Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30.08.2012, Az. 2 B 21/12

2. Senat | REWIS RS 2012, 3535

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Garantie des gesetzlichen Richters; dienstliche Überbeanspruchung des Richters; überlange Verfahrensdauer; Entfernung aus dem Beamtenverhältnis


Gründe

1

[X.]ie auf sämtliche Zulassungsgründe gestützte [X.]eschwerde (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO und § 66 Abs. 1 Thür[X.]G) hat keinen Erfolg.

2

1. [X.]er [X.]eklagte steht als Justizvollzugshauptsekretär im [X.]ienst des [X.]. Im September 2005 wurde er wegen sexuellen Missbrauchs einer Gefangenen (§ 174a Abs. 1 StG[X.]) zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Gegenstand des [X.]isziplinarverfahrens ist zum einen der strafrechtlich abgeurteilte Vorwurf, mit einer Untersuchungsgefangenen geschlechtlich verkehrt zu haben. Zum anderen wird dem [X.]eklagten vorgeworfen, diese Untersuchungsgefangene in zwei weiteren Fällen in der Justizvollzugsanstalt geküsst und ihr an die bedeckte [X.]rust gefasst sowie eine andere Gefangene während seines [X.]ienstes geküsst sowie ihre bedeckte [X.]rust und ihr bedecktes Geschlechtsteil gestreichelt zu haben. [X.]abei habe er auch ihre Hand genommen und diese an sein bedecktes Geschlechtsteil gedrückt, wobei seine Uniformhose offen gestanden habe. [X.]as Verwaltungsgericht hat den [X.]eklagten aus dem [X.]ienst entfernt. [X.]as Oberverwaltungsgericht hat die [X.]erufung des [X.]eklagten zurückgewiesen. Zur [X.]egründung hat es ausgeführt:

3

[X.]er [X.]eklagte habe durch sein Verhalten einerseits das für die Ausübung seines [X.]erufs erforderliche Vertrauen des [X.], sein Ansehen, seine Autorität und Glaubwürdigkeit innerhalb und außerhalb der Justizvollzugsanstalt irreparabel zerstört sowie andererseits das Ansehen seiner gesamten [X.]erufsgruppe erheblich beeinträchtigt. [X.]as Eigengewicht des [X.]ienstvergehens sei besonders gravierend. [X.]as Gebot der Zurückhaltung gegenüber Strafgefangenen sei für die in einer Strafvollzugsanstalt tätigen [X.]eamten besonders bedeutsam. Es diene sowohl dem Schutz der Gefangenen als auch dem Interesse an einem sicheren und geordneten Strafvollzug. [X.]ie zu Gunsten des [X.]eklagten erkennbaren Entlastungsgründe könnten weder jeweils für sich genommen noch bei einer zusammenfassenden Würdigung die Annahme eines Restvertrauens und damit eine nachsichtigere [X.]etrachtungsweise rechtfertigen. [X.]a es mehrfach zum Austausch von Zärtlichkeiten gekommen sei, liege keine das Gewicht des [X.]ienstvergehens relativierende persönlichkeitsfremde Augenblickstat vor. [X.]ie vorübergehende Weiterbeschäftigung des [X.]eklagten wirke sich ebenso wenig maßnahmemildernd aus wie die [X.]auer des [X.]isziplinarverfahrens.

4

2. [X.]ie vom [X.]eklagten geltend gemachten Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO und § 66 Abs. 1 Thür[X.]G) rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht.

5

a) [X.]ie von der [X.]eschwerde beanstandete Abordnung des Präsidenten des [X.] an das [X.] mit der Hälfte seiner Arbeitskraft für die [X.]auer von sechs Monaten sowie seine Zuweisung zum [X.]isziplinarsenat des [X.] durch den [X.]eschluss des Präsidiums des [X.] zur Änderung des [X.] vom 30. September 2011 verletzt den [X.]eklagten nicht in seinem Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

6

Wird, wie hier, die nicht vorschriftsmäßige [X.]esetzung des erkennenden Gerichts wegen der Änderung seines [X.] geltend gemacht, ist die Prüfung nicht lediglich auf eine Willkürkontrolle beschränkt. Vielmehr sind die die Überprüfung des [X.] selbst betreffenden [X.] unmittelbar an den Gewährleistungen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zu messen ([X.], [X.] vom 16. Februar 2005 - 2 [X.]vR 581/03 - NJW 2005, 2689 <2690> = juris Rn. 22 und vom 23. Mai 2012 - 2 [X.]vR 610/12 - NStZ 2012, 458 Rn. 13).

