Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.04.2014, Az. II ZR 262/13

2. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 6062

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Gegenstand

Aktiengesellschaft: Anfechtbarkeit eines Gewinnverwendungsbeschlusses wegen Mitzählung der vom Stimmrecht ausgeschlossenen Stimmen


Tenor

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der [X.] beabsichtigt, die Revision des [X.] gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 13. Juni 2013 durch Beschluss gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen.

Streitwert: 200.000 €

Gründe

I.

1

Die Hauptversammlung der beklagten Aktiengesellschaft fasste am 5. Mai 2010 mit 267.444.978 Ja-Stimmen von insgesamt 267.484.259 abgegebenen Stimmen, was einer Zustimmung von 99,99 % der abgegebenen Stimmen und 81,85 % des Grundkapitals der Beklagten entspricht, einen Beschluss über die Verwendung des Bilanzgewinns für das Geschäftsjahr 2009, der lautet:

„Der Bilanzgewinn von [X.] wird wie folgt verwendet:

1. Verteilung an die Aktionäre

a) Ausschüttung einer Dividende je Stammaktie von [X.] 1,18; bei 324.109.568 Stück dividendenberechtigten Stammaktien sind das [X.] 328.449.284,34.

b) Ausschüttung einer Dividende je Vorzugsaktie ohne Stimmrecht von [X.] 1,298; bei 2.677.966 Stück dividendenberechtigten Vorzugsaktien ohne Stimmrecht sind das [X.] 3.475.999,86. Sofern sich je Depot ein Ausschüttungsbetrag ergibt, der nicht auf volle [X.] endet, wird dieser Betrag auf volle [X.] abgerundet.

2. Verbleibt als Gewinnvortrag [X.] 23.907.769. Der Gewinnvortrag erhöht sich um den Spitzenbetrag, der sich aufgrund Abrundung der [X.] gemäß Ziffer 1.b) je Depot auf volle [X.] ergeben kann, maximal um [X.] 21.423,72 ..."

2

Der Kläger ist Aktionär der Beklagten und hat mit der Anfechtungsklage beantragt, den Beschluss für nichtig zu erklären. Der Kläger ist der Auffassung, verschiedene an der Beklagten beteiligte Gesellschaften der Gesellschafterstämme H. und S. hätten im Zeitraum ab 1. Oktober 2009 zu Unrecht keine oder falsche Stimmrechtsmitteilungen nach § 21 [X.] abgegeben, weshalb deren Rechte aus den Aktien ruhten. Außerdem habe die [X.] aufgrund des Erwerbs von weiteren 18,28 % der Aktien bis August 2007 die Kontrollschwelle des § 29 Abs. 2 WpÜG überschritten, was wegen des damit verbundenen Verstoßes gegen § 35 WpÜG zu einem [X.] nach § 59 WpÜG führe und den Beschluss gleichfalls anfechtbar mache.

3

Klage und Berufung hatten keinen Erfolg. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Antrag auf Nichtigerklärung des [X.]es weiter.

II.

4

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Sie hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552 a ZPO).

5

1. Ein Zulassungsgrund besteht nicht.

6

Das Berufungsgericht ([X.], Urteil vom 13. Juni 2013 - [X.] [X.], juris) hat die Revision zugelassen, weil die entscheidungserheblichen Rechtsfragen bisher höchstrichterlich nicht geklärt seien und sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen könnten. Befasst hat es sich in seiner Entscheidung mit Rechtsfragen der Zurechnung nach § 22 [X.] bzw. § 30 i.V.m. § 35 WpÜG.

7

Diese Fragen sind aber in diesem Verfahren nicht klärungsfähig. Der [X.] verletzt auch dann nicht Gesetz oder Satzung (§ 254 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 243 Abs. 1 [X.]), wenn unterstellt wird, dass die Gesellschaften, an denen die Gesellschafterstämme [X.]und S. beteiligt sind, ihre Rechte aus den Aktien nach § 28 [X.] bzw. nach § 59 WpÜG zum Zeitpunkt der Hauptversammlung verloren hatten.

