Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.06.2017, Az. XII ZB 636/13

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 9318

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:210617BXIIZB636.13.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.]/13
vom
21. Juni 2017
in der Familiensache
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.] §§ 27, 28

a)
Der für Anrechte der [X.] wegen Invalidität geltende §
28 [X.]
ist auf betriebliche Invaliditätsversorgungen (hier: [X.] aus einer betrieblichen Direktversicherung) weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.
b)
§
28 [X.] ist aber ein allgemeiner und über den Bereich der [X.] dahingehend zu entnehmen, dass die Einbeziehung einer laufenden Invaliditätsrente in den [X.] grundsätzlich unbillig erscheint, wenn und soweit der unge-kürzte Ausgleich dazu führt, dass dem ausgleichsberechtigten Ehegatten bei eigener fortbestehender Erwerbsfähigkeit der gesamte [X.] vollständig für die Altersversorgung zur Verfügung steht, während das bei der ausgleichspflichtigen Person verbleibende Anrecht (auch) die [X.] bis zum Erreichen der Altersgrenze mit abdecken muss; die-ser [X.] ist bei der Abwägung nach §
27 [X.] in beson-derem Maße zu berücksichtigen.

[X.], Beschluss vom 21. Juni 2017 -
XII [X.]/13 -
Kammergericht [X.]

[X.]

-
2
-

Der XII. Zivilsenat des [X.] hat am 21.
Juni
2017
durch [X.] und die Richter
Schilling, Dr.
Nedden-Boeger,
Dr.
Botur
und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers
wird der
Beschluss des 3.
Zivilsenats

Senat für Familiensachen

des Kammerge-richts in [X.] vom 31.
Oktober 2013
aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Kam-mergericht
zurückverwiesen.
[X.]: 1.000

Gründe:
A.
Der
1953
geborene Antragsteller (im Folgenden: Ehemann) und die 1973
geborene Antragsgegnerin
(im Folgenden: Ehefrau) heirateten am 26.
Januar
2002.
Der Ehemann ist [X.], die Ehefrau [X.]. Die Zustellung des Scheidungsantrags erfolgte am 13.
August
2007. Durch Urteil des Amtsgerichts vom 28.
Oktober 2008 wurde die Ehe

insoweit rechtskräftig

geschieden und die im Scheidungsverbund stehende Folgesache Versorgungsausgleich ausge-setzt und abgetrennt.
1
-
3
-

Beide Ehegatten haben
in der gesetzlichen Ehezeit vom 1.
Januar
2002
bis zum 31.
Juli
2007
Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung bei der [X.] erworben. Daneben hat der Ehemann noch zwei ehezeitliche An-rechte der betrieblichen Altersversorgung erlangt. Zum einen besteht ein An-recht auf Zahlung einer Altersrente bei der G.
Pensionskasse AG. Zum anderen
hat der Ehemann durch eine von seinem Arbeitgeber abgeschlossene
Direkt-versicherung bei der A.
Lebensversicherung AG ein Anrecht aus einer fondsge-bundenen Rentenversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeitszusatz-versicherung ([X.]) erworben. Aufgrund eines am 23.
Juni 2002 erlittenen Un-falls
erhält der Ehemann
aus der [X.]
seit dem 1.
Februar 2003 eine befristete Berufsunfähigkeitsrente.
Die A.
Lebensversicherung AG hat den Ehezeitanteil des Anrechts mit 77.680,39

(rechnerisch richtig: 77.680,49

zur Erläuterung ihrer Angaben die folgenden Werte mitgeteilt:

Ehezeitbeginn

[X.]

