BT-Drucksache 18/973

Erinnerung und Gedenken an die Opfer des Völkermordes in Ruanda 1994

Vom 1. April 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/973
18. Wahlperiode 01.04.2014

Antrag
der Abgeordneten Philipp Mißfelder, Sibylle Pfeiffer, Frank Heinrich
(Chemnitz), Norbert Barthle, Julia Bartz, Dr. André Berghegger, Dr. Christoph
Bergner, Peter Beyer, Klaus Brähmig, Helmut Brandt, Cajus Caesar, Thomas
Dörflinger, , Dr. Thomas Feist, Dr. Maria FlachsbarthThorsten Frei, Alexander
Funk, Dr. Peter Gauweiler, Alois Gerig, Eberhard Gienger, Astrid
Grotelüschen, Monika Grütters, Manfred Grund, Fritz Güntzler, Olav Gutting,
Dr. Stephan Harbarth, Robert Hochbaum, Anette Hübinger, Hubert Hüppe,
Dr. Egon Jüttner, Roderich Kiesewetter, Jürgen Klimke, Axel Knoerig,
Andreas G. Lämmel, Barbara Lanzinger, Ingbert Liebing, Karin Maag,
Stephan Mayer (Altötting), Dr. Michael Meister, Dietrich Monstadt, Marlene
Mortler, Elisabeth Motschmann, Carsten Müller (Braunschweig), Dr. Philipp
Murmann, Dr. Andreas Nick, Alexander Radwan, Josef Rief, Dr. Norbert
Röttgen, Erwin Rüddel, Stephan Stracke, Dr. Hans-Peter Uhl, Dr. Volker
Ullrich, Michael Vietz, Dr. Johann Wadephul, Karl-Georg Wellmann, Anita
Schäfer (Saalstadt), Johannes Selle, Bernd Siebert, Dr. Andreas
Schockenhoff, Heinz Wiese (Ehingen), Tobias Zech, Heinrich Zertik, Volker
Kauder, Gerda Hasselfeldt und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Niels Annen, Dr. Bärbel Kofler, Gabriela Heinrich,
Edelgard Bulmahn, Dr. Karamba Diaby, Dr. h. c. Gernot Erler, Dr. Ute
Finckh-Krämer, Dagmar Freitag, Josip Juratovic, Dietmar Nietan, Achim Post
(Minden), Ulla Schmidt (Aachen), Peer Steinbrück, Franz Thönnes, Dr. Rolf
Mützenich, Thomas Oppermann und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche, Tom Koenigs, Omid
Nouripour, Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), Dr. Franziska
Brantner, Agnieszka Brugger, Uwe Kekeritz, Dr. Tobias Lindner, Cem
Özdemir, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt,
Jürgen Trittin, Doris Wagner, Kai Gehring, Peter Meiwald und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Erinnerung und Gedenken an die Opfer des Völkermordes in Ruanda 1994

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Deutsche Bundestag verneigt sich im Gedenken an die Opfer von Gewalt,
Mord und Vertreibung, unter denen die Bevölkerung Ruandas von April bis Juli
1994 zu leiden hatte. Er beklagt die grausamen Taten der Verantwortlichen, die
zum Tod von über 800 000 Menschen in Ruanda geführt haben. Er bedauert ins-
besondere die wenig entschiedene Rolle der internationalen Gemeinschaft, die

Drucksache 18/973 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

trotz vielfältiger Informationen über das mörderische Handeln vor Ort nicht aus-
reichend versucht hat, die Gräuel zu beenden.

Der Deutsche Bundestag ehrt mit diesem Gedenken die Bemühungen aller Ruan-
der, die sich unter schwierigsten Umständen und gegen vielfältige Widerstände
für die Rettung von Frauen, Männern und Kindern eingesetzt haben. Ihr Handeln
soll im Sinne der Verbesserung der Beziehungen zwischen allen Bevölkerungs-
gruppen in Erinnerung gehalten werden.

Der Deutsche Bundestag ist sich bewusst, wie schwer es ist, zu den dunklen Sei-
ten der eigenen Vergangenheit zu stehen. Er ist fest davon überzeugt, dass eine
ehrliche Aufarbeitung der Geschichte notwendig ist. Es gilt, das Andenken der
Opfer zu wahren, die Leiden der Überlebenden zu lindern und die gesellschaftli-
chen Gruppen zu versöhnen.

Der Deutsche Bundestag erkennt ausdrücklich die nationalen Bemühungen um
Aufarbeitung und Versöhnung an. Die Gesellschaft Ruandas ist bereits einen
weiten Weg zur Versöhnung gegangen. Es ist ein großes Verdienst, dass der in-
nere Frieden Ruandas erhalten wurde.

Der Deutsche Bundestag erkennt mit der Arbeit des Arusha-Tribunals ausdrück-
lich die internationalen Anstrengungen für eine strafgerichtliche Aufarbeitung
des Völkermordes an. Die Täter dürfen nicht straflos bleiben.

Ebenso würdigt der Deutsche Bundestag die Aktivitäten der Regierung Ruandas,
die einen Beitrag zu den laufenden Prozessen der Aufarbeitung des Völkermor-
des und der gesamtgesellschaftlichen Versöhnung leisten. Die Regierung Ruan-
das engagiert sich sehr für das globale Bewusstsein hinsichtlich der Früherken-
nung und Prävention möglicher aufkommender Völkermordgefahren. Die ruandi-
sche Gesellschaft orientiert sich an den Lehren des nicht verhinderten Völker-
mordes. Auf der internationalen Ebene richtet sie ihr Engagement an der Stär-
kung der Vereinten Nationen hinsichtlich Prävention, Schutzverantwortung, Frie-
densentwicklung und Wiederaufbauarbeit aus. Die internationale Gemeinschaft
muss zukünftig durch geeignete Instrumente und den notwendigen politischen
Willen solche Gräueltaten verhindern. Im Sinne der UN-Resolution 1325 (2000)
„Frauen und Frieden und Sicherheit“ können Frauen hierzu einen wesentlichen
Beitrag leisten.

