BT-Drucksache 18/9665

zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung - im Namen der Europäischen Union - des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 444 endg.; Ratsdok. 10968/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits KOM(2016) 470 endg.; Ratsdok. 10969/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Gemeinwohl vor Konzerninteressen - CETA stoppen

Vom 20. September 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9665
18. Wahlperiode 20.09.2016
Antrag
der Abgeordneten Klaus Ernst, Matthias W. Birkwald, Susanna Karawanskij,
Jutta Krellmann, Katrin Kunert, Thomas Lutze, Thomas Nord, Richard Pitterle,
Michael Schlecht, Dr. Petra Sitte, Dr. Axel Troost und der Fraktion DIE LINKE.

zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung – im
Namen der Europäischen Union – des umfassenden Wirtschafts- und
Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen
Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits
KOM(2016) 444 endg.; Ratsdok. 10968/16
und
zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung
des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada
einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits
KOM(2016) 470 endg.; Ratsdok. 10969/16

hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3
des Grundgesetzes

Gemeinwohl vor Konzerninteressen – CETA stoppen

Der Bundestag wolle gemäß Art. 23 Absatz 3 des Grundgesetzes beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung von CETA in seiner bestehenden
Form verstieße sowohl gegen das Unionsrecht als auch gegen das Grundgesetz. Die
von der EU-Kommission vorgeschlagenen Ratsbeschlüsse sind ultra-vires und verletz-
ten die Verfassungsidentität (vgl. Klageschriften von Prof. Dr. Fischer-Lescano, von
Prof. Dr. Kempen und von Prof. Dr. Fisahn). Im Übrigen genügt CETA mit seiner
Betonung auf Liberalisierung und „den Abbau oder die Beseitigung von Handels- und
Investitionshemmnissen“ auch nicht den heutigen gesellschaftlichen Ansprüchen an
Regeln für einen gerechten und nachhaltigen Welthandel. „Das Abkommen zielt da-
rauf ab, die Märkte der Vertragsparteien dadurch zu öffnen, dass typische Hindernisse
und Beschränkungen per se verboten oder einem Rechtfertigungszwang unterzogen

Drucksache 18/9665 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
werden“ (vgl. Gutachten „Die Auswirkungen von CETA auf den politischen Gestal-
tungsspielraum von Ländern und Gemeinden“ von Prof. Dr. Martin Nettesheim, 8. Ja-
nuar 2016). Darüber hinaus ist der CETA-Text kein Ergebnis eines transparenten und
durch zivilgesellschaftliche Beteiligung geprägten politischen Prozesses (vgl. Meta-
Synopse des Zentrums für Europäische Rechtspolitik der Universität Bremen, Septem-
ber 2016).

