BT-Drucksache 18/8070

Geldwäsche in der deutschen Immobilienbranche

Vom 12. April 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8070
18. Wahlperiode 12.04.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Richard Pitterle, Klaus Ernst, Ulla Jelpke, Susanna Karawanskij,
Jutta Krellmann, Katrin Kunert, Thomas Nord, Harald Petzold (Havelland),
Martina Renner, Michael Schlecht, Kersten Steinke, Dr. Axel Troost und der
Fraktion DIE LINKE.

Geldwäsche in der deutschen Immobilienbranche

Nach der vom Bundesministerium der Finanzen in Auftrag gegebenen und am
3. Februar 2016 vorgelegten „Dunkelfeldstudie über den Umfang der Geldwä-
sche in Deutschland und über die Geldwäscherisiken in einzelnen Wirtschafts-
sektoren“ handelt es sich bei der Immobilienbranche in Deutschland um einen
Hoch-Risiko-Sektor für Geldwäsche. In der Studie wird ausgeführt, dass insbe-
sondere die hohen Transaktionsvolumen, die Wertstabilität wie auch die Mög-
lichkeit der Verschleierung der wahren Eigentümerverhältnisse durch kompli-
zierte Unternehmenskonstruktionen, auch unter Einschaltung von Unternehmen
mit Sitz im Ausland, und Strohmannverhältnisse den Erwerb von Immobilien für
Geldwäsche attraktiv machen. Die teilweise bewusste Missachtung der sich aus
Gesetzen gegen die Geldwäsche ergebenden Sorgfalts- und Meldepflichten, ins-
besondere die sehr geringe Bereitschaft zu Verdachtsmeldungen der involvierten
Makler, Notare und Rechtsanwälte erhöht die Attraktivität der Immobilienbran-
che für die Geldwäsche nach den Ausführungen in der Studie erheblich. Indiz für
ein großes Geldwäschedunkelfeld ist der aufgrund Höhe der Zahlungen unge-
wöhnlich häufige Einsatz von Bargeld für den Erwerb von Immobilien. Diese
Ergebnisse bestätigen nach den Studienverfassern die Ergebnisse aus der Studie
des Bundeskriminalamtes „Geldwäsche im Immobiliensektor in Deutschland“
aus dem Jahr 2011.
Vergleichbare Erkenntnisse gibt es auch in den USA und dem Vereinigten Kö-
nigreich Großbritannien und Nordirland. So hat das dem Finanzministerium der
USA angegliederte, für die Bekämpfung von Geldwäsche zuständige „Financial
Crimes Enforcement Network“ (FinCEN) am 13. Januar 2016 bekannt gegeben,
die Identität derjenigen Personen aufklären zu wollen, die hinter Unternehmen,
die in Luxusimmobilien im Raum New York und Miami investiert haben,
stehen (www.fincen.gov/news_room/nr/pdf/20160113.pdf, zuletzt abgerufen am
17. Februar 2016). Hintergrund ist die Annahme, dass die untersuchten Immobi-
lientransaktionen im Zusammenhang mit Geldwäsche stehen könnten, da die
Transaktionen ohne übliche Bankenfinanzierung bezahlt wurden (eng. „all-cash
deal“). Im März 2015 veröffentliche die Nichtregierungsorganisation „Transpa-
rency International UK“ eine Untersuchung, wonach mehr als 36 000 Immobilien
in der Stadt London auf Briefkastenfirmen mit Sitz in dort sogenannten Offshore-
Finanzplätzen wie Jersey oder den British Virgin Islands eingetragen sind und
allein im Jahr 2011 im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland Im-
mobilien im Wert von 3,8 Milliarden Pfund durch Unternehmen mit Sitz auf den
British Virgin Islands gekauft wurden (www.transparency.org.uk/publications/

Drucksache 18/8070 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

corruption-on-your-doorstep/, zuletzt abgerufen am 17. Februar 2016). Die Un-
tersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass ein wesentlicher Anteil dieses Volu-
mens auf Geldwäsche zurückzuführen ist.
Soweit ersichtlich, gibt es bisher keine genauen und allgemein zugänglichen sta-
tistischen Erfassungen über die Eigentumsverhältnisse von Immobilieneigentum
in Deutschland, obwohl nicht nur die eingangs aufgeführten Studien zeigen, dass
der deutsche Immobiliensektor für Geldwäsche attraktiv ist und genutzt wird.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Grundstücke in Deutschland stehen nach Kenntnis der Bundesre-

gierung im Eigentum nicht-öffentlicher Eigentümer, die keine natürlichen
Personen sind (im Folgenden: Unternehmen)?

2. Wie viele der Unternehmen, die Eigentum an Grundstücken in Deutschland
haben, sind nach Kenntnis der Bundesregierung mit einer Anschrift im Aus-
land im Grundbuch eingetragen (im Folgenden: ausländische Unterneh-
men)?

3. In welchen zehn Gemeinden bzw. Stadtstaaten der Bundesrepublik Deutsch-
land liegen nach Kenntnis der Bundesregierung die meisten Grundstücke, die
im Eigentum von ausländischen Unternehmen stehen?

4. Aus welchen zehn Staaten bzw. autonomen Hoheitsgebieten stammen nach
Kenntnis der Bundesregierung die meisten ausländischen Unternehmen?

5. Wie viele der ausländischen Unternehmen haben nach Kenntnis der Bundes-
regierung eine Anschrift in einem von der Financial Action Task Force
(FATF) aufgrund von Defiziten bei der Geldwäschebekämpfung und Terror-
finanzierung derzeit als „Hoch-Risiko“ und „unkooperativ“ eingestuften
Staat?

