BT-Drucksache 18/9043

Steuerschlupflöcher schließen - Gewinnverlagerung durch Lizenzzahlungen einschränken

Vom 6. Juli 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9043
18. Wahlperiode 06.07.2016
Antrag
der Abgeordneten Dr. Thomas Gambke, Kerstin Andreae, Britta Haßelmann,
Lisa Paus, Dr. Gerhard Schick, Anja Hajduk, Beate Müller-Gemmeke, Brigitte
Pothmer, Corinna Rüffer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Steuerschlupflöcher schließen – Gewinnverlagerung durch Lizenzzahlungen
einschränken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Globalisierung hat nicht nur den Wettbewerb zwischen Unternehmen massiv
verschärft, sondern auch die Staaten in ein neues Wettbewerbsverhältnis gerückt.
Bei diesem staatlichen Wettbewerb konkurrieren die Länder nicht nur mit „weichen“
Standortfaktoren um extrem mobiles Produktionskapital. Anreize setzen die Staaten
vor allem im Bereich der Unternehmensbesteuerung. Niedrige Steuersätze oder
schmale Steuerbemessungsgrundlagen locken Kapital ins Land und haben somit ei-
nen direkten externen Effekt auf den Kapitalbestand des Auslands. Mit einem Un-
terbietungswettstreit hat der internationale Steuerwettbewerb im Zuge der Globali-
sierung eine Dynamik entwickelt, die atemberaubend ist. Die theoretisch positiven
Aspekte des internationalen Steuerwettbewerbs werden praktisch durch negative
Auswirkungen überkompensiert. Weil internationaler Steuerwettbewerb aber nicht
verhindert, sondern nur begrenzt werden kann, bedarf es strenger Regelungen um
ein Race to the bottom zu vermeiden. Die „schädliche“ Steuerpolitik einzelner Län-
der, insbesondere mittels steuerlicher Präferenzregime, begünstigt die aggressive
Steuerplanung internationaler Konzerne, die durch konzerninterne Gewinnverlage-
rung ihre Steuerbelastung gegen null senken können.
Ein zentraler Bereich der Steuergestaltung liegt bei immateriellen Wirtschaftsgütern,
wie Lizenzen. Bei einer sogenannten IP-Box werden Lizenzeinkünfte besonders
niedrig besteuert, entweder im Rahmen der Bemessungsgrundlage oder des Steu-
ertarifs. Über Lizenzzahlungen in das niedrigbesteuernde Ausland sowie durch Nut-
zung von Sonderregimen kann man Gewinne in internationalen Konzernen gezielt
dort anfallen lassen, wo die Staaten Steuervergünstigungen anbieten. Der Druck auf
jene Staaten, die bisher noch keine Lizenz- oder Patentbox eingeführt haben, steigt.
Allein innerhalb der Europäischen Union (EU) gibt es mittlerweile 16 Länder mit
solchen Präferenzsteuerregimen für immaterielle Wirtschaftsgüter.
Durch diese IP-Box-Regime kommt es überdies besonders häufig zu Wettbewerbs-
verzerrungen, denn rein national agierende Unternehmen – oftmals kleine und mitt-
lere Unternehmen – können diese Steuergestaltungen nicht einsetzen und haben da-
her gegen ihre international agierende Konkurrenz einen Wettbewerbsnachteil.

Drucksache 18/9043 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Nach Schätzungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
wicklung (OECD) gelingt es grenzüberschreitend tätigen Unternehmen, einen 4 bis
8,5 Prozentpunkte tieferen effektiven Steuersatz zu erzielen als lokale Unternehmen.
Im Rahmen des Aktionsplanes der OECD zu Gewinnverkürzungen und Gewinnver-
lagerungen (BEPS = Base Erosion and Profit Shifting) haben sich die OECD-Mit-
gliedstaaten und die G20 Ende des Jahres 2015 auf gemeinsame Regelungen gegen
die aggressive Steuergestaltung von multinationalen Unternehmen geeinigt. Die EU-
Kommission hat ferner Ende Januar dieses Jahres ein Maßnahmenpaket vorgelegt,
wie aggressive Steuerplanung eingedämmt werden kann. Im Maßnahmenpaket der
EU-Kommission werden IP-Box-Regime allerdings nicht erwähnt. Trotz aller Be-
kenntnisse der OECD-Staats- und Regierungschefs, der aggressiven Steuergestal-
tung multinationaler Unternehmen jetzt endlich wirksam den Riegel vorschieben zu
wollen, wird es auch nach Umsetzung der Anti-BEPS-Maßnahmen in zahlreichen
Staaten weiter Lizenzboxen geben. Zukünftig soll eine begünstigte Besteuerung aber
nur noch dann gewährt werden, wenn die zugrunde liegende Forschungs- und Ent-
wicklungstätigkeit von steuerpflichtigen (Tochter-)Unternehmen selbst ausgeführt
wird (sog. Nexus-Approach, BEPS-Aktionspunkt 5).

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bunderegierung auf,

ein Gesetz vorzulegen, durch das – äquivalent zur Begrenzung der steuerlichen Be-
rücksichtigung von Zinsaufwendungen – der steuerliche Abzug von Lizenzaufwand
in verbundenen Unternehmen, gemäß § 15 AktG, eingeschränkt wird, wenn die ef-
fektive Steuerbelastung auf den Lizenzertrag im ausländischen Staat weniger als
15 % beträgt.

Berlin, den 5. Juli 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Begründung

Die europäischen Staaten liefern sich einen immer heftigeren Wettbewerb mittels „Lizenzboxen“, um das Steu-
ersubstrat internationaler Konzerne mit Hilfe dieses Steuerschlupflochs aus anderen Ländern abzuziehen. Die
internationalen Bemühungen zur Eindämmung haben nicht zu einem ausreichenden Erfolg geführt. Zwar hat
man sich bei der OECD und in der G20 darauf geeinigt, dass zukünftig nur noch Lizenzzahlungen zu begünsti-
gen sind, die dem sog. modifizierten „Nexus-Ansatz“ entsprechen. Allerdings gestatten die vereinbarten Über-
gangsfristen eine Beibehaltung der bisherigen Systeme bis zum Juni 2021. Außerdem können bis Juni 2016
weitere Staaten Lizenzboxen nach bisherigem Muster einführen, die ebenfalls bis Juni 2021 ohne Einschrän-
kung fortgeführt werden können. Daher ist es auf absehbare Zeit notwendig, den damit verbundenen Gewinn-
verlagerungen durch nationale Maßnahmen entgegenzuwirken. Steuern gehören dem Staat, in dem die Wert-
schöpfung stattfindet, und nicht dem Staat, der den höchsten Steuerrabatt bietet. Ansonsten untergraben sich
die Staaten Europas gegenseitig die Finanzierungsbasis ihrer Gemeinwesen.
Da die Lizenzzahlungen in Ländern der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraumes nicht
mit Quellensteuer belegt werden können, weil die Zins- und Lizenzrichtlinie dies verbietet, ist es notwendig,
dass Deutschland für die Zeit bis 2021 nationale Abwehrmaßnahmen gegen die Gewinnverlagerung ergreift,
um den Anreizsystemen anderer Staaten zu begegnen und kurzfristig das inländische Besteuerungssubstrat zu
sichern sowie langfristig jenen Staaten entgegenzuwirken, welche die Beschränkung auf den Nexus-Ansatz
nicht einhalten. Lizenzzahlungen an fremde Dritte sollten aber auch zukünftig weiter uneingeschränkt abzugs-
fähig sein, um wirtschaftlich notwendige Geschäftsabläufe nicht zu behindern.

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