Bundesfinanzhof, Urteil vom 27.02.2019, Az. VII R 34/17

7. Senat | REWIS RS 2019, 9843

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Gegenstand

Keine Erstattung der Branntweinsteuer wegen sachlicher Unbilligkeit


Leitsatz

1. Keine Erstattung einer Branntweinsteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen, die nach § 153 Abs. 3 BranntwMonG deshalb entstanden ist, weil der Inhaber einer allgemeinen Verwendungserlaubnis vergällten Branntwein an andere Erlaubnisinhaber abgegeben hat .

2. Die allgemeine Verwendungserlaubnis nach § 44 BrStV umfasst nicht die Abgabe vergällten Branntweins an Dritte. Bei einer unerlaubten Abgabe liegt nicht lediglich ein Verstoß gegen Formvorschriften vor .

3. § 227 AO ermächtigt nicht zu einer Korrektur des Gesetzes .

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 8. September 2017  4 K 1590/17 VBr wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) verwendete auf ihrem Betriebsgelände mit 1 % [X.] ([X.]) vergällten Branntwein zu Untersuchungs- und Reinigungszwecken im Rahmen einer allgemeinen Verwendungserlaubnis nach § 44 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a der [X.]teuerverordnung ([X.]). Sie gab an die auf ihrem Betriebsgelände ansässigen Firmen [X.] und [X.] insgesamt 5 104 l vergällten Branntwein mit 5 047,9 l Ethanol und im Jahr 2013 weiteren vergällten Branntwein mit insgesamt 7 447,5 l Ethanol ab. Diese Firmen verwendeten in ihren Laboren ebenfalls vergällten Branntwein zu Untersuchungs- und Reinigungszwecken im Rahmen ihrer allgemeinen Verwendungserlaubnis nach § 44 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.].

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --[X.]--) setzte gegen die Klägerin mit Bescheid vom 17. Dezember 2013 [X.]teuer in Höhe von 65.774,14 € für 2012 und mit Bescheid vom 9. Dezember 2014 [X.]teuer in Höhe von 97.040,93 € für 2013 fest. Die Klägerin habe keine Erlaubnis gehabt, an die [X.] und die B-GmbH vergällten Branntwein abzugeben. Daher sei die [X.]teuer nach § 153 Abs. 3 des Gesetzes über das Branntweinmonopol (Branntweinmonopolgesetz --[X.]--) entstanden. Die Klägerin zahlte die [X.]teuer.

3

Hiergegen eingelegte Einsprüche und die nachfolgende Klage blieben erfolglos. Die Klägerin legte keine Nichtzulassungsbeschwerde ein.

4

Am 15. und 19. Dezember 2014 beantragte die Klägerin die Erstattung der [X.]teuer aus sachlichen Billigkeitsgründen.

5

Der gegen die Ablehnung der Erstattung eingelegte Einspruch blieb erfolglos. In der Einspruchsentscheidung führte das [X.] aus, § 153 Abs. 3 [X.] [X.]. § 44 [X.] sei eine Art. 27 Abs. 1 der [X.]/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke [X.] 92/83/[X.] ([X.] 1992, Nr. L 316/21) entsprechende Vorschrift zur Sicherung der korrekten und einfachen Anwendung der Steuerbefreiungen. Insoweit sei es unerheblich, ob der Branntwein letztlich zur Herstellung von Erzeugnissen verwendet worden sei, weil die hier zu berücksichtigende Steuerentstehung durch die regelmäßige Abgabe des an sich steuerfreien [X.] bewirkt worden sei. Für diesen Fall habe der Gesetzgeber eine Besteuerung bewusst angenommen, so dass eine Billigkeitsmaßnahme ausscheide. Der Streitfall sei auch nicht mit dem des Urteils des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) [X.] vom 2. Juni 2016 C-355/14 ([X.]:[X.], Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --[X.]-- 2016, 196) vergleichbar, weil es hier um die Verwendung im Rahmen einer allgemeinen Verwendungserlaubnis gehe, während es in dem vom [X.] entschiedenen Fall um die Nutzung einer ausdrücklich erteilten [X.] gegangen sei. Hätte die Klägerin darüber verfügt, wäre es nicht zu der streitbefangenen Steuer gekommen. Eine Unbilligkeit auf Grund einer sachwidrigen Härte scheide ebenfalls aus, da die Steuerentstehung dem Gesetz entspreche und keine persönliche Unbilligkeit darstelle. Schließlich seien die Endverwender, die [X.] und die B-GmbH, ehemalige Betriebsteile der Klägerin, die sie ausgegliedert habe. Dies und das damit verbundene Entstehen der streitbefangenen Steuerschuld sei auf eine bewusste Unternehmensentscheidung der Klägerin zurückzuführen.