(1. Januar 2002)
(31. Juli 2007)
Deckungskapital der Hauptversicherung:

Deckungsrückstellung der [X.]:

Schlussgewinnanteile der [X.]:

Summe:

Die A. Lebensversicherung AG
hat bei
Teilungskosten in Höhe von 250

einen [X.] von 38.715,20

. Nach den Bestimmun-gen ihrer Teilungsordnung wird bei der internen Teilung für den [X.] Ehegatten eine fondsgebundene Rentenversicherung mit aufgescho-bener lebenslanger Rentenzahlung ohne
zusätzlichen Schutz gegen das Risiko der Berufsunfähigkeit eingerichtet.
2

3
-
4
-

Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich geregelt. Dabei hat es unter anderem angeordnet, dass im Wege der internen
Teilung zu Lasten des Anrechts des Ehemanns bei der A.
Lebensversicherung AG zugunsten der Ehefrau ein auf das Ende der Ehezeit am 31.
Juli 2007 bezogenes Anrecht in Höhe von 38.715,20

Die
allein gegen diesen Ausspruch ge-richtete Beschwerde des Ehemanns hat das Kammergericht
zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des
[X.]s. Er ist der Auffassung, dass das Anrecht aus der [X.] nicht auszuglei-chen sei.

B.
Die Rechtsbeschwerde führt
zur Aufhebung der angefochtenen Ent-scheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
I.
Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung das Folgende ausgeführt: Nach §
2 [X.] seien auf Zahlung einer Rente ge-richtete Anrechte auszugleichen, wenn diese
durch Arbeit geschaffen worden seien und der Absicherung bei Invalidität dienten. Zwar dürfe der Ausgleich nicht dazu führen, dass die ausgleichsberechtigte Person eine sofort beginnen-de Zeitrente aus dem hälftigen Deckungskapital beziehen könne, ohne selbst die Voraussetzungen für eine Berufsunfähigkeitsrente zu erfüllen. Dies sei hier aber nicht der Fall, weil die frühere Ehefrau im Rahmen der internen Teilung eine neue, auf ihre Altersvorsorge gerichtete Versicherung und damit ein eige-nes bedarfsabhängiges Versorgungsanrecht erhalte.
4
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7
-
5
-

§
28 [X.] sei im vorliegenden Fall nicht anzuwenden, weil diese Regelung ausschließlich private Invaliditätsversorgungen im Blick habe, nicht aber Anrechte aus betrieblichen Versorgungen. Eine entsprechende Anwen-dung von §
28 [X.] auf Invaliditätsrenten aus betrieblichen [X.] komme wegen des Ausnahmecharakters der Vorschrift nicht in Betracht; eine planwidrige Regelungslücke bestehe insoweit nicht. Zudem sei die hier vorliegende Ausgleichssituation mit den Fällen des
§
28 [X.] nicht ver-gleichbar. Denn §
28 [X.] liege die Annahme zugrunde, dass der Aus-gleich der Invaliditätsversorgung bei dem [X.] ebenfalls zu einem Invaliditätsschutz führen würde und ihm daher nur dann zugute komme, wenn er selbst erwerbstätig sei und eventuell später noch berufsunfähig werde. Angesichts dieser Ungewissheiten sei es nicht gerechtfertigt, die laufende Ver-sorgung des [X.] zu kürzen. Hier aber wandele sich die reine Invaliditätsversorgung in eine ausschließliche Altersversorgung um, so dass der ausgleichsberechtigten Person auf jeden Fall eine bedarfsabhängige [X.] zur Verfügung stehe.
Eine Teilung des Anrechts unter Berücksichtigung des seit dem Ehezeit-ende durch die ungekürzte Rentenzahlung eingetretenen
Kapitalverzehrs [X.] nicht in Betracht. Die Teilung des Anrechts auf der Grundlage der Teilungs-ordnung würde zwar dazu führen, dass der Ehemann nach dem Vollzug der Teilung künftig nur noch etwa ein Viertel seiner bisherigen Berufsunfähigkeits-rente beziehen könnte. Dies liege aber daran, dass der bisherige Zahlbetrag auf der Grundlage des am Ende der Ehezeit vorhandenen Werts des eigentlich zu teilenden Anrechts berechnet worden sei. Zwar sei das Anrecht danach be-stimmungsgemäß verzehrt worden, dieser Verzehr sei jedoch nicht als rechtli-che oder tatsächliche Veränderung im Sinne von §
5 Abs.
2 Satz
2 [X.] mit der Folge zu bewerten, dass man bei der Durchführung des [X.] ausnahmsweise vom [X.] abweichen dürfe. Müsste die 8
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6
-

