Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19.01.2011, Az. X B 14/10

10. Senat | REWIS RS 2011, 10307

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Erledigung der Hauptsache


Leitsatz

1. NV: Eine Erledigungserklärung im Rechtsmittelverfahren kann sich auf das Rechtsmittel oder den Rechtsstreit insgesamt beziehen .

2. NV: Richtet sich eine Kostenentscheidung nach dem mutmaßlichen Ausgang des Verfahrens, so ist maßgebend, worauf sich die Erledigungserklärung bezieht .

3. NV: Ist ein Verwaltungsakt auf Grund falscher Angaben des Steuerpflichtigen rechtswidrig und durch Versäumung der Einspruchsfrist bestandskräftig geworden, so kommt eine Rücknahme in der Regel nicht in Betracht .

Tatbestand

1

I. Die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] und Beschwerdeführers (Kläger) richtete sich gegen ein Urteil, mit dem das Finanzgericht ([X.]) seine auf örtliche Unzuständigkeit gestützte Klage gegen eine Prüfungsanordnung sowie auf deren Rücknahme nach § 130 der Abgabenordnung ([X.]) abgewiesen hat. Nachdem die Prüfung zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen geführt hatte, haben der Kläger und der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Daher ist nur noch über die Kosten zu befinden. Der lediglich klarstellende Ausspruch über die Wirkungslosigkeit des [X.]-Urteils folgt aus § 155 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozessordnung.

Entscheidungsgründe

2

II. Die Kosten des Verfahrens sind nach billigem Ermessen nach § 138 [X.]bs. 1 [X.]O dem Kläger aufzuerlegen. § 138 [X.]bs. 2 [X.]O ist nicht anwendbar. Das [X.] hat die Prüfungsanordnung nicht zurückgenommen, sondern in Gestalt der Mitteilung nach § 202 [X.]bs. 1 Satz 3 [X.] Folgerungen aus der Prüfungsanordnung gezogen.

3

1. Maßgebend für die Kostenentscheidung nach beidseitiger Erledigungserklärung ist der mutmaßliche [X.]usgang des Verfahrens unter [X.]erücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes. Danach hat der Kläger die Kosten zu tragen, da er in dem Rechtsstreit in der Hauptsache voraussichtlich unterlegen gewesen wäre. Das gilt unabhängig von der Frage, ob auf die --wohl zulässige-- Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] die Revision gemäß § 115 [X.]bs. 2 [X.]O zuzulassen und begründet gewesen wäre, da nicht die Nichtzulassungsbeschwerde, sondern der Rechtsstreit insgesamt für erledigt erklärt wurde (vgl. Senatsbeschluss vom 16. [X.]ugust 2005 [X.], [X.] 2005, 2043).

4

2. Hinsichtlich des [X.], die Prüfungsanordnung vom 4. Oktober 2005 aufzuheben, war die Klage abzuweisen, da der Einspruch verspätet erfolgte. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand waren und sind nicht ersichtlich. Die hierzu getroffene [X.]ussage, der Kläger habe die Rechtsbehelfsfrist bewusst und gewollt verstreichen lassen, ist zutreffend. Es gibt keine [X.]nhaltspunkte für ein diesbezügliches Versehen. Wenn und soweit es Tatsachen gegeben haben sollte, die für eine Geschäftsleitung in [X.] und gegen die Zuständigkeit des [X.] sprachen, so lagen diese zum damaligen Zeitpunkt ausschließlich im Wissensbereich des [X.], nicht des [X.]. Es ist kein Grund erkennbar, der den Kläger daran gehindert hätte, diese dem [X.] rechtzeitig, spätestens im Rahmen eines Einspruchs, mitzuteilen.

5

3. Im Ergebnis aus demselben Grunde hätte der auf Verpflichtung zur Rücknahme der Prüfungsanordnung gerichtete Hilfsantrag im Falle streitiger Entscheidung endgültig ohne Erfolg bleiben müssen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob sich tatsächlich die Geschäftsleitung des klägerischen [X.]etriebes in [X.] befand.