7

Mit der Garantie des gesetzlichen Richters will Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG der Gefahr vorbeugen, dass die Justiz durch eine Manipulation der rechtsprechenden Organe sachfremden Einflüssen ausgesetzt wird. [X.]arüber hinaus hat die Garantie des gesetzlichen Richters auch einen materiellen Gewährleistungsgehalt, der dem [X.] [X.]ürger im Einzelfall garantiert, vor [X.] zu stehen, der die [X.] und [X.]istanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet ([X.], [X.]eschluss vom 8. Juni 1993 - 1 [X.]vR 878/90 - [X.]E 89, 28 <36> m.w.N.).

8

Eine von einem Verfahrensbeteiligten geltend gemachte Überbeanspruchung eines einzelnen Richters betrifft - unabhängig davon, ob eine solche tatsächlich vorliegt - nicht den Anspruch des [X.]eteiligten auf [X.]. Es ist Sache des betroffenen Richters und Ausfluss seiner richterlichen Unabhängigkeit, ob er sich gegen eine etwaige dienstliche Überbeanspruchung wehrt oder diese durch ein überobligatorisches Arbeitspensum bewältigt. Auch wenn Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dem Rechtsuchenden die materielle Gewähr eines unabhängigen Richters bietet, macht ihn das nicht zum Interessenwalter des Richters und er kann nicht eine aus dessen Arbeitsbelastung abgeleitete [X.]eeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit geltend machen ([X.], [X.] vom 23. Mai 2012 a.a.[X.] Rn. 14 bis 19).

9

b) Es ist auch nicht verfahrensfehlerhaft, dass das Oberverwaltungsgericht über die Rüge des [X.]eklagten, der Senat sei wegen der Mitwirkung des Präsidenten des [X.] unrichtig besetzt, nicht vorab durch gesonderten [X.]eschluss entschieden, sondern hierüber erst im Urteil befunden hat.

[X.]as Gericht ist nur dann zu einer gesonderten Entscheidung durch [X.]eschluss vor der Sachentscheidung verpflichtet, wenn der Gesetzgeber dies, wie etwa bei § 86 Abs. 2 VwGO oder § 45 Abs. 1 ZPO, ausdrücklich angeordnet hat. Hinsichtlich des Vorbehalts, den der [X.]eklagte ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht vom 5. [X.]ezember 2011 erhoben und aufrechterhalten hat, fehlt es an einer entsprechenden gesetzlichen Regelung. Es handelt sich ersichtlich nicht um ein Ablehnungsgesuch im Sinne von § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO. [X.]er [X.]eklagte hat weder geltend gemacht, der Präsident des [X.] werde wegen der [X.]esorgnis der [X.]efangenheit abgelehnt, noch lässt das Vorbringen Anhaltspunkte für die Annahme des [X.]eklagten erkennen, der Präsident sei von der Ausübung des [X.] ausgeschlossen (§ 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 41 und 42 ZPO sowie § 54 Abs. 2 VwGO).

3. [X.]ie Revision ist auch nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache zuzulassen.

Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und § 66 Abs. 1 Thür[X.]G, wenn sie eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche, noch ungeklärte Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen [X.]edeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO und § 66 Abs. 1 Thür[X.]G obliegt es dem [X.]eschwerdeführer, diese Voraussetzungen darzulegen ([X.]eschluss vom 2. Oktober 1961 - [X.]VerwG 8 [X.] 78.61 - [X.]VerwGE 13, 90 <91> = [X.] 310 § 132 VwGO Nr. 18 S. 21 f.). [X.]iese Voraussetzungen sind hinsichtlich der vom [X.]eklagten aufgeworfenen Rechtsfragen zur [X.]edeutung der unangemessenen [X.]auer des [X.]isziplinarverfahrens für die [X.]emessung der [X.]isziplinarmaßnahme nicht erfüllt.

