BT-Drucksache 18/769

Den Grauen Kapitalmarkt durchgreifend regulieren

Vom 11. März 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/769
18. Wahlperiode 11.03.2014

Antrag
der Abgeordneten Susanna Karawanskij, Klaus Ernst, Dr. Dietmar Bartsch,
Karin Binder, Kerstin Kassner, Jutta Krellmann, Caren Lay, Thomas Lutze,
Thomas Nord, Richard Pitterle, Michael Schlecht, Dr. Kirsten Tackmann,
Dr. Axel Troost, Dr. Sahra Wagenknecht und der Fraktion DIE LINKE.

Den Grauen Kapitalmarkt durchgreifend regulieren

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Graue Kapitalmarkt umfasst diejenigen Finanzgeschäfte, die kaum bis gar
nicht durch Rechtsvorschriften und Behörden wie die staatliche Finanzaufsicht
kontrolliert werden. Es ist unhaltbar und politisch unverantwortlich, dass bis
heute ein halbwegs geregelter „weißer“ Finanzmarkt und ein fast unregulierter
Grauer Kapitalmarkt nebeneinander bestehen. An dem erheblichen Unterschied
und Gefälle bei der Aufsicht, Kontrolle und Regulierung haben weder die Novel-
le des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts aus dem Jahr 2011
noch das 2013 geschaffene Kapitalanlagegesetzbuch etwas fundamental geändert.
Entgegen vollmundiger Ankündigungen hat auch die in der vergangenen Legisla-
turperiode von CDU,CSU und FDP gebildete Regierungskoalition in keiner Wei-
se den Grauen Kapitalmarkt umfassend reguliert. Es fehlte vollends am politi-
schen Willen, diesen Markt mit dessen wirtschaftlichen Auswüchsen überhaupt
in den Griff zu bekommen.

Die PROKON Regenerative Energien GmbH steht exemplarisch für die enorme
strukturelle Schieflage zwischen Grauem und halbwegs geregeltem Kapitalmarkt:
Verbraucherinnen und Verbrauchern, die in vermeintlich sichere Genussscheine
der PROKON Regenerative Energien GmbH investiert haben, droht ein Totalver-
lust ihres Kapitals, weil Genussrechte im Insolvenzfall nachrangig bedient wer-
den. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sieht sich ge-
genwärtig in keiner Verantwortung, die geschädigten Anlegerinnen und Anleger
zu unterstützen, da die PROKON Regenerative Energien GmbH, die den Insol-
venzantrag gestellt hat, kein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft betreibe. Es wäre
ein kleiner Fortschritt, wenn sich die Bundesregierung tatsächlich gegen mächti-
ge Lobbyinteressen durchsetzen würde und – wie jüngst angedacht – gesetzliche
Regelungen schaffte, um den Verkauf riskanter und weitgehend unregulierter
Finanzinstrumente an Kleinanlegerinnen und Kleinanleger zu verbieten. Dies
wäre gewiss keine „Bevormundung“ von Anlegerinnen und Anlegern.

Der Graue Kreditmarkt ist ein besonderer Bereich des Grauen Kapitalmarkts und
umfasst jenen Teilmarkt, auf dem Kreditverträge jenseits von Kreditinstituten wie
Banken oder Sparkassen angeboten und nachgefragt werden. Dieser Teilmarkt ist

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bisher nahezu unreguliert. Im Internet werden beispielsweise massenhaft überteu-
erte und betrügerische Kredite angeboten (z. B. SCHUFA-frei, Gebührenkaska-
den für Schnellbearbeitung etc., Kreditanbieter ohne Kontaktdaten). Menschen,
die anderweitig keinen Kredit erhalten, sehen darin oft ihre letzte Chance. Zu der
wachsenden Verschuldung vieler Privathaushalte tragen ferner u. a. Kettenum-
schuldungen, Zinsverlagerungen in Beiprodukte, untergeschobene Restschuldver-
sicherungen oder Inkassokosten bei. Laut Schuldneratlas 2013 der Wirt-
schaftsauskunftei Creditreform ist fast jede bzw. jeder Zehnte Deutsche über
18 Jahren überschuldet. Diese zum Teil existenzbedrohende Situation trieb aber
die vergangenen Bundesregierungen nicht zu durchgreifendem Handeln, um eine
verantwortungsvolle Kreditvergabe zu stärken.