Der Deutsche Bundestag würdigt ausdrücklich die Bemühungen gegen eine
Ethnisierung der ruandischen Politik. Der Deutsche Bundestag nimmt die positi-
ven Bemühungen der Regierung Ruandas und der Nachbarstaaten um Frieden
und Stabilität in der Region zur Kenntnis. Besonders hervorzuheben sind dabei
die Konfliktlösungsbemühungen im Rahmen der Internationalen Konferenz
„Große Seen“ (ICGLR) gemeinsam im Geiste des UN-Rahmenabkommens von
Addis Abeba.

Der Deutsche Bundestag unterstützt die Regierung Ruandas in ihrem Bemühen,
die demokratischen Strukturen weiter zu festigen. Aus seiner Sicht sind dabei die
Gewährung bürgerlicher Rechte, die Achtung der Menschenrechte und die Frei-
heit der Medien unverzichtbare Bestandteile. Demokratische Öffnung und Stabi-
lität bedingen sich gegenseitig.

In diesem Zusammenhang ermutigt der Deutsche Bundestag die Regierung
Ruandas, ihrer Reformagenda weiter Nachdruck zu verleihen. So könnte z. B. die
Überarbeitung des Gesetzes zur Genozidideologie positive Impulse für den
Transformationsprozess des Landes setzen. Der Deutsche Bundestag beobachtet
mit Interesse die Gesetzesvorhaben für den weiteren Auf- und Ausbau zivilge-
sellschaftlicher Strukturen sowie für die Arbeitsmöglichkeiten von politischen
Parteien, Nichtregierungsorganisationen, Frauenorganisationen, Religionsge-
meinschaften und Gewerkschaften.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/973

Der Deutsche Bundestag zeigt sich erfreut über die wirtschaftliche Gesundung
des Landes, sieht die Wirtschaft aber noch vor großen Herausforderungen. Die
Regierung Ruandas steuert mit ihrer neuen Armutsbekämpfungsstrategie ent-
schlossen dagegen. Der Deutsche Bundestag unterstützt die Bundesregierung in
ihrem Ansatz zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Entwicklung mit Ruanda.

Der Deutsche Bundestag ist entschlossen, die gute und vertrauensvolle Zusam-
menarbeit mit Ruanda weiter zu vertiefen und kann dabei bilateral auf dem Aus-
tausch in der Parlamentariergruppe Östliches Afrika aufbauen. Im multilateralen
Rahmen will der Bundestag insbesondere den Austausch in der Interparlamenta-
rischen Union weiterentwickeln und mit der Teilnahme an der Aktion „Parlamen-
tarier schützen Parlamentarier“ immer wieder ein Zeichen setzen, wenn Parla-
mentarier, Politiker und Menschenrechtsverteidiger unserer Unterstützung bedür-
fen.

Der Deutsche Bundestag unterstützt die Bundesregierung in ihrer Politik, für
Ruanda ein zuverlässiger Partner zu bleiben. Eine gute demokratische, rechts-
staatliche und nachhaltig sozioökonomische Entwicklung des Landes in einem
stabilen regionalen Umfeld liegt im deutschen und europäischen Interesse. Dabei
nimmt der Deutsche Bundestag zur Kenntnis, welche ausdrückliche Anerkennung
das deutsche Engagement bei der ruandischen Regierung genießt.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

bei der zentralen Veranstaltung zum 20. Jahrestag des Genozids am 7. April
2014 in Kigali hochrangig vertreten zu sein;
Parlament, Regierung und Gesellschaft Ruandas zu ermutigen, sich mit ihrer
jeweiligen Rolle in der Zeit des Völkermordes vorbehaltslos auseinanderzu-
setzen;
die Unterstützung von Ruanda im Rahmen der vorhandenen Haushaltsmittel
fortzusetzen und dabei mitzuhelfen, dass zwischen allen Bevölkerungsgrup-
pen ein Ausgleich durch Aufarbeitung und Versöhnung stattfinden kann;
sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten für die Stärkung der Demokratie und
Menschenrechte als Grundlage des friedlichen Zusammenlebens in Ruanda
einzusetzen, insbesondere für die Stärkung der Beteiligungsmöglichkeiten
zivilgesellschaftlicher Akteure, Frauenorganisationen und unabhängiger Me-
dien;
auch zukünftig dabei zu helfen, die zwischenstaatlichen Beziehungen in der
Region auf der Grundlage des Völkerrechts zu gestalten;
fortführend alles zu tun, um durch Maßnahmen der Konfliktprävention und
-regelung die Gefahr von Menschenrechtsverletzungen frühzeitig zu bannen;
sich nach Kräften bei der Lösung gegenwärtiger Krisen gemeinsam mit den
Partnern in der Europäischen Union und den Vereinten Nationen vor allem
mit diplomatischen Mitteln zu engagieren;
sich auf diplomatischem Weg für eine Implementierung und Operatio-
nalisierung der Schutzverantwortung im Rahmen des Völkerrechts stark zu
machen.

Berlin, den 1. April 2014

Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und Fraktion
Thomas Oppermann und Fraktion
Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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