Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.09.2015, Az. IX ZB 84/13

9. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 4868

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Gegenstand

Vollstreckbarerklärungsverfahren: Konkretisierung eines nach deutschem Recht nicht hinreichend konkreten ausländischen Titels; Darlegungslast für Versagungsgrund


Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 6. Zivilsenats des [X.] vom 8. November 2013 wird auf Kosten der Antragsgegnerin als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 139.726,19 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß Art. 44 der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (fortan: [X.] aF) in Verbindung mit § 15 Abs. 1 [X.], § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nach § 15 Abs. 1 [X.], § 574 Abs. 2 ZPO unzulässig, weil sie nicht aufzeigt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert.

2

1. Auf das Verfahren findet die Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 An[X.]dung, die in allen (damaligen) Mitgliedsstaaten der [X.] mit Ausnahme [X.] am 1. März 2002 in [X.] getreten ist (Art. 76 [X.] aF) und auf alle Klagen anzu[X.]den ist, die - wie vorliegend - danach erhoben worden sind (Art. 66 Abs. 1 [X.] aF). Die Verordnung ([X.]) Nr. 1215/2012 des [X.] und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 12. Dezember 2012 (fortan: [X.] nF) kommt nach Art. 66 Abs. 1 [X.] nF nicht zur An[X.]dung, weil das Verfahren nicht am 10. Januar 2015 oder danach eingeleitet worden ist. Für die vor dem 10. Januar 2015 eingeleiteten Verfahren findet nach Art. 66 Abs. 2 [X.] nF die Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 weiterhin An[X.]dung.

3

2. Die von der Rechtsbeschwerde geltend gemachten Zulässigkeitsgründe liegen nicht vor:

4

a) Das Beschwerdegericht hat nicht gegen das Verbot der reformatio in peius verstoßen, indem es bei der Vollstreckbarerklärung des [X.] Titels, der den nach [X.] Zwangsvollstreckungsrecht zu stellenden Bestimmtheitsanforderungen nicht genügte, die erforderlichen Konkretisierungen anhand des in dem Fall in Bezug genommenen Mahnbescheides und weiterer Unterlagen vorgenommen hat. An der Richtigkeit der Konkretisierungen zweifelt die Rechtsbeschwerde nicht. Das [X.] hatte dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung in vollem Umfang stattgegeben, wobei es die erforderlichen Konkretisierungen unterließ. Über die Entscheidungen des [X.]s ist das Beschwerdegericht inhaltlich zu Lasten der Antragsgegnerin im Ergebnis nicht hinausgegangen. Klärungsbedürftige Grundsatzfragen stellen sich in diesem Zusammenhang nicht.

5

b) Das Beschwerdegericht ist mit seiner Entscheidung auch nicht über den Antrag der Gläubigerin hinausgegangen. In ihrem Antrag auf Vollstreckbarerklärung war, was sich durch Auslegung ohne weiteres ergab, zu jeder Zeit, auch im Beschwerdeverfahren, der Antrag enthalten gewesen, die Vollstreckbarerklärung mit der erforderlichen Konkretisierung des vollstreckbaren Inhalts des Titels vorzunehmen. Es ist nicht erforderlich, dass der Antrag mit dem Entscheidungstenor wörtlich übereinstimmt.

6

Im Interesse der [X.] muss im Exequaturverfahren eine Konkretisierung oder Ergänzung für vollstreckbar zu erklärende, nach [X.] Recht nicht hinreichend konkretisierte Titel vorgenommen werden ([X.], Beschluss vom 4. März 1993 - [X.], [X.]Z 122, 16, 18; vom 30. November 2011 - [X.], [X.], 179 Rn. 6). Gegebenenfalls muss hierzu auch eine Beweisaufnahme zum ausländischen Recht durchgeführt werden, [X.]n sich hieraus der konkrete Inhalt des Titels ergibt ([X.], Beschluss vom 30. November 2011, aaO; Beschluss vom 21. November 2013 - [X.], [X.], 42 Rn. 9). Die hierauf vorzunehmenden Konkretisierungen obliegen dem Gericht des Vollstreckungsstaates. Auch in diesem Zusammenhang stellen sich keine entscheidungserheblichen Grundsatzfragen.

7

c) Die Beschwerdeentscheidung verstößt nicht deshalb gegen den [X.] (Art. 34 Nr. 1 [X.] aF), weil die Antragstellerin in [X.] die streitgegenständlichen Ansprüche in einem gesonderten Verfahren auch gegen die Weinhandlung [X.]     geltend macht. Da aus der Sicht der Antragstellerin ungeklärt ist, gegen [X.] sich der Anspruch richtet, durfte sie gegen beide möglichen Passivlegitimierte vorgehen. Auch nach [X.] Recht wäre sie hierzu berechtigt und nicht darauf beschränkt gewesen, nur gegen einen von beiden mit gleichzeitiger Streitverkündung an den anderen zu klagen.

8

aa) Der Versagungsgrund des Art. 34 Nr. 1 [X.] aF ist von Amts wegen zu prüfen, doch sind die hierfür entscheidungserheblichen Tatsachen vom Antragsgegner darzulegen (st.Rspr., vgl. zuletzt [X.], Beschluss vom 14. Juni 2012 - [X.], [X.], 1445 Rn. 9; vom 8. März 2012 - [X.] 144/10, [X.], 662 Rn. 17). Der Kläger ist dann, [X.]n er gegen mehrere in Betracht kommende Anspruchsgegner getrennt klagt, an die prozessuale Wahrheitspflicht gebunden. Er kann aber in den Prozessen alternativ die für ihn günstigere Sachverhaltsvariante vortragen und unter Beweis stellen, [X.]n nicht von vorneherein gesichert ist, dass er die Version, die er für wahr hält, tatsächlich auch beweisen kann. Sollte nämlich die Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts etwas anderes ergeben, muss er ebenfalls seine Rechte wahrnehmen können. Ein Verstoß gegen die Wahrheitspflicht ist deshalb nicht feststellbar. Ob die eidesstattliche Versicherung des     [X.]     inhaltlich richtig ist, steht nicht fest.

9

Der Versagungsgrund des Art. 34 Nr. 1 [X.] aF kann zwar im Falle des [X.] eingreifen (vgl. etwa [X.], Beschluss vom 6. Mai 2004 - [X.] 43/03, [X.], 1391, 1393). [X.] Anhaltspunkte für einen Prozessbetrug hat das Beschwerdegericht aber zutreffend verneint.

bb) Davon abgesehen hindert ein möglicher Prozessbetrug die Vollstreckbarerklärung nicht, [X.]n gegen die Entscheidung des [X.] ein Rechtsmittel eingelegt wurde, in welchem der Prozessbetrug geltend gemacht werden konnte oder noch geltend gemacht werden kann ([X.], Beschluss vom 15. Mai 2014 - [X.] 26/13, [X.], 1295 Rn. 6 mwN). So war es hier. Auch insoweit stellen sich keine klärungsbedürftigen Grundsatzfragen.

3. Die vom [X.] im Beschwerdeverfahren vor dem [X.] gestellten Anträge sind sämtlich verbeschieden worden. Ein [X.] liegt auch insoweit nicht vor, insbesondere ist das Recht der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör nicht verletzt worden.

Kayser                           Gehrlein                      Vill

                Lohmann                          Bär

Meta

IX ZB 84/13

24.09.2015

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Nürnberg, 8. November 2013, Az: 6 W 768/12

Art 34 Nr 1 EGV 44/2001

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.09.2015, Az. IX ZB 84/13 (REWIS RS 2015, 4868)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 4868

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