BT-Drucksache 18/972

Programm zur Beseitigung von Barrieren auflegen

Vom 1. April 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/972
18. Wahlperiode 01.04.2014

Antrag
der Abgeordneten Katrin Werner, Diana Golze, Sabine Zimmermann
(Zwickau), Matthias W. Birkwald, Nicole Gohlke, Dr. Rosemarie Hein, Sigrid
Hupach, Katja Kipping, Ralph Lenkert, Cornelia Möhring, Harald Petzold
(Havelland), Azize Tank, Kathrin Vogler, Harald Weinberg, Birgit Wöllert,
Jörn Wunderlich, Pia Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Programm zur Beseitigung von Barrieren auflegen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Wenn Menschen mit Behinderungen, ältere Bürgerinnen und Bürger oder Mütter
und Väter mit Kleinkindern öffentliche Gebäude aufsuchen oder öffentliche Ver-
kehrsmittel nutzen, stoßen sie auf zahlreiche Barrieren. So bleibt ihnen nicht
selten der gleichberechtigte Zugang zu Rathäusern, Wahllokalen, Bildungs-,
Kultur- und Sporteinrichtungen, zu Urlaubsorten oder existenzieller medizini-
scher Versorgung verwehrt. Nach einer Erhebung der Stiftung Gesundheit aus
dem Jahr 2012 arbeiten beispielsweise nur knapp 30 Prozent der Ärztinnen und
Ärzte in Praxen, die mindestens ein Kriterium der Barrierefreiheit erfüllen.
Überwiegend sind diese jedoch auf Rollstuhlgerechtigkeit beschränkt.

Mobil zu bleiben ist in unserer Gesellschaft unverzichtbar. Das betrifft Wege zur
Arbeit oder zum Einkauf, Wege zur Schule, Ausbildung, Hochschule, zum Thea-
ter und zu Sportstätten oder die digitale Kommunikation. Dies gilt vor allem in
ländlichen Räumen mit schrumpfender Bevölkerung, wo Gesundheitsdienste,
Kultur- und Bildungseinrichtungen immer stärker ausgedünnt werden. Diese
Mobilität wird durch fehlende barrierefreie Angebote im öffentlichen Nahverkehr
für Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen und Mütter und Väter mit
Kleinkindern zunehmend eingeschränkt.

Doch Barrierefreiheit ist mehr als Zugänglichkeit oder Erreichbarkeit. Sie muss
auch die selbständige Nutzbarkeit bestehender Gebäude, Anlagen, Verkehrsmit-
tel, Wege, Informationen und Dienstleistungen für alle Menschen mit Beeinträch-
tigungen, unabhängig von der Behinderungsart, einschließen.

Mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtete sich die
Bundesrepublik Deutschland als Vertragsstaat in Artikel 9, „geeignete Maßnah-
men mit dem Ziel“ zu ergreifen, „für Menschen mit Behinderungen den gleichbe-
rechtigten Zugang zur physischen Umwelt, zu Transportmitteln, Information und
Kommunikation, einschließlich Informations- und Kommunikationstechnologien
und -systemen, sowie zu anderen Einrichtungen und Diensten, die der Öffent-
lichkeit in städtischen und ländlichen Gebieten offenstehen oder für sie bereitge-
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stellt werden, zu gewährleisten.“ Diese Maßnahmen schließen die Feststellung
und Beseitigung von Zugangshindernissen und Barrieren ein.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss legte in seiner 495. Plenarta-
gung vom 21./22. Januar 2014 einen Rahmen zur Umsetzung von Barrierefreiheit
in Europa vor und „fordert die EU und ihre Mitgliedsstaaten auf, Überwachungs-
und Durchsetzungsverfahren unter der Beteiligung von Verbänden zur Vertretung
von Menschen mit Behinderungen auf den Weg zu bringen“ (TEN/515
„Barrierefreiheit als Menschenrecht“ – Stellungnahme des Europäischen Wirt-
schafts- und Sozialausschusses zum Thema „Barrierefreiheit als Menschenrecht
für Menschen mit Behinderungen“ vom 21./22.01.2014).

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. ein Sofortprogramm zur Beseitigung bestehender baulicher und kommunika-
tiver Barrieren von jährlich 1 Mrd. Euro für einen Zeitraum von fünf Jahren
aufzulegen;

2. entsprechende Verwaltungsvereinbarungen nach Artikel 104b des Grundge-
setzes zur Förderung städtebaulicher Maßnahmen zu erwirken und dazu in
§ 164b Absatz 2 des Baugesetzbuchs Barrierefreiheit und „universelles De-
sign“ (Artikel 2 der UN-Behindertenrechtskonvention) als Grundsätze für
den Einsatz von Finanzhilfen festzuschreiben;

3. im Zusammenwirken mit den Ländern dafür Sorge zu tragen, dass auch fi-
nanzschwache Kommunen Zugang zu den Mitteln aus dem Programm erhal-
ten;

4. das Bundeskompetenzzentrum Barrierefreiheit e.V. (BKB) für die Laufzeit
des Investitionsprogrammes aus dessen Mitteln zu finanzieren und zu prüfen,
ob das BKB die Evaluation der Umsetzung des Bundesprogrammes über-
nehmen sollte;

5. in das Förderprogramm 2014 „Wohnungswesen und Städtebau“ Maßnahmen
zur Barrierefreiheit als Vergabekriterium im Stadtumbau Ost wie West, im
Denkmalschutz Ost wie West, im Programm „Soziale Stadt“, für aktive
Stadt- und Ortsteilzentren sowie kleinere Städte und Gemeinden aufzuneh-
men (Bundestagsdrucksache 18/700, Kapitel 1606);

6. das Verbot, Bundesmittel aus anderen Teilprogrammen zugunsten des Pro-
gramms „Soziale Stadt“ umzuschichten, aufzuheben.

Berlin, den 1. April 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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