BT-Drucksache 18/7942

Dividendenstripping und Investmentsteuerreformgesetz

Vom 16. März 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7942
18. Wahlperiode 16.03.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Kerstin Andreae, Dr. Thomas Gambke,
Britta Haßelmann, Lisa Paus, Dr. Tobias Lindner, Beate Müller-Gemmeke und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Dividendenstripping und Investmentsteuerreformgesetz

Mit dem Regierungsentwurf des Investmentsteuerreformgesetzes plant die Bun-
desregierung, zukünftig u. a. die Umgehung der Dividendenbesteuerung (u. a. Di-
videndenstripping) zu verhindern. Beim Dividendenstripping sind dem Steuer-
zahler in den letzten Jahrzehnten Milliardenbeträge entzogen worden. Es drohen
weitere Milliarden Steuersubstrat entzogen zu werden, wenn der Gesetzgeber und
die Finanzverwaltung Dividendenstripping nicht wirksam unterbindet.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Warum hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der

Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu den Fragen 1 und 3 zur derzeiti-
gen steuerrechtlichen Zulässigkeit des Dividendenstrippings (Bundestags-
drucksache 18/7213) auf Urteile und Beschlüsse Bezug genommen, deren
Entscheidungen auf dem zum 31. Dezember 2001 weggefallenen § 50c des
Einkommensteuergesetzes (EStG) beruhen?

2. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung für die Rechtslage nach dem
31. Dezember 2001 für die steuerrechtliche Zulässigkeit des Dividen-
denstrippings eine relevante Rechtsprechung?
Wenn ja, welche?

3. Welche Relevanz haben nach Auffassung der Bundesregierung die Urteile
des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16. April 2014 und 18. August 2015 – I R
2/12 bzw. I R 88/13 – für die steuerrechtliche Zulässigkeit des Dividen-
denstrippings?

4. Teilt die Bundesregierung die u. a. auf diese Urteile gestützte Rechtsauffas-
sung, dass in vielen Dividendenstripping-Konstellationen kein wirtschaftli-
ches Eigentum auf den Erstattungs-/Anrechnungsberechtigten übergeht (vgl.
Andreas Fiand. Die Steigerung von Cum/Ex: Cum/Cum?, NWB Nr. 5 vom
25. Januar 2015)?
Wenn ja, in welchen?

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5. Stellt nach Auffassung der Bundesregierung der Verkauf einer Aktie vor dem
Dividendenstichtag bei gleichzeitiger Rückveräußerung nach dem Dividen-
denstichtag (durch Termingeschäft) oder die Übertragung durch eine Wert-
papierleihe eine Konstellation dar, in der nach den Maßstäben der vorbe-
zeichneten Rechtsprechung des BFH der „Käufer“ kein wirtschaftliches Ei-
gentum erlangt?
Warum wird im Gesetzentwurf der Bundesregierung auf S. 158 genau das
Gegenteil behauptet?

6. Steht es nach Auffassung der Bundesregierung im Belieben eines Steuer-
pflichtigen, bei der Geltendmachung der Anrechnung von Kapitalertrag-
steuer im Zusammenhang mit Dividendenzahlungen den Steuerbehörden im
Rahmen des Besteuerungsverfahrens offenzulegen, dass ein Dividenden-
stripping-Sachverhalt vorliegt?

7. Besteht nach Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen bei Vorlie-
gen von Cum-Ex- oder Cum-Cum-Sachverhalten, die den Steuerbehörden
bisher nicht offengelegt wurden, eine Verpflichtung des Steuerpflichtigen
nach § 153 der Abgabenordnung (AO)?

8. Bezieht sich die derzeitige Abfrage der Bundesanstalt für Finanzdienstleis-
tungsaufsicht (BaFin) bei beaufsichtigten Unternehmen zum Dividenden-
stripping nur auf Sachverhalte mit mehrfacher Anrechnung der Kapitaler-
tragsteuer (Cum-Ex) oder auch auf „normale“ Dividendenstripping-Fälle
(Cum-Cum)?

9. Wenn sich die Abfrage nur auf Cum-Ex-Fälle bezieht, was sind die Beweg-
gründe, in der Abfrage auf Cum-Cum-Sachverhalte zu verzichten trotz der jün-
geren Rechtsprechung des BFH zum Ausschluss des Übergangs des wirt-
schaftlichen Eigentums in Absprachekonstellationen und der in den 1990-iger-
Jahren zu Tage getretenen existenzgefährdenden Risiken für Börsenmakler
aus Cum-Cum-Geschäften, welche die Finanzverwaltung und Untergerichte
nicht anerkennen wollten und die nur deshalb nicht eingetreten sind, weil der
BFH an der Feststellung eines Gestaltungsmissbrauchs durch den seit dem
31. Januar 2001 weggefallenen § 50c EStG gehindert war?

