Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.07.2014, Az. II ZR 230/13

II. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 3722

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
II ZR
230/13
Verkündet am:

29. Juli 2014

Vondrasek

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

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Der I[X.]
Zivilsenat des [X.] hat im schriftlichen Verfahren, in dem bis zum 11. Juli 2014 Schriftsätze eingereicht werden konnten, durch
den
Vorsitzenden
[X.]
Dr.
Bergmann
und
den [X.] Dr. Strohn, die Richterinnen [X.], [X.] und den Richter Sunder

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Teilurteil des [X.] vom 17.
Mai 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das
Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin beteiligte sich mit Beitrittserklärung vom 4. April 2003 als atypisch stille [X.]erin an der Rechtsvorgängerin der Beklagten mit ei-

der die Ausschüttungen aus der Einmalanlage

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Höhe von 16.800

Mit Schreiben vom 7. Juli 2009 informierte die Beklagte die Klägerin und die weiteren Anleger über ihre wirtschaftlich schwierige Lage, die sich hieraus ergebende Notwendigkeit einer Liquidation und wies die Anleger darauf hin, dass shätten. Mit Schreiben vom 15. Juli 2009 erklärte die Klägerin daraufhin die
außerordentliche Kündigung ihrer stillen Beteiligung.
Mit der Behauptung, der Emissionsprospekt Stand 2003, den die Kläge-rin nicht vor Zeichnung der Beteiligung erhalten habe, weise zahlreiche, von ihr im Einzelnen dargelegte Fehler auf, außerdem habe der Vermittler die Risiken nicht richtig dargestellt und die Beklagte sei ihr daher zum Schadensersatz ver-pflichtet, hat die Klägerin von der Beklagten Rückzahlung ihrer bisher geleiste-aller Rechte aus der stillen Beteiligung verlangt. Ferner hat sie die Feststellung begehrt, dass der Beklagten ihr gegenüber aus der Beteiligung keinerlei [X.] mehr zustehen. Hilfsweise hat sie die Feststellung beantragt, dass sie die Beteiligung am 15. Juli 2009 wirksam außerordentlich gekündigt habe, und Auszahlung des auf diesen Zeitpunkt von der Beklagten noch zu berechnenden Abfindungsguthabens verlangt.
Das [X.] hat die Klage vollständig abgewiesen. Das Berufungs-gericht hat durch Teilurteil die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, soweit sie gegen die Abweisung ihres Hauptbegehrens gerichtet war; hinsichtlich der Hilfsanträge hat es die Sache für noch nicht entscheidungsreif gehalten. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Be-2
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klagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren nach Maßgabe ihrer [X.] in der Berufungsinstanz weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg und führt unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
[X.] Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt:
Der Klägerin stehe ein Schadensersatzanspruch auf Rückabwicklung
ihrer atypisch stillen Beteiligung unabhängig von der Frage eines Aufklärungs-mangels schon grundsätzlich nicht zu. Bei der Beklagten handele es sich
um eine mehrgliedrige atypische stille [X.], auf die die Grundsätze der [X.] wie bei einer Publikumsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG mit der Folge anzuwenden seien, dass der einzelne Ge-sellschafter gegen die [X.] grundsätzlich nur einen etwaigen Abfin-dungsanspruch geltend machen könne.
Etwas anderes folge auch nicht daraus, dass die Klägerin ihre Beteili-gung widerrufen habe. Unabhängig von der Frage, ob überhaupt ein Widerrufs-recht bestanden habe und
ob es rechtzeitig ausgeübt worden sei, führe auch der Widerruf nur zu einer Beendigung der Beteiligung ex nunc.
I[X.] Die Revision der Klägerin ist begründet.
1. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass zwischen den Parteien kein bloß zweigliedriges [X.]sverhältnis zustande gekommen ist, son-dern die Klägerin einer mehrgliedrigen stillen [X.] in Form einer Publi-5
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kumsgesellschaft beigetreten ist, bei der nach Invollzugsetzung für den Fall et-waiger anfänglicher Mängel die Grundsätze über die fehlerhafte [X.] Anwendung finden, ist zwar aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wie der Senat zu dem in den wesentlichen Bestimmungen übereinstimmenden stillen [X.]svertrag einer anderen (mehrgliedrigen) stillen [X.] ausge-führt hat ([X.], Urteil vom 19. November 2013 -
II ZR 383/12, [X.]Z 199, 104
Rn. 17 ff.; Urteil vom 19. November 2013 -
II ZR 320/12, juris, Rn. 14 ff.). [X.] der Auffassung des Berufungsgerichts schließt die Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften [X.] aber einen Anspruch der Klägerin auf Ersatz von Vermögensschäden, die ihr -
nach ihrem Vorbringen
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durch pflicht-widriges Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen im Zusammen-hang mit ihrem Beitritt zur [X.] entstanden sind, nicht von vornherein aus. Auch bei Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften [X.] kann, wie der Senat weiter entschieden hat, der Anleger, der sich an einer mehrglied-rigen stillen [X.] beteiligt hat, das stille [X.]sverhältnis unter Berufung auf den (behaupteten) [X.] durch sofort wirksame Kündi-gung beenden und unter Anrechnung des ihm bei Beendigung seines (fehler-haften) [X.]sverhältnisses gegebenenfalls zustehenden Abfindungsan-spruchs von dem Geschäftsinhaber Ersatz eines darüber hinausgehenden Schadens verlangen, wenn dadurch die gleichmäßige Befriedigung etwaiger Abfindungs-
oder Auseinandersetzungsansprüche der übrigen stillen Gesell-schafter nicht gefährdet ist ([X.], Urteil vom 19. November 2013 -
II ZR 383/12, [X.]Z 199, 104
Rn. 28 ff.).
2. Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Klägerin nach diesen Grundsätzen ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zusteht, hat das Berufungsgericht von seinem abweichenden Rechtsstandpunkt aus nicht ge-prüft. Mit der Begründung
des Berufungsgerichts kann die Abweisung der Klage 11
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hinsichtlich der [X.] daher keinen Bestand haben. Sie stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
a) Dass das Berufungsgericht lediglich durch Teilurteil über den Haupt-antrag auf Rückabwicklung entschieden hat, führt nicht etwa dazu, dass die Entscheidung im Einklang mit den oben dargestellten rechtlichen Vorgaben steht. Dabei kann dahinstehen, ob ein Teilurteil gemäß § 301 Abs.1 ZPO in [X.] überhaupt zulässig war oder wegen der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen hätte unterbleiben müssen (vgl. dazu [X.], Urteil vom 30.
November 2012 -
V [X.], [X.], 1009; Urteil vom 28. November 2003 -
V [X.], [X.]Z 157, 133, 142 f.). Jedenfalls hätte der Klägerin Ge-legenheit gegeben werden müssen, ihren Vortrag an die in den Vorinstanzen nicht erörterten, oben dargelegten rechtlichen Vorgaben anzupassen. Ein Ge-schädigter ist nicht ohne weiteres an eine von ihm ursprünglich gewählte Art der Schadensberechnung
gebunden (vgl. [X.], Urteil vom 18. Oktober 2011 -
VI
ZR 17/11, [X.], 50 Rn. 4 mwN). Die Klägerin kann insoweit nicht [X.] verwiesen werden, dass über ihre Hilfsanträge gesondert entschieden [X.]. Mit diesen hat sie nämlich lediglich die Feststellung, dass sie die Beteiligung wirksam gekündigt hat, sowie die Verurteilung der Beklagten zur Berechnung und Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens begehrt. Einen daneben eventuell bestehenden Schadensersatzanspruch hat sie mit den [X.] nicht verfolgt. Diese Möglichkeit muss ihr im Rahmen einer Umstellung ihres [X.] eingeräumt werden.
b) Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsge-richts und des Vorbringens der Parteien kann auch nicht angenommen werden, dass einem über einen Abfindungsanspruch hinausgehenden Schadensersatz-begehren der Klägerin zur Sicherung etwaiger Abfindungs-
oder Auseinander-setzungsansprüche der Mitgesellschafter der Erfolg zu versagen wäre. Ob und 12
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in welcher Höhe solche (hypothetischen) Ansprüche der anderen stillen Gesell-schafter bestehen und aus dem Vermögen der Beklagten befriedigt werden können, steht nicht fest und müsste gegebenenfalls die Beklagte darlegen und beweisen, wenn sie sich einem Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen-über darauf berufen wollte, dieser sei wegen einer Gefährdung der Abfindungs-
und Auseinandersetzungsansprüche der übrigen stillen [X.]er zumin-dest gegenwärtig nicht oder nicht in voller Höhe durchsetzbar. Im Übrigen wäre selbst für den Fall des Bestehens eines solchen Hindernisses das auf Zahlung eines bestimmten Schadensersatzbetrages gerichtete Leistungsbegehren der Klägerin dahin auszulegen, dass jedenfalls die Feststellung des Bestehens ei-nes Schadensersatzanspruchs in dieser Höhe begehrt wird. Sofern die sonsti-gen Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs ge-geben sind, stünde der Umstand, dass das Vermögen der Beklagten im Zeit-punkt der Entscheidung zur Befriedigung etwaiger (hypothetischer) Abfindungs-
oder Auseinandersetzungsansprüche und des Schadensersatzanspruchs nicht ausreichte, einer Feststellung seines Bestehens nicht entgegen.
Ist die [X.] zwischen allen stillen [X.]ern tatsächlich aufgelöst und bestehen nach Beendigung der Auseinandersetzung zwischen dem Geschäftsherrn und allen stillen [X.]ern keine [X.] mehr, so stehen die Grundsätze der fehlerhaften [X.] einem verbleibenden, ggf. dem Grunde und dem Betrag nach bereits festge-stellten Schadensersatzanspruch eines geschädigten Anlegers gleichfalls nicht zwischen geschädigten Anlegern mit ihren gegen den Geschäftsinhaber [X.] Schadensersatzansprüchen kommen. Die Mitgesellschafter stehen
sich dabei jedoch nicht als solche, sondern lediglich als wie auch sonst miteinander konkurrierende Gläubiger eines Schuldners gegenüber. Aus diesem Grunde genügt es für den Wegfall des sich aus den Grundsätzen der fehlerhaften [X.]
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sellschaft ergebenden Hindernisses auch, wenn das verbleibende Vermögen des [X.] im Zeitpunkt der Entscheidung über den gegen ihn ge-richteten Schadensersatzanspruch neben diesem die (bestehenden und hypo-thetischen) Abfindungs-
oder Auseinandersetzungsansprüche der übrigen stil-len [X.]er deckt. Es ist dagegen nicht erforderlich, dass es auch [X.], um vergleichbare Schadensersatzansprüche anderer (getäuschter) stiller [X.]er zu befriedigen ([X.], Urteil vom 19.
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383/12, [X.]Z 199, 104
Rn. 30).
II[X.] Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben (§
562 Abs. 1 ZPO) und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit die Klägerin Gelegenheit hat, ihre [X.] umzustel-len und das Berufungsgericht die bislang offen gebliebenen Feststellungen zu
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den tatsächlichen Voraussetzungen des von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruchs treffen kann.

Bergmann

Strohn

[X.]

Reichart

Sunder
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 27.01.2012 -
304 O 501/09 -

O[X.], Entscheidung vom 17.05.2013 -
11 U 30/12 -

Meta

II ZR 230/13

29.07.2014

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.07.2014, Az. II ZR 230/13 (REWIS RS 2014, 3722)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3722

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II ZR 383/12

II ZR 320/12

V ZR 245/11

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