6

a) Soweit die Prüfungsanordnung die Einkommensteuer betrifft, ist sie rechtmäßig, so dass eine Rücknahme nicht in [X.]etracht kommt. Die Zuständigkeit für [X.]esteuerung und Prüfung folgt nach § 19 [X.]bs. 1 Satz 1 i.V.m. § 195 [X.]bs. 1 [X.] dem Wohnsitz. Falls die Geschäftsleitung sich in [X.] befunden haben sollte, hätte zwar nach § 180 [X.]bs. 1 Nr. 2 [X.]uchst. [X.]. § 18 [X.]bs. 1 Nr. 2 [X.] eine gesonderte Feststellung der gewerblichen Einkünfte des [X.] stattfinden müssen. Dies betrifft aber nur den Umfang, nicht die Rechtmäßigkeit der die Einkommensteuer betreffenden [X.]ußenprüfung.

7

b) Ob das [X.] gemäß §§ 21 [X.]bs. 1 Satz 1, 22 [X.]bs. 1 Satz 1, 18 [X.]bs. 1 Nr. 2, 195 Satz 1 [X.] für [X.]esteuerung und Prüfung hinsichtlich der Umsatzsteuer und der Gewerbesteuer zuständig war, mithin die Prüfungsanordnung auch insoweit rechtmäßig war, kann dahinstehen. Ebenso kann dahinstehen, ob das [X.] --was das [X.] unter Würdigung des klägerischen Vortrags im Verwaltungsverfahren verneint [X.] im Rahmen der Entscheidung über deren Rücknahme überhaupt [X.]nlass zur Prüfung deren Rechtmäßigkeit hatte. [X.]llein die [X.]blehnung der Rücknahme war rechtmäßig. Jede andere Entscheidung wäre ermessensfehlerhaft gewesen.

8

Die [X.] nach § 130 [X.] darf die Vorschriften über die Rechtsbehelfsfrist nicht aushöhlen. Der Kläger hatte selbst bis zum Erlass der Prüfungsanordnung nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des [X.] die jeweiligen häuslichen [X.]nschriften als Hauptniederlassung, die [X.]etriebsstätte in [X.] als unselbständige Zweigstelle bezeichnet. Das [X.] war diesen [X.]ngaben, die neben einer rechtlichen [X.]ewertung [X.] enthalten, gefolgt und folgt ihnen bis heute. Wie die Fahrten von [X.] nach [X.] zu beurteilen sind, ist eine andere Frage, über die gesondert zu befinden gewesen wäre. Wenn die [X.]ngaben des [X.] unzutreffend gewesen sein sollten --und nur dann wäre das [X.] zum Erlass der Prüfungsanordnung örtlich unzuständig gewesen--, hätte eine gravierende Verletzung der Mitwirkungspflicht nach § 90 [X.]bs. 1 [X.] vorgelegen. Es gibt keinen [X.]nlass, falsche [X.]ngaben des Steuerpflichtigen durch eine Ermessensentscheidung zu seinen Gunsten zu belohnen, wozu es käme, wenn durch [X.]ufhebung der Prüfungsanordnung deren Wirkungen, namentlich aus § 171 [X.]bs. 4 [X.], fortfielen.

9

Eine etwaige örtliche Unzuständigkeit des [X.] zur [X.]escheidung des Rücknahmeantrages ist nach § 127 [X.] unerheblich. [X.]uf Grund der Ermessensreduzierung auf Null hätte keine andere Entscheidung in der Sache getroffen werden können.

Meta

X B 14/10

19.01.2011

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 30. November 2009, Az: 1 K 403/07, Urteil

§ 18 Abs 1 Nr 2 AO, § 19 Abs 1 S 1 AO, § 21 Abs 1 S 1 AO, § 22 Abs 1 S 1 AO, § 90 Abs 1 AO, § 127 AO, § 130 AO, § 171 Abs 4 AO, § 180 Abs 1 Nr 2 Buchst b AO, § 195 S 1 AO, § 202 Abs 1 S 3 AO, § 115 Abs 2 FGO, § 138 FGO, § 155 FGO, § 269 Abs 3 S 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19.01.2011, Az. X B 14/10 (REWIS RS 2011, 10307)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 10307

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