 Abs. 1 [X.] entsteht die Steuer zum Zeitpunkt der Überführung der Erzeugnisse in den steuerrechtlich freien Verkehr, es sei denn, es schließt sich eine Steuerbefreiung an. Erzeugnisse werden u.a. durch die Entnahme aus dem Steuerlager in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt, es sei denn, es schließt sich ein weiteres Verfahren der Steueraussetzung an (§ 143 Abs. 2 Nr. 1 [X.]). Beförderungen aus Steuerlagern in andere Steuerlager gelten nur dann als unter Steueraussetzung durchgeführt, wenn sie mit einem elektronischen Verwaltungsdokument nach Art. 21 der Richtlinie 2008/118/[X.] vom 16.12.2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der [X.][X.] ([X.] --[X.]-- 2009, Nr. L 9, 12) erfolgen (§§ 138 Abs. 1, 139 Abs. 1 Nr. 1 [X.] [X.]. § 21 Abs. 1 Nr. 1 [X.]). Steuerschuldner ist der Steuerlagerinhaber (§ 143 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 [X.]).

c) Aus dem Wortlaut und der grammatikalischen Struktur von § 154 Abs. 1 Satz 1 [X.] ergibt sich eine zeitliche Reihenfolge der beiden Tatbestandsmerkmale --Aufnahme in ein Steuerlager und nachweisliche Versteuerung-- nicht zwingend. Vielmehr verlangt diese Norm lediglich, dass die Erzeugnisse zum einen nachweislich versteuert und zum anderen in ein Steuerlager aufgenommen worden sind, ohne diese beiden Voraussetzungen in ein zeitliches Verhältnis zueinander zu setzen.

d) Auch Sinn und Zweck der Entlastungsnorm erfordern eine solche Gleichzeitigkeit nicht.

Durch die Aufnahme des [X.] in das Steuerlager und die damit verbundene Erfassung (§ 12 Abs. 2 [X.]) ist sichergestellt, dass bei der (erneuten) Entnahme eine Besteuerung erfolgt. Gerade diese gesicherte Besteuerungsmöglichkeit ist ein Entlastungsgrund (vgl. allgemein [X.]/[X.]/ Schröer-Schallenberg, Energiesteuer, Stromsteuer, § 47 [X.] Rz 6). Abgesehen davon führte die Ablehnung eines Steuerentlastungsanspruchs nach § 154 Abs. 1 Satz 1 [X.] bei erneuter Entnahme der Erzeugnisse aus dem Steuerlager ohne Eröffnung eines Steueraussetzungsverfahrens zu einer Doppelbesteuerung (vgl. § 143 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 [X.]), die durch die [X.] jedoch gerade vermieden werden soll. Das Erreichen dieser Normziele hängt nicht davon ab, dass die Erzeugnisse bereits bei deren Aufnahme in das Steuerlager nachweislich versteuert sind.

Entgegen der Auffassung des [X.] hat das Tatbestandsmerkmal der nachweislichen Versteuerung keinen Sanktionscharakter. Vielmehr trägt das Gesetz den durchaus berechtigten fiskalischen Interessen der Verwaltung durch andere Mechanismen Rechnung, wie z.B. durch die Möglichkeit, die [X.] nach § 134 Abs. 2 [X.] zu widerrufen.

e) Schließlich ist desgleichen aus systematischen Gründen keine Gleichzeitigkeit der beiden Tatbestandsmerkmale zu fordern, wie insbesondere auch ein Vergleich mit dem Energiesteuerrecht zeigt.

§ 154 [X.] spricht --anders als noch § 149 Abs. 1 [X.] i.d.[X.] zur Änderung des Tabaksteuergesetzes und anderer Verbrauchsteuergesetze vom 23.12.2003 --[X.] [X.] ([X.], [X.] lediglich allgemein von einer Entlastung. Was darunter zu verstehen ist, definiert das [X.] nicht. In der [X.] 2008/118 findet sich der Begriff der Steuerentlastung nicht, dort ist nur von Erlass und Erstattung die Rede (vgl. z.B. Art. 33 Abs. 6 der [X.] 2008/118 [Verbringen zu gewerblichen Zwecken], Art. 36 Abs. 5 der [X.] 2008/118 [Versandhandel] und Art. 38 Abs. 3 der [X.] 2008/118 [Unregelmäßigkeit]).

