Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.08.2012, Az. I ZB 66/11

I. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 3893

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 66/11
vom

16. August 2012

in dem Zwangsvollstreckungsverfahren

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Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat am
16. August 2012
durch [X.] Dr.
Bornkamm
und die Richter
Prof. Dr.
Büscher, Prof. Dr.
Schaffert, Dr.
[X.]irchhoff und Dr.
Löffler

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer
51 des [X.] vom 11.
August 2011 wird auf [X.]osten des Gläubigers zurückgewiesen.

Gegenstandswert: 1.500

Gründe:

[X.] Der Gläubiger betreibt die Zwangsvollstreckung aus einem [X.]ostenfest-setzungsbeschluss des [X.] vom 20.
Oktober 1999. Im Aus-gangsverfahren, in dem der Schuldner in erster Instanz durch die [X.] S.

vertreten wurde, hatte das [X.] die
[X.]lage abgewiesen. Auf die Berufung des Gläubigers verurteilte
das Oberlan-desgericht Rostock
den Schuldner
mit Versäumnisurteil vom 9.
November 1998 antragsgemäß. Das Versäumnisurteil führt als Prozessbevollmächtigten des Schuldners Rechtsanwalt F.

auf.

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Am 7.
Januar 1999 beantragte
der Schuldner bei der [X.] des [X.], ihm für das Berufungsverfahren Prozesskos-tenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen; er beabsichtige, Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 9.
November 1998 einzulegen, das ihm am 6.
Januar 1999 persönlich auf der Geschäftsstelle übergeben worden sei. Laut Protokoll der [X.] benannte der Schuldner "als Zustel-lungsbevollmächtigten ausschließlich für diesen Rechtsvorgang" den [X.] R.

unter näher bezeichneter Anschrift in [X.].

. Der [X.]osten-
festsetzungsbeschluss vom 20.
Oktober 1999
wurde
dem Architekten R.

als Zustellungsbevollmächtigten des Schuldners am 13.
November 1999 über-geben.

Das [X.] hat am 14.
Januar 2011
auf Antrag des Gläubigers wegen des Anspruchs aus dem [X.]ostenbeschluss
Haftbefehl gegen den Schuldner erlassen, um die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ge-mäß §
807 ZPO zu erzwingen. Der Schuldner hat dagegen sofortige Beschwer-de eingelegt und insbesondere geltend gemacht, der [X.]ostenfestsetzungsbe-schluss sowie das ihm zugrundeliegende Versäumnisurteil seien
nicht
wirksam zugestellt worden. Das [X.] hat den Haftbefehl aufgehoben. Dagegen richtet sich die vom [X.] zugelassene Rechtsbeschwerde des [X.], mit der er weiterhin die Zurückweisung der Beschwerde des Schuldners begehrt.

I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2, Abs.
3 Satz
2 ZPO) und auch sonst zulässig (§
575 ZPO). In der Sache hat sie keinen Erfolg.

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1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Der [X.]ostenfestsetzungsbeschluss sei dem Schuldner nicht wirksam zugestellt worden. Denn die Zustellung hätte, sollte sich der Rechtsanwalt F.

für den Schuldner anstelle der Rechtsanwälte S.

für
die zweite Instanz als Prozessbevollmächtigter bestellt haben,
an den Erstge-nannten, anderenfalls an die [X.] erfolgen müssen. Deshalb sei die
Zustellung an den Architekten R.

unwirksam, wobei es nicht darauf an-
komme, ob dieser nicht ohnehin nur in Verbindung mit dem Prozesskostenhilfe-gesuch als Zustellungsbevollmächtigter benannt werden sollte. Eine Heilung des [X.] durch tatsächlichen Zugang gemäß §
187 ZPO in der im November 1999 geltenden Fassung (§
187 ZPO aF) komme nicht in [X.], weil durch die Zustellung der Lauf einer Notfrist
habe
in Gang gesetzt werden sollen
und für diesen Fall eine Heilung des [X.] ausge-schlossen
gewesen
sei. Auch §
189 ZPO in der jetzt geltenden Fassung führe nicht zur
Heilung des [X.], weil nach dieser Vorschrift eine Hei-lung
ebenfalls
nur durch Übergabe an den bestellten Prozessbevollmächtigten, nicht
dagegen an
den Schuldner selbst in Betracht komme und die Vorschrift darüber hinaus auf Altfälle des §
187 Satz
2 ZPO
aF
keine Anwendung finde.

2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Der [X.]osten-festsetzungsbeschluss vom 20.
Oktober 1999 ist dem Schuldner nicht wirksam zugestellt worden, so dass er nicht
Grundlage für den Erlass eines Haftbefehls sein kann.

a) Durch Übergabe an den Architekten R.

konnte der [X.]ostenfestset-
zungsbeschluss nicht wirksam zugestellt werden, weil Herr R.

insofern
nicht Zustellungsbevollmächtigter des Schuldners war.

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Im Verfahren vor dem [X.] war der Schuldner durch die Rechts-anwälte S.

vertreten. Die Vollmacht dieser erstinstanzlichen
Prozessbevollmächtigten umfasste auch das [X.]ostenfestsetzungsverfahren (vgl. §
103 Abs.
2 Satz
1 ZPO). Ein Erlöschen dieser Vollmacht ist weder dem [X.] noch dem Gläubiger angezeigt worden
(vgl. § 87 Abs. 1 ZPO). Es ergibt sich insbesondere auch nicht aus der protokollierten Erklärung des Schuldners vor der [X.]
des [X.]s
am 7.
Januar 1999, wo-nach er den Architekten R.

