Bundessozialgericht, Beschluss vom 12.12.2018, Az. B 6 KA 13/18 B

6. Senat | REWIS RS 2018, 522

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Gegenstand

Wirtschaftlichkeitsprüfung - Regress wegen unzulässiger Arzneimittelverordnung - kein Raum für Ermessensausübung - Unwirtschaftlichkeit


Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 18. April 2018 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 25 277,08 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Streitig ist die Festsetzung eines [X.] im Rahmen der Prüfung der Verordnungsweise von Arzneimitteln im Einzelfall.

2

Die Nierenambulanz des zu 1. beigeladenen Universitätsklinikums, das zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt ist, verordnete am 7.10.2008, [X.], [X.] und am 14.7.2009 dem 1991 geborenen bei der klagenden Krankenkasse versicherten [X.] das Arzneimittel [X.]®, neuverkapselt und magensaftresistent lackiert im Umfang von insgesamt 6500 Kapseln.

3

Die Klägerin beantragte am 12.11.2009 bei der Gemeinsamen [X.] und der [X.], der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2., die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungen für die Q[X.]rtale 4/2008 bis 3/2009. Die [X.] verursachten Mehrkosten, die bei Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots des § 12 [X.]B V nicht zu vertreten seien. Die magensaftresistente Neuverkapselung entspreche nicht mehr dem Fertigarzneimittel, für das die Zulassung erteilt sei. Zudem sei das Präparat überdosiert verordnet worden. Insgesamt wurde ein Gesamtschaden von 25 277,08 Euro zur Überprüfung angemeldet.

4

Mit Bescheid vom 26.5.2011 entschied die Prüfungsstelle der [X.], den Beigeladenen zu 1. schriftlich zu beraten. Einen Regress setzte sie nicht fest. Die hiergegen eingelegten Widersprüche der Klägerin und des Beigeladenen zu 1. blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid des beklagten [X.] vom [X.]). Die Klage der Klägerin wies das [X.] ab (Urteil vom 23.10.2015).

5

Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] das Urteil des [X.] aufgehoben und den [X.]n verurteilt, gegen den Beigeladenen zu 1. einen Regress in Höhe von 25 277,08 Euro festzusetzen (Urteil vom 18.4.2018). Die begehrte Festsetzung des [X.] finde ihre Rechtsgrundlage in § 106 Abs 5 S 1 [X.]B V. Eine unwirtschaftliche Verordnungsweise iS des § 106 Abs 1 [X.]B V sei zu bejahen, da mit der Verwendung des reinen Rezepturwirkstoffes (Mercaptamin) eine gegenüber der Verordnung von [X.]® kostengünstigere Behandlungsalternative zur Verfügung gestanden habe. Das Ermessen des [X.]n, den Regress festzusetzen, sei auf null reduziert. Das Erfordernis vorgängiger Beratungen gemäß § 106 Abs 5 S 2 [X.]B V aF stelle nur eine "Soll"-Vorgabe dar, die [X.] dann nicht gelte, wenn schon die Verordnungsfähigkeit des Arzneimittels fehle. Der Beigeladene zu 1. habe (als "Endprodukt") der Sache nach ein Rezepturarzneimittel hergestellt und verabreicht und dafür (als "Ausgangsprodukt") ein Fertigarzneimittel verwendet, das er (hinsichtlich der Darreichungsform) in einer Weise verändert habe, die, soweit es sich um die Herstellung eines Fertigarzneimittels handeln würde, der (neuen) arzneimittelrechtlichen Prüfung bedurft hätte. Diese Fallgestaltung sei der nicht zulassungskonformen Verabreichung eines Fertigarzneimittels gleichzustellen, so dass das Ermessen des [X.]n bei der Auswahl des die unwirtschaftliche Verordnung sanktionierenden Mittels dahingehend eingeschränkt sei, als der beantragte Regress festzusetzen sei.

6

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil macht der [X.] die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 [X.] [X.]G) geltend.

7

II. 1. Die Beschwerde des [X.]n ist nicht begründet. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache liegt nicht vor.

8

Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (stRspr, vgl zB B[X.] Beschluss vom 29.11.2006 - [X.] [X.] 23/06 B - [X.] 4-1500 § 153 [X.] Rd[X.]3 mwN; B[X.] Beschluss vom 28.10.2015 - [X.] [X.] 12/15 B - [X.] 4-2500 § 116 [X.]1 Rd[X.]). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, wenn die aufgeworfene Frage bereits geklärt ist und/oder wenn sich die Antwort ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus schon vorliegender Rechtsprechung klar beantworten lässt (B[X.] Beschluss vom 11.10.2017 - [X.] [X.] 29/17 B - Juris RdNr 4).

9

Der [X.] hält folgende Frage für grundsätzlich bedeutsam:

        

"ob im Rahmen der Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach § 106 [X.]B V bei Einzelfallprüfungen das Ermessen der Prüfgremien ausnahmslos auf null reduziert ist, wenn die Verordnungsfähigkeit des geprüften Arzneimittels fehlt, mit der Folge, dass die Prüfgremien verpflichtet sind, einen Regress zu verfügen."