ausgleichsberechtigte Person die teilweise Aufzehrung der Versorgung durch die ausgleichspflichtige Person mittragen, stünde dies
in eklatantem [X.] zum [X.] des §
1 Abs.
1 [X.]. Zudem sei es untragbar, wenn die Höhe des Ausgleichsanspruchs von der Dauer des [X.]sverfahrens abhängen
würde.
Auch eine Korrektur des Ausgleichs nach §
27 [X.] habe nicht zu erfolgen. Es sei nicht ersichtlich, dass der Ehemann nach dem Ende der Ehe-zeit Unterzahlungszahlungen geleistet und die Ehefrau auf diese Weise an den ungekürzten Rentenzahlungen partizipiert habe. Eine unbillige Härte liege für den Ehemann auch nicht darin, dass es zu einer sofortigen Kürzung der Be-rufsunfähigkeitsrente komme. Der Ehemann beziehe nach dem Stand vom [X.] 2007 bereits aus einer Unfallrente und einer privaten [X.] in Gesamthöhe
von 1.368

r-sorgungsausgleich unterfielen. Lediglich seine im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung bestehende
Berufsunfähigkeitsrente würde (bei einem unter-stellten Teilungstermin am 1.
Juli 2013) von monatlich 566,70

rund 130

werden. Damit
habe er aber immer noch ein Rentenein-kommen von insgesamt rund 1.500

i-nem monatlichen Bruttoeinkommen von 1.850

wirtschaftli-chen Verhältnissen und sei zudem einem Kind gegenüber unterhaltspflichtig. Durch die Übertragung des hälftigen Deckungskapitals aus der Invaliditätsver-sorgung werde die eigene Altersversorgung des
Ehemanns nicht beeinträchtigt.

II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung
nicht in allen Punk-ten stand.
10
11
-
7
-

1.
Richtig
ist allerdings zunächst die Einschätzung des [X.], dass die Scheidung der Ehe gemäß Art.
17 Abs.
1 EGBGB aF dem [X.]
Scheidungsstatut unterliegt und sich demzufolge der Versorgungs-ausgleich nach dem auf die Scheidung anzuwendenden [X.] Recht rich-tet (Art.
17 Abs.
3 Satz
1 EGBGB
aF). Auch die Rechtsbeschwerde erinnert dagegen nichts.
2.
Ebenfalls zutreffend hat das Beschwerdegericht
erkannt, dass §
28 [X.] im vorliegenden Fall
weder unmittelbar noch entsprechend An-wendung
finden
kann.
a) Nach §
28 Abs.
1 [X.] ist ein "Anrecht der [X.] wegen
Invalidität"
nur auszugleichen, wenn der Versicherungsfall in der Ehe-
zeit eingetreten ist und die ausgleichsberechtigte Person am Ende der Ehe-
zeit
eine laufende Versorgung wegen Invalidität bezieht oder die gesundheitli-chen Voraussetzungen
dafür erfüllt.
Das Gesetz unterscheidet in §
2 Abs.
1 [X.]
insbesondere zwischen Anrechten der betrieblichen Altersvorsorge einerseits und Anrechten der "privaten Alters-
und [X.]"
ande-rerseits. Die hier vorliegende Versicherung hat die Arbeitgeberin des Ehemanns

die F.
Maschinenbau GmbH

als Versicherungsnehmerin auf das Leben und gegen das Risiko der
Berufsunfähigkeit des Ehemanns abgeschlossen und dem Ehemann ein Bezugsrecht für die Leistungen aus dieser Versicherung [X.]. Es handelt sich daher um eine Direktversicherung im Sinne des Be-triebsrentengesetzes und folglich
nicht um ein Anrecht der [X.], [X.] um ein Anrecht der betrieblichen Altersvorsorge. Eine unmittelbare An-wendung des §
28 [X.] auf die im Rahmen einer betrieblichen Direkt-versicherung erworbenen Anrechte auf
Invaliditätsversorgung scheidet aus (klarstellend [X.]/Siede
[X.] [Stand: Mai 2017] §
28 Rn.
49).