Die [X.] 2008/118 gilt nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. a auch für Energieerzeugnisse und elektrischen Strom gemäß der Richtlinie 2003/96/[X.] vom 27.10.2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen [X.] zur Besteuerung von [X.] und elektrischem Strom ([X.] 2003, Nr. L 283, 51) i.d.F. der Richtlinie 2004/75/[X.] vom 29.04.2004 zur Änderung der Richtlinie 2003/96/[X.] im Hinblick auf die Möglichkeit der Anwendung vorübergehender Steuerermäßigungen und Steuerbefreiungen auf Energieerzeugnisse und elektrischen Strom durch [X.] ([X.] 2004, Nr. L 157, 100). Das auf dieser Grundlage ergangene [X.] enthält erstmals eine Definition des Begriffs "Entlastung" (vgl. [X.]/[X.]/ Schröer-Schallenberg, Energiesteuer, Stromsteuer, § 45 [X.] Rz 1).

Nach § 45 [X.] umfasst die Steuerentlastung den Erlass, die Erstattung und die Vergütung einer entstandenen Steuer. Ein Erlass- oder Erstattungsanspruch kann nur dem Steuerschuldner zustehen, während die Steuervergütung einem Dritten gewährt wird. Das ist regelmäßig derjenige, der die Steuerlast getragen hat, ohne selbst Steuerschuldner zu sein ([X.]/[X.]/Schröer-Schallenberg, Energiesteuer, Stromsteuer, § 45 [X.] Rz 3). Erstattung und Vergütung kommen somit systematisch erst in Betracht, wenn eine Belastung durch die Steuer gegeben ist.

Weil § 154 [X.] ohne Differenzierung von Entlastung spricht und deshalb auch Erstattung und Vergütung umfasst und zudem die Entrichtung der Steuer regelmäßig bei Aufnahme in das Steuerlager noch nicht erfolgt ist, kann keine Gleichzeitigkeit der beiden Tatbestandsmerkmale verlangt werden.

Dieses Ergebnis wird auch durch einen Blick auf zahlreiche energiesteuerrechtliche [X.] (insbesondere §§ 46, 47, 47a, 48, 49, 51 bis 53, 53a, 54 bis 57, 59, 60 [X.]) bestätigt, die sämtlich eine nachweisliche Versteuerung der Energieerzeugnisse voraussetzen. Eine dem § 154 Abs. 1 [X.] vergleichbare Regelung findet sich in § 47 Abs. 1 Nr. 1 [X.], wonach auf Antrag eine Entlastung gewährt wird für nachweislich versteuerte, nicht gebrauchte Energieerzeugnisse i.S. des § 4 [X.], die in ein Steuerlager aufgenommen worden sind. Für diesen Fall ist ausdrücklich anerkannt, dass eine Entlastung sowohl bei einem versteuerten Bezug als auch bei einer Nachversteuerung, z.B. nach Außenprüfung, in Frage kommt (vgl. [X.]/[X.]/Schröer-Schallenberg, Energiesteuer, Stromsteuer, § 47 [X.] Rz 1).

f) Historische Erwägungen, die diese Auslegung in Frage stellen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Entlastungsmöglichkeit ist erstmals in § 149 Abs. 1 [X.] a.F. mit Wirkung vom 01.01.2004 eingeführt worden. Dieser lautete: "Für nachweislich versteuerte Erzeugnisse, die in ein Branntweinlager aufgenommen werden, wird die Steuer dem [X.] auf Antrag erlassen, erstattet oder vergütet". Hintergrund war nach der Gesetzesbegründung (BTDrucks 15/1313, S. 8), dass den berechtigten Interessen der Wirtschaftsbeteiligten Rechnung getragen werden sollte, die im Steuergebiet versteuerte Waren ohne weitere Behandlung im Steuerlager unter Steuerentlastung in ein Drittland liefern wollten. Die im Streitfall gültige Fassung wurde durch das Vierte Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen vom 15.07.2009 ([X.], 1870) mit Wirkung zum 01.04.2010 eingeführt und sollte der bisherigen Regelung entsprechen (BTDrucks 16/12257, S. 84).

g) Gegen die vom [X.] vertretene Ansicht, die nachweisliche Versteuerung müsse bereits zum Zeitpunkt der körperlichen Aufnahme des [X.] in das Steuerlager gegeben sein, spricht schließlich auch, dass in der Praxis eine Gleichzeitigkeit nicht vorkommen dürfte, was auch das [X.] selbst eingeräumt hat. Denn nach § 144 Abs. 1 Satz 1 [X.] hat der Steuerschuldner (§ 143 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 Alternative 1 und Nr. 4 [X.]) über die Erzeugnisse, für die in einem Monat die Steuer entstanden ist, spätestens am zehnten Tag des auf die Steuerentstehung folgenden Monats eine Steuererklärung abzugeben und in ihr die Steuer selbst zu berechnen (Steueranmeldung). In der Regel sind somit die Erzeugnisse in dem aufnehmenden Steuerlager längst angekommen, bevor diese Frist zur Steueranmeldung abgelaufen ist.