6

Die Klage war erfolglos. Das Urteil ist in [X.] 2018, Beilage 4, 24 abgedruckt.

7

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision.

8

Eine Billigkeitsmaßnahme komme nach [X.]. 7.1.1. der Dienstvorschrift zur Anwendung der Abgabenordnung im Bereich der Zollverwaltung ([X.]-DV Zoll) zu § 227 der Abgabenordnung ([X.]) in Betracht, weil es sich um ein entschuldbares und lediglich abgabenrechtlich nachteiliges Verhalten gehandelt habe. Die Abgabe des [X.] durch eine nach § 44 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] legitimierte Gesellschaft an eine andere nach § 44 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] legitimierte Gesellschaft sei bloß ein versehentlicher Formverstoß. Eine Steuerentstehung sei vom Gesetzgeber nicht gewollt.

9

Das Urteil verstoße gegen den Grundsatz der unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeit, weil das Finanzgericht ([X.]) das [X.]-Urteil [X.] ([X.]:[X.], [X.] 2016, 196) nicht angewendet habe. Danach sei die Versagung einer Steuerbefreiung in den Fällen unverhältnismäßig, in denen der tatsächliche Empfänger verbrauchsteuerpflichtiger Waren über eine materielle Bezugsberechtigung verfüge, die Waren vom Empfänger zu Zwecken verwendet worden seien, für die nach den unionsrechtlichen Vorschriften eine Steuerbefreiung zu gewähren ist, und keine Anhaltspunkte für betrügerisches oder missbräuchliches Verhalten erkennbar seien. Das [X.]-Urteil sei auf alle Fälle anzuwenden, in denen zwar gegen Formvorschriften verstoßen worden sei, eine Gefährdung der Steueraufsicht aber letztlich nicht vorliege und die materiellen Voraussetzungen für Steuervergünstigungen erfüllt seien. Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang auf die [X.]GH-Urteile ROZ-SWIT vom 2. Juni 2016 [X.]/14 ([X.]:[X.], [X.] 2017, 73) und Vakaru Baltijos laivu statykla vom 13. Juli 2017 [X.]/16 ([X.]:C:2017:537, [X.] 2017, 332).

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung sowie den ablehnenden Bescheid vom 25. August 2016 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 22. Mai 2017 aufzuheben und das [X.] zu verpflichten, dem Erstattungsantrag in vollem Umfang zu entsprechen.

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die Vorentscheidung entspricht Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 [X.]O).

Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass sich die Entstehung der [X.]teuer durch Abgabe des vergällten [X.] an die [X.] und die B-GmbH nicht als sachlich unbillig erweist und eine Erstattung daher nicht zwingend geboten ist.

