Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.08.2012, Az. I ZB 66/11

1. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 3877

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Gegenstand

Erforderlichkeit der Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses an den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten; Heilung eines Zustellungsmangels bei einem Altfall


Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 51 des [X.] vom 11. August 2011 wird auf Kosten des Gläubigers zurückgewiesen.

Gegenstandswert: 1.500 €.

Gründe

1

I. Der Gläubiger betreibt die Zwangsvollstreckung aus einem [X.] des [X.] vom 20. Oktober 1999. Im Ausgangsverfahren, in dem der Schuldner in erster Instanz durch die Rechtsanwälte S.                       vertreten wurde, hatte das [X.] die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Gläubigers verurteilte das [X.] den Schuldner mit Versäumnisurteil vom 9. November 1998 antragsgemäß. Das Versäumnisurteil führt als Prozessbevollmächtigten des Schuldners Rechtsanwalt [X.]                  auf.

2

Am 7. Januar 1999 beantragte der Schuldner bei der [X.] des [X.], ihm für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen; er beabsichtige, Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 9. November 1998 einzulegen, das ihm am 6. Januar 1999 persönlich auf der Geschäftsstelle übergeben worden sei. Laut Protokoll der [X.] benannte der Schuldner "als Zustellungsbevollmächtigten ausschließlich für diesen Rechtsvorgang" den Architekten [X.]unter näher bezeichneter Anschrift in [X.]      . Der Kosten-festsetzungsbeschluss vom 20. Oktober 1999 wurde dem Architekten [X.]als Zustellungsbevollmächtigten des Schuldners am 13. November 1999 übergeben.

3

Das [X.] hat am 14. Januar 2011 auf Antrag des Gläubigers wegen des Anspruchs aus dem Kostenbeschluss Haftbefehl gegen den Schuldner erlassen, um die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gemäß § 807 ZPO zu erzwingen. Der Schuldner hat dagegen sofortige Beschwerde eingelegt und insbesondere geltend gemacht, der [X.] sowie das ihm zugrundeliegende Versäumnisurteil seien nicht wirksam zugestellt worden. Das [X.] hat den Haftbefehl aufgehoben. Dagegen richtet sich die vom [X.] zugelassene Rechtsbeschwerde des Gläubigers, mit der er weiterhin die Zurückweisung der Beschwerde des Schuldners begehrt.

4

II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie keinen Erfolg.

5

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Der [X.] sei dem Schuldner nicht wirksam zugestellt worden. Denn die Zustellung hätte, sollte sich der Rechtsanwalt [X.]           für den Schuldner anstelle der Rechtsanwälte S.        für die zweite Instanz als Prozessbevollmächtigter bestellt haben, an den Erstgenannten, anderenfalls an die [X.] erfolgen müssen. Deshalb sei die Zustellung an den Architekten [X.]unwirksam, wobei es nicht darauf an-komme, ob dieser nicht ohnehin nur in Verbindung mit dem Prozesskostenhilfegesuch als Zustellungsbevollmächtigter benannt werden sollte. Eine Heilung des [X.] durch tatsächlichen Zugang gemäß § 187 ZPO in der im November 1999 geltenden Fassung (§ 187 ZPO aF) komme nicht in Betracht, weil durch die Zustellung der Lauf einer Notfrist habe in Gang gesetzt werden sollen und für diesen Fall eine Heilung des [X.] ausgeschlossen gewesen sei. Auch § 189 ZPO in der jetzt geltenden Fassung führe nicht zur Heilung des [X.], weil nach dieser Vorschrift eine Heilung ebenfalls nur durch Übergabe an den bestellten Prozessbevollmächtigten, nicht dagegen an den Schuldner selbst in Betracht komme und die Vorschrift darüber hinaus auf Altfälle des § 187 Satz 2 ZPO aF keine Anwendung finde.

6

2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Der [X.] vom 20. Oktober 1999 ist dem Schuldner nicht wirksam zugestellt worden, so dass er nicht Grundlage für den Erlass eines Haftbefehls sein kann.

7

a) Durch Übergabe an den Architekten [X.]konnte der [X.] nicht wirksam zugestellt werden, weil Herr [X.]insofern nicht Zustellungsbevollmächtigter des Schuldners war.