12
13
14
-
8
-

b)
Umstritten ist, ob
§
28 [X.] auf Anrechte der betrieblichen [X.] entsprechend angewendet werden kann.
aa) Dies wird teilweise bejaht, weil
mit der
entsprechenden
Anwendung von §
28 [X.] ein notwendiges Korrektiv für den Umstand geschaffen werden
müsse,
dass die mit der Teilung von betrieblichen Invaliditätsversor-gungen verbundenen besonderen Härten für die ausgleichspflichtige Person nicht durch die Anpassungsmöglichkeiten nach
§§
33
ff.
[X.] aufge-fangen
werden könnten (vgl. [X.]/Wagner/Gutdeutsch 10.
Aufl. Kap.
7 Rn.
343). Die überwiegende Ansicht lehnt demgegenüber eine entsprechende Anwendung von §
28 [X.] auf betriebliche Invaliditätsversorgungen ab, weil es sich um eine nicht analogiefähige Ausnahmevorschrift handele ([X.]/Siede
[X.] [Stand: Mai 2017] §
28 Rn.
50; [X.]/Norpoth BGB 14.
Aufl. §
28 [X.] Rn.
3a; jurisPK-BGB/[X.] [Stand: Oktober 2016] §
28 [X.] Rn.
10; [X.]/[X.]/[X.] Familienrecht 6.
Aufl. §
28 [X.] Rn.
3; [X.]/[X.]/[X.] 7.
Aufl. §
28 [X.] Rn.
3; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] [X.]srecht 2.
Aufl. §
28 [X.] Rn.
4; [X.] Der Versorgungs-ausgleich 4.
Aufl. Rn.
348).
bb) Die letztgenannte Auffassung trifft zu. Eine
richterliche Rechtsfortbil-dung im Wege der Analogie setzt eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidri-gen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus. Hat der Gesetzgeber eine [X.] Entscheidung getroffen, dürfen die Gerichte diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern oder durch eine judikative Lösung ersetzen. Ob eine Gesetzeslücke vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob die vom Regelungsprogramm des Gesetzgebers erfassten Fälle in den gesetzlichen Vorschriften tatsächlich Berücksichtigung gefunden haben. Sie ist zu bejahen, wenn festzustellen ist, dass der Wortlaut der Vorschrift nicht alle Fälle erfasst, 15

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-
9
-

die nach dem Sinn und Zweck der Regelung erfasst sein sollten (vgl. Senatsbe-schluss vom 26.
April 2017

XII
ZB
3/16

juris Rn.
15; [X.], 2457 Rn.
22 und [X.], 1256 Rn.
27). Diese Feststellung lässt sich hin-sichtlich der vorliegenden Rechtsfrage nicht treffen.
(1) Zwar liegt die Vergleichbarkeit der Sachverhalte bei einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung einerseits und einer betrieblichen Direktversi-cherung zum Schutz gegen das Risiko der Berufsunfähigkeit andererseits auf der Hand. In beiden Fällen handelt es sich um Risikoversicherungen, bei denen aufgrund ihrer besonderen versicherungsmathematischen Kalkulation in der [X.] kein eigentliches
Deckungskapital gebildet und erst nach Eintritt des Versicherungsfalls das für die laufende Versorgung benötigte De-ckungskapital aufgebaut
wird. Weil
eine Risikoversicherung stets mit dem letz-ten Beitrag aufrechterhalten wird und es aus diesem Grunde gleichgültig ist, ob und wie viele Prämien während der Ehe und gegebenenfalls schon davor ge-zahlt
worden
sind, gelten
bei einem in der Ehezeit eingetretenen Versiche-rungsfall das gesamte danach gebildete
Deckungskapital und die daraus gezahlte
Berufsunfähigkeitsrente als ehezeitlich erworben, wenn der letzte [X.] in der Ehezeit gezahlt wurde (vgl. für eine private [X.]: Senatsbeschluss vom 2.
September 2009