Verbraucherinteressen müssen folglich ernster genommen und gesetzlich strikter
geschützt werden. Die Stärkung sicherer, transparenter und regulierter Anlage-
und Kreditformen muss endlich oberste Priorität genießen. Verantwortung, z. B.
das Risiko der unzähligen Finanzinstrumente und Anlageformen umfangreich
und kompetent zu bewerten, darf dabei nicht einseitig auf die Verbraucherinnen
und Verbraucher abgewälzt werden.

Schon seit Jahren kritisieren und warnen unabhängige Verbraucher-
schutzorganisationen u. a. vor Geschäftsmodellen, wie sie die PROKON Regene-
rative Energien GmbH verfolgte. Mangelnde Transparenz und ein hohes Risiko
insbesondere von Genussrechten sind zwei Kernaspekte, weswegen von Investi-
tionen abgeraten wurde und wird. Das bekräftigt der Insolvenzantrag der
Windwärts Energie GmbH, die ebenfalls Genussrechte ausgab. Dabei sind die
aktuellen Fälle nur die Spitze des Eisbergs: Jährlich verlieren Anlegerinnen und
Anleger u. a. mittels Finanzinstrumenten des Grauen Kapitalmarkts Gelder zwi-
schen ca. 50 und 98 Mrd. Euro durch falsche, zumeist provisionsgetriebene, nicht
verbraucherorientierte Beratung und den Verkauf unseriöser und hochriskanter
Finanzinstrumente.

Verwalterinnen und Verwalter, auch von Anlageformen des Grauen Kapital-
markts, legen immer mehr renditesuchendes Kapital spekulativ auf den Finanz-
märkten an, wodurch z. B. immer volumenreichere Fonds entstehen. In der Gier
nach der größtmöglichen Rendite werden auf einem wild wuchernden Finanzsek-
tor unverhältnismäßig hohe Risiken eingegangen. Hieraus drohen unabschätzbare
Gefahren für die Finanzmarktstabilität und damit für die Volkswirtschaft.

Der Graue Kapitalmarkt erfüllt keine gesamtwirtschaftliche Finanzierungs-
funktion. Entsprechende Unternehmen verfügen zur Investitionsfinanzierung
kaum über traditionelles Fremdkapital wie Bankkredite noch über ausreichende
Eigenmittel. Durch das Versprechen, hohe Renditen zu erwirtschaften, locken sie
Anlegergelder an, erst recht in Phasen niedriger Verzinsung von Tages- und
Festgeldkonten. Gelder, die z. B. für die Altersvorsorge bestimmt waren und
deren Verlust die Gefahr von Altersarmut rapide steigen lässt, drohen, verloren
zu gehen. Traumrenditen sind fast nur über riskante und intransparente Geschäfte
realisierbar. Zudem werden Anlegerinnen und Anleger meist zu Mit-
Unternehmern, wodurch sie oft unwissend selbst ein viel höheres Risiko tragen.

Der Graue Kapitalmarkt muss folglich umfassend und durchgreifend gesetzlich
reguliert werden, um die Bürgerinnen und Bürger vor unseriösen Anbietern und
Geschäftsmodellen effektiv zu schützen und um für mehr Finanzmarktstabilität
zu sorgen. Es wird höchste Zeit, das Versprechen der Politik seit 2008 in die Tat
umzusetzen, dass kein Finanzinstrument, kein Finanzakteur und keine Finanz-
praktik unreguliert bleiben werden.

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II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

durch folgende Maßnahmen den Grauen Kapitalmarkt ausnahmslos einer wirk-
samen, einheitlichen Finanzaufsicht zu unterstellen und hierfür die erforderlichen
Gesetzesinitiativen vorzulegen:
1. Jede Geld- und Vermögensanlage sowie jedes Kreditgeschäft ist im je-

weils einschlägigen Gesetz – z. B. Kreditwesen-/Wertpapier-
handelsgesetz, Kapitalanlagegesetzbuch oder Versicherungsauf-
sichtsgesetz – zu regulieren und durch ein laufendes materielles Prü-
fungsrecht (Produktaufsicht) der BaFin zu unterstellen.

