BT-Drucksache 18/9904

Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie

Vom 4. Oktober 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9904
18. Wahlperiode 04.10.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jutta Krellmann, Klaus Ernst, Sabine Zimmermann (Zwickau),
Herbert Behrens, Karin Binder, Eva Bulling-Schröter, Susanna Karawanskij,
Sabine Leidig, Ralph Lenkert, Thomas Lutze, Thomas Nord, Richard Pitterle,
Michael Schlecht, Dr. Axel Troost, Hubertus Zdebel und der Fraktion DIE LINKE.

Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie

Am 28. September 2016 wurde der Bundesregierung von deutschen Unterneh-
men der Fleischwirtschaft der erste Bericht zur Selbstverpflichtungserklärung der
Fleischwirtschaft übergeben, mit dem die Unternehmen ihr Engagement bei der
Eindämmung rechtswidriger und stark ausbeuterischer Arbeitsbedingungen in
der Fleischindustrie dokumentieren wollen. Jüngeren Medienberichten und Un-
tersuchungen zufolge ist aber die Fleischindustrie in weiten Teilen noch immer
gekennzeichnet von unhaltbaren Arbeitsbedingungen (vgl etwa: SOMO/Europä-
ischer Gewerkschaftsbund: The Impact of Letterbox-Type Practices on Labour
Rights and Public Revenue 2016 sowie „Zustände in der Fleischindustrie kaum
verbessert“, Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 12. März 2016).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Beschäftigte sind nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit in

Deutschland in der fleischverarbeitenden Industrie tätig, wie viele in den fünf
größten fleischverarbeitenden Unternehmen und den fünf größten Schlacht-
höfen und wie viele in den Unternehmen und Schlachthöfen, die die „Selbst-
verpflichtung der Unternehmen für attraktivere Arbeitsbedingungen“ der
Fleischindustrie unterzeichnet haben?
a) Bitte nach Vollzeit/Teilzeit/geringfügiger Beschäftigung; Geschlecht, Al-

ter und Bundesland differenzieren, und wie haben sich diese Zahlen in
den vergangenen zehn Jahren entwickelt?

b) Bitte nach einfacher/komplexerer Tätigkeit, Beschäftigungsverhältnis
(Festanstellung, Leiharbeit, Werkvertrag), Geschlecht und Bundesland
differenzieren, und wie haben sich die Zahlen in den vergangenen zehn
Jahren entwickelt?

2. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung der durchschnittliche
Bruttostundenlohn und das durchschnittliche Bruttomonatsentgelt von in der
Fleischverarbeitung tätigen Beschäftigten, und wie hoch ist dieses Entgelt im
Vergleich dazu in der Gesamtwirtschaft; jeweils differenziert nach Ge-
schlecht, einfacher/komplexerer Tätigkeit, Bundesland, Beschäftigungsver-
hältnis (Festanstellung, Leiharbeit, Werkvertrag), und wie hat sich das Ge-
halt in den vergangenen zehn Jahren entwickelt?

Drucksache 18/9904 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Tarifbindung in der
fleischverarbeitenden Industrie, wie hat sich die Tarifbindung seit 1996 ent-
wickelt, und wie viele Beschäftigte bzw. Betriebe fallen in der fleischverar-
beitenden Industrie unter einen Tarifvertrag (bitte sowohl die absoluten Zah-
len als auch die jährlichen Veränderungsraten seit 1996 darstellen und nach
Flächentarif und Haustarif differenzieren)?

4. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Anzahl und der Anteil
der Niedriglohnbeziehenden in der fleischverarbeitenden Industrie, und wie
hoch ist der Anteil im Vergleich dazu in der Gesamtwirtschaft (bitte die
jüngst verfügbaren Daten angeben sowie jeweils die vergangenen zehn Jahre
darstellen und nach Geschlecht, einfacher/komplexer Tätigkeit, Bundesland
und Beschäftigungsverhältnis (Festanstellung, Leiharbeit, Werkvertrag) dif-
ferenzieren)?

5. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung sowohl die durchschnittli-
che, tarifliche als auch die tatsächliche Arbeitszeit von Beschäftigten in der
fleischverarbeitenden Industrie und dazu im Vergleich zur Gesamtwirtschaft
(bitte die jüngst verfügbaren Daten angeben sowie jeweils die vergangenen
zehn Jahre darstellen; bitte nach Vollzeit/Teilzeit, Geschlecht, Alter, Be-
schäftigungsverhältnis (Festanstellung, Leiharbeit, Werkvertrag) und Bun-
desland differenzieren)?

6. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung das Arbeitszeitvolumen in
der fleischverarbeitenden Industrie in den letzten zehn Jahren entwickelt
(bitte sowohl die absoluten Zahlen als auch die jährlichen Veränderungsraten
darstellen und nach Teilzeit und Vollzeit unterscheiden), und auf wie viele
Arbeitsplätze und Beschäftigte verteilt sich dieses Arbeitsvolumen (bitte die
Zahl der Arbeitsplätze sowie die Zahl der Beschäftigten der vergangenen
zehn Jahre ausweisen)?

7. Wie viele Tiere (ohne Fisch) werden nach Kenntnis der Bundesregierung
jährlich in Deutschland geschlachtet und verarbeitet, wie hoch ist der jährli-
che Bedarf in Deutschland, und wie haben sich die Zahlen in den vergange-
nen zehn Jahren entwickelt (bitte die Anzahl der Tiere und Gewicht, geglie-
dert nach Tierarten angeben)?

8. Von wie vielen Fällen hat die Bundesregierung Kenntnis, bei denen zumin-
dest der Verdacht besteht, dass in der Fleischverarbeitung, besonders beim
Einsatz von Werkverträgen, Vorschriften zum Mindestlohn, zu Arbeits- und
Ruhezeiten, zur Leistung von Sozialversicherungsbeiträgen, zu Urlaubsan-
sprüchen der Beschäftigten und andere arbeitsrechtliche Vorschriften um-
gangen wurden (bitte nach Zahl der betroffenen Beschäftigten, Art des Ver-
dachts, Bundesland differenzieren), und welche Maßnahmen will die Bun-
desregierung wann einleiten, um dem entgegenzutreten?
Bei wie vielen dieser Fälle sind nach Kenntnis der Bundesregierung Tochter-
oder Briefkastenfirmen mit Sitz in Deutschland oder im EU-Ausland betei-
ligt, bei denen zumindest der Verdacht naheliegt, dass die Tochter- oder
Briefkastenfirmen die Durchsetzung der Arbeitnehmerrechte und die Rechts-
verfolgung erschweren sollen?

9. Zu wie vielen der in Frage 8 abgefragten Fälle wurden nach Kenntnis der
Bundesregierung Anzeigen erstattet, Ermittlungen eingeleitet, Klagen erho-
ben, und wenn keine Ermittlungen eingeleitet wurden, aufgrund welcher
Umstände wurde darauf verzichtet (bitte Verstöße angeben)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9904

10. Wie viele Fälle sind der Bundesregierung bekannt, bei denen in der Fleisch-

verarbeitung tätige Beschäftigte eines zahlungsunfähigen Werkvertragneh-
mers einem anderen Werkvertragnehmer überstellt wurden, nachdem oder
während Ermittlungen eingeleitet wurden wegen des Verdachts des Versto-
ßes gegen arbeits- oder steuerrechtliche Vorschriften, und bei wie vielen die-
ser Fälle liegt zumindest die Vermutung einer strategischen Insolvenz vor
(bitte Anzahl der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nen-
nen)?

11. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Verteilung der
Schlachthöfe in den vergangenen zehn Jahren entwickelt, und wie hat sich
parallel dazu die Beschäftigtenanzahl verändert (bitte nach Bundesländern,
Vollzeit, Teilzeit, geringfügiger Beschäftigung, Leiharbeit und Werkverträ-
gen differenzieren)?

12. Welchen Einfluss auf die fleischverarbeitende Industrie hat nach Kenntnis
der Bundesregierung die zunehmende Konzentration auf immer größere
Schlachthöfe in Bezug auf die Verlagerung von Arbeitsplätzen, die Verlage-
rung von Betrieben und Unternehmen und die Entwicklung von Leiharbeit
und Werkverträgen?

Berlin, den 30. September 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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