Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.07.2014, Az. VII ZR 67/13

7. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 4148

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Gegenstand

Anspruch des Bundeslandes als Auftraggeber von Straßenbauleistungen auf Ersatz eines Verzugsschadens: Mehrbelastung durch zwischenzeitliche Erhöhung des Umsatzsteuersatzes und Vorteilsausgleichung wegen Steuermehreinnahmen


Leitsatz

Hat ein Land gegen einen Werkunternehmer einen Schadensersatzanspruch aus Verzug, weil es eine aufgrund einer zwischenzeitlichen Erhöhung der Umsatzsteuer eingetretene Mehrbelastung nach der vertraglichen Vereinbarung zu tragen hat, stellen die damit verbundenen Steuermehreinnahmen keinen im Wege des Vorteilsausgleichs anzurechnenden Vermögensvorteil dar (im Anschluss an BGH, Urteil vom 18. März 2014, VI ZR 10/13, juris und BGH, Urteil vom 14. September 2004, VI ZR 97/04, NJW 2004, 3557).

Tenor

Auf die Revision des Beklagten zu 1 wird das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 26. Februar 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Beklagte zu 1 zur Zahlung von 14.727,99 € nebst Zinsen verurteilt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger fordert von den Beklagten restlichen Werklohn.

2

Mit Schreiben vom 15. Mai 2006 beauftragten die Beklagten den Kläger mit Leistungen für eine provisorische Verbreiterung einer Bundesautobahn. Als Fertigstellungstermin war der 22. Dezember 2006 vereinbart. Der Kläger erbrachte die Leistungen in der [X.] vom 24. Juli 2006 bis zum 16. Februar 2007. Die Beklagten nahmen die Leistungen am 23. Februar 2007 ab. Der Kläger rechnete seine Leistungen anschließend insgesamt mit dem ab dem 1. Januar 2007 geltenden erhöhten Umsatzsteuersatz von 19 % ab. Die Beklagten sind der Auffassung, dass ihnen wegen der Nichteinhaltung des vereinbarten Fertigstellungstermins ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 14.727,99 € zustehe, der sich aus der Erhöhung der Umsatzsteuer zum 1. Januar 2007 von 16 % auf 19 % ergebe. In diesem Umfang nahmen die Beklagten gegenüber der Schlussrechnung des [X.] einen Abzug vor.

3

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat dem Kläger einen Werklohnanspruch gegen die Beklagten als Gesamtschuldner in Höhe von 35.278,53 € zuerkannt und den auf die Umsatzsteuerdifferenz gestützten Abzug abgelehnt.

4

Mit der vom Senat zugelassenen Revision wendet sich der Beklagte zu 1, der [X.], gegen seine Verurteilung zur Zahlung des [X.] in Höhe der zusätzlichen Umsatzsteuer von 14.727,99 €.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

6

Das Berufungsgericht führt - soweit für die Revision noch von Interesse -aus, den Beklagten stehe kein Schadensersatzanspruch wegen der [X.] zu. Es sei nicht ersichtlich, dass bei den Beklagten ein Schaden eingetreten sei. Die Fertigstellung der Leistung durch den Kläger am 23. Februar 2007 statt wie vereinbart am 22. Dezember 2006 habe zur Folge gehabt, dass die gesamte Leistung mit einem Umsatzsteuersatz von 19 % statt mit 16 % zu versteuern sei und die Beklagten daher eine höhere Vergütung zahlen müssten. Der Bezahlung der erhöhten Vergütung stünden jedoch Steuermehreinnahmen gegenüber, die den Beklagten aus der Erhöhung der Umsatzsteuer [X.]. Auch wenn die Einnahmen und Ausgaben der Beklagten nach haushaltsrechtlichen Grundsätzen getrennt voneinander zu veranschlagen seien, sei für die Feststellung eines Schadens eine Saldierung vorzunehmen.

II.