2. Ein Finanz-TÜV ist einzurichten, der alle Finanzinstrumente, -akteure
und -praktiken vor ihrer Zulassung daraufhin untersucht, ob sie gesamt-
wirtschaftlich keine unerwünschten Nebenwirkungen haben, ob das ge-
samt- und betriebswirtschaftliche Risiko beherrschbar ist und ob sie ver-
braucherfreundlich sind. Hierzu sind Mindeststandards und Risikoklas-
sen zu definieren. Die Beweislast liegt bei den Antragstellern, die ein Fi-
nanzinstrument in Umlauf bringen wollen. Hochriskante und verbrau-
cherpolitisch unseriöse Instrumente werden damit gar nicht erst zugelas-
sen.

3. Finanzanlagenvermittlerinnen und -vermittler bzw. freie Vermittlerinnen
und Vermittler sind der Finanzaufsicht und nicht wie bislang den Ge-
werbeämtern zu unterstellen.

4. Der provisionsbasierte Verkauf von Finanzinstrumenten sowie der Ver-
kaufsdruck auf Finanzanlagenberaterinnen und -berater sowie
-vermittlerinnen und -vermittler durch produktbezogene Vertriebsvor-
gaben sind gesetzlich zu unterbinden. Stattdessen müssen Honorarbera-
tung und unabhängige Finanzberatung durch Verbraucherzentralen aus-
gebaut und breit verankert werden. Die im Koalitionsvertrag vorgesehe-
ne Beauftragung der Verbraucherzentralen mit einer Marktwächterfunk-
tion für den Finanzmarkt ist umgehend umzusetzen.

5. Der Graue Kreditmarkt als Teilmarkt des Grauen Kapitalmarkts mitsamt
den freien Kreditvermittlerinnen und -vermittlern ist ebenfalls einer
wirksamen, einheitlichen Finanzaufsicht zu unterstellen und gleichsam
vom künftigen Finanz-TÜV zu kontrollieren. Es sind u. a. Zinsobergren-
zen für Verbraucherkredite einzuführen und alle kreditbezogenen Kosten
transparent gegenüber den Verbraucherinnen und Verbrauchern darzule-
gen. Ein Vorleistungsverbot bei der Kreditvermittlung ist notwendig.
Vorfälligkeitsentschädigungen sind im Rahmen der Verbraucher-
kreditrichtlinie strikt zu begrenzen und niedrig zu halten.

6. Zur Finanzierung der Marktwächter „Finanzen“, der unabhängigen Fi-
nanzberatung durch die Verbraucherzentralen und von Schuldner-
beratungsstellen sind alle Unternehmen der Finanzbranche zur Über-
nahme der Kosten nach dem Verursacherprinzip gesetzlich zu verpflich-
ten. Um eine schnellstmögliche Stärkung der Einrichtungen zu erreichen,
unterstützt der Bund diese durch eine mehrjährige Anschubfinanzierung.

7. Das Verbraucherinformationsgesetz (VIG) ist auf alle Produkte und
Dienstleistungen und damit auf Finanzinstrumente und Finanzdienste zu
erweitern.

Berlin, den 11. März 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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Begründung

Jüngst hieß es aus dem Justiz- und Verbraucherschutzministerium, dass „gerade im Bereich des sogenann-
ten grauen Kapitalmarkts […] ein funktionierender Verbraucherschutz wichtig“ ist (Handelsblatt v.
14.01.2014, S. 6). Bereits 2008 verkündete die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, „kein Finanz-
markt und kein Finanzmarktprodukt soll unreguliert bleiben“.

Wenn man es – wie die Fraktion DIE LINKE. – ernst damit meint, dass kein Finanzmarkt, -instrument,
-akteur, Vertriebskanal und keine Finanzpraktik unreguliert bleiben sollen, muss zügig gehandelt werden.

Dies verdeutlicht der Fall der PROKON Regenerative Energien GmbH eindrucksvoll: Das Windkraftanla-
gen-Unternehmen aus Itzehoe hat den Insolvenzantrag gestellt. Die PROKON Regenerative Energien
GmbH lockte u. a. Kleinanlegerinnen und Kleinanleger durch teils unlautere Werbung (vgl.
OLG Schleswig-Holstein, Urteil v. 05.09.2012, Az. 6 U 14/11) und dem Versprechen einer sicheren Rendi-
te von bis zu 8 Prozent zum Kauf von Genussrechten. Die langfristigen Investitionen in erneuerbare Energie
hat die PROKON Regenerative Energien GmbH fast ausnahmslos über (teils kurzfristig kündbare) Genuss-
rechte finanziert und ist in eine Liquiditätsklemme geraten. Das Unternehmen beschäftigt rund 1300 Mitar-
beiterinnen und Mitarbeiter, denen fortan der Arbeitsplatzverlust droht.