Im Detail sind insbesondere folgende inhaltliche Punkte zu kritisieren:
1. Unbestimmte Rechtsbegriffe
Der CETA-Vertrag birgt zahlreiche rechtliche Unklarheiten. Dies ist inakzeptabel,
denn eine politische Zustimmung kann nicht auf solch einer unsicheren Basis erfolgen.
Jeder unbestimmte Rechtsbegriff wird künftig hoch umstritten sein. Insbesondere das
Investitionsschutzkapitel ist voll von unbestimmten Rechtsbegriffen wie „gerechte und
billige Behandlung“ (Art. 8.10) oder „indirekte Enteignung (Art. 8.12) (vgl.
https://power-shift.de/wordpress/wp-content/uploads/2016/05/Powershift-Campact-
TTIP_Unfairhandelbar-Analyse-ISDS_CETA_final.pdf), über deren Auslegung der
Gemischte CETA-Ausschuss verbindlich entscheidet (Art. 26.1 Abs. 5 e). Die gleiche
Unsicherheit besteht im Hinblick auf die Reichweite der formulierten Vorbehalte: „Die
in dem Abkommen bislang enthaltenen Vorbehalte sind so formuliert, dass sie zu Un-
klarheit und möglichen Konflikten führen können“ (vgl. Nettesheim-Gutachten, s.o.).
2. Investitionsschutz
Die grundlegenden Probleme des Investitionsschutzes in CETA bleiben trotz mancher
verbesserter Verfahrensaspekte bestehen: Handelsinteressen werden strukturell höher
gewichtet als Gemeinwohlinteressen. Die materiellen Investorenrechte sind weiterhin
sehr weit gefasst. Der CETA-Investitionsschutz droht, alle Ebenen staatlichen Han-
delns beim Erlass von schärferen Gesetzen zu hemmen, um mögliche Schadensersatz-
zahlungen zu vermeiden. Gleichzeitig stehen den weitreichenden Rechten keinerlei
Pflichten gegenüber (vgl. Unfairhandelbar-Analyse, s.o.). Außerdem ist das in CETA
vorgesehene Investitionsgericht nicht mit dem Unionsrecht vereinbar. Es verstößt ge-
gen den vom EuGH in ständiger Rechtsprechung entwickelten Grundsatz der Autono-
mie der Unionsrechtsordnung und gefährdet rechtsstaatliche und demokratische
Grundsätze sowie die Rechte Drittbetroffener. Die Unabhängigkeit der Richterinnen
und Richter ist auch weiterhin nicht hinreichend gewährleistet.Zudem gibt es weder
politisch noch ökonomisch überzeugende Gründe für die Einführung dieser Recht-
schutzmechanismen (s. Meta-Synopse, s.o.; vgl. auch die Stellungnahme Nr. 4/16 vom
Februar 2016 des Deutschen Richterbundes zur Errichtung eines Investitionsgerichts
für TTIP). Dies hat auch die jetzige Bundesregierung stets betont (Antwort der Bun-
desregierung auf die Schriftliche Frage Nr. 200 im Juli 2014).
3. „Right to Regulate“
Die Regulierungsautonomie der Vertragsparteien wird durch CETA eingeschränkt.
„Im operativen Teil enthält CETA keinen allgemeinen Vorbehalt hinsichtlich gemein-
wohlförderlicher Normgebung. (…) Das „right to regulate“ kann daher nur innerhalb
der Liberalisierungsstrukturen von CETA wahrgenommen werden“ (s. Nettesheim-
Gutachten). Der Erwähnung in der Präambel kommt kein eigener Regelungsgehalt zu.
Auch Art. 8.9 CETA, in dem das Recht der Staaten, „zur Erreichung legitimer politi-
scher Ziele“ regulierend tätig zu werden, bekräftigt wird, reicht nicht: „Mit dieser
Klausel werden weder bestimmte Politikbereiche von vornherein aus dem Anwen-
dungsbereich des Kapitels herausgenommen noch wird ein potentieller Konflikt zwi-
schen Investitionsschutz und staatlicher Regulierungsautonomie mit Hilfe einer Aus-
nahmeklausel einem Ausgleich zugeführt. Vielmehr dienen derartige Vorschriften zu-
meist nur als schlichte Auslegungshilfe und entfalten keine eigene normative Bedeu-
tung“ (s. Stellungnahme „Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA)“
von Prof. Dr. Krajewski vom 9. September 2016).

