Bundesfinanzhof, Beschluss vom 22.08.2013, Az. VII R 20/12

7. Senat | REWIS RS 2013, 3258

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Gegenstand

Zu den Folgen eines nicht ordnungsgemäß erledigten Verbrauchsteuerversandverfahrens


Leitsatz

1. NV: Für die wirksame Eröffnung eines Steuerversandverfahrens, mit dem verbrauchsteuerpflichtige Waren unter Steueraussetzung in einen anderen Mitgliedstaat befördert werden sollen, ist allein der objektive Tatbestand der Bezugsberechtigung des Empfängers und nicht die ordnungsgemäße Erledigung des Verfahrens entscheidend.

2. NV: Kommen die Waren nicht am Bestimmungsort an, kann der Versender als Verfahrensinhaber selbst dann nach § 143 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BranntwMonG als Steuerschuldner in Anspruch genommen werden, wenn er die ihm auferlegten Sorgfaltspflichten erfüllt hat.

3. NV: Zur Feststellung von Zuwiderhandlungen oder Unregelmäßigkeiten können sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen, wie z.B. kriminaltechnische Gutachten, Erkenntnisse der Zollfahndung, Mitteilungen ausländischer Behörden oder Feststellungen in Strafurteilen, herangezogen werden.

4. NV: Es besteht keine Verpflichtung der Finanzbehörden, Informationen, die ihnen nach der VO (EG) Nr. 2073/2004 im Wege der Amtshilfe von Behörden eines anderen Mitgliedstaats mitgeteilt worden sind, an einen Verfahrensbeteiligten weiterzugeben.

Tatbestand

1

I. [X.]er Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --[X.]--) erteilte dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) mit Bescheid vom 31. Mai 2007 die Erlaubnis zum Betrieb eines offenen Branntweinlagers, für das dieser [X.]icherheit in [X.]orm einer Bürgschaft in Höhe von 3.500 € leistete.

2

Am 3. Juli 2007 eröffnete der Kläger ein [X.]teuerversandverfahren, mit dem unter [X.]teueraussetzung insgesamt 12 552 [X.]laschen Whisky (3 514,5 Liter Alkohol) zu dem in [X.]/[X.] gelegenen [X.]teuerlager der [X.]irma [X.] ([X.]) befördert werden sollten. Als Ort der Lieferung wurde in dem begleitenden Verwaltungsdokument eine Anschrift in [X.]/[X.] angegeben. Ausweislich des ausgestellten [X.]rachtbriefs sollte der Whisky von der [X.]pedition Y nach [X.] befördert werden. [X.]as begleitende Verwaltungsdokument wurde unter dem 4. Juli 2007 mit einer von [X.] im Namen der [X.] unterzeichneten Empfangsbescheinigung versehen. Auf sein Auskunftsersuchen vom 9. August 2007 erhielt das [X.] am 14. August 2007 eine Antwort der [X.] [X.]inanzverwaltung, nach der die [X.] die Warensendung weder bestellt noch erhalten habe.

3

Am 5. Oktober 2007 eröffnete der Kläger ein weiteres [X.]teuerversandverfahren, mit dem 12 600 [X.]laschen Wodka (3 528 Liter Alkohol) nach [X.] befördert werden sollten. Als Ort der Lieferung wurde in dem begleitenden Verwaltungsdokument die Anschrift der [X.] in [X.] angegeben. [X.]ieses [X.]okument wurde unter dem 6. Oktober 2007 mit einer von [X.] im Namen der [X.] unterzeichneten Empfangsbescheinigung versehen. Auf sein an die [X.] [X.]inanzverwaltung gerichtetes Auskunftsersuchen vom 6. [X.]ezember 2007 erhielt das [X.] erneut die Auskunft, dass die [X.] den versandten Alkohol weder bestellt noch erhalten habe.

