Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.02.2014, Az. II ZR 219/13

II. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 8054

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
II ZR
219/13
Verkündet am:

11. Februar 2014

Stoll

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

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Der I[X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. Februar 2014
durch
den
Vorsitzenden
Richter Prof.
Dr.
Bergmann
und [X.] Dr. Strohn, die Richterinnen [X.], [X.] und den Richter Sunder

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 11. Zivilsenats des [X.] vom 17. Mai 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das
Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin beteiligte sich mit Beitrittserklärung vom 9. Dezember 2003 als atypisch stille [X.]erin an der Rechtsvorgängerin der Beklagten im

Mit Schreiben vom 7. Juli 2009 informierte die Beklagte die Klägerin und die weiteren Anleger über ihre wirtschaftlich schwierige Lage, die sich hieraus ergebende Notwendigkeit einer Liquidation und wies die Anleger darauf hin, 1
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hätten. Mit Schreiben vom 6. November 2009 erklärte die Klägerin daraufhin die außerordentliche Kündigung ihrer stillen Beteiligung sowie die Anfechtung ihrer Beitrittserklärung.
Mit der Behauptung, der für ihre Anlageentscheidung maßgebliche Emis-sionsprospekt Stand 2003 weise zahlreiche, von ihr im Einzelnen dargelegte Fehler auf, außerdem habe der Vermittler die Risiken nicht richtig dargestellt und die Beklagte sei ihr daher zum Schadensersatz verpflichtet, hat die Kläge-rin von der Beklagten Rückzahlung ihrer Einlage nebst Agio in Höhe von 5.300

