BT-Drucksache 18/8838

Probleme der vorläufigen Anwendung von CETA (Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/8583)

Vom 9. Juni 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8838
18. Wahlperiode 09.06.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Klaus Ernst, Wolfgang Gehrcke, Annette Groth, Andrej Hunko,
Susanna Karawanskij, Jutta Krellmann, Katrin Kunert, Thomas Lutze,
Niema Movassat, Thomas Nord, Richard Pitterle, Michael Schlecht,
Dr. Axel Troost, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Probleme der vorläufigen Anwendung von CETA (Nachfrage zur Antwort der
Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/8583)

Am 5. Juli 2016 will die EU-Kommission dem Rat ihren Vorschlag für einen
Beschluss zur Unterzeichnung und vorläufigen Anwendung von CETA über-
mitteln. Grundkritik an der vorläufigen Anwendung ist, dass durch das vorläufige
Inkrafttreten einiger Vertragsteile bereits Fakten geschaffen werden, bevor die
Abstimmung in den nationalen Parlamenten stattgefunden hat. Auch der Bundes-
tagspräsident Dr. Norbert Lammert rief im Rahmen der Plenardebatte am
17. Mai 2016 dazu auf, „mit aller möglichen Sorgfalt zwei Dinge auseinan-
der[zu]halten, nämlich zum einen die Frage, was von solchen Abkommen über-
haupt zu halten ist – darüber gibt es Streit; dieser ist fraglos zulässig –, und zum
anderen die Frage, ob für ein ausverhandeltes Abkommen eine mögliche Zustim-
mung der Bundesregierung zum vorläufigen Inkraftsetzen eines Teils dieses Ab-
kommens ohne Zustimmung des Bundestages erfolgen kann und erfolgen soll.“
Nachdem die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion
DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/8583 „Probleme der vorläufigen An-
wendung von CETA“ einige Fragen offenlässt, erfolgen hier einige Nachfragen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Bereiche wurden beim Freihandelsabkommen der Europäischen

Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kolumbien und Peru ande-
rerseits vorläufig angewendet, und welche wurden von der vorläufigen An-
wendung ausgenommen (bitte einzeln auflisten)?

2. Wurden beim o. g. Abkommen Bestimmungen zu Portfolioinvestitionen, der
gegenseitigen Anerkennung beruflicher Qualifikationen und dem Arbeits-
schutz von der vorläufigen Anwendung ausgenommen?

Drucksache 18/8838 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

3. Sieht die Bundesregierung die unter Frage 2 genannten Bestimmungen in der
alleinigen Zuständigkeit der EU?
Warum will die Bundesregierung angesichts der Streitigkeiten mit der EU-
Kommission bzgl. der Rechtsnatur von CETA (vgl. DER SPIEGEL vom
11. Juni 2016) nicht darauf bestehen, dass das Gutachten zum Abkommen
mit Singapur abgewartet wird – etwa indem zuvor keinem Ratsbeschluss zu
CETA zugestimmt wird – (siehe Fragestunde des Deutschen Bundestages am
11. Mai 2016, Mündliche Frage 15: „Zur Ratifizierung von CETA wurde
vom Vertreter der Bundesregierung ausgeführt, dass die nächsten Schritte
zur Unterzeichnung, vorläufigen Anwendung und Ratifizierung zügig erfol-
gen sollen.“; Plenarprotokoll 18/169), insbesondere mit Blick darauf, dass
die Bundesregierung selbst davon ausgeht, „dass dieses Verfahren eine mit-
telbare Präzedenzwirkung auch für andere Freihandelsabkommen haben
könnte“ (Schriftliche Frage 6 des Abgeordneten Klaus Ernst auf Bundestags-
drucksache 18/6301)?

4. Welche Probleme könnten nach Ansicht der Bundesregierung auftreten?
5. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass sie die zeit-

lichen Abläufe zu CETA mitbeeinflussen kann – etwa wann sie im Rat frü-
hestens einem Beschluss zur Unterzeichnung und vorläufigen Anwendung
von CETA zustimmen würde – und wie ist in diesem Zusammenhang die
Antwort der Bundesregierung zu Frage 8 („Wird die Entscheidung über die
vorläufige Anwendung getroffen, bevor der EuGH im Rahmen des Gut-
achtenverfahrens zum EU-Singapur-Abkommen eine Positionierung darüber
gegeben hat, welche Vertragsteile mitgliedsstaatliche Kompetenzen betref-
fen?“) der Kleinen Anfrage der Fraktion die LINKE. auf Bundestagsdruck-
sache 18/8583 zu werten („Die Bundesregierung kann derzeit nicht vorher-
sagen, wann der EuGH das von der Europäischen Kommission beantragte
Gutachten zum EU-Singapur-Freihandelsabkommen abgeben wird.“)?

6. Kann die Bundesregierung zusichern, dass sie keinem CETA-Abkommen zu-
stimmen wird, das als EU-only-Abkommen eingestuft wurde (bitte begründen)?

7. Welche Bereiche in CETA sind nach Auffassung der Bundesregierung EU-
only Teile und bedenkenlos vorläufig anwendbar (bitte explizit und einzeln
listen, und nicht wie in der Antwort der Bundesregierung zu Frage 16 der
Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksa-
che 18/8583)?

8. Wie lautet der voraussichtliche Zeitplan bei CETA (siehe Frage 7 der Klei-
nen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/8275 –
bitte fehlende Zeitangaben in der Antwort ergänzen und auch informelle
Treffen anführen)?

9. Wie verhält sich die Bundesregierung dazu, dass – die gemischte Natur von
CETA vorausgesetzt – ein ablehnendes Votum in einem EU-Mitgliedstaat
sozusagen durch eine langfristige vorläufige Anwendung der „EU-only-
Bestimmungen“ umgangen werden kann (vgl. Gutachten des WD PE 6 –
3000 – 19/16)?

10. Warum verschweigt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
diese Möglichkeit in den den Fragestellern vorliegenden Antworten auf Bür-
germails, wonach das gesamte Abkommen nicht zu Stande käme, wenn Bun-
destag und Bundesrat ihm nicht zustimmten?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8838
 

11. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die nationalen Parlamente
bei CETA als gemischtem Abkommen über den gesamten Vertrag abstim-
men – insbesondere mit Blick darauf, dass laut dem Europäischen Gerichts-
hof keine Trennung in von den nationalen Parlamenten abzustimmenden
Teile und andere zulässig ist (Schlussanträge der Generalanwältin Juliane
Kokott vom 26. März 2009, Rechtssache C 13/07: „121. Schon einzelne Teil-
aspekte eines Abkommens, für die der Gemeinschaft intern die Zuständigkeit
fehlt, „infizieren“ das Abkommen als Ganzes und machen es insgesamt von
der einvernehmlichen Zustimmung der Mitgliedstaaten abhängig.“)?
Was unternimmt die Bundesregierung in dieser Hinsicht konkret, um mögli-
chen gegenteiligen Auffassungen der Europäischen Kommission zu begeg-
nen?

Berlin, den 8. Juni 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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