10. Warum weist das Bundesministerium der Finanzen die BaFin nicht an, auch
für Cum-Cum-Sachverhalte eine Abfrage bei den beaufsichtigten Unterneh-
men durchzuführen?
Hat die Bundesregierung gesicherte Kenntnisse, dass in Cum-Cum-Sachver-
halten in der Mehrzahl der Fälle die Anrechnung der Körperschaftsteuer
rechtmäßig erfolgt ist und dass im Fall der Rechtswidrigkeit keine existenz-
gefährdenden Belastungen für die von der BaFin beaufsichtigten Unterneh-
men drohen?

11. Gilt die Befreiung in § 36 Absatz 2a Nummer 2 EStG-E auch dann, wenn der
Steuerpflichtige Chancen und Risiken der Aktien durch Vertrag auf einen
Dritten überträgt, d. h. kann ein Steuerausländer zur Vermeidung der Belas-
tung von Dividendenzahlungen mit Kapitalertragsteuer Aktien auf eine in-
ländische Kapitalgesellschaft übertragen und gleichzeitig Chancen und Risi-
ken aus diesen Aktien behalten?

12. Kann die Beschränkung der Anrechenbarkeit bei einer höheren Absicherung
als 70 Prozent des Wertveränderungsrisikos in § 36 Absatz 2a Satz 2 EStG-E
im Konzern dadurch umgangen werden, dass nicht die anrechnungsberech-
tigte Gesellschaft, sondern eine andere Konzerngesellschaft oder ein anderes
Unternehmen, an dem die Konzernobergesellschaft beteiligt ist, die Absiche-
rung des über 70 Prozent des Wertveränderungsrisikos liegenden Risikos
übernimmt?

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13. Welche anderen Umgehungsmöglichkeiten bestehen nach Kenntnis der Bun-
desregierung noch, um die Regelung von § 36 Absatz 2a EStG-E zu umge-
hen?

14. Warum hat die Bundesregierung im Regierungsentwurf die im Referenten-
entwurf noch vorgesehene, am Schweizer Recht orientierte Generalklausel
in § 36 Absatz 2 Nummer 2 letzter Satz EStG-RefE zum Ausschluss einer
Anrechnung bei Steuerumgehung gestrichen?
Von welchen Verbänden oder anderen Akteuren wurde der Wunsch dieser
Streichung ggf. an das Bundesministerium der Finanzen herangetragen?

15. Welche von § 36 Absatz 2 Nummer 2 letzter Satz EStG-RefE erfassten Ge-
staltungsmodelle werden jetzt nicht mehr erfasst?

16. Welche Landesfinanzbehörden und Vertreter der Finanzindustrie und welche
sonstigen (privaten) Dritten außerhalb des Bundesministeriums der Finanzen
und des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz haben am
Investmentsteuerreformgesetz mitgearbeitet, bzw. welche Passagen des Ge-
setzestextes oder der Gesetzesbegründung, insbesondere zu den vorgesehe-
nen Regelungen zur Eindämmung des Dividendenstrippings, gehen auf wel-
che Vorschläge, Anregungen, Formulierungshilfen oder ähnliche Beiträge
der vorbenannten Kreise zurück?

17. Wie viele Referatsleiter, Referenten und Sachbearbeiter bearbeiten im Bun-
desministerium der Finanzen derzeit die Themen
a) Kapitalertragsteuer,
b) Körperschaftsteuer,
c) Investmentsteuergesetz und
d) Investmentsteuerreformgesetz?
Wie viele Stellen (in Vollzeitäquivalenz), gegliedert nach Besoldungsgrup-
pen, stehen dabei in jeder Kategorie zu Verfügung?

18. Ist dies nach Auffassung der Bundesregierung eine ausreichende Personal-
stärke, um die komplexe Sach- und Rechtsmaterie angemessen abzudecken,
insbesondere um zeitnah und wirksam Gestaltungs-(mißbrauchs-)modelle zu
identifizieren und ihnen mit Gesetzesänderungen begegnen zu können?

19. Wie hoch sind die Personal- und Sachkosten des in Frage 17 erfragten Per-
sonals?

20. Wie hoch schätzt die Bundesregierung das jährlich durch Gestaltungs-(miß-
brauchs-)modelle entgangene Steueraufkommen (bitte nach Steuerarten auf-
schlüsseln)?

21. Hat das Bundesministerium der Finanzen Richtlinien für die Beamten und
Beschäftigten der Steuerabteilung, welche die Vortragstätigkeit regeln, ins-
besondere zu Themen und Gesetzgebungsvorhaben, mit denen diese Mitar-
beiter in ihrer dienstlichen Funktion ganz oder teilweise betraut sind?