4

Am 7. November 2007 eröffnete der Kläger ein drittes [X.]teuerversandverfahren, mit dem wiederum unter [X.]teueraussetzung Wodka nach [X.] befördert werden sollte. Als Empfänger der 16 800 [X.]laschen Wodka (4 704 Liter Alkohol) und als Ort der Lieferung wurde wiederum die [X.] in [X.] angegeben. Nach den im [X.]rachtbrief gemachten Angaben sollte der Wodka von der [X.]pedition Y nach [X.] befördert werden. Unter dem 7. November 2007 wurde [X.] das begleitende Verwaltungsdokument mit einer von [X.] im Namen der [X.] unterzeichneten Empfangsbescheinigung versehen.

5

Mit der Begründung, der Kläger habe die geforderte [X.]icherheitsleistung nicht erbracht, weshalb er auch ein [X.]teuerversandverfahren nicht wirksam habe eröffnen können, setzte das [X.] gegen den Kläger mit insgesamt drei [X.] die für die nach [X.] versandten [X.]pirituosen entstandene Branntweinsteuer fest.

6

Auf sein erneutes Ersuchen bestätigte die [X.] [X.]inanzverwaltung dem [X.], dass die [X.] die Waren weder bestellt noch erhalten habe. [X.]ie habe niemals mit dem Kläger in Geschäftsverbindung gestanden. [X.]er von der [X.] verwendete [X.]irmenstempel habe ein anderes Erscheinungsbild als die [X.]tempel, die auf den begleitenden Verwaltungsdokumenten angebracht worden seien. Weder ein Herr K noch ein Herr [X.] würden für die [X.] arbeiten, die in [X.] auch kein [X.]teuerlager unterhalte. [X.]erner teilte die [X.] [X.]inanzverwaltung dem [X.]ollfahndungsamt [X.] ([X.]) mit [X.]chreiben vom 22. Oktober 2010 mit, den wahren Empfänger des mit den begleitenden Verwaltungsdokumenten beförderten Alkohols nicht ausfindig gemacht zu haben. Ein bei der [X.] beschäftigter Mitarbeiter habe bei seiner Vernehmung angegeben, die [X.], [X.] und [X.] hätten nie für die [X.] gearbeitet. [X.]ie in den [X.]okumenten eingetragene Verbrauchsteuernummer stimme nicht mit derjenigen überein, die der [X.] zugeteilt worden sei.

7

Mit der Begründung, die nach [X.] versandten [X.]pirituosen seien infolge der gefälschten [X.]tempelabdrucke und der aufgetretenen Unregelmäßigkeit dem [X.]teueraussetzungsverfahren entzogen worden, wies das [X.] die Einsprüche des [X.] zurück. Auch die daraufhin erhobene Klage hatte keinen Erfolg.

8

[X.]as [X.]inanzgericht ([X.]G) urteilte, der Kläger habe den Nachweis einer ordnungsgemäßen Erledigung der [X.]teuerversandverfahren nicht erbringen können. [X.]ie [X.]eststellungen des [X.] sprächen dafür, dass der vom Kläger versandte Branntwein tatsächlich nicht am Bestimmungsort eingetroffen sei. [X.]war sei ein [X.]teuerversandverfahren ordnungsgemäß eröffnet worden, doch sei davon auszugehen, dass der Branntwein im [X.]teuergebiet dem [X.]teueraussetzungsverfahren entzogen worden sei. Infolgedessen sei die Branntweinsteuer nach § 143 Abs. 1 [X.]atz 1 in der für den [X.]treitfall geltenden [X.]assung des [X.] ([X.]) entstanden. Als Ort der Lieferung sei in Bezug auf die Lieferungen vom 3. Juli und 7. November 2007 ein Ort angegeben worden, an dem die [X.] kein [X.]teuerlager unterhalten habe. [X.]en Ort der [X.]uwiderhandlungen oder Unregelmäßigkeiten habe der Kläger in allen drei [X.]ällen nicht nachweisen können, so dass gemäß Art. 20 Abs. 3 [X.]atz 1 der [X.] vom 25. [X.]ebruar 1992 über das allgemeine [X.]ystem, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren --[X.]ystemRL-- ([X.] Nr. L 76/1) von einer Erhebungskompetenz [X.]eutschlands auszugehen sei. Aufgrund der von der [X.] [X.]inanzverwaltung erteilten Auskünfte könne hinsichtlich sämtlicher Lieferungen nicht festgestellt werden, wo die [X.]uwiderhandlung oder Unregelmäßigkeit tatsächlich begangen worden sei. [X.]oweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung Ablichtungen von vier Rechnungen über [X.]ährtransporte vorgelegt habe, könnten diese Belege aufgrund des Ablaufs der in Art. 20 Abs. 3 [X.]atz 1 [X.]ystemRL festgelegten [X.]rist keine Berücksichtigung mehr finden.