7

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

8

1. Dem Beklagten zu 1 kann wegen der durch die Erhöhung der Umsatzsteuer eingetretenen Mehrbelastung ein nach § 634 Nr. 4, §§ 636, 280, 281 BGB ersatzfähiger Schaden entstanden sein. Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die verspätete Fertigstellung der Leistung vom Kläger zu vertreten war. Zugunsten des Beklagten zu 1 ist in der Revision daher davon auszugehen, dass sich der Kläger seit dem 22. Dezember 2006 mit der Ausführung der Leistungen in Verzug befand. Diese Verzögerung hat nach den in der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts zur Folge, dass der Kläger die gesamte Leistung mit dem ab dem 1. Januar 2007 geltenden Umsatzsteuersatz von 19 % statt mit 16 % zu versteuern hatte und der Beklagte zu 1 gegenüber dem Kläger vertraglich verpflichtet war, auch diesen Mehrbetrag zu bezahlen.

9

2. Der Beklagte zu 1 muss sich auf diesen Vermögensnachteil die ihm infolge der Umsatzsteuererhöhung zufließenden Steuermehreinnahmen nicht im Wege des [X.] anrechnen lassen.

a) Durch die auf dem Grundsatz von Treu und Glauben beruhende Vorteilsausgleichung soll ein gerechter Ausgleich zwischen den bei einem Schadensfall widerstreitenden Interessen herbeigeführt werden. Der Geschädigte darf nicht besser gestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Andererseits sind nicht alle durch das Schadensereignis bedingten Vorteile auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen, sondern nur solche, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, das heißt, deren Anrechnung dem Geschädigten zumutbar ist und den Schädiger nicht unangemessen entlastet. Vor- und Nachteile müssen bei wertender Betrachtungsweise gleichsam zu einer Rechnungseinheit verbunden sein (vgl. [X.], Urteile vom 10. Juli 2008 - [X.], [X.], 1877 Rn. 20 = NZBau 2009, 34; vom 28. Juni 2007 - [X.], [X.]Z 173, 83 Rn. 18 und [X.], [X.], 1567, 1568 = NZBau 2007, 580 m.w.N.). Nach diesen Grundsätzen kann ein Vorteilsausgleich nur stattfinden, wenn der Geschädigte aufgrund des Schadensfalles einen Vorteil erlangt, den er ohne diesen nicht erhalten hätte und der sich so in seinem Vermögen niederschlägt, dass sich die endgültige Schadensbilanz in Höhe dieses Vorteils verringert.

b) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben. Der dem Beklagten zu 1 in Gestalt seines Umsatzsteueranteils zufließende Vorteil kann nicht zu einer Anrechnung im Wege des [X.] führen. Nach § 1 Abs. 1 UStG fällt die Umsatzsteuer grundsätzlich an, wenn Leistungen durch einen Unternehmer ausgeführt werden. Diese Besteuerung des Umsatzes als eines wirtschaftlichen Verkehrsvorgangs dient wie andere Steuerarten der Deckung des Finanzbedarfs der öffentlichen Haushalte (Bund, Länder und Gemeinden). Nach ihrem Sinn und Zweck soll sie dem Staat aus jedem umsatzsteuerpflichtigen Vorgang Einnahmen erbringen, um seine Aufgaben erfüllen zu können. Während der Schaden in Form der Verpflichtung zur Zahlung einer auf der Grundlage des erhöhten Umsatzsteuersatzes erhöhten Vergütung im Bereich der Straßenbaulast aufgetreten ist und sich dort vermögensmäßig zum Nachteil des Geschädigten ausgewirkt hat, erfolgt der durch Abführung der Umsatzsteuer verursachte Vermögenszuwachs in einem ganz anderen Bereich, nämlich dem des Steueraufkommens, das dem geschädigten Land nach dem Willen des Gesetzgebers unabhängig davon zusteht, auf welchen Vorgang das umsatzsteuerpflichtige Geschäft zurückzuführen ist (vgl. [X.], Urteil vom 18. März 2014 - [X.], juris Rn. 16; Urteil vom 14. September 2004 - [X.], NJW 2004, 3557, 3558).

3. Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, die Grundsätze der Entscheidung des [X.] vom 14. September 2004 ([X.], NJW 2004, 3557) seien auf den vorliegenden Fall nicht zu übertragen. In dem dort entschiedenen Fall ging es um die Erstattungsfähigkeit der von der zuständigen Behörde an einen Unternehmer gezahlten Umsatzsteuer, der mit der Reparatur einer Schutzplanke einer Autobahn beauftragt worden war.

a) Die Ansicht des [X.], in dem vom [X.] entschiedenen Fall sei ein ausgleichsfähiger Vorteil bereits deswegen zu verneinen, weil der dort vom Geschädigten beauftragte Unternehmer ohne die vom Schädiger gesetzte Schadensursache Leistungen, die Gegenstand des [X.] gewesen seien, gegenüber anderen Auftraggebern erbracht hätte, die dann ebenfalls der Umsatzbesteuerung unterlegen hätten, während eine Besteuerung einer anderweit erbrachten Leistung im vorliegenden Fall nicht in Rede stehe, vermag einen Vorteilsausgleich im vorliegenden Fall nicht zu begründen. Das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Vermögensvorteil des Geschädigten und dem ihm infolge des [X.] entstandenen Nachteil, auf den der Kläger insoweit offenbar abstellen will und der im vorliegenden Fall zwischen den Parteien außer Streit steht, kann für sich genommen einen Vorteilsausgleich nicht rechtfertigen. Erforderlich ist vielmehr, dass die Anrechnung des Vorteils im Einzelfall unter Berücksichtigung der gesamten Interessenlage der Beteiligten nach Treu und Glauben dem Geschädigten zugemutet werden kann. Dies ist aus den vorstehend genannten Gründen nicht der Fall.

b) Der Einwand des [X.], die Ablehnung einer Vorteilsausgleichung führe im Ergebnis zu einer Bereicherung des Beklagten zu 1, weil dieser die Umsatzsteuer wertmäßig doppelt erhalte, einmal aufgrund des [X.] und einmal als Schadensersatz, greift nicht durch. Der Beklagte zu 1 erhält mit dem Schadensersatz nicht die [X.] als zusätzlichen Vermögenswert. Seine Zahlungspflicht gegenüber dem Kläger wird vielmehr im Umfang der durch die Erhöhung der Umsatzsteuer eingetretenen Mehrbelastung gemindert. Der Beklagte zu 1 wird durch die Zubilligung eines Schadensersatzanspruchs in dieser Höhe im Ergebnis daher lediglich so gestellt, wie er stünde, wenn der Kläger seine Leistungen fristgerecht bis zum vereinbarten Fertigstellungstermin im [X.] erbracht hätte.

c) Der Beklagte zu 1 ist entgegen der Ansicht des [X.] nicht einem vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten gleich zu stellen. Der zum Vorsteuerabzug Berechtigte kann die ihm in Rechnung gestellte Umsatzsteuer von seiner eigenen Umsatzsteuerschuld absetzen und damit seine Zahlungsverpflichtung gegenüber der Finanzbehörde um diesen Betrag verringern. Dieser Vorteil, der eine adäquate Folge des schädigenden Ereignisses darstellt, muss deshalb nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung bei der Berechnung des Schadens berücksichtigt werden (vgl. [X.], Urteil vom 6. Juni 1972 - [X.], NJW 1972, 1460, 1461). Der Streitfall ist signifikant anders gelagert; der Beklagte zu 1 erzielt aus den vorgenannten Gründen im vorliegenden Fall aufgrund des schadensbegründenden Verzugs keinen anderweitigen Vorteil, den er sich im Wege der Vorteilsausgleichung anrechnen lassen muss.

III.

Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO. Das Berufungsgericht hat zu den weiteren Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs wegen Verzugs des [X.] mit der Fertigstellung der Arbeiten keine Feststellungen getroffen.

Das Berufungsurteil ist daher im angefochtenen Umfang aufzuheben und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um diesem Gelegenheit zu geben, die erforderlichen Feststellungen zu treffen. Das Berufungsgericht hat sich nach Zurückverweisung der Sache auch mit der Gegenrüge des [X.] auseinanderzusetzen, dass ein von ihm zu vertretender [X.] nicht vorgelegen habe, weil die eingetretenen Bauverzögerungen ihre Ursache nicht in seiner Sphäre hätten.

[X.]                     Safari Chabestari                         Halfmeier

          [X.]

Meta

VII ZR 67/13

10.07.2014

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Dresden, 26. Februar 2013, Az: 9 U 123/12, Urteil

§ 249 BGB, § 280 BGB, § 281 BGB, § 634 Nr 4 BGB, § 1 Abs 1 UStG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.07.2014, Az. VII ZR 67/13 (REWIS RS 2014, 4148)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4148

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

VIa ZR 622/21

VII ZR 67/13

Zitiert

VI ZR 10/13

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