https://power-shift.de/wordpress/wp-content/uploads/2016/05/Powershift-Campact-TTIP_Unfairhandelbar-Analyse-ISDS_CETA_final.pdf
https://power-shift.de/wordpress/wp-content/uploads/2016/05/Powershift-Campact-TTIP_Unfairhandelbar-Analyse-ISDS_CETA_final.pdf
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9665
Umwelt- und Verbraucherschutzauflagen sowie Arbeitnehmerschutz- und Mitbestim-
mungsrechte gelten grundsätzlich als Nutzungsbeschränkungen des Eigentums und
müssen nach Art. 8.12 CETA gerechtfertigt sein, während das Recht auf Eigentum
ausdrücklich geschützt wird und prozessual durchgesetzt werden kann (vgl. Meta-Sy-
nopse).
Zudem sind die Verpflichtungen, Bekräftigungen und Zielvorgaben der Kapitel 22
(Handel und nachhaltige Entwicklung) bis 24 (Handel und Umwelt) zu vage. Der
Streitbeilegungsmechanismus nach Kapitel 23 (Handel und Arbeit) ist zudem als Me-
diationsverfahren ausgestaltet, dessen Ziel es ist, eine „einvernehmliche Lösung“ (Art.
23.10 Abs. 13 CETA) bzw. „eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung zu fin-
den“ (Art. 23.11 Abs. 2 CETA). Im Gegensatz zu Investoren werden Beschäftigten
und Gewerkschaften im Falle der Verletzung ihrer Rechte keine Klagerechte einge-
räumt (vgl. Meta-Synopse).
4. Vorsorgeprinzip
Das Vorsorgeprinzip findet in CETA keine explizite Erwähnung und wird faktisch zu-
gunsten des Nachsorgeprinzips aufgegeben, indem u. a. zum Einklang mit entspre-
chenden WTO Übereinkommen verpflichtet wird. „Art. 28.3 CETA [verweist] auf Art.
XX (b) GATT, welcher wiederum auf Art. 2 SPS-Abkommen verweist, welches vor-
sieht, dass handelshemmende Maßnahmen grds. „auf wissenschaftlichen Grundsätzen
beruhen [müssen] und nicht ohne ausreichende wissenschaftliche Beweise aufrecht er-
halten werden“ dürfen. Außerdem wird z. B. in Art. 25.2 2b CETA die „Förderung
effizienter, wissenschaftsbasierter Zulassungsverfahren für Biotechnologieerzeug-
nisse“ zum Ziel erklärt, worin gerade im Bereich „Gentechnik & Landwirtschaft“ eine
Abkehr vom Vorsorgeprinzip zu sehen ist“ (s. Meta-Synopse).
5. Schutz der Daseinsvorsorge und der kommunalen Selbstverwaltung
CETA gefährdet die Daseinsvorsorge und kommunale Selbstverwaltung. CETA ver-
pflichtet zu einer umfassenden Liberalisierung, ohne die kommunale Daseinsvorsorge
generell und umfassend auszunehmen (vgl. Gutachten „Model clauses for the exclu-
sion of public services from trade and investment agreements“ von Prof. Dr.
Krajewski, Februar 2016). Durch das überaus komplexe Ausnahmen- und Rückaus-
nahmensystem gibt es beim Schutz der Daseinsvorsorge zentrale Lücken. Insbeson-
dere ist sie nicht vom Investitionsschutzmechanismus ausgenommen.
Prof. Dr. Martin Nettesheim kommt in seinem Gutachten zu dem Schluss: „Die Frei-
heit der Länder und Gemeinden, den Bürgerinnen und Bürgern umfassende, effiziente
und kostengünstige Leistungen der Daseinsvorsorge zu erbringen, wird durch die in
CETA begründete Freiheit zur Niederlassung kanadischer Unternehmen berührt. Eine
umfassende Freistellung von Dienstleistungen des Allgemeininteresses findet sich in
CETA nicht. Die Ausschlussklauseln und die Vorbehalte, die sich im Vertragstext und
in Erklärungen der EU und Deutschlands finden, erfassen nur Teilbereiche. Der Vor-
behalt zugunsten der „governmental authority“ ist überprüfungsbedürftig. Auch die
Vorbehalte zugunsten der „public utilities“ und der „social services“ leiden unter Un-
klarheit.“ Die kommunale Selbstverwaltung ist damit nicht umfänglich gewährleistet:
„Eine Rekommunalisierung ist [ ] im Abkommen nur dann zureichend durch Artikel
8.15 und Artikel 9.7 geschützt, wenn die Bereiche der Daseinsvorsorge, die im Anhang
II pauschal geschützt werden, auch tatsächlich allumfassend sind; andernfalls laufen
die in den oben genannten Artikeln formulierten Schutzklauseln leer, denn nur die im
Annex II dargelegten öffentlichen Versorgungsleistungen und die spezifischen aufge-
führten Sektoren sind auch vor Ratchet- und Standstill-Klauseln geschützt“ (s. Stel-
lungnahme der kommunalen Spitzenverbände vom 30.8.2016).
Auch die Regelungen zum Vergaberecht schränken die kommunale Selbstverwaltung
ein. So sind Kompensationsgeschäfte, d. h. alle Bedingungen oder Zusagen, welche
die lokale Entwicklung fördern, wie bspw. Bestimmungen über heimische Anteile,