ertragung aller Rechte aus der stillen Beteiligung verlangt. Hilfsweise hat sie die Feststellung begehrt, dass sie die Beteiligung am 6. November 2009 wirksam außerordentlich gekündigt habe, und das auf diesen Zeitpunkt von der Beklagten noch zu berechnende Abfindungsguthaben verlangt.
Das [X.] hat der Klage im Hauptantrag stattgegeben und die [X.] zur Rückabwicklung der Beteiligung verurteilt. Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten war erfolgreich. Das Berufungsgericht hat die Ent-scheidung des [X.]s teilweise aufgehoben und die Klage durch Teilurteil hinsichtlich des [X.] abgewiesen. Hinsichtlich der Hilfsanträge sei die Sache noch nicht entscheidungsreif. Mit der vom Berufungsgericht zugelasse-nen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Kläge-rin ihr Klagebegehren weiter.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg und führt unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
[X.] Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt:
Der Klägerin stehe ein Schadensersatzanspruch auf Rückabwicklung
ihrer atypisch stillen Beteiligung unabhängig von der Frage eines Aufklärungs-mangels schon grundsätzlich nicht zu. Bei der Beklagten handele es sich um eine mehrgliedrige atypische stille [X.], für die die Grundsätze der [X.] wie bei einer Publikumsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG mit der Folge anzuwenden seien, dass der einzelne [X.]er gegen die [X.] grundsätzlich nur einen etwaigen Abfin-dungsanspruch geltend machen könne.
Etwas anderes folge auch nicht daraus, dass die Klägerin die außeror-dentliche Kündigung ihrer Beteiligung erklärt und ihre Beteiligungserklärung zudem angefochten und auch widerrufen habe. Unabhängig von der Frage, ob überhaupt ein Widerrufsrecht bestanden habe und ob es rechtzeitig ausgeübt worden sei, führe auch der Widerruf nur zu einer Beendigung der Beteiligung ex nunc.
I[X.] 1.
Die Revision der Klägerin ist begründet.
Die Annahme des Berufungsgerichts, dass zwischen den Parteien kein bloß zweigliedriges [X.]sverhältnis zustande gekommen ist, sondern die Klägerin einer mehrgliedrigen stillen [X.] in Form einer Publikums-gesellschaft beigetreten ist, bei der nach Invollzugsetzung für den Fall etwaiger anfänglicher Mängel die Grundsätze über die fehlerhafte [X.] Anwen-5
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dung finden, ist zwar aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wie der Senat zu dem in den wesentlichen Bestimmungen übereinstimmenden stillen [X.] einer anderen (mehrgliedrigen) stillen [X.] ausgeführt hat ([X.], Urteil vom 19. November 2013 -
II ZR 320/12, juris, Rn. 14 ff.; Urteil vom 19. November 2013 -
II ZR 383/12, [X.], 2355
Rn. 17 ff.). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts schließt die Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften [X.] aber einen Anspruch der Klägerin auf Ersatz von Vermögensschäden, die ihr -
nach ihrem Vorbringen
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durch pflichtwidriges Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen im Zusammenhang mit ihrem Beitritt zur [X.] entstanden sind, nicht von vornherein aus. Auch bei Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften [X.] kann, wie der [X.] weiter entschieden hat, der Anleger, der sich an einer mehrgliedrigen stillen [X.] beteiligt hat, das stille [X.]sverhältnis unter Berufung auf den (behaupteten) [X.] durch sofort wirksame Kündigung beenden und unter Anrechnung des ihm bei Beendigung
seines (fehlerhaften) [X.] gegebenenfalls zustehenden Abfindungsanspruchs von dem Geschäftsinhaber Ersatz eines darüber hinausgehenden Schadens ver-langen, wenn dadurch die gleichmäßige Befriedigung etwaiger Abfindungs-
oder Auseinandersetzungsansprüche der übrigen stillen [X.]er nicht gefährdet ist ([X.], Urteil vom 19. November 2013 -
II ZR 383/12, [X.], 2355
Rn. 28 ff.).
2. Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Klägerin nach diesen Grundsätzen ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zusteht, hat das Berufungsgericht von seinem abweichenden Rechtsstandpunkt aus nicht ge-prüft. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann die Abweisung der Klage daher keinen Bestand haben. Sie stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
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a) Dass das Berufungsgericht lediglich durch Teilurteil über den Haupt-antrag auf Rückabwicklung entschieden hat, führt nicht etwa dazu, dass die Entscheidung im Einklang mit den oben dargestellten rechtlichen Vorgaben steht, die ebenfalls einen Rückabwicklungsanspruch wegen der Grundsätze der fehlerhaften [X.] ausschließen. Dabei kann dahinstehen, ob ein [X.] gemäß § 301 Abs.1 ZPO in diesem Fall überhaupt zulässig war oder wegen der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen hätte unterbleiben müssen (vgl. dazu [X.], Urteil vom 30. November 2012 -