6. Wie viele der ausländischen Unternehmen haben nach Kenntnis der Bundes-
regierung eine Anschrift in einem der Staaten, die noch in dem Bericht der
FATF vom 22. Juni 2000, „Review to Identify Non-Cooperative Countries
or Territories: Increasing The Worldwide Effectiveness of Anti-Money
Laundering Measures“ unter Nummer 64 aufgezählt sind?

7. Wie viele der ausländischen Unternehmen haben nach Kenntnis der Bundes-
regierung eine Anschrift in einem der Nicht-EU-Mitgliedstaaten (im Folgen-
den: Drittstaaten), die auf den von der Europäischen Kommission am
17. Juni 2015 veröffentlichten Listen der jeweiligen Mitgliedstaaten als
„non-cooperative tax jurisdictions“ (im Folgenden: Steueroase) bezeichnet
wurden?

8. Warum hat die Bundesregierung der Europäischen Kommission keinen Staat
benannt, den sie als Steueroase betrachten würde?

9. Wie hoch schätzt die Bundesregierung den Marktwert, vgl. § 194 des Bau-
gesetzbuchs (BauGB), des von ausländischen Unternehmen gehaltenen
Grundstückeigentums?

10. Wie hat sich dieser Marktwert nach Kenntnis der Bundesregierung in den
letzten fünf Jahren entwickelt?

11. Wie hoch ist der Anteil von ausländischen Unternehmen aus den in den Fra-
gen 5 bis 7 genannten Staaten an dem in Frage 9 ermittelten Wert nach Kennt-
nis der Bundesregierung?

12. Wie viele Verdachtsmeldungen nach § 10 des Geldwäschegesetzes (GwG)
hat das Bundeskriminalamt als Zentralstelle für Verdachtsmeldungen (im
Folgenden: Zentralstelle) gesammelt (bitte für die letzten zehn Jahre gemäß
§ 10 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 GwG aufschlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8070
 

13. Wie viele der in Frage 12 benannten Verdachtsmeldungen wiesen einen Be-
zug zum Immobiliensektor im weiten Sinne auf, d. h. nicht nur zum Erwerb
oder zur Veräußerung von Grundstücken, sondern auch zu mittelbaren und
unmittelbaren Beteiligungen an Grundstücksgesellschaften, zur Finanzie-
rung von Grundstücken, zu Mieten und ähnlichen Geschäftshandlungen (im
Folgenden: Immobiliensektor; bitte für die letzten zehn Jahre wie in Frage 12
aufschlüsseln)?

14. Wie stellt sich die finanzielle, personelle und sachliche Ausstattung der Zen-
tralstelle derzeit dar?

Ist dies nach Auffassung der Bundesregierung ausreichend, damit die Zen-
tralstelle ihre Aufgaben wie vom Gesetzgeber vorgesehen erfüllen kann?

15. Wie viele Meldungen gemäß den §§ 64, 65 und 66 der Außenwirtschaftsver-
ordnung (AWV) erfolgten seit Inkrafttreten der Vorschriften (bitte nach Jahr
und Vorschrift aufschlüsseln)?

16. Wie viele Ordnungswidrigkeitenverfahren wurden wegen unterlassener Er-
füllung der in Frage 15 benannten Meldepflichten eingeleitet?
Wie hoch sind die insgesamt verhängten Bußgelder (bitte jeweils nach Vor-
schrift und Jahr aufschlüsseln)?

17. Wird nach Kenntnis und Auffassung der Bundesregierung der Bedeutung des
Immobiliensektors als Hoch-Risiko-Sektor der Geldwäsche bei der Bekämp-
fung und Vermeidung von Geldwäsche personell, sachlich und finanziell
ausreichend Rechnung getragen?

18. Welche besonderen Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um
Geldwäsche im Immobiliensektor zu bekämpfen und zu verhindern?

19. Sind die derzeitigen Melde-, Sorgfalts- und Kontrollmechanismen zur Ver-
hinderung von Geldwäsche aus Sicht der Bundesregierung ausreichend?

20. Wie wird der Vollzug der gesetzlichen Vorschriften zur Bekämpfung von
Geldwäsche kontrolliert?

21. Welches sind die größten Vollzugsdefizite, die sich bei Kontrollen gezeigt
haben?

22. Ist nach Auffassung der Bundesregierung der Vollzug der Vorschriften zur
Bekämpfung von Geldwäsche ausreichend?
Wenn nein, welche Maßnahmen sind nach Auffassung der Bundesregierung
erforderlich?

23. Welche Position vertritt die Bundesregierung im Hinblick auf die Schaffung
eines einheitlichen europäischen Grundbuchs?

24. Welche Position nimmt die Bundesregierung gegenüber Forderungen ein,
das Grundbuch in Deutschland, wie auch z. B. das Handelsregister, öffent-
lich einsehbar zu machen, d. h. ohne dass ein schützenswertes Interesse nach-
gewiesen werden muss, um die Transparenz zu erhöhen und Geldwäsche zu
erschweren?

25. Hält die Bundesregierung die Mindestanforderungen nach der Vierten Geld-
wäscherichtlinie EU/2015/849 für ausreichend, um die Geldwäsche, insbe-
sondere im Immobiliensektor, einzudämmen?
Oder ist beabsichtigt, darüber hinausgehende Regelungen zu schaffen?

Berlin, den 11. April 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.