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nach Art. 19.4 Nr. 6 verboten. Auch die Möglichkeit von sozialen Vergabekriterien
ist durch Art. 19.3 Nr. 2 nicht hinreichend geschützt.
6. Ausschusswesen
Mit CETA werden Ausschüsse mit weitreichenden Entscheidungsbefugnissen errich-
tet, ohne deren demokratische Rückbindung hinreichend sicherzustellen. „Den Unter-
ausschüssen des CETA sind zahlreiche Einzelkompetenzen zugewiesen und dem
Hauptausschuss kommt unter anderem die wichtige Kompetenz zu, die Anhänge zum
CETA abzuändern. In den Anhängen sind zentrale Bestimmungen in Bezug auf Reich-
weite, Anwendungsbereich und materielle Kriterien des CETA geregelt. Es besteht
ausweislich des Wortlautes des CETA die Möglichkeit, dass die Mitgliedstaaten bei
der Abänderung der Anhänge, die auch nationale Kompetenzen in großem Umfang
berühren, überhaupt nicht beteiligt werden. Zudem ist nicht geklärt, in welchem Um-
fang das EU-Parlament beteiligt werden wird. Denn die unionale Begleitgesetzgebung
hierzu fehlt“ (s. Meta-Synopse).
Die Verfassungsorgane trifft aufgrund der ihnen obliegenden Integrationsverantwor-
tung eine Verpflichtung, Maßnahmen von EU-Organen, die eine Identitätsverletzung
bewirken sowie Ultra-vires-Akten entgegenzutreten (vgl. BVerfG, Urteil vom 21. Juni
2016 – 2 BvE 13/13). Das ist bei CETA nur durch die Ablehnung der Kommissions-
vorschläge möglich. Der Verweis auf mögliche Nachbesserungen und Klarstellungen
nach einer Zustimmung im Ministerrat im Laufe des parlamentarischen Prozesses (vgl.
Beschluss des SPD-Parteivorstandes vom 5. September 2016, Z. 288 ff) wird dieser
Integrationsverantwortung nicht gerecht (vgl. Prof. Dr. Weiß, Gutachten zur Realisier-
barkeit von Präzisierungen und Korrekturen am CETA in der Ratifikationsphase vom
12. September 2016): Mit der vorläufigen Anwendung von CETA wäre ein unions-
rechtswidriger und grundgesetzwidriger Vertrag vorläufig in Kraft – und das womög-
lich über Jahre, bis der Ministerrat mehrheitlich das Ende der vorläufigen Anwendung
beschließt.
Im Übrigen hat EU-Kommissionspräsident Juncker Nachverhandlungen über CETA
bereits ausgeschlossen (s. dpa-Meldung vom 14. September 2016).
Insbesondere verbietet es sich, Bereiche vorläufig anzuwenden, bei denen die aus-
schließliche Zuständigkeit der EU in Frage steht, denn eine vorläufige Anwendung
von CETA ist überhaupt nur zulässig, soweit die alleinigen EU-Zuständigkeiten rei-
chen. Die EU-Kommission schlägt jedoch vor, CETA umfassend vorläufig anzuwen-
den, während sie gleichzeitig CETA aus politischen Erwägungen als gemischtes Ab-
kommen deklariert. Damit „ist zumindest einer der von der Kommission vorgeschla-
genen Beschlüsse rechtswidrig“ (s. Stellungnahme von Prof. Dr. Weiß vom 31. August
2016). Das Investitionsschutz-Kapitel auszunehmen, reicht jedenfalls nicht, um eine
Kompetenzüberschreitung der EU abzuwenden. Dies ist eine politisch motivierte Mi-
nimalanforderung, die fachliche Einwände völlig außer Acht lässt. Auch für Verkehrs-
dienstleistungen, die umfassende gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikatio-
nen, den Arbeitnehmerschutz, alle im CETA vorgesehenen beschlussfassenden Ver-
tragsorgane mit ihren weiten Zuständigkeiten und die Regulierungskooperation besitzt
die EU keine alleinige Zuständigkeit, so Prof. Dr. Weiß (vgl. Weiß-Gutachten). Auch
der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages sieht neben dem weiten In-
vestitionsbegriff zumindest die Bestimmungen über Verkehrsdienstleistungen in ge-
teilter Zuständigkeit (vgl. Ausarbeitung PE 6 - 3000 - 19/16).
Es ist zudem nicht nachvollziehbar, warum nicht das im Frühjahr 2017 erwartete Er-
gebnis des Gutachtenverfahrens zum EU-Singapur-Verfahren abgewartet wird, das
eine erste Klärung zur Reichweite der handelspolitischen EU-Zuständigkeiten bringen
wird. Die EU-Kommission hat diesen Auftrag zur Klärung strittiger Kompetenzen er-
teilt. Nun soll CETA ohne Not vorläufig zur Anwendung gebracht werden, ohne vorab
transparent und rechtlich einwandfrei die Kompetenzverteilung geklärt zu haben. „Ob