XII
ZB
92/07

FamRZ 2009, 1901 Rn.
17; für eine [X.] im Rahmen der betrieblichen Direktversicherung: [X.] FamRZ 2001, 995, 996).
Diesen strukturellen Besonderheiten
einer
Risikoversicherung trägt
die Wertermittlungsvorschrift
des §
28 Abs.
2 [X.] Rechnung
(vgl. [X.]. 16/10144 S.
69).
(2) Indessen bestehen vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten für die Zu-sage
einer betrieblichen Invaliditätsrente, bei denen im Leistungsfall anhand
der allgemeinen Vorschriften für die Bewertung laufender Leistungen (§
41 [X.]) auch sachgerecht zwischen einem nichtehezeitlichen und einem 18
19
-
10
-

ehezeitlichen Erwerb des Anrechts unterschieden werden kann (vgl. dazu
etwa [X.]/[X.] 7.
Aufl. §
41 [X.] Rn.
11). Es spricht deshalb vieles
dafür, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des §
28 [X.]

entsprechend dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift

bewusst nicht auf Invaliditätsrenten in der betrieblichen Altersversorgung
erstrecken wollte. Dann kann eine erweiternde Anwendung des §
28 [X.] auch nicht mit der Überlegung gerechtfertigt werden, dass für betriebliche Invalidi-tätsversorgungen keine Anpassungsmöglichkeit nach den §§
33
ff. [X.] besteht. Denn auch die Entscheidung, die bei privatrechtlich organisierten [X.] bestehenden
Anrechte der ergänzenden Altersvorsorge nicht in den Kreis der anpassungsfähigen Anrechte (§
32 [X.]) aufzunehmen, hat der Gesetzgeber erkennbar bewusst getroffen (vgl. BT-Drucks. 16/10144 S.
71
f.).
3. Nicht frei von rechtlichen Bedenken
sind
demgegenüber die Ausfüh-rungen des [X.] zu den Auswirkungen des laufenden Bezugs der Berufsunfähigkeitsrente durch den Ehemann auf die Bewertung des Ehe-zeitanteils
an der
für die Aufbringung der Leistungen in der [X.] gebildeten [X.].
Richtig ist dabei im Ausgangspunkt, dass der nachehezeitliche Renten-bezug keine auf die Ehezeit zurückwirkende tatsächliche Änderung im Sinne von §
5 Abs.
2 Satz
2 [X.] darstellt (vgl. Senatsbeschlüsse [X.]Z 209, 32 =
[X.], 775 Rn.
28
ff. und vom 24.
August 2016

XII
ZB
84/13

[X.], 2000 Rn.
14
ff.). Soweit es das Beschwerdegericht allerdings gebilligt hat, dass sich der zwischenzeitliche Rentenbezug aus dem noch unge-kürzten Anrecht nach der Scheidung bei der Umsetzung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich auf der Grundlage der Teilungsordnung der A.
Le-bensversicherung AG (offensichtlich) allein zu Lasten des Ehemanns auswirkt, 20
21
-
11
-

indem sein Anrecht nicht nur um den ehezeitlichen [X.], sondern zusätzlich
um den vollen Barwertverlust
während des zwischenzeitlichen [X.] gekürzt würde, steht dies nicht im Einklang mit der