22. Ist es mit diesen Richtlinien und/oder nach Auffassung der Bundesregierung
vereinbar, dass Beschäftigte Vorträge zu steuerlichen Gestaltungsmöglich-
keiten halten, insbesondere zu Gestaltungsmöglichkeiten bei Gesetzen, die
sich im Gesetzgebungsverfahren befinden, mit dessen Betreuung die be-
troffenen Beschäftigten ganz oder teilweise betraut sind bzw. nicht betraut
sind?

23. Falls die Bundesregierung von einer Vereinbarkeit ausgeht, wie stellt die
Bundesregierung sicher, dass es nicht zu Interessenkonflikten bzw. zum An-
schein von Interessenkonflikten kommt?

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24. Wie viele Vorträge haben Mitarbeiter der Steuerabteilung, aufgeschlüsselt
nach Besoldungsgruppe und Unterabteilung, mit welchem konkreten Thema
und bei welchem Auftraggeber zur Investmentsteuerreform seit dem Jahr
2011 gehalten und werden zum Zeitpunkt dieser Kleinen Anfrage absehbar
noch halten, und wie hohe Nebeneinkünfte haben sie pro Vortrag erzielt (die
Antwort soll pro Vortrag Unterabteilung, Thema, Auftraggeber und Ein-
künfte eindeutig zuordnen lassen)?

25. Wie viele Fälle mit Verdacht auf Cum-Ex-Geschäfte werden beim Bundes-
zentralamt für Steuern zurzeit bearbeitet?
Wie viele sind bereits abgeschlossen?
In wie vielen davon wurde bis jetzt die Anrechnung oder Erstattung von Ka-
pitalertragsteuern verweigert?

26. Wann hat es im Bundeszentralamt für Steuern erstmalig Anzeichen dafür ge-
geben, dass es bei Cum-Ex-Geschäften zu einer mehrfachen Erstattung/An-
rechnung einer nur einmal abgeführten Kapitalertragsteuer kommen kann?

27. Wann hat das Bundeszentralamt für Steuern zum ersten Mal Maßnahmen er-
griffen, um die Anrechnung oder die Erstattung von Kapitalertragsteuern auf
den Verdacht zu prüfen, dass die eingereichten Bescheinigungen aus Cum-
Ex-Geschäften stammen könnten?
Wie viele Beschäftigte (in Vollzeitäquivalenten) wurden mit dieser Aufgabe
betraut (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

28. Hat das Bundeszentralamt für Steuern eine Task Force oder Ähnliches zur
Bearbeitung der Cum-Ex Geschäfte gegründet?
Wenn ja, wie viele Beschäftigte (in Vollzeitäquivalenten) wirkten anfangs
bei dieser Task Force mit, und zu welchem Zeitpunkt wurde sie ggf. nach-
träglich um wie viele Beschäftigte aufgestockt oder abgebaut?

29. Wann hat das Bundeszentralamt für Steuern zum ersten Mal Maßnahmen er-
griffen, um die Anrechnung oder die Erstattung von Kapitalertragsteuern auf
den Verdacht zu prüfen, dass die eingereichten Bescheinigungen aus Cum-
Cum-Geschäften stammen könnten, die steuerrechtlich unzulässig sind?
Wie viele Beschäftigte (in Vollzeitäquivalenten) wurden mit dieser Aufgabe
betraut (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

30. Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, wie das Dividendenstripping
in den Jahren bis zur Abschaffung des körperschaftsteuerlichen Anrech-
nungsverfahrens funktioniert hat?
Wenn ja, welche?

31. Sind der Bundesregierung aus der Vergangenheit Steuergestaltungen be-
kannt, bei denen Ausschüttungen und/oder ausschüttungsgleiche Erträge um-
gewandelt wurden in solche Kapitalerträge, die im Rahmen eines Invest-
mentfonds nicht einer sofortigen Besteuerung unterliegen, d. h. Gestaltun-
gen, um in den Genuss des Fondsprivilegs zu kommen, und wenn ja, welche?

32. Welche Vorkehrungen hat die Bundesregierung getroffen, um Gestaltungen
dieser Art, etwa über die Umwandlung von Dividenden- und Zinseinkünften
in Wertsteigerungen von Zertifikaten und Derivaten, zu verhindern?

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33. Warum ist es nicht möglich, Wertpapierleihgebühren in Deutschland wie Di-
videnden einer Kapitalertragsteuer/Quellensteuer zu unterwerfen?
Unter welchen Artikel in den deutschen Doppelbesteuerungsabkommen fal-
len Wertpapierleihgebühren, und erwägt die Bundesregierung hier Änderun-
gen in deutschen Doppelbesteuerungsabkommen bzw. einen sogenannten
Treaty Override, um Wertpapierleihgebühren einer Quellensteuer unterwer-
fen zu können, und wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 15. März 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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