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das CETA als ein EU-Only oder als ein gemischtes Abkommen abzuschließen ist, be-
stimmt sich nicht nach der Einschätzung von Rat oder Kommission, sondern ist – trotz
ihrer Schwierigkeiten – eine objektive Rechtsfrage der Zuständigkeitsverteilung zwi-
schen EU und Mitgliedstaaten“ (Weiß-Gutachten). Auch die Bundesregierung ist der
Ansicht, dass das Singapur-Verfahren „eine mittelbare Präzedenzwirkung auch für an-
dere Freihandelsabkommen haben könnte“ (Antwort der Bundesregierung auf die
Schriftliche Frage Nr. 251 vom September 2015).
Auch angesichts der wachsenden Kritik an CETA, die auch in Beschlüssen und Stel-
lungnahmen verschiedener Regierungen und Parlamente zum Ausdruck kommt (s.
Stellungnahme Jürgen Maier vom 31. August 2016), folgt, dass CETA nicht vorläufig
angewendet werden darf. Das könnte „nur als Affront gegen die demokratische Wil-
lensbildung in Europa verstanden werden, wenn die Kommission und der Europäische
Rat an ihrer Absicht festhalten, einen Beschluss zur »vorläufigen Anwendung« weiter
Teile des Abkommens zu fassen, der in Kraft treten würde, wenn lediglich ein einziges
Parlament (das EP) zugestimmt hat“ (ebd.). Auch die Grundwertekommission beim
SPD-Parteivorstand vertritt: „Schon wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieses Ab-
kommens und den weiter bestehenden Unklarheiten im Abkommen, die weiterer Prü-
fung bedürfen, wäre eine Aussetzung des vorläufigen Inkrafttretens sachlich betrachtet
erforderlich und ein Akt politischer Klugheit“ (Positionspapier zum Freihandelsab-
kommen CETA, September 2016).

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. den deutschen Vertreter im Ministerrat anzuweisen, den Vorschlag der EU-Kom-
mission für einen Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung von CETA
abzulehnen,

2. den deutschen Vertreter im Ministerrat anzuweisen, den Vorschlag der EU-Kom-
mission für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung von CETA abzu-
lehnen,

3. für den Fall, dass die Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit getroffen werden und
der deutsche Vertreter im Rat überstimmt werden sollte, juristisch gegen diese
Beschlüsse vorzugehen.

Berlin, den 20. September 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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