"als Zustellungsbevollmächtigten ausschließlich
für diesen Rechtsvorgang" benenne. Denn der Rechtsvorgang, auf den sich diese vor der [X.] abgegebene Erklärung bezog, war das [X.] des Schuldners für die
Einlegung des Einspruchs gegen das Versäumnisurteil des [X.] vom 9.
November 1998. Die Zustellungsvollmacht
des Architekten umfasste
daher nur das Prozesskos-tenhilfeverfahren und möglicherweise noch
die Einlegung des Einspruchs, [X.] aber nur die Entgegennahme von Schriftstücken, die sich auf das Beru-fungsverfahren vor dem [X.] bezogen. Eine Beendigung der erstinstanzlichen Vollmacht für die Rechtsanwälte S.

ergibt
sich daraus nicht. Auch den übrigen, im Protokoll der [X.] auf-gezeichneten Ausführungen des Schuldners ist zur Frage der Prozessvollmacht
allein
zu entnehmen, dass ihn sein erstinstanzlicher Rechtsanwalt darauf [X.] habe, ihn nicht vor dem [X.] vertreten zu können, wes-halb er eine dort zugelassene [X.]ollegin empfahl.
Diese [X.]ollegin wurde vom Schuldner aber nicht mandatiert, weshalb er im [X.] auch nur allgemein um Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Einspruchsverfahren bat.

b) Daher konnte die Zustellung des [X.]ostenfestsetzungsbeschlusses nur an die Rechtsanwälte S.

als erstinstanzliche Prozessbevoll-
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mächtigte des Schuldners bewirkt werden (§
176 ZPO aF, ebenso nunmehr §
172 Abs.
1 Satz
1 ZPO; vgl. [X.]/[X.],
ZPO, 29.
Aufl.,
§
104 Rn.
7). Im Streitfall kann dahinstehen, ob von
der Pflicht zur Zustellung des [X.]ostenfestset-zungsbeschlusses an den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten
eine Aus-nahme für den Fall anzunehmen ist, dass die [X.] ohne Zuziehung ihres Pro-zessbevollmächtigten selbst die [X.]ostenfestsetzung betreibt (vgl. [X.]/[X.] aaO §
172 Rn.
14).
Denn
im Streitfall wird
die [X.]ostenfestsetzung gegen und nicht für den Schuldner betrieben.

c)
[X.] ist nicht nach §
187 ZPO aF geheilt worden. Wie das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt hat, sollte die Zustellung den
Lauf einer Notfrist, nämlich der Beschwerdefrist, in Gang
setzen, so dass eine Heilung des [X.] ausgeschlossen war.

d)
[X.] ist auch nicht nach §
189 ZPO in der seit 1.
Juli 2002 geltenden Fassung geheilt. Danach gilt ein Schriftstück ungeachtet eines vorhergehenden [X.] in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder
gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. Eine Heilung des [X.] hätte daher nur durch eine spätere Zustellung an die dafür allein zuständigen Prozessbevollmächtigten des Schuldners erster Instanz er-folgen können;
ein Zugang an den Schuldner
selbst
ist dafür ohne Bedeutung (vgl. [X.]/[X.] aaO §
189 Rn.
5; Musielak/Wittschier, ZPO, 9.
Aufl., §
189 Rn.
3).

Das Beschwerdegericht hat ferner zutreffend erkannt, dass §
189 ZPO hier
auch deshalb
keine Anwendung finden kann, weil es sich bei der Zustel-lung des [X.]ostenfestsetzungsbeschlusses um
einen allein §
187 Satz
2 ZPO aF 10
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unterliegenden Altfall handelt. Das am 1.
Juli 2002 in [X.] getretene Zustel-lungsreformgesetz enthält keine Überleitungsvorschriften. Daher gelten die ge-änderten Zustellungsvorschriften auch in laufenden Verfahren für die
nach sei-nem Inkrafttreten vorzunehmenden Zustellungen ([X.], Urteil vom 6.
Oktober 2006

V
ZR
282/05, [X.], 303, 304). Um eine solche Zustellung geht es hier aber nicht. Die Zustellung des [X.]ostenfestsetzungsbeschlusses vom 20.
Ok-tober 1999 war dem Schuldner im Rahmen des üblichen Geschäftsgangs als-bald und jedenfalls nicht erst nach Inkrafttreten des §
189 ZPO am 1.
Juli 2002 zuzustellen. Eine Heilung
des [X.]
nach dieser Norm kommt
deshalb nicht in Betracht (vgl. [X.]/Eichele, ZPO, 4.
Aufl., §
189 Rn.
3).

3. Die [X.]ostenentscheidung beruht auf §
97
Abs.
1 ZPO.

Bornkamm

Büscher

Schaffert

[X.]irchhoff

Löffler
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 14.01.2011 -
31 M 1030/10 -

LG [X.], Entscheidung vom 11.08.2011 -
51 [X.]/11 -

13

Meta

I ZB 66/11

16.08.2012

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.08.2012, Az. I ZB 66/11 (REWIS RS 2012, 3893)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3893

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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I ZB 66/11

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