8

Im Verfahren vor dem [X.] war der Schuldner durch die Rechtsanwälte S.           vertreten. Die Vollmacht dieser erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten umfasste auch das Kostenfestsetzungsverfahren (vgl. § 103 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Ein Erlöschen dieser Vollmacht ist weder dem Gericht noch dem Gläubiger angezeigt worden (vgl. § 87 Abs. 1 ZPO). Es ergibt sich insbesondere auch nicht aus der protokollierten Erklärung des Schuldners vor der [X.] des [X.] am 7. Januar 1999, wonach er den Architekten [X.]"als Zustellungsbevollmächtigten ausschließlich für diesen Rechtsvorgang" benenne. Denn der Rechtsvorgang, auf den sich diese vor der [X.] abgegebene Erklärung bezog, war das Prozesskostenhilfegesuch des Schuldners für die Einlegung des Einspruchs gegen das Versäumnisurteil des [X.] vom 9. November 1998. Die [X.] des Architekten umfasste daher nur das Prozesskostenhilfeverfahren und möglicherweise noch die Einlegung des Einspruchs, jedenfalls aber nur die Entgegennahme von Schriftstücken, die sich auf das Berufungsverfahren vor dem [X.] bezogen. Eine Beendigung der erstinstanzlichen Vollmacht für die Rechtsanwälte S.           ergibt sich daraus nicht. Auch den übrigen, im Protokoll der [X.] aufgezeichneten Ausführungen des Schuldners ist zur Frage der Prozessvollmacht allein zu entnehmen, dass ihn sein erstinstanzlicher Rechtsanwalt darauf hingewiesen habe, ihn nicht vor dem [X.] vertreten zu können, weshalb er eine dort zugelassene Kollegin empfahl. Diese Kollegin wurde vom Schuldner aber nicht mandatiert, weshalb er im [X.] auch nur allgemein um Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Einspruchsverfahren bat.

9

b) Daher konnte die Zustellung des [X.]es nur an die Rechtsanwälte S.            als erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte des Schuldners bewirkt werden (§ 176 ZPO aF, ebenso nunmehr § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO; vgl. [X.]/[X.], ZPO, 29. Aufl., § 104 Rn. 7). Im Streitfall kann dahinstehen, ob von der Pflicht zur Zustellung des [X.]es an den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten eine Ausnahme für den Fall anzunehmen ist, dass die [X.] ohne Zuziehung ihres Prozessbevollmächtigten selbst die Kostenfestsetzung betreibt (vgl. [X.]/[X.] aaO § 172 Rn. 14). Denn im Streitfall wird die Kostenfestsetzung gegen und nicht für den Schuldner betrieben.

c) [X.] ist nicht nach § 187 ZPO aF geheilt worden. Wie das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt hat, sollte die Zustellung den Lauf einer Notfrist, nämlich der Beschwerdefrist, in Gang setzen, so dass eine Heilung des [X.] ausgeschlossen war.

d) [X.] ist auch nicht nach § 189 ZPO in der seit 1. Juli 2002 geltenden Fassung geheilt. Danach gilt ein Schriftstück ungeachtet eines vorhergehenden [X.] in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. Eine Heilung des [X.] hätte daher nur durch eine spätere Zustellung an die dafür allein zuständigen Prozessbevollmächtigten des Schuldners erster Instanz erfolgen können; ein Zugang an den Schuldner selbst ist dafür ohne Bedeutung (vgl. [X.]/[X.] aaO § 189 Rn. 5; Musielak/Wittschier, ZPO, 9. Aufl., § 189 Rn. 3).

Das Beschwerdegericht hat ferner zutreffend erkannt, dass § 189 ZPO hier auch deshalb keine Anwendung finden kann, weil es sich bei der Zustellung des [X.]es um einen allein § 187 Satz 2 ZPO aF unterliegenden Altfall handelt. Das am 1. Juli 2002 in [X.] getretene [X.] enthält keine Überleitungsvorschriften. Daher gelten die geänderten [X.] auch in laufenden Verfahren für die nach seinem Inkrafttreten vorzunehmenden Zustellungen ([X.], Urteil vom 6. Oktober 2006 - [X.], NJW 2007, 303, 304). Um eine solche Zustellung geht es hier aber nicht. Die Zustellung des [X.]es vom 20. Oktober 1999 war dem Schuldner im Rahmen des üblichen Geschäftsgangs alsbald und jedenfalls nicht erst nach Inkrafttreten des § 189 ZPO am 1. Juli 2002 zuzustellen. Eine Heilung des [X.] nach dieser Norm kommt deshalb nicht in Betracht (vgl. [X.]/Eichele, ZPO, 4. Aufl., § 189 Rn. 3).

3. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Bornkamm                               Büscher                            Schaffert

                       [X.]                             [X.]

Meta

I ZB 66/11

16.08.2012

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Berlin, 11. August 2011, Az: 51 T 333/11

§ 172 Abs 1 ZPO, § 189 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.08.2012, Az. I ZB 66/11 (REWIS RS 2012, 3877)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3877

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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