1. Die Entscheidung über die Erstattung bzw. den Erlass nach § 227 AO ist eine Ermessensentscheidung der Behörde (§ 5 AO). Diese kann im finanzgerichtlichen Verfahren nach § 102 Satz 1 [X.]O nur daraufhin überprüft werden, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (Urteil des [X.] --[X.]-- vom 31. Mai 2017 I R 92/15, [X.], 387, [X.], 14). Stellt das Gericht eine Ermessensüberschreitung oder einen Ermessenfehler fest, ist es grundsätzlich auf die Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen beschränkt. Nur wenn der Ermessensspielraum im konkreten Fall derart eingeengt ist, dass nur eine einzige Entscheidung als ermessensgerecht in Betracht kommt, d.h. im Fall einer Ermessensreduzierung auf Null, ist es befugt, seine Entscheidung an die Stelle der Ermessensentscheidung der Verwaltungsbehörde zu setzen und eine Verpflichtung zum Erlass bzw. zur Erstattung auszusprechen ([X.]surteil vom 17. Dezember 2013 VII R 8/12, [X.], 184).

2. Nach § 227 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.

Die Unbilligkeit kann in der Sache liegen oder ihren Grund in der wirtschaftlichen Situation des Steuerpflichtigen haben. In der wirtschaftlichen Situation liegende persönliche [X.] sind im Streitfall weder geltend gemacht worden noch ersichtlich, so dass allein sachliche Unbilligkeit in Betracht kommt.

Wie der Große [X.] des [X.] in seinem Beschluss vom 28. November 2016 GrS 1/15 ([X.]E 255, 482, [X.], 393) zum sog. [X.] betont hat, handelt es sich bei dem Begriff der Unbilligkeit i.S. von § 227 AO und § [X.] um einen gerichtlich überprüfbaren Rechtsbegriff und um die gesetzliche Voraussetzung einer behördlichen Ermessensentscheidung.

Sachlich unbillig ist die Festsetzung einer Steuer, wenn sie zwar äußerlich dem Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Fall derart zuwiderläuft, dass die Erhebung der Steuer unbillig erscheint. Das ist der Fall, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage --wenn er sie als regelungsbedürftig erkannt hätte-- im Sinne der begehrten [X.] entschieden hätte ([X.]-Urteil vom 20. September 2012 IV R 29/10, [X.]E 238, 518, [X.], 505, m.w.N.). Dies wiederum kann seinen Grund entweder in [X.] oder in einem Widerspruch zu dem der gesetzlichen Regelung zu Grunde liegenden Zweck haben ([X.]-Urteil vom 21. Januar 2015 [X.], [X.]E 248, 485, [X.], 117, Rz 24). Allerdings dürfen [X.]n nicht die einem gesetzlichen Steuertatbestand innewohnende Wertung des Gesetzgebers generell durchbrechen oder korrigieren, sondern nur einem --sich lediglich in einem Einzelfall zeigenden-- ungewollten Überhang des gesetzlichen Steuertatbestands abhelfen ([X.]surteil in [X.], 184). Bei der Billigkeitsprüfung müssen solche Umstände außer Betracht bleiben, die der gesetzliche Tatbestand typischerweise mit sich bringt ([X.]-Urteil vom 21. Juli 1993 [X.], [X.]/NV 1994, 597). Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt in der Regel keine [X.] ([X.]-Urteile vom 7. Oktober 2010 V R 17/09, [X.]/NV 2011, 865, und vom 4. Februar 2010 II R 25/08, [X.]E 228, 130, [X.], 663, jeweils m.w.N.); insbesondere kann § 227 AO nicht als Rechtsgrundlage für eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Befreiungsvorschrift dienen ([X.]-Urteil vom 10. Mai 1972 II 57/64, [X.]E 105, 458, [X.] 1972, 649).

Die Billigkeitsprüfung darf sich je nach Fallgestaltung nicht nur auf allgemeine Rechtsgrundsätze und verfassungsmäßige Wertungen beschränken; sie verlangt vielmehr eine Gesamtbeurteilung aller Normen, die für die Verwirklichung des in Frage stehenden Steueranspruchs im konkreten Fall maßgeblich sind ([X.]-Urteil vom 26. Oktober 1994 [X.], [X.]E 176, 3, [X.] 1995, 297, m.w.N.). Eine sachliche [X.] stellt immer auf den Einzelfall ab und ist atypischen Ausnahmefällen vorbehalten (Beschluss des Großen [X.]s des [X.] in [X.]E 255, 482, [X.], 393, Rz 112).

3. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat das [X.] die vom [X.] getroffene Ermessensentscheidung zu Recht nicht beanstandet. Die von der Klägerin behauptete sachliche Unbilligkeit der [X.]teuerentstehung liegt nicht vor.

a) Die begehrte Erstattung der [X.]teuer nach § 227 AO scheidet schon deshalb aus, weil diese Vorschrift --wie ausgeführt-- atypische Einzelfälle erfassen soll, nicht aber Fälle der Steuerentstehung, die der gesetzliche Tatbestand typischerweise mit sich bringt.

Vorliegend handelt es sich nicht um einen atypischen Sonderfall, sondern um den vom Gesetzgeber ausdrücklich geregelten Fall einer Verwendung außerhalb der begünstigten Zwecke durch Abgabe an Dritte. Nach § 153 Abs. 3 Satz 1 [X.] entsteht die [X.]teuer, wenn die Erzeugnisse entgegen der in der Erlaubnis vorgesehenen Zweckbestimmung verwendet werden. Steuerschuldner ist der Verwender. Die allgemeine Verwendungserlaubnis nach § 44 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] umfasst nicht die Abgabe an Dritte.

b) Soweit sich die Klägerin auf [X.]. 7.1.1. AO-DV Zoll zu § 227 AO beruft, handelt es sich um eine norminterpretierende (das Merkmal sachlicher Unbilligkeit konkretisierende) Verwaltungsvorschrift, welche die gleichmäßige Auslegung und Anwendung des Rechts sichern soll. [X.] Verwaltungsvorschriften haben nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung keine Bindungswirkung im gerichtlichen Verfahren. Sie stehen unter dem Vorbehalt einer abweichenden Auslegung der Norm durch die Rechtsprechung. Dieser allein obliegt es zu entscheiden, ob die Auslegung der Rechtsnorm durch die Finanzverwaltung im Einzelfall Bestand hat (Beschluss des Großen [X.]s des [X.] in [X.]E 255, 482, [X.], 393, Rz 107). Deshalb lässt sich ein Anspruch auch nicht mit einer durch Verwaltungsvorschrift geschaffenen Selbstbindung der Finanzverwaltung und einem darauf gestützten Anspruch des Steuerpflichtigen auf Gleichbehandlung begründen (Beschluss des Großen [X.]s des [X.] in [X.]E 255, 482, [X.], 393, Rz 108).

Ungeachtet der Frage, ob eine versehentliche Verletzung von Verfahrensvorschriften zu einer sachlichen Unbilligkeit führen kann ([X.]. 7.1.1. AO-DV Zoll zu § 227 AO), handelt es sich im Streitfall nicht lediglich um einen Verstoß gegen Verfahrensvorschriften.

Im Rahmen der allgemeinen Verwendungserlaubnis nach § 44 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] war es der Klägerin lediglich erlaubt, den vergällten Branntwein auf ihrem Betriebsgelände zu lagern und ihn zu den in § 152 Abs. 1 Nr. 4 [X.] genannten Zwecken steuerfrei zu verwenden. Nicht von der Erlaubnis erfasst war die Abgabe vergällter Erzeugnisse an andere Verwender. Im Gegensatz zum [X.] sieht das [X.]teuerrecht [X.] und die damit verbundene Zulassung von Verteilern nicht vor; im Rahmen der Anpassung der branntweinsteuerrechtlichen Regelungen an das harmonisierte Verbrauchsteuerrecht wurden die in § 99a [X.] vorgesehenen Verteilerlager mit Wirkung zum 1. Januar 1993 abgeschafft (BTDrucks 12/3432, S. 79). Eine Abgabe von Branntwein und branntweinhaltigen Erzeugnissen zur steuerfreien Verwendung ist demnach nur durch Steuerlager möglich ([X.]/ Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, 2. Aufl., Rz G 149). Nur in Ausnahmefällen kann das zuständige Hauptzollamt einem Verwender, der über kein Steuerlager verfügt, nach § 49 [X.] auf Antrag die Abgabe von steuerbefreiten Erzeugnissen an Steuerlagerinhaber oder andere Verwender gestatten. Mit der regelmäßigen Belieferung von zwei Unternehmen über einen Zeitraum von zwei Jahren hat die Klägerin einen den dargestellten Grundwertungen zuwiderlaufenden Handel mit vergälltem Branntwein aufgenommen und nicht lediglich formelle Anforderungen an eine nach dem [X.]srecht zwingend zu gewährende Steuerbefreiung unbeachtet gelassen.