In der Rechtsprechung des [X.] ist auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] geklärt, dass die unangemessene [X.]auer des [X.]isziplinarverfahrens es nicht rechtfertigt, von der Entfernung aus dem [X.]eamtenverhältnis abzusehen, wenn diese Maßnahme disziplinarrechtlich geboten ist (stRspr; zuletzt Urteil vom 29. März 2012 - [X.]VerwG 2 A 11.10 - und [X.]eschluss vom 16. Mai 2012 - [X.]VerwG 2 [X.] 3.12 -, jeweils zur [X.] in der Entscheidungssammlung [X.] vorgesehen). Gesichtspunkte, die eine erneute Prüfung erforderlich machen, legt die [X.]eschwerde nicht dar.

[X.]ie Maßnahmebemessung nach § 11 Thür[X.]G hat sich an dem Zweck der [X.]isziplinarbefugnis zu orientieren, die Integrität des [X.]erufsbeamtentums und damit die Funktionsfähigkeit des öffentlichen [X.]ienstes zu gewährleisten. [X.]aher ist Gegenstand der disziplinarrechtlichen [X.]etrachtung und Wertung die Frage, ob ein [X.]eamter nach seiner gesamten Persönlichkeit noch im [X.]eamtenverhältnis tragbar ist und falls dies zu bejahen ist, ob durch eine [X.]isziplinarmaßnahme auf ihn eingewirkt werden muss, um zu verhindern, dass der [X.]eamte das für die [X.]ienstausübung unabdingbare Vertrauen dauerhaft verliert. Allerdings sind bei der Ausübung der [X.]isziplinarbefugnis das Schuldprinzip und das Gebot der Verhältnismäßigkeit zu beachten. [X.]araus folgt, dass die [X.]isziplinarmaßnahme nach einer Gesamtwürdigung aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Umstände unter [X.]erücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des [X.]eamten zu bestimmen ist, wobei der Schwere des [X.]ienstvergehens richtungweisende [X.]edeutung zukommt. [X.]ie Entfernung des [X.]eamten aus dem [X.]eamtenverhältnis ist geboten, wenn der [X.]eamte das Vertrauen des [X.]ienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat. [X.]ies ist der Fall, wenn die Gesamtwürdigung unter [X.]erücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ergibt, der [X.]eamte werde auch künftig in erheblicher Weise gegen [X.]ienstpflichten verstoßen oder die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des [X.]erufsbeamtentums sei bei Fortführung des [X.]eamtenverhältnisses irreparabel (stRspr; vgl. nur Urteil vom 3. Mai 2007 - [X.]VerwG 2 [X.] 9.06 - [X.] 235.1 § 13 [X.][X.]G Nr. 3 Rn. 16 ff.).

Ist der [X.]eamte nach diesen [X.]ewertungsmaßstäben wegen eines schwerwiegenden [X.]ienstvergehens im öffentlichen [X.]ienst untragbar geworden, so kann er nicht deshalb [X.]eamter bleiben, weil das [X.]isziplinarverfahren unangemessen lange gedauert hat. In diesem Fall lässt sich die Anerkennung eines Milderungsgrundes der überlangen Verfahrensdauer nicht mit dem Zweck der [X.]isziplinarbefugnis vereinbaren. [X.]ie Funktionsfähigkeit des öffentlichen [X.]ienstes wäre nicht mehr gewährleistet, wenn [X.]eamte, deren berufliche Integrität dauerhaft beschädigt ist, weiterhin [X.]ienst leisten würden. [X.]as verlorene Vertrauen kann nicht durch Zeitablauf wiederhergestellt werden. Ergibt die Gesamtwürdigung dagegen, dass eine pflichtenmahnende [X.]isziplinarmaßnahme notwendig, aber auch ausreichend ist, steht fest, dass der [X.]eamte im öffentlichen [X.]ienst noch tragbar ist. Unter dieser Voraussetzung kann eine unangemessen lange Verfahrensdauer bei der [X.]estimmung der [X.]isziplinarmaßnahme nach dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit mildernd berücksichtigt werden ([X.], [X.]eschluss vom 4. Oktober 1977 - 2 [X.]vR 80/77 - [X.]E 46, 17 <28 f.>; [X.] vom 9. August 2006 - 2 [X.]vR 1003/05 - [X.]V[X.]l 2006, 1372 <1373>; [X.]VerwG, Urteile vom 22. Februar 2005 - [X.]VerwG 1 [X.] 30.03 - juris Rn. 80, vom 8. Juni 2005 - [X.]VerwG 1 [X.] 3.04 - juris Rn. 27 und vom 7. Februar 2008 - [X.]VerwG 1 [X.] 4.07 - juris ; [X.]eschlüsse vom 13. Oktober 2005 - [X.]VerwG 2 [X.] 19.05 - [X.] 235.1 § 15 [X.][X.]G Nr. 2 Rn. 8 und vom 26. August 2009 - [X.]VerwG 2 [X.] 66.09 - juris Rn. 11).