9

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, das [X.]G habe fälschlicherweise angenommen, der Ort der [X.]uwiderhandlung oder Unregelmäßigkeit habe nicht festgestellt werden können. [X.]ie [X.]chlussfolgerung, der Branntwein sei auf [X.] [X.]teuergebiet dem [X.]teueraussetzungsverfahren entzogen worden, sei eine reine Unterstellung. [X.]ämtliche in den begleitenden Verwaltungsdokumenten gemachten Angaben --einschließlich der angegebenen [X.] habe er von einem Mitarbeiter des [X.] überprüfen lassen. [X.]ie zweite Warenlieferung habe dieser "mitgetragen", obwohl zu diesem [X.]eitpunkt bereits die erste Auskunft der [X.] [X.]inanzverwaltung vorgelegen habe. Aus einem bei den Akten befindlichen Vermerk des leitenden [X.]achbearbeiters des [X.] gehe hervor, dass die [X.] die [X.], die im begleitenden Verwaltungsdokument zur ersten Warenlieferung aufgeführt war, tatsächlich besaß. [X.]iesen Vermerk müsse das [X.]G übersehen haben. Erst am 8. November 2007 --und damit zu einem [X.]eitpunkt, zu dem die drei [X.]teuerversandverfahren bereits durchgeführt worden [X.] habe das [X.] ihn über den Inhalt der erlangten Auskünfte in Kenntnis gesetzt. [X.]u seinen Lasten hätte das [X.] nicht ohne Weiteres die Richtigkeit der vom [X.] [X.]abrikleiter gemachten Aussage unterstellen dürfen. Nach Einschätzung des [X.] habe festgestanden, dass die Waren [X.]eutschland verlassen hätten und erst in [X.] dem [X.]teueraussetzungsverfahren entzogen worden seien.

[X.]omit beruhe die Annahme des [X.]G, nach der der am 3. Juli und am 7. November 2007 versandte Branntwein im [X.] [X.]teuergebiet dem [X.]teueraussetzungsverfahren entzogen worden sei, auf einer reinen Unterstellung. [X.] habe das [X.]G angenommen, unter der erstgenannten [X.] sei von [X.] in [X.] kein [X.]teuerlager unterhalten worden. [X.]urch die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Rechnungen werde ein Transport der Waren mit einer [X.]ähre von [X.] nach [X.] belegt. Tatsächlich seien die Waren in [X.] ausgeliefert worden. [X.]em hätten die Ermittlungsbehörden und das [X.]G nachgehen müssen. Es könne ihm, der sich stets redlich verhalten habe, nicht zum Nachteil gereichen, dass er ein Opfer krimineller Machenschaften geworden sei.

[X.]er Kläger beantragt, die Aufhebung des Urteils des [X.]G und der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen.

[X.]as [X.] beantragt die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es schließt sich dabei den Ausführungen des [X.]G an. Im Übrigen vertritt es die Auffassung, das Vorbringen des [X.] genüge nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung der Revision.

Entscheidungsgründe

II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung ([X.]O). Der [X.] hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Revision des [X.], die entgegen der Rechtsauffassung des [X.] die behauptete Rechtsverletzung hinreichend bezeichnet, ist unbegründet. Das [X.] hat zu Recht geurteilt, dass die Branntweinsteuer nach § 143 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 [X.] im Steuergebiet mit der Folge entstanden ist, dass der Kläger als Inhaber des [X.] gemäß § 143 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 [X.] Steuerschuldner geworden ist.