8

a) Der [X.] ist nicht verfahrensfehlerhaft gefasst worden. Bei der Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses mit der Begründung, wegen unzureichender oder falscher Mitteilungen habe ein [X.] bestanden, ist maßgeblich, ob bei richtiger Stimmenzählung ein anderes Ergebnis festzustellen gewesen wäre. Eine Anfechtung ist nur dann begründet, wenn die fehlerhafte Berücksichtigung von Stimmen Einfluss auf das Beschlussergebnis hatte (vgl. [X.], Urteil vom 22. März 2011 - [X.], [X.]Z 189, 32 Rn. 24; Urteil vom 24. April 2006 - [X.], [X.]Z 167, 204 Rn. 26; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 6. Aufl., § 28 Rn. 28). Auch wenn die Stimmen aus den Aktien, für die nach Auffassung des [X.] keine Rechte bestanden, nicht mitgerechnet werden, wäre der [X.] mit Mehrheit gefasst worden. Der Beschluss wurde mit 99,99 % der abgegebenen Stimmen gefasst, was 81,85 % des Grundkapitals entspricht. Die Stimmrechte der in Rede stehenden Gesellschaften und Gesellschaftsstämme entsprechen maximal 60,58 % des Grundkapitals.

9

b) Der [X.] ist auch nicht wegen eines Inhaltsmangels anfechtbar. Entgegen der Auffassung der Revision hätten die verbliebenen stimmberechtigten Aktionäre nicht einen Beschluss fassen können, den Gewinn nur an sich auszuschütten. Ein [X.], der Aktionäre berücksichtigt, die wegen eines [X.]s nach fehlerhaften Stimmrechtsmitteilungen kein Dividendenrecht haben, ist nicht als fehlerhaft und anfechtbar anzusehen (Windbichler in Großkomm. [X.], 4. Aufl., § 20 Rn. 75; [X.] in KK-[X.], 3. Aufl., § 20 Rn. 76 Fußnote 225).

aa) Die Hauptversammlung darf nicht beschließen, an welche Aktionäre der Ausschüttungsbetrag verteilt wird. Die Frage, auf welche Aktien Dividenden ausgeschüttet werden und auf welche nicht, unterliegt nicht der Disposition der Hauptversammlungsmehrheit (§ 58 Abs. 4, § 60 Abs. 1 und 3 [X.]). Die Hauptversammlung entscheidet nur über den Gesamtbetrag der Ausschüttung (§ 174 Abs. 2 Nr. 2 [X.]). Der auf die einzelne Aktie entfallende Betrag oder Sachwert ergibt sich aus dem Gesetz oder der Satzung ([X.], Urteil vom 28. Juni 1982 - [X.], [X.]Z 84, 303, 311). Eine nachrichtliche Ausweisung des Einzelbetrages schadet nicht, ändert aber auch nicht den beschlossenen [X.]. Die Aufschlüsselung in [X.] pro Stück hat mangels einer Hauptversammlungskompetenz zur Abänderung der gesetzlichen oder satzungsmäßigen Verteilungsschlüssel nur rechnerische, rein dekla-ratorische Bedeutung ([X.] in [X.]/[X.], [X.], 6. Aufl., § 28 Rn. 34; [X.] in [X.], [X.], 2. Aufl., § 174 Rn. 7; MünchKomm[X.]/[X.], 3. Aufl., § 58 Rn. 103 und § 60 Rn. 33).