[X.]iesen Unterschied hat der Gesetzgeber dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er in § 12 Thür[X.]G die Entfernung aus dem [X.]eamtenverhältnis im Gegensatz zu allen anderen [X.]isziplinarmaßnahmen vom [X.] wegen Zeitablaufs ausgenommen hat.

Etwas anderes folgt auch nicht aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.]. [X.]anach hat jede Person u.a. ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in [X.]ezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen von einem Gericht innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. [X.]er [X.] geht davon aus, dass Art. 6 [X.] in seiner zivilrechtlichen [X.]edeutung auf ein [X.]isziplinarverfahren, in dem der [X.]eamte wegen eines [X.]ienstvergehens aus dem [X.]ienst entfernt worden ist, anwendbar ist ([X.], Urteil vom 16. Juli 2009 - 8453/04 - Rn. 39 m.w.N. = NVwZ 2010, 1015 ff.). [X.]anach liegt ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] vor, wenn das [X.]isziplinarverfahren von seiner Einleitung durch den [X.]ienstherrn bis zum rechtskräftigen Abschluss unangemessen lange gedauert hat. [X.]ie Angemessenheit ist aufgrund einer Gesamtbetrachtung unter [X.]erücksichtigung der Schwierigkeit des Falles, des Verhaltens des [X.]eamten, der Vorgehensweise der [X.]ehörden und Gerichte sowie der [X.]edeutung des Verfahrens für den [X.]eamten zu beantworten ([X.], Urteil vom 16. Juli 2009 a.a.[X.]).

Eine unangemessen lange Verfahrensdauer im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] hat jedoch nicht zur Folge, dass dem [X.]etroffenen aus diesem Grund eine Rechtsstellung eingeräumt werden muss, die im Widerspruch zu dem entscheidungserheblichen innerstaatlichen materiellen Recht steht. Vielmehr kann die unangemessene Verfahrensdauer für den Ausgang des zu lange dauernden Rechtsstreits nur dann zu Gunsten des [X.]etroffenen berücksichtigt werden, wenn das innerstaatliche Recht dies vorsieht oder zulässt. Ob diese Möglichkeit besteht, ist durch die Auslegung der einschlägigen materiellrechtlichen [X.]estimmungen zu ermitteln.

[X.]ies wird durch die [X.] bestätigt, die den Fall, dass das innerstaatliche Recht eine vollkommene Wiedergutmachung nicht gestattet, in Art. 41 ausdrücklich regelt und hierfür (lediglich) die Möglichkeit der Gewährung einer gerechten Entschädigung vorsieht. Urteile des [X.] entfalten nur eine Feststellungswirkung. Unmittelbare innerstaatliche Wirkung haben sie nur, wenn das innerstaatliche Recht dies regelt (vgl. etwa § 359 Nr. 6 StPO sowie § 580 Nr. 8 ZPO). Auch Art. 46 Abs. 1 [X.], wonach der Vertragsstaat verpflichtet ist, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen, führt nicht dazu, dass der Vertragsstaat dem [X.]etroffenen allein wegen der überlangen [X.]auer des Verfahrens eine Rechtsstellung einräumen muss, die diesem nach dem maßgeblichen innerstaatlichen materiellen Recht nicht zusteht; der Gerichtshof spricht vielmehr eine gerechte Entschädigung als Ersatz für materielle wie immaterielle Schäden zu (vgl. [X.], [X.], 3. Aufl., Art. 41, Rn. 21).