1. Nach § 143 Abs. 3 Satz 1 [X.] gelten im innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahren aus einem Steuerlager im Steuergebiet an ein Steuerlager in einem anderen Mitgliedstaat versandte Erzeugnisse (Branntwein oder branntweinhaltige [X.] i.S. von § 130 Abs. 1 Satz 1 [X.]) als im Steuergebiet dem Steueraussetzungsverfahren entzogen, wenn der Versender nicht innerhalb einer Frist von vier Monaten ab dem [X.] den Nachweis führt, dass die Erzeugnisse am Bestimmungsort angelangt oder untergegangen oder aufgrund einer außerhalb des Steuergebiets eingetretenen oder als eingetreten geltenden Unregelmäßigkeit nicht am Bestimmungsort angelangt sind. Infolge der Fiktion eines Entziehens aus dem Steueraussetzungsverfahren ist in diesen Fällen die Steuer nach § 143 Abs. 1 Satz 1 [X.] entstanden, es sei denn, die Erzeugnisse sind untergegangen oder an einen zum Bezug unter Steueraussetzung Berechtigten abgegeben worden. Diese Regelungen dienen der Umsetzung des Art. 20 Abs. 3 [X.], der die Erhebungskompetenz dem [X.] in allen Fällen zuweist, in denen die verbrauchsteuerpflichtigen [X.] nicht am Bestimmungsort eingetroffen sind und in denen der Ort der [X.]uwiderhandlung oder der Unregelmäßigkeit nicht festgestellt werden kann. Dabei wird fingiert, dass die genannten Ereignisse im [X.] eingetreten sind und auch dort die Steuer nach Art. 6 Abs. 1 [X.] entstanden ist.

Ausreichend für den Eintritt der Fiktion ist allein der Umstand, dass die [X.] nicht am Bestimmungsort angekommen sind und dass der tatsächliche Ort der Entnahmehandlung unbekannt ist. Einer positiven Feststellung, dass die [X.] das Territorium des [X.]s nicht verlassen haben, bedarf es nicht. Art. 20 Abs. 3 [X.] findet sogar in den Fällen Anwendung, in denen feststeht, dass die [X.] aus dem [X.] in einen anderen Mitgliedstaat verbracht worden sind, jedoch ihr endgültiger Verbleib nicht festgestellt werden kann. In solchen Fällen besteht nämlich die Möglichkeit, dass die [X.] in dem anderen Mitgliedstaat nicht verblieben sind. Um einen Erhebungskonflikt zwischen den [X.] zu vermeiden, wird der Ort der [X.] in einer fiktiven Betrachtung in den [X.] verlegt ([X.]sbeschluss vom 12. Oktober 2006 VII B 302/05, [X.] 2007, 210).

2. Diese Grundsätze sind auch im Streitfall zu beachten, in dem nach den Feststellungen des [X.] der aus dem Steuerlager des [X.] versandte Branntwein nicht am Bestimmungsort in [X.] eingetroffen ist und nicht geklärt werden konnte, wo die [X.]uwiderhandlungen oder Unregelmäßigkeiten i.S. des § 20 Abs. 3 [X.] tatsächlich begangen worden sind.

