BT-Drucksache 18/846

Verantwortung übernehmen - Zügig mehr syrische Flüchtlinge aufnehmen

Vom 19. März 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/846
18. Wahlperiode 19.03.2014

Antrag
der Abgeordneten Luise Amtsberg, Tom Koenigs, Omid Nouripour, Volker
Beck (Köln), Claudia Roth (Augsburg), Dr. Konstantin von Notz, Katja Keul,
Renate Künast, Monika Lazar, Irene Mihalic, Özcan Mutlu und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Verantwortung übernehmen - Zügig mehr syrische Flüchtlinge aufnehmen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Krieg in Syrien, und die damit verbundene Flucht und Vertreibung von Mil-
lionen Menschen, ist eine humanitäre Katastrophe für die gesamte Region. Die
Nachbarländer sind mit den 2,5 Millionen registrierten Flüchtlingen, davon knapp
eine Million alleine im Libanon, überfordert. Aus diesem Grund ist die Aufnah-
me von Flüchtlingen in Europa nicht nur eine moralische Verpflichtung, sondern
auch ein Ausdruck von politischer Vernunft. Die Aufnahme von Flüchtlingen aus
Syrien ist in der Europäischen Union bislang auf einem beschämend niedrigen
Niveau. Schweden und Deutschland sind deutlich engagierter, als alle anderen
Staaten. Sie haben weit mehr Flüchtlinge aufgenommen, als die anderen EU-
Staaten, allerdings verzögert sich die Aufnahme aufgrund bürokratischer Hinder-
nisse. Das bisherige deutsche Engagement ist aber längst nicht ausreichend. Um
die Nachbarländer Syriens wirklich zu entlasten, muss auch Deutschland weit
mehr Flüchtlingen Zuflucht gewähren, als dies bisher durch die Auflage der zwei
5 000er-Aufnahme-Kontingente erfolgt ist.

Der Deutsche Bundestag begrüßt die Ende Februar 2014 verkündete Absichtser-
klärung des Bundesinnenministers Dr. Thomas de Maizière, des Vorsitzenden der
Ständigen Konferenz der Innenminister Ralf Jäger, des niedersächsischen Innen-
ministers Boris Pistorius und des Innenministers Mecklenburg-Vorpommerns
Lorenz Caffier, auch nach Ausschöpfung der bisher zur Verfügung stehenden
Kontingente die Aufnahme von weiteren Flüchtlingen ermöglichen zu wollen.
Denn das Interesse der in Deutschland lebenden Syrerinnen und Syrer, für ihre
bedrohten Verwandten eine Aufnahme in Deutschland zu erreichen, übersteigt
die bislang zugesagten Plätze bei weitem.

Der Deutsche Bundestag ist aber auch darüber besorgt, dass zahlreiche syrische
Flüchtlinge, die es über einen der gefährlichen Fluchtwege in die EU geschafft
haben, in Mitgliedstaaten feststecken, deren Asylsysteme überfordert sind. Dies
betrifft auch Flüchtlinge, die bereits Familienangehörige in einem EU-
Mitgliedsland haben, aber aufgrund der Dublin-III-Verordnung nicht mit ihrer
Familie in Deutschland leben können.

Drucksache 18/846 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

im Einvernehmen mit den Ländern für dieses Jahr ein weiteres großzügig
bemessenes Kontingent zur Aufnahme von syrischen Flüchtlingen zeitnah
aufzulegen, dessen Größenordnung sich an der Zahl der Anfragen orientiert;
sich gegenüber den Bundesländern dafür einzusetzen, die hohen Anforderun-
gen für den Familiennachzug von Schutzsuchenden zu in Deutschland leben-
den Verwandten, insbesondere bei den abzugebenden Verpflichtungserklä-
rungen, zu reduzieren und die Einreise für Familienangehörige aus Syrien zu
vereinfachen;
die personellen Kapazitäten für die Bearbeitung von Einreiseanträgen von
Flüchtlingen an den deutschen Botschaften in den Nachbarstaaten Syriens
und in Ägypten sowie dem Generalkonsulat in Erbil auszubauen, damit die
syrischen Flüchtlinge aus den bereits zugesagten 10 000 Aufnahmeplätzen
zeitnah nach Deutschland einreisen können;
Asylbewerberinnen und Asylbewerber aus Syrien, die Verwandte in
Deutschland haben, nicht mehr im Rahmen der Dublin-Verordnung in andere
EU-Staaten zurückzuführen und nicht mehr in Zurückschiebungshaft zu
nehmen, sondern dass Deutschland stattdessen großzügig von seinem Selbst-
eintrittsrecht im Rahmen der Dublin-Verordnung Gebrauch macht;
sich gegenüber den Bundesländern dafür einzusetzen, dass der Abschiebe-
stopp nach Syrien verlängert und dass die Auslegungs- und Ermessensspiel-
räume für die Gewährung von Aufenthaltstiteln aus humanitären Gründen für
hier lebende Syrer großzügig ausgeschöpft werden;
sich in den EU-Gremien dafür einzusetzen, dass bis zum Sommer 2014 eine
Syrien-Flüchtlings-Konferenz einberufen wird, auf der sich alle EU-
Mitgliedstaaten auf konkrete Zahlen und Verfahren zur Aufnahme syrischer
Flüchtlinge bereit erklären;
sich in den EU-Gremien dafür einzusetzen, dass keine syrischen Flüchtlinge
an den EU-Außengrenzen mehr zurückgewiesen werden.

Berlin, den 18. März 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Begründung

Direkte Unterstützung kann die Bundesregierung auch durch die Aufnahme von syrischen Flüchtlingen aus
den Nachbarländern Syriens leisten. Das ist ein Zeichen der Solidarität für syrische Flüchtlinge und die
Nachbarländer, die mit der Aufnahme der Flüchtlinge an ihre Grenzen stoßen.

Es häufen sich Hilfeersuchen verzweifelter in Deutschland lebender syrischer Staatsangehöriger, die keine
Möglichkeit haben, Verwandte zu sich zu holen. Grund hierfür sind die bereits ausgeschöpften Aufnahme-
kontingente von Bund und Ländern.

Daher ist es zu begrüßen, dass Ende März 2014 Bund und Länder wieder Gespräche über ein weiteres Auf-
nahmeprogramm für syrischen Flüchtlinge in Deutschland führen wollen. Vorbildlich ist in diesem Zu-
sammenhang, dass das schleswig-holsteinische Innenministerium, sowie die Innenministerien von Bran-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/846

denburg und Berlin ihre jeweiligen Landesprogramme zur Aufnahme von Angehörigen syrischstämmiger
Personen bis in den Herbst hinein verlängert haben.

Für die bereits in Deutschland aufgenommenen Syrerinnen und Syrer muss die Situation verbessert werden.
Die Innenminister der Länder haben sich mit dem Bundesinnenminister zwar darauf verständigt, den Ab-
schiebungsstopp für Syrien zu verlängern. Eigentlich stünde damit geduldeten Flüchtlingen aus Syrien laut
Gesetz eine Aufenthaltserlaubnis zu. In vielen Bundesländern erhalten sie aber weiterhin lediglich Duldun-
gen.

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