2. Ausgehend von den dargestellten Grundsätzen kann der erkennende [X.] nicht abschließend entscheiden, ob der streitgegenständliche Branntwein nach § 154 Abs. 1 Satz 1 [X.] von der [X.]teuer zu entlasten ist.

a) Die [X.]teuer ist gemäß § 143 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 [X.] mit der Entnahme des [X.] aus dem Steuerlager der GmbH entstanden, weil sich mangels Verwendung eines e-VD kein Steueraussetzungsverfahren angeschlossen hat. Die GmbH hat nach den bindenden Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) den Vorgang am 28.12.2016 nachträglich zur Versteuerung angemeldet. Diese Steueranmeldung steht nach § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Weiterhin hat das [X.] festgestellt, dass die Klägerin den in Rede stehenden Branntwein in ihr Steuerlager aufgenommen hat.

b) Allerdings kann der erkennende [X.] nicht abschließend beurteilen, ob die Klägerin die Versteuerung des [X.] formell ordnungsgemäß nachgewiesen hat, weil bislang keine Feststellungen des [X.] dazu vorliegen, ob die Klägerin die Versteuerungsbestätigung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck gemäß § 56 Abs. 3 [X.] beim zuständigen [X.] eingereicht hat.

aa) Nach § 154 Abs. 2 [X.] wird das [X.] ermächtigt, durch Rechtsverordnung zur Sicherung des Steueraufkommens und zur Wahrung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung Vorschriften zu § 154 Abs. 1 [X.] zu erlassen und insbesondere eine für den [X.]en ausgestellte Versteuerungsbestätigung des Steuerschuldners für den Antrag nach § 154 Abs. 1 Satz 1 [X.] vorzuschreiben. Auf der Grundlage dieser Ermächtigungsnorm ist § 56 [X.] erlassen worden. Nach § 56 Abs. 2 [X.] darf der Steuerlagerinhaber nachweislich versteuerte Erzeugnisse unter den Voraussetzungen des § 56 Abs. 3 [X.] gegen Steuervergütung in sein Steuerlager aufnehmen. Für die Erfassung in der [X.] gilt nach § 56 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 1 Satz 2 [X.] der § 12 Abs. 3 [X.], wonach der Steuerlagerinhaber die Zu- und Abgänge unverzüglich aufzuzeichnen hat. Der Steuerlagerinhaber hat als Nachweis der Versteuerung im Steuergebiet dem zuständigen [X.] mit der Steueranmeldung eine Versteuerungsbestätigung des Herstellers oder des Steuerschuldners oder des anderen Verkäufers nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck vorzulegen.

bb) Im zweiten Rechtsgang wird das [X.] noch aufzuklären haben, ob die Versteuerungsbestätigung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck gemäß § 56 Abs. 3 [X.] vorgelegt worden ist. In den beigezogenen Akten ist diese Versteuerungsbestätigung nicht enthalten. Eine solche Versteuerungsbestätigung könnte auch nachträglich eingereicht werden. Ergeben die Ermittlungen des [X.], dass keine Versteuerungsbestätigung eingereicht worden ist bzw. nachgereicht wurde, kommt es möglicherweise unter Berücksichtigung des unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes darauf an, ob die Klägerin die Versteuerung anderweitig durch Vorlage weiterer Unterlagen nachweisen kann.

3. Sofern das [X.] zu dem Ergebnis kommt, dass ein Anspruch der Klägerin auf Steuerentlastung nach § 154 Abs. 1 [X.] entstanden ist, hat es bei seiner weiteren Prüfung davon auszugehen, dass dieser Anspruch nicht durch den Eintritt der Festsetzungsverjährung nach § 47 AO erloschen ist (§ 126 Abs. 5 [X.]O).

a) Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO sind eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt entsprechend für die Festsetzung einer Steuervergütung (§ 155 Abs. [X.], ab 01.01.2017 § 155 Abs. 5 AO). Die Festsetzungsfrist beträgt für Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen ein Jahr (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO) und beginnt nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Jahres, in dem der [X.] infolge der Verwirklichung des [X.] entstanden ist (§ 38 AO). Gemäß § 130 Abs. 1 Satz 3 [X.] handelt es sich bei der [X.]teuer um eine Verbrauchsteuer im Sinn der AO.

b) Voraussetzung für die Verwirklichung eines [X.]s nach § 154 Abs. 1 [X.] ist nach dem Gesetzeswortlaut u.a., dass die Versteuerung der in ein Steuerlager aufgenommenen Erzeugnisse auch nachgewiesen wird. Eine nachweisliche Versteuerung kann --wie gesehen-- jedenfalls nicht vor der Festsetzung der Steuer gegeben sein.