nach Erlass des angefochtenen Beschlusses ergangenen

Rechtsprechung des Senats.
Der [X.] gebietet nicht nur, dass die ausgleichsberech-tigte Person die Hälfte des in der Ehezeit erworbenen Anrechts abzüglich der anteiligen Kosten der Teilung erhält, sondern ebenso, dass der ausgleichs-pflichtigen Person die Hälfte des von ihr
erworbenen Anrechts abzüglich der
anteiligen Teilungskosten verbleibt (Senatsbeschluss [X.]Z 209, 32 =
[X.], 775 Rn.
51
f.; BT-Drucks. 16/10144 S.
126). Allein der bestimmungsmä-ßige Bezug der Rentenleistung rechtfertigt es daher nicht, der ausgleichspflich-tigen Person einen geringeren Anteil an dem im Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung noch vorhandenen restlichen Barwert
zuzuweisen,
als ihn die ausgleichsberechtigte Person erhielte. Vielmehr ist die zwischen [X.] und Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich eingetretene oder noch zu erwartende Minderung des Deckungskapitals des zu teilenden Anrechts grundsätzlich im Wege eines gleichmäßigen Abzugs auf beide Ehe-gatten zu verteilen. Um dies zu bewirken, hat es der Senat im Ausgangspunkt gebilligt, den [X.] anhand des noch vorhandenen restlichen Bar-werts
zeitnah zur Entscheidung über den Versorgungsausgleich oder voraus-schauend auf den Zeitpunkt der mutmaßlichen Rechtskraft zu ermitteln
(Se-natsbeschlüsse [X.]Z 209, 32 =
[X.], 775 Rn.
55 und vom
24.
August 2016

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ZB
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[X.], 2000 Rn.
22).
4. Ob es darauf freilich noch ankommen wird, erscheint zweifelhaft. Denn
auch
die Erwägungen
des [X.] zur (Nicht-)Anwendung der [X.] des §
27 [X.] zugunsten des Ehemanns sind aus [X.] zu beanstanden.
22
23
-
12
-

Nach §
27 [X.] findet ein Versorgungsausgleich ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen. Ob und in welchem Umfang die Durchführung des Versorgungsausgleichs grob unbillig erscheint, unterliegt der tatrichterlichen Beurteilung. Diese ist im Verfah-ren der Rechtsbeschwerde allerdings
daraufhin zu überprüfen, ob alle wesentli-chen
Umstände berücksichtigt wurden und das Ermessen in einer dem [X.] entsprechenden Weise ausgeübt worden ist
(Senatsbeschluss vom 21.
September 2016

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ZB
264/13

FamRZ 2017, 26 Rn.
18 mwN). Das ist unter den hier obwaltenden Umständen nicht der Fall.
a) Der Senat billigt in seiner ständigen Rechtsprechung zum Ausgleich von Beamtenversorgungen eine Herabsetzung des Versorgungsausgleichs auf den ohne Eintritt der vorzeitigen Invalidität geschuldeten Betrag, wenn ein aus-gleichspflichtiger Beamter wegen Dienstunfähigkeit eine durch beamtenrechtli-che Zurechnungszeiten (vgl. §
13 Abs.
1 [X.]) erhöhte Versorgung bezieht
und der [X.] durch die ungekürzte Teilhabe an [X.] eine

im Verhältnis zum [X.]

unverhältnismäßig hohe Altersversorgung erlangen würde
(vgl. Senatsbeschlüsse vom 15.
April 2015

XII
ZB
252/14

FamRZ 2015, 1004 Rn.
7 und vom 8.
April 2015

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ZB
428/12

FamRZ 2015, 1001 Rn.
27; grundlegend Senatsbeschluss [X.]Z
82, 66, 80 =
FamRZ 1982, 36, 41). Der
Grundgedanke
dieser Recht-sprechung ist
auch auf betriebliche Versorgungen zu übertragen, deren Kapi-talwert infolge des ehezeitlichen Eintritts der Invalidität des [X.] signifikant gestiegen ist. Würde der ungekürzte Ausgleich dem aus-gleichsberechtigten (nicht invaliden) Ehegatten eine unverhältnismäßig hohe Altersversorgung aus dem Anrecht verschaffen, kann es auch in diesen Fällen geboten sein, den Ausgleich gemäß §
27 [X.] zu beschränken und statt auf den Kapitalwert der laufenden Invaliditätsrente auf fiktive Anwartschaftswer-24
25
-
13
-

te abzustellen, die sich ergeben hätten, wenn kein Versorgungsfall eingetreten wäre (vgl.
[X.] FamRZ 2014, 768, 769; [X.]/[X.] 7.
Aufl. §
41 [X.] Rn.
12; [X.]/Norpoth BGB 14.
Aufl. §
28 [X.] Rn.
3a).
b) Dies gilt auch

und erst recht

für den Ausgleich einer als betriebliche Direktversicherung eingerichteten Berufsunfähigkeitsversicherung.
aa) Unter der Geltung des früheren Versorgungsausgleichsrechts wurde die am Ende der Ehezeit von einem privatrechtlich organisierten Versicherer gezahlte Invaliditätsrente aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung bzw. [X.]