Zur Klärung dieser Frage bedarf es der Durchführung eines Revisionsverfahrens nicht. Die Frage kann bereits auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats eindeutig iS der Entscheidung des L[X.] beantwortet werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats setzen [X.] nach § 106 [X.]B V kein Verschulden des Vertragsarztes voraus. Zudem bieten [X.] wegen unzulässiger Arzneimittelverordnung, denen also ein s[X.]enannter Basismangel zugrunde liegt, keinen Raum für eine Ermessensausübung (B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.] 3/08 R - Juris RdNr 28 f; B[X.] Urteil vom 3.2.2010 - [X.] [X.] 37/08 R - [X.] 4-2500 § 106 [X.] Rd[X.]; B[X.] Urteil vom 30.10.2013 - [X.] [X.] 2/13 R - [X.] 4-2500 § 106 [X.] Rd[X.]1 ff; vgl dazu auch B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] [X.] 21/10 B - Juris Rd[X.]5; [X.] in: [X.]/[X.], [X.]B V, Stand 11/2018, § 106 Rd[X.]60a). Bei [X.]n, denen unzulässige Verordnungen zugrunde liegen, wie dies zB beim Fehlen der Arzneimittelzulassung des verordneten Medikaments, bei einem unzulässigen Off-Label-Use, bei Verordnung entgegen einem ausdrücklichen Ausschluss in der [X.] oder bei Unvereinbarkeit einer Verordnung mit den Vorgaben des § 135 Abs 1 [X.]B V der Fall ist, kann eine Unwirtschaftlichkeit nur bejaht oder verneint werden (vgl dazu auch B[X.] Urteil vom 5.11.2008 - [X.] [X.] 63/07 R - [X.] 4-2500 § 106 [X.] RdNr 29).

Zur Begründung dieser Auffassung hat der Senat in der Entscheidung vom 30.10.2013 ([X.] [X.] 2/13 R - [X.] 4-2500 § 106 [X.] Rd[X.]2 ff) vertiefend ausgeführt, dass die für die Prüfung der Rechtmäßigkeit eines [X.] wegen unzulässiger bzw rechtswidriger Verordnungen maßgeblichen Grundsätze in vieler Hinsicht Raum für Erwägungen zur besonderen Behandlungssit[X.]tion des Patienten, zu seiner Vorgeschichte und zum Ineinandergreifen von stationären und ambulanten Behandlungen lassen. Da im Übrigen die Prüfgremien sowohl unter dem Gesichtspunkt eines Off-Label-Use als auch im Hinblick auf die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 2 Abs 1a [X.]B V bzw die dort kodifizierten Aussagen des [X.] im Beschluss vom 6.12.2005 ([X.]E 115, 25 = [X.] 4-2500 § 27 [X.]) prüfen müssen, ob der Versicherte unter Berücksichtigung der bei ihm vorhandenen schwerwiegenden Gesundheitsstörung Anspruch auf die entsprechende Verordnung hatte, besteht keine Notwendigkeit, der "Härte" der Festsetzung eines [X.] unter dem Gesichtspunkt einer Ermessensausübung generell oder hinsichtlich seiner Höhe Rechnung zu tragen. Soweit die umstrittene Verordnung zumindest unter Berücksichtigung der Kriterien der Rechtsprechung des [X.] und des B[X.] zulässig war, kommt eine Regressforderung gegenüber den Ärzten, die eine entsprechende Verordnung ausgestellt haben, nicht in Betracht. Wenn der Vertragsarzt allerdings bei der Verordnung die entsprechenden Regeln des vertragsärztlichen Systems nicht eingehalten hat, besteht keine - auch nicht zu einem gewissen Anteil - entsprechende Zahlungspflicht der Krankenkassen (B[X.] Urteil vom 30.10.2013 - [X.] [X.] 2/13 R - [X.] 4-2500 § 106 [X.] Rd[X.]3).

Ob die umstrittenen Verordnungen möglicherweise unter dem Gesichtspunkt eines Off-Label-Use oder unter Berücksichtigung der Kriterien der Rechtsprechung des [X.] im Beschluss vom 6.12.2005 ([X.]E 115, 25 = [X.] 4-2500 § 27 [X.]) zulässig waren, hat der [X.] in seiner Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht thematisiert, wäre zudem eine Frage des Einzelfalles und ohne grundsätzliche Bedeutung. Ebenso offenbleiben kann, ob das L[X.] die insoweit im Raum stehenden maßgeblichen Aspekte hinsichtlich eines Off-Label-Use hinreichend "ausermittelt" hat. Die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht wäre nach § 103 [X.]G nur statthaft, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezöge, dem das L[X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Einen entsprechenden Verfahrensmangel hat der [X.] bereits nicht geltend gemacht.

Vielmehr verhalten sich die vom [X.]n auch zu der Beschwerdebegründung gemachten Ausführungen ausschließlich zur Frage des Bestehens bzw der Ausübung von Ermessen bei fehlender Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels. Im Hinblick auf die [X.] gefestigte Rechtsprechung des Senats zur Ermessensausübung bei einem Verordnungsregress besteht keine Klärungsbedürftigkeit dieser Frage. Weitere über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfragen hat der [X.] schon nicht formuliert.

2. [X.] beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 [X.]G iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der [X.] die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, da diese keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO).

3. Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 [X.]G iVm §§ 63 Abs 2 S 1, 52 Abs 1, 47 Abs 1 und 3 GKG und entspricht der Höhe der festzusetzenden Regressforderung.

Meta

B 6 KA 13/18 B

12.12.2018

Bundessozialgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KA

vorgehend SG Stuttgart, 23. Oktober 2015, Az: S 10 KA 4571/12

§ 12 Abs 1 S 2 SGB 5, § 70 Abs 1 S 2 SGB 5, § 92 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB 5, § 106 Abs 1 SGB 5, § 106 Abs 2 SGB 5, § 106 Abs 5 S 1 SGB 5, § 135 Abs 1 SGB 5, § 21 AMG 1976, §§ 21ff AMG 1976, AMRL

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 12.12.2018, Az. B 6 KA 13/18 B (REWIS RS 2018, 522)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 522

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