V [X.], [X.], 1009; Urteil vom 28. November 2003 -
V [X.], [X.]Z 157, 133, 142 f.). Jedenfalls hätte der Klägerin Gelegenheit gegeben werden müssen, ihren Vor-trag an die in den Vorinstanzen nicht erörterten, oben dargelegten rechtlichen Vorgaben anzupassen. Ein Geschädigter ist nicht ohne weiteres an eine von ihm ursprünglich gewählte Art der Schadensberechnung gebunden (vgl. [X.], Urteil vom 18. Oktober 2011 -
VI [X.], [X.], 50 Rn. 4 mwN). Die Klägerin kann insoweit nicht darauf verwiesen werden, dass über ihre [X.] gesondert entschieden werde. Mit diesen hat sie nämlich lediglich die Feststellung, dass sie die Beteiligung wirksam gekündigt hat, sowie die Verur-teilung der Beklagten zur Errechnung und Auszahlung des Auseinanderset-zungsguthabens begehrt. Einen daneben eventuell bestehenden [X.] hat sie mit den [X.] nicht verfolgt. Diese Möglichkeit muss ihr im Rahmen einer Umstellung ihres [X.] eingeräumt werden.
b) Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsge-richts und des Vorbringens der Parteien kann auch nicht angenommen werden, dass einem über einen Abfindungsanspruch hinausgehenden Schadensersatz-begehren der Klägerin zur Sicherung etwaiger Abfindungs-
oder Auseinander-setzungsansprüche der Mitgesellschafter der Erfolg zu versagen wäre. Ob und in welcher Höhe solche (hypothetischen) Ansprüche der anderen stillen Gesell-schafter bestehen und aus dem Vermögen der Beklagten befriedigt werden 12
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können, steht nicht fest und müsste gegebenenfalls die Beklagte darlegen und beweisen, wenn sie sich einem Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen-über darauf berufen wollte, dieser sei wegen einer Gefährdung der Abfindungs-
und Auseinandersetzungsansprüche der übrigen stillen [X.]er zumin-dest gegenwärtig nicht oder nicht in voller Höhe durchsetzbar. Im Übrigen wäre selbst für den Fall des Bestehens eines solchen Hindernisses das auf Zahlung eines bestimmten Schadensersatzbetrages gerichtete Leistungsbegehren der Klägerin dahin auszulegen, dass jedenfalls die Feststellung des Bestehens ei-nes Schadensersatzanspruchs in dieser Höhe begehrt wird. Sofern die sonsti-gen Voraussetzungen des geltend
gemachten Schadensersatzanspruchs ge-geben sind, stünde der Umstand, dass das Vermögen der Beklagten im Zeit-punkt der Entscheidung zur Befriedigung etwaiger (hypothetischer) Abfindungs-
oder Auseinandersetzungsansprüche und des Schadensersatzanspruchs nicht ausreichte, einer Feststellung seines Bestehens nicht entgegen.
Ist die [X.] zwischen allen stillen [X.]ern tatsächlich aufgelöst und bestehen nach Beendigung der Auseinandersetzung zwischen dem Geschäftsherrn und allen stillen [X.]ern keine [X.] mehr, so stehen die Grundsätze der fehlerhaften [X.] einem verbleibenden, ggf. dem Grunde und dem Betrag nach bereits festge-stellten Schadensersatzanspruch eines geschädigten Anlegers gleichfalls nicht mezwischen geschädigten Anlegern mit ihren gegen den Geschäftsinhaber [X.] Schadensersatzansprüchen kommen. Die Mitgesellschafter stehen sich dabei jedoch nicht als solche, sondern lediglich als wie auch sonst miteinander konkurrierende Gläubiger eines Schuldners gegenüber. Aus diesem Grunde genügt es für den Wegfall des sich aus den Grundsätzen der fehlerhaften [X.] ergebenden Hindernisses auch, wenn das verbleibende Vermögen des [X.] im Zeitpunkt der Entscheidung über den gegen ihn [X.]
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richteten Schadensersatzanspruch neben diesem die (bestehenden und hypo-thetischen) Abfindungs-
oder Auseinandersetzungsansprüche der übrigen stil-len [X.]er deckt. Es ist dagegen nicht erforderlich, dass es auch [X.], um vergleichbare Schadensersatzansprüche anderer (getäuschter) stiller [X.]er zu befriedigen ([X.], Urteil vom 19.
November 2013 -
II
ZR
383/12, [X.], 2355
Rn. 30).
II[X.] Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben (§
562 Abs. 1 ZPO) und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit es die bislang offen gebliebenen Feststellungen zu den tat-sächlichen Voraussetzungen des von
der Klägerin geltend gemachten Scha-densersatzanspruchs treffen kann.

Bergmann

Strohn

[X.]

Reichart

Sunder
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 14.04.2011 -
330 O 19/10 -

O[X.], Entscheidung vom 17.05.2013 -
11 [X.] -

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Meta

II ZR 219/13

11.02.2014

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.02.2014, Az. II ZR 219/13 (REWIS RS 2014, 8054)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8054

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Beteiligung eines Kapitalanlegers an einer mehrgliedrigen stillen Gesellschaft in Form einer Publikumsgesellschaft: Anwendbarkeit der Grundsätze …


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