a) Als Inhaber eines Branntweinlagers (§ 133 Abs. 2 Nr. 2, § 135 [X.]) war der Kläger nach § 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] berechtigt, den streitgegenständlichen Branntwein unter Steueraussetzung in einen anderen Mitgliedstaat zu verbringen, d.h. ein Steuerversandverfahren zu eröffnen. Da es für die wirksame Eröffnung eines Steueraussetzungsverfahrens allein auf den objektiven Tatbestand der Bezugsberechtigung des Empfängers ankommt ([X.]surteil vom 10. November 2009 VII R 39/08, [X.], 546, 553, [X.]eitschrift für [X.]ölle und Verbrauchsteuern --[X.]f[X.]-- 2010, 76, m.w.N.) und [X.] Inhaberin eines von der [X.] Finanzverwaltung bewilligten Steuerlagers war, ist trotz der nicht ordnungsgemäßen Erledigung der Rückscheine von einer wirksamen Eröffnung der drei Steuerversandverfahren auszugehen. Als für den Versand verantwortlicher [X.] traf den Kläger eine Garantenstellung hinsichtlich der ordnungsgemäßen Abwicklung der drei Steuerversandverfahren, aufgrund derer er im Falle von Unregelmäßigkeiten als Steuerschuldner --evtl. durch Verwertung der von ihm geleisteten [X.] selbst dann in Anspruch genommen werden kann, wenn er die ihm als Verfahrensinhaber auferlegten Sorgfaltspflichten in ausreichendem Maße beachtet haben sollte, ihn also kein Verschulden trifft (vgl. [X.], Belastungswirkungen der Umsatzsteuer und der besonderen Verbrauchsteuern, [X.], 109, 115).

b) Bis zum Erlass der Einspruchsentscheidung vom 21. Juli 2011 ist es dem Kläger nicht gelungen, den Nachweis zu führen, dass die von ihm versandten Erzeugnisse am Bestimmungsort in [X.] angekommen und dort in ein Steuerlager der [X.] aufgenommen worden sind. Auch einen der in § 143 Abs. 3 Nr. 2 und 3 [X.] genannten [X.] hat er nicht erbracht, so dass die Tatbestandsmerkmale des § 143 Abs. 3 [X.] erfüllt sind. Infolgedessen ist für den gesamten Branntwein, den der Kläger zur Durchführung der drei Steuerversandverfahren aus seinem Steuerlager entnommen hat, im Steuergebiet die Steuer entstanden.

3. Soweit dem Vorbringen des [X.], das [X.] habe die Nichterweislichkeit des Ortes der [X.]uwiderhandlung oder Unregelmäßigkeit lediglich verfahrensfehlerhaft unterstellt und [X.]eugen hierzu nicht vernommen, die Rüge mangelnder Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 [X.]O) entnommen werden kann, liegt der behauptete Verfahrensmangel nicht vor.

a) Die Feststellung von [X.]uwiderhandlungen und Unregelmäßigkeiten i.S. des Art. 20 Abs. 3 [X.] gehört zum Verfahrensrecht, dessen nähere Ausgestaltung den Mitgliedstaaten überlassen ist. Es steht den Mitgliedstaaten frei, welche Erkenntnisquellen sie zur Feststellung von [X.]uwiderhandlungen und Unregelmäßigkeiten nutzbar machen. Wie der [X.] entschieden hat, können sie dabei grundsätzlich auf kriminaltechnische Gutachten, Erkenntnisse der [X.]ollfahndung, Mitteilungen ausländischer Behörden sowie auf die in Strafurteilen wiedergegebenen Feststellungen zurückgreifen, soweit dies die nationale Rechtsordnung zulässt ([X.]sentscheidungen vom 30. Januar 2007 VII B 4/06, [X.] 2007, 1374, und in [X.], 546, 561, [X.], 76). Dies gilt nicht nur für die positive Feststellung von bestimmten Ereignissen, die eine [X.] nahelegen, sondern auch für die Feststellung, dass die [X.] am Bestimmungsort nicht angekommen sind und dass sich der Ort der [X.]uwiderhandlungen oder Unregelmäßigkeiten nicht feststellen lässt.