c) Soweit sich die Klägerin auf eine vermeintliche Gesetzeslücke beruft, weil die Erfassung der Abgabe an einen ebenfalls über eine Verwendungserlaubnis verfügenden Empfänger durch § 153 Abs. 3 [X.] begünstigende Rahmenregelungen erfordere, bezieht sich dieses Vorbringen nicht auf einen --sich lediglich in Einzelfällen zeigenden-- ungewollten Überhang des gesetzlichen Steuertatbestandes. Wenn eine solche Gesetzeslücke vorliegen sollte --wogegen die Ausnahmeregelung in § 49 [X.] spricht--, ist es nicht Aufgabe des Billigkeitsverfahrens --und damit der Verwaltung--, einen Ausgleich zu schaffen. Denn mit [X.]n darf die Geltung des Gesetzes nicht unterlaufen werden ([X.]surteil in [X.], 184).

4. Auch der Einwand der Klägerin, durch die Steuerentstehung werde der unionsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, kann keine sachliche Unbilligkeit begründen.

a) Die Frage nach der materiell-rechtlichen Richtigkeit der Steuerfestsetzung ist grundsätzlich nicht im Billigkeitsverfahren zu klären.

Zwar müssen die Mitgliedstaaten bei der Ausübung ihrer Befugnisse die allgemeinen Rechtsgrundsätze beachten, die Bestandteil der Rechtsordnung der [X.] sind und zu denen insbesondere die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit zählen ([X.]-Urteil [X.] vom 6. September 2012 [X.]/11, [X.]:[X.], [X.] --[X.]-- 2012, 1121). Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dürfen Maßnahmen, welche die Mitgliedstaaten erlassen, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu verhindern, nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist (vgl. [X.]-Urteil [X.] u.a. vom 21. März 2000 [X.]/98 bis [X.]/98, [X.]:C:2000:145, Rz 52, [X.], 456; [X.]-Beschluss Transport Service vom 3. März 2004 [X.], [X.]:[X.], Rz 29, [X.] 2005, 370, und [X.]-Urteil [X.] vom 27. September 2007 [X.]/05, [X.]:C:2007:549, [X.] 2009, 78).

Jedoch ist bei Einwänden, die die materiell-rechtliche Richtigkeit der Steuerfestsetzung betreffen, ein Erlass bzw. eine Erstattung aus [X.]n nur möglich, wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig falsch ist und dem Steuerpflichtigen nicht zuzumuten war, sich rechtzeitig gegen die Fehlerhaftigkeit zu wehren (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.]-Urteile vom 30. April 1981 VI R 169/78, [X.]E 133, 255, [X.] 1981, 611; in [X.]/NV 1994, 597; vom 14. November 2007 II R 3/06, [X.]/NV 2008, 574, und in [X.]E 248, 485, [X.], 117, Rz 29; [X.]surteil vom 11. August 1987 VII R 121/84, [X.]E 150, 502, [X.] 1988, 512). Bei der Prüfung der sachlichen Unbilligkeit muss nämlich berücksichtigt werden, welch hohen Stellenwert der Gesetzgeber der Rechtskraft beimisst ([X.]-Urteil in [X.]E 248, 485, [X.], 117, Rz 36).