[X.]er [X.]undesgesetzgeber hat die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] wegen unangemessen langer Verfahrensdauer durch das am 3. [X.]ezember 2011 (Art. 24) in [X.] getretene Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 ([X.]G[X.]l I S. 2302) eigenständig geregelt. [X.]iese [X.]estimmungen gelten nach § 173 Satz 2 VwGO und § 21 Thür[X.]G auch für das gerichtliche [X.]isziplinarverfahren. [X.]er Gesetzgeber hat dem betroffenen Verfahrensbeteiligten für den Fall der gerügten unangemessenen [X.]auer eines Gerichtsverfahrens für dadurch verursachte Vermögensnachteile und immaterielle Folgen grundsätzlich einen Anspruch auf angemessene Entschädigung eingeräumt. Nach § 198 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 [X.] geht die Wiedergutmachung des Verstoßes gegen das Gebot des gerichtlichen Rechtsschutzes in angemessener Zeit auf andere Weise dem Entschädigungsanspruch vor, der die durch die verzögerte gerichtliche Entscheidung bestimmte Rechtslage unberührt lässt.

[X.]er Gesetzgeber hat aber davon abgesehen, in §§ 198 ff. [X.] die Formen einer solchen Wiedergutmachung abschließend festzulegen ([X.]T[X.]rucks 17/3802, [X.] und 19). Er hat aber auch nicht vorgesehen, dass die Wiedergutmachung in der Weise zu erfolgen hat, dass dem [X.]etroffenen als Ausgleich für die Verzögerung des gerichtlichen Verfahrens die den Gegenstand des Rechtsstreits bildende Rechtsposition einzuräumen ist, deren materiellrechtliche Voraussetzungen der [X.]etroffene nicht erfüllt. Für andere als strafgerichtliche Verfahren (§ 199 Abs. 3 [X.]) hat der Gesetzgeber in den §§ 198 ff. [X.] als Form der Wiedergutmachung auf andere Weise lediglich die Möglichkeit einer Feststellung der überlangen Verfahrensdauer durch das Entschädigungsgericht bei gleichzeitiger Freistellung des [X.] von den Kosten des [X.] geregelt ([X.]T[X.]rucks 17/3802, [X.]). Ob im Übrigen eine dem Entschädigungsanspruch vorgehende Wiedergutmachung auf andere Weise möglich ist, richtet sich nach den jeweiligen formellen und materiellrechtlichen [X.]estimmungen. [X.]ie für die [X.]emessung der [X.]isziplinarmaßnahme maßgeblichen Vorschriften schließen aber, wie dargelegt, die Wiederherstellung des verlorenen Vertrauens des [X.]ienstherrn oder der Allgemeinheit allein durch eine unangemessene [X.]auer des [X.]isziplinarverfahrens aus.

4. [X.]ie Revision ist schließlich auch nicht wegen [X.]ivergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO und § 66 Abs. 1 Thür[X.]G) zuzulassen. Eine die Revision eröffnende [X.]ivergenz ist in [X.]ezug auf eine Entscheidung des [X.]undesverfassungsgerichts nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO und § 66 Abs. 1 Thür[X.]G hinreichend bezeichnet, wenn die [X.]eschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des [X.]undesverfassungsgerichts aufgestellten ebensolchen, die - benannte - Entscheidung des [X.]undesverfassungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. [X.]eschluss vom 21. Juni 1995 - [X.]VerwG 8 [X.] 61.95 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 18). [X.]iese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

In dem von der [X.]eschwerde herangezogenen [X.]eschluss vom 19. Oktober 2011 (- 2 [X.]vR 754/10 -) hat das [X.]undesverfassungsgericht nicht den Rechtssatz aufgestellt, eine konventionswidrig überlange Verfahrensdauer eines verwaltungsgerichtlichen [X.]isziplinarverfahrens müsse zu Gunsten des [X.]eamten bei der Würdigung seiner Tat und Persönlichkeit entlastend berücksichtigt werden, obwohl ohne [X.]erücksichtigung der Verfahrensdauer ein endgültiger Vertrauensverlust festzustellen wäre und der [X.]eamte aus dem [X.]ienst entfernt werden müsste.

Meta

2 B 21/12

30.08.2012

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Thüringer Oberverwaltungsgericht, 5. Dezember 2011, Az: 8 DO 329/08, Urteil

Art 101 Abs 1 GG, § 132 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 132 Abs 2 Nr 1 VwGO, Art 6 Abs 1 S 1 MRK, § 12 DG TH

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30.08.2012, Az. 2 B 21/12 (REWIS RS 2012, 3535)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3535

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