b) Im Streitfall hat das [X.] seine Schlussfolgerungen in nicht zu beanstandender Weise auf die Erkenntnisse der [X.]ollfahndung und des [X.] gestützt, die vorwiegend auf den Ergebnissen von Auskunftsersuchen beruhen. Insbesondere hat es ausdrücklich die von der [X.] Finanzverwaltung nach Art. 28 der Verordnung ([X.]) Nr. 2073/2004 des Rates vom 16. November 2004 über die [X.]usammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Verbrauchsteuern --VO Nr. 2073/2004-- ([X.] Nr. L 359/1) erteilten Auskünfte in Bezug genommen, aus denen sich zweifelsfrei ergab, dass die vom Kläger als Empfänger bezeichnete [X.] die [X.] weder bestellt noch erhalten hat und dass zum Kläger niemals eine Geschäftsverbindung bestand. Darüber hinaus hat die [X.] Finanzverwaltung den [X.] Finanzbehörden mit dem ebenfalls vom [X.] in Bezug genommenen Schreiben vom 22. Oktober 2010 ein Protokoll über die Vernehmung eines bei der [X.] tätigen Mitarbeiters übersandt und mitgeteilt, dass der tatsächliche Empfänger der vom Kläger versandten Erzeugnisse nicht habe ausfindig gemacht werden können. Mit der Auswertung dieser Urkunden durfte sich das [X.] im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung begnügen.

Demgegenüber legt die Revision nicht schlüssig dar, weshalb sich dem [X.] das Erfordernis einer weitergehenden Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen. Insbesondere geht aus dem Vorbringen nicht hervor, was die als [X.]eugen benannten Sachbearbeiter des [X.] und des [X.] zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts --insbesondere zum endgültigen Verbleib der [X.] und zur ordnungsgemäßen Erledigung der Steuerversandverfahren durch Aufnahme in die in den Begleitdokumenten angegebenen Steuerlager-- hätten beitragen können. Im Übrigen hat der Kläger ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung in dieser keine Beweisanträge gestellt. Nach der Rechtsprechung des [X.] geht das [X.] bei verzichtbaren Verfahrensmängeln, zu denen ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht oder eine Verletzung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme gehört, durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge verloren (Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 76 Rz 33, m.w.N.).

4. Auch die Behauptung, ein Sachbearbeiter des [X.] habe vor der Übernahme der [X.] durch den mit dem Transport beauftragten Spediteur sämtliche Angaben --einschl. der [X.] in den begleitenden [X.] überprüft, kann der Revision nicht zum Erfolg verhelfen. In Bezug auf die behauptete Überprüfung und deren Ergebnis lassen sich dem Urteil des [X.] keine tatsächlichen Feststellungen i.S. des § 118 Abs. 2 [X.]O entnehmen. [X.]udem lässt die Revision rechtliche Schlussfolgerungen in Bezug auf die vermeintliche Überprüfung vermissen. Selbst wenn sich die Existenz der angegebenen [X.]n mit Hilfe der in der [X.] gespeicherten Daten hätte nachweisen lassen, hätte dies den Kläger aus seiner Verantwortung für das Steuerversandverfahren nicht entlassen können. Denn weiterhin wären ein Entziehen der [X.] aus dem Steueraussetzungsverfahren und der Eintritt der in § 143 Abs. 3 [X.] normierten Fiktion möglich gewesen.

5. Auch der Umstand, dass das [X.] seine Erkenntnisse dem Kläger erst am 8. November 2007 und damit zu einem [X.]eitpunkt mitgeteilt hat, zu dem der Kläger bereits das dritte Steuerversandverfahren eröffnet hatte, lässt die Entstehung der Steuer nach § 143 Abs. 1 Satz 1 und 3 BranntwStG unberührt. Entgegen der Auffassung des [X.] erweist sich das Verhalten des [X.] im Streitfall nicht als grob pflichtwidrig.