unabhängig davon, ob sie als Anrecht der betrieblichen Altersvorsorge (§
1587
a Abs.
2 Nr.
3 BGB) oder als Anrecht der [X.] (§
1587
a Abs.
2 Nr.
5 BGB) zu qualifizieren war

grundsätzlich im Wege des erweiterten Splittings (§
3
b Abs.
1 Nr.
1 [X.]) und/oder der Beitragszahlung (§
3
b Abs.
1 Nr.
2 [X.]) in
den öffentlich-rechtlichen [X.] einbezogen. Durch den damit verbundenen Erwerb von [X.] in der gesetzlichen Rentenversicherung wurde gleichzeitig sicherge-stellt, dass für einen nicht invaliden

und auch nicht invalide werdenden

aus-gleichsberechtigten Ehegatten ein an den Zielen des Versorgungsausgleichs ausgerichtetes "bedarfsabhängiges"
Versorgungsanrecht für das Alter begrün-det wurde (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 2.
September 2009

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92/07

FamRZ 2009, 1901 Rn.
24).
bb)
In Abkehr von der früheren Rechtslage hat der Gesetzgeber bei der Reform des Versorgungsausgleichs für den Bereich der [X.] bewusst davon Abstand genommen, die bei [X.] laufende Invaliditätsrente des [X.] zugunsten einer Altersversorgung des nicht invaliden [X.] auszugleichen. Seiner Entscheidung, die Invaliditäts-rente aus einer privaten
Berufsunfähigkeitsversicherung
vom Versorgungsaus-26
27
28
-
14
-

gleich auszunehmen, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte selbst keine Invaliditätsrente bezieht und auch
die gesundheitlichen Voraussetzungen dafür nicht erfüllt, liegt
ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs folgende Überlegung
zugrunde:
Weil wegen der besonderen Struktur einer Risikoversi-cherung erst der ehezeitliche Eintritt des Versicherungsfalls
(Invalidität)
die [X.] auslöse, sei es in Abwägung mit den unmittelbar spürbaren Folgen der Versorgungskürzung für die ausgleichspflichtige Person gerechtfertigt, spiegelbildlich die eigene Invalidität der
ausgleichsberechtigten Person am Ende der Ehezeit als Voraussetzung für die Teilhabe zu verlangen (BT-Drucks. 16/10144 S.
69).
cc) Diese Erwägungen
des Gesetzgebers treffen im Prinzip in gleichem Maße
für solche Berufsunfähigkeitsversicherungen zu, die durch den [X.] als Versicherungsnehmer im Rahmen einer Direktversicherung zugunsten der ausgleichspflichtigen Person eingerichtet worden sind. Für
eine unter-schiedliche Behandlung von privaten Berufsunfähigkeitsversicherungen und den im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses bestehenden Direktversi-cherungen, die das Risiko der Berufsunfähigkeit abdecken, ist kein Grund er-sichtlich; er lässt sich
insbesondere nicht in der Art der Aufbringung
der Versi-cherungsprämien
finden. Werden die Beiträge für eine Direktversicherung im Wege einer Entgeltumwandlung (§
1 Abs.
2 Nr.
4 [X.]) geleistet, handelt es sich um eine Versicherung, die der Arbeitnehmer wirtschaftlich

ebenso wie bei der
privaten
Versicherung

aus eigenen Mitteln finanziert. Umgekehrt kann sich der Arbeitgeber bereit erklären, die Beiträge für eine von dem Arbeitneh-mer
selbst abgeschlossene Versicherung zu übernehmen. Beschränkt sich die Zusage des Arbeitgebers auf die Erstattung der an den Versicherer zu zahlen-den Prämien, liegt auch dann keine betriebliche Altersversorgung
im Sinne des Betriebsrentengesetzes vor, wenn der Arbeitgeber die Rahmenbedingungen des Versicherungsschutzes durch einen [X.]
-
15
-