Was unter einer solchen nachweislichen Versteuerung zu verstehen ist, definiert das [X.] nicht. Allerdings entspricht die Regelung in § 154 Abs. 1 [X.] den [X.]n im [X.], zu welchen sich der [X.] in der Vergangenheit bereits mehrfach geäußert hat.

Sinn und Zweck dieser Regelungen ist es insbesondere, Vergütungsansprüche für steuerfrei bezogene Energieerzeugnisse auszuschließen ([X.]surteil in [X.], 360, [X.], 308, Rz 9). Allein die Steuerentstehung ist nicht ausreichend. Das ergibt sich bereits aus § 45 [X.], der für die dort genannten Entlastungsformen Erlass, Erstattung und Vergütung stets eine entstandene Steuer, also eine Belastung voraussetzt (vgl. [X.]/[X.], Energiesteuergesetz, Stromsteuergesetz, 2. Aufl., § 45 [X.] Rz 13; [X.]/[X.]/Schröer-Schallenberg, Energiesteuer, Stromsteuer, § 45 [X.] Rz 10 am Ende; [X.] in Friedrich/Soyk, Energiesteuern, § 45 [X.] Rz 18; vgl. auch [X.]surteil vom 10.01.2017 - VII R 26/14, [X.], 285, [X.], 125, Rz 9). Weil die Entlastungsnormen durchgängig darüber hinaus eine nachweisliche Versteuerung voraussetzen, verlangt der [X.] in ständiger Rechtsprechung, dass Umstände hinzutreten, welche die Steuerentstehung verifizieren (vgl. [X.]surteil in [X.], 360, [X.], 308, Rz 9).

In der Vergangenheit hatte der [X.] mehrfach entschieden, dass die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der nachweislichen Versteuerung nicht von der Festsetzung der Steuer durch einen Steuerbescheid oder der Abgabe einer Steueranmeldung durch den Stromversorger oder Lieferer von [X.] abhängig ist (vgl. [X.]surteile in [X.], 360, [X.], 308; vom 26.09.2017 - VII R 26/16, [X.], 280, [X.] 2018, 22, Rz 13; in [X.], 285, [X.], 125, Rz 8, und vom 07.07.2020 - VII R 6/19, [X.], 198, [X.] 2020, 372, Rz 10).

Vielmehr entsteht der Vergütungsanspruch bereits mit der steuerbegünstigten Verwendung des Stroms bzw. der Energieerzeugnisse oder mit dem Verbringen von [X.] in einen anderen Mitgliedstaat bzw. mit der Ausfuhr in ein Drittland, wobei im Falle der Verwendung von Strom der Vergütungsanspruch mit der Entnahme des Stroms aus dem Versorgungsnetz entsteht, die regelmäßig mit dem Verbrauch des Stroms zusammenfällt. Dabei hat der [X.] allerdings darauf abgestellt, dass in diesem Zeitpunkt die vom Lieferer zu führenden Aufzeichnungen hinreichende Gewähr für die Durchsetzung des Steueranspruchs bieten.

Für den unversteuerten Bezug von [X.] hat der [X.] erstmals im Urteil vom 19.10.2021 - VII R 26/20 ([X.], 380, [X.] 2022, 155) klargestellt, dass eine nachweisliche Versteuerung jedenfalls nicht vor der Festsetzung der Steuer gegeben sein kann.

Diese Grundsätze können auf den [X.] nach § 154 Abs. 1 [X.] übertragen werden, weil auch in diesem Fall keine Entlastung für steuerfrei bezogene Erzeugnisse gewährt werden soll.

c) Wenn das [X.] im zweiten Rechtsgang zu dem Ergebnis kommt, dass zugunsten der Klägerin ein [X.] i.S. des § 154 Abs. 1 [X.] entstanden ist, wäre demnach dieser Anspruch nicht erloschen, weil nach den oben dargestellten Grundsätzen die Festsetzungsfrist wegen der am 28.12.2016 durch die GmbH eingereichte Steueranmeldung erst mit Ablauf des 31.12.2017 abgelaufen sein kann.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VII R 52/20

05.04.2022

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 13. August 2020, Az: 6 K 1905/17 Z, Urteil

§ 143 BranntwMonG, § 144 BranntwMonG, § 154 BranntwMonG, § 56 BrStV, § 47 AO, § 155 Abs 5 AO, § 169 AO, § 170 Abs 1 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 05.04.2022, Az. VII R 52/20 (REWIS RS 2022, 3481)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 3481

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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