Im vorliegenden Fall ist die Steuerfestsetzung rechtskräftig durch Urteil des [X.] Düsseldorf vom 8. September 2017  4 K 838/15 [X.] bestätigt worden. Aus welchen Gründen die Klägerin gehindert war, sich dagegen zu wehren, ist nicht vorgetragen.

b) Im Übrigen war der nationale Gesetzgeber nach Art. 27 Abs. 1 [X.] 92/83/[X.] berechtigt, Maßnahmen zur Sicherstellung einer korrekten und einfachen Anwendung von Steuerbefreiungen sowie zur Vermeidung von Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch zu treffen. Er durfte die näheren Bedingungen, d.h. die Voraussetzungen bzw. Verfahrensmodalitäten, festlegen, bei deren Beachtung die in Art. 27 [X.] 92/83/[X.] festgelegten Steuerbefreiungen zu gewähren sind. Dabei dürfen nach der Rechtsprechung des [X.] allerdings keine Maßnahmen getroffen werden, die praktisch zu einer Versagung der Steuerbefreiungen führen würden ([X.]-Urteile Teleos vom 27. September 2007 [X.], [X.]:C:2007:548, [X.] 2009, 70; [X.] vom 17. Juli 2008 C-226/07, [X.]:C:2008:429, [X.] 2008, 270).

Die Unbedingtheit der Steuerfreiheit von vergälltem Alkohol, der zu nach Art. 27 Abs. 1 Buchst. a [X.] 92/83/[X.] begünstigten Zwecken verwendet wird, wird jedoch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der nationale Gesetzgeber die Verteilung solcher Erzeugnisse Steuerlagerinhabern überlässt und eine Abgabe durch Verwender nur in Ausnahmefällen vorsieht.

5. Eine Pflicht des [X.]s zur Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen [X.] (A[X.]V) besteht vorliegend nicht.

Zum einen ist eine Vorabentscheidung des [X.] nur einzuholen, wenn die aufgeworfene [X.] ist (vgl. die [X.]-Urteile CILFIT vom 6. Oktober 1982  283/81, [X.]:C:1982:335, Rz 21, Slg. 1982, 3415, Neue Juristische Wochenschrift 1983, 1257; [X.] vom 6. Dezember 2005 [X.]/03, [X.]:C:2005:742, Slg. 2005, [X.], [X.] 2006, 416; Intermodal Transports vom 15. September 2005 [X.], [X.]:C:2005:552, Slg. 2005, [X.], [X.] 2005, 1236; [X.]-Beschluss vom 1. April 2011 XI B 75/10, [X.]/NV 2011, 1372). Zum anderen muss es um die Auslegung von [X.]srecht gehen; dagegen ist die Anwendung des ausgelegten Rechts auf den konkret zur Entscheidung stehenden Einzelfall allein Aufgabe des innerstaatlichen Gerichts (vgl. [X.]-Urteil [X.] vom 28. März 1979  222/78, [X.]:[X.], Rz 10  ff., Slg. 1979, 1163).

Die Klägerin erhebt --im Rahmen des [X.] lediglich Einwände gegen die Steuerentstehung, wobei sie einen Verstoß gegen den unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz behauptet. Ihren Ausführungen vermag der [X.] jedoch keine konkrete Frage zur Auslegung einer Bestimmung des [X.]srechts zu entnehmen.

6. [X.] folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VII R 34/17

27.02.2019

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 8. September 2017, Az: 4 K 1590/17 VBr, Urteil

§ 227 AO, § 152 BranntwMonG, § 153 BranntwMonG, § 44 BrStV, § 49 BrStV, Art 267 AEUV, Art 27 EWGRL 83/92, Art 267 Abs 3 AEUV

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 27.02.2019, Az. VII R 34/17 (REWIS RS 2019, 9843)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 9843

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