bb) Die Hauptversammlung ist auch nicht in der Lage zu beschließen, für welche Aktien aufgrund unzureichender Stimmrechtsmitteilungen keine Dividende ausgeschüttet werden kann. Zwar soll nach Teilen der Literatur im Fall eines Dividendenausschlusses die auf die ausgeschlossenen Aktien entfallende Dividende unter die übrigen Aktionäre zu verteilen sein (S. [X.]/ [X.], [X.], 493, 498; [X.] in [X.]/ [X.], [X.], 6. Aufl., § 28 Rn. 34; [X.]/ Rosengarten in [X.]/[X.]/[X.], WpÜG, 2. Aufl., § 59 Rn. 32; KK-[X.]/[X.], 3. Aufl., § 20 Rn. 76; [X.] in [X.]/[X.], Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl., § 20 Rn. 53 ff. m.w.N. zur abweichenden h.M.). Die Möglichkeit, durch eine Nachholung der Stimmrechtsmitteilung den Dividendenanspruch zu erhalten, schließt es aber aus, die auf solche Aktien entfallende Dividende bereits im Zeitpunkt des [X.]es auf die anderen Aktionäre zu verteilen und einen entsprechenden [X.] zu fassen. Der Meldepflichtige hat gemäß § 28 Satz 2 [X.] bzw. § 59 Satz 2 WpÜG bei einem nicht vorsätzlichen Verstoß die Möglichkeit, die Meldung nachzuholen und dadurch den Dividendenanspruch rückwirkend voll wirksam werden zu lassen (KK-[X.]/[X.]/Oesterhaus, 2. Aufl., § 28 Rn. 67; MünchKomm[X.]/[X.], 3. Aufl., § 20 Rn. 75; MünchKomm[X.]/[X.]/[X.], 3. Aufl., § 174 Rn. 28). Dass ein vorsätzlicher Verstoß im Zeitpunkt der Hauptversammlung sicher feststeht, wird kaum vorkommen und ist im vorliegenden Fall jedenfalls auszuschließen.

2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Der [X.] verstößt nicht gegen Gesetz oder Satzung (§ 254 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 243 Abs. 1 [X.]) und ist auch nicht nichtig (§ 241 Nr. 3 [X.]).

Der [X.] wurde selbst dann mit Mehrheit gefasst, wenn sämtliche Stimmen aus den Aktien der in Rede stehenden Beteiligten als nicht wirksam abgegeben gelten würden.

Inhaltlich verstößt der [X.] auch nicht wegen einer kompetenzwidrigen Gewinnverteilung durch die Hauptversammlung gegen Gesetz oder Satzung oder ist nichtig, weil er sich nicht auf die Bestimmung des an die Aktionäre auszuschüttenden Betrags beschränkt (§ 174 Abs. 2 Nr. 2 [X.]), sondern darüber hinaus die Zahl der bezugsberechtigten Aktien und die auf die einzelne Aktie entfallende Dividende nennt. Zwar sollen Festsetzungen im [X.], die der Gewinnverteilungsregelung durch Satzung oder Gesetz entsprechen, trotz ihres rein deklaratorischen Charakters angefochten werden können, wenn Streit über die Gewinnverteilung entsteht ([X.] in KK-[X.], 3. Aufl., § 60 Rn. 71), oder wegen des Kompetenzverstoßes der Hauptversammlung nach § 241 Nr. 3 [X.] nichtig sein ([X.], [X.], 10. Aufl., § 60 Rn. 6). Die in der Literatur empfohlene (vgl. etwa MünchKomm [X.]/[X.]/[X.], 3. Aufl., § 174 Rn. 25) zusätzliche Aufschlüsselung des in der Hauptversammlung beschlossenen Gesamtbetrags der Ausschüttung in Zahl der Aktien und Dividende pro Aktie legt aber nicht eine bestimmte Gewinnverteilung fest, wie für einen verständigen Aktionär erkennbar ist und sich hier außerdem aus der Verwendung einer dritten Dezimale bei der Dividende für die Vorzugsaktien sowie der Darstellung als Teilschritt einer Rechnung ergibt, sondern dient allein der Information der Aktionäre.

Bergmann                                   Reichart                                   Drescher

                             Born                                        Sunder

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.

Meta

II ZR 262/13

29.04.2014

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Düsseldorf, 13. Juni 2013, Az: I-6 U 148/12, Urteil

§ 58 Abs 4 AktG, § 60 Abs 1 AktG, § 60 Abs 3 AktG, § 174 Abs 2 Nr 2 AktG, § 22 Abs 1 WpHG, § 22 Abs 2 WpHG, § 28 WpHG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.04.2014, Az. II ZR 262/13 (REWIS RS 2014, 6062)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6062

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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II ZR 220/21 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

II ZR 78/17

6 U 215/16

6 U 87/20

Zitiert

II ZR 229/09

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