a) Jedem Unternehmer bleibt es unbenommen, sich am Handel mit unversteuerten verbrauchsteuerpflichtigen [X.] zu beteiligen und die Risiken auf sich zu nehmen, die mit der Eröffnung von Steuerversandverfahren verbunden sind. Wie der Streitfall anschaulich zeigt, können diese Risiken erhebliche Ausmaße annehmen. Von solchen Risiken kann der Verfahrensinhaber nicht dadurch befreit werden, dass den beteiligten Finanzbehörden eine gesteigerte Sorgfaltspflicht auferlegt wird. Vielmehr obliegt es dem Wirtschaftsbeteiligten, sich über die Seriosität seiner Handelspartner zu vergewissern und Maßnahmen zu treffen, die betrügerischen Machenschaften vorbeugen. So kann z.B. durch eine Inanspruchnahme der [X.] eine vom Geschäftspartner übermittelte [X.] bestätigt werden (vgl. hierzu [X.]surteil in [X.], 546, 559 f., [X.], 76).

b) Sofern das [X.] im Einzelfall unter Inanspruchnahme des elektronischen Informationsaustausches nach der VO Nr. 2073/2004 nähere Informationen über die Bezugsberechtigung der in den Begleitdokumenten angegebenen Verfahrensbeteiligten einholt (z.B. über das Bestehen und das Ausmaß von Geschäftsverbindungen), besteht keine Pflicht zur unverzüglichen Unterrichtung der Beteiligten über das Ergebnis solcher Nachforschungen. [X.] eine solche Verpflichtung, könnten z.B. Langzeitobservationen zur Aufdeckung von groß angelegten Betrugsfällen nur unter erschwerten Bedingungen durchgeführt werden. Erforderliche Maßnahmen der Steueraufsicht müssten unterbleiben. Auch ist zu berücksichtigen, dass die [X.]usammenarbeit der Finanzbehörden im Wege der Amtshilfe und der in diesem Rahmen durchgeführte Informationsaustausch nach der VO Nr. 2073/2004 vorrangig einer Verbesserung der Verwaltungszusammenarbeit und der [X.] im Verbrauchsteuerbereich dienen. Nach Art. 31 Abs. 1 VO Nr. 2073/2004 unterliegen die Informationen, die gemäß dieser Verordnung übermittelt werden, der Geheimhaltungspflicht. Unter diesen Umständen ist es im Streitfall nicht zu beanstanden, dass das [X.] den Kläger zunächst nicht über die durch die Auskunftsersuchen gewonnenen Erkenntnisse unterrichtet hat.

6. Schließlich legt die Revision nicht dar, dass das Urteil auf der vermeintlich verfahrensfehlerhaften Nichtberücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Rechnungen, die den Transport der Erzeugnisse von [X.] nach [X.] belegen sollen, beruht. Nach der maßgeblichen materiell-rechtlichen Auffassung des [X.] war der Inhalt der Urkunden für das Ergebnis des erstinstanzlichen Verfahrens deshalb nicht entscheidungserheblich, weil sie verspätet vorgelegt worden sind und weil die Rechnungsdaten nicht mit den Daten der Steuerversandverfahren übereinstimmen. Bei diesem Befund erweist sich die Verfahrensrüge als unschlüssig.

Meta

VII R 20/12

22.08.2013

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend FG Düsseldorf, 4. April 2012, Az: 4 K 2938/11 VBr, Urteil

§ 76 FGO, § 143 Abs 1 S 1 BranntwMonG, § 143 Abs 3 BranntwMonG, § 143 Abs 4 S 1 Nr 1 BranntwMonG, § 130 Abs 1 S 1 BranntwMonG, § 133 Abs 2 Nr 2 BranntwMonG, § 135 BranntwMonG, Art 20 Abs 3 EWGRL 12/92, Art 28 EGV 2073/2004, Art 31 Abs 1 EGV 2073/2004

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 22.08.2013, Az. VII R 20/12 (REWIS RS 2013, 3258)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3258


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. VII S 45/13

Bundesfinanzhof, VII S 45/13, 08.01.2014.


Az. VII R 20/12

Bundesfinanzhof, VII R 20/12, 22.08.2013.


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Keine Branntweinsteuerentlastung bei Ausfuhr außerhalb eines Steueraussetzungsverfahrens - Keine nachträgliche Erstattung - Ausübung steuerrechtlicher Wahlrechte


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Wird zitiert von

1 StR 256/15

1 StR 256/15

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