legt hat (vgl. [X.], 25, 26; [X.] in [X.]/[X.]/Otto Betriebsren-tengesetz 6.
Aufl. §
1 Rn.
215).
c) Gemessen daran lässt sich
§
28 [X.] ein allgemeiner und über den Bereich der [X.] hinausgreifender [X.] dahingehend entnehmen, dass die Einbeziehung einer laufenden Invaliditätsrente in den Versorgungsausgleich
grundsätzlich unbillig erscheint, wenn und soweit der Ausgleich dazu führt, dass dem
ausgleichsberechtigten Ehegatten
bei eigener fortbestehender Erwerbsfähigkeit der
gesamte [X.]
vollständig für die Altersversorgung zur Verfügung steht, während das bei der ausgleichs-pflichtigen Person verbleibende Anrecht
(auch)
die Zeit seiner
Invalidität bis zum Erreichen der Altersgrenze mit abdecken muss. Auch wenn die Anwen-dung der Härteklausel gemäß
§
27 [X.]

wie das Beschwerdegericht zutreffend erkannt hat

eine umfassende Gesamtabwägung der wirtschaftli-chen, sozialen
und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten verlangt, muss der in §
28 [X.] zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen
Wert-entscheidung im Rahmen der Billigkeitsabwägung nach §
27 [X.] ein erhebliches Gewicht beigemessen werden. In den Fällen, in denen eine laufen-de (hier: betriebliche) Invaliditätsrente zugunsten eines erwerbsfähigen
Ehegat-ten ausgeglichen werden soll, ist die Durchführung des ungekürzten [X.]s nicht schon deshalb ohne weiteres gerechtfertigt, weil
der ausgleichspflichtige Ehegatte

wie das Beschwerdegericht im vorliegenden Fall meint

auf das Behaltendürfen seiner ungekürzten Invaliditätsrente nicht drin-gend angewiesen ist und/oder die Altersversorgung des ausgleichsberechtigten Ehegatten noch nicht gesichert erscheint
(zutreffend
Norpoth [X.] 2016, 260).
Unabhängig davon
erscheint es zweifelhaft, ob die Annahme, der [X.] sei
auf die ungekürzten Einkünfte aus seiner betrieblichen Berufsunfähig-30
31
-
16
-

keitsrente nicht angewiesen, auf tragfähigen Feststellungen beruht. Denn so-weit das Beschwerdegericht davon ausgeht, dass dem Ehemann "nach dem Stand vom 19.
Oktober 2007"
schon aus der privaten Unfallversicherung und der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung

unbeschadet
der
Auswirkungen eines möglichen Versorgungsausgleichs

mindestens Renteneinkünfte in mo-natlicher Höhe von 1.368

berücksichtigt dies nicht, dass die Rente aus der
privaten Berufsunfähigkeitsversicherung (monatlich 754,40

r vorliegenden Versicherungsunterlagen
bis zum 31.
Dezember 2011 befristet gewesen ist.
5. Die angefochtene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben. Die Zurückverweisung gibt dem Beschwerdegericht auch Gelegenheit, die [X.] um die für das zu teilende Anrecht maßgeblichen Rechtsgrundla-gen zu ergänzen (vgl. Senatsbeschluss vom 26.
Januar 2011

XII
ZB
504/10

FamRZ 2011, 547 Rn.
22
ff.).
Dose

Schilling

Nedden-Boeger

Botur

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 07.11.2012 -
174 F 23858/11 -
Kammergericht
[X.], Entscheidung vom 31.10.2013 -
3 UF 180/12 -

32

Meta

XII ZB 636/13

21.06.2017

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.06.2017, Az. XII ZB 636/13 (REWIS RS 2017, 9318)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 9318

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XII ZB 636/13

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