Die PROKON Regenerative Energien GmbH hat eigenen Angaben zufolge rund 1,4 Mrd. Euro von circa
75 000 Anlegerinnen und Anlegern erhalten. Es wandte und wendet sich u. a. dadurch, dass Genussrechte
schon ab 100 Euro zu erwerben sind, gezielt an Kleinanlegerinnen und Kleinanleger, versprach „Sicherheit
und Stabilität“ und gerierte sich als „die Alternative zur Bank oder Lebensversicherung“ (vgl. Verbraucher-
zentrale Hamburg, „PROKON: Wind aus den Segeln genommen“, www.vzhh.de v. 20.11.2013).

Besitzerinnen und Besitzer von Genussscheinen, die zu Finanzinstrumenten des Grauen Kapitalmarkts ge-
hören, sind an einem Unternehmen beteiligt, erhalten Zinsen, haben aber anders als z. B. Aktienbesitzer
kein Mitspracherecht („stille Beteiligung“). Wird das Unternehmen abgewickelt, werden Genussscheine in
der Regel erst nach den anderen Forderungen, also nachrangig bedient. Es besteht für Anlegerinnen und
Anleger die Gefahr des Totalverlusts. Genussscheine sind risikoreicher als Anleihen, weswegen die Zins-
sätze höher sind.

Zum Grauen Kapitalmarkt gehören daneben beispielsweise Geschlossene Investmentfonds in Form von
Unternehmensbeteiligungen an Immobilien, Filmen, Windkraftanlagen oder Schiffen, Inhaberschuldver-
schreibungen, Bankgarantien, Bauherrenmodelle, Anlagen in Diamanten und Rohstoffe, „Finanzinnovatio-
nen“, aber auch Geschäftsmodelle, die auf dem Schneeball- bzw. Ponzi-System beruhen. Im Ponzi-System
werden z. B. Zinsen nicht aus Gewinnen, sondern aus Geldern von neuen Anlegern finanziert. Allein in
Geschlossenen Fonds liegen derzeit rund 200 Mrd. Euro (vgl. Wirtschaftswoche Nr. 4 / 20.01.2014, S. 80).
Kennzeichnend für den Grauen Kapitalmarkt ist oft die Art, wie die Finanzinstrumente an den Mann oder
die Frau gebracht werden (postalische Prospektwerbung, Telefonwerbung, Anzeigenwerbung in U-Bahnen
etc.), auch sind die Angebote entgegen der Verkaufsversprechen meist hochriskant und teuer. Gerade auf
dem Grauen Kapitalmarkt haben sich viele unseriöse Anbieter breitgemacht.

Das Ziel muss sein, den Grauen Kapitalmarkt durchgreifend zu regulieren. Nur dies führt zu einem effekti-
ven Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie zu mehr Kontrolle, Transparenz und weniger
Regulierungsgefälle auf dem Finanzmarkt. Zudem beschneidet eine strikte Regulierung einen wild wu-
chernden Finanzmarkt, auf dem Akteurinnen und Akteure ständig auf der Suche nach dem nächsten „Ren-
ditekick“ sind. So sorgt ein Ende des Grauen Kapitalmarkts schließlich für eine größere Finanzmarktstabili-
tät.

Um dies zu erreichen, muss als Erstes der gesamte Graue Kapitalmarkt eine wirksame, einheitliche Finanz-
aufsicht erhalten. Mittels einer laufenden Aufsicht, die ein materielles Prüfungsrecht und die Produktauf-
sicht umfassen muss, kann die BaFin gegenwärtig präventiv wirken.

Ein Problem liegt des Weiteren darin, dass im Finanzsektor nach wie vor grundsätzlich jedes Finanzinstru-
ment erlaubt ist, das nicht explizit verboten wurde. Dies hat zur Folge, dass immer neue Schrottpapiere auf
den Markt kommen, denen der Gesetzgeber im Rahmen seiner Regulierung hinterherhinkt. Eine unüber-
schaubare Anzahl unseriöser, hochriskanter, intransparenter und/oder verbraucherschädlicher Finanzin-

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strumente oder Finanzakteure mitsamt ihren Praktiken gelangen auf den Markt. Es bedarf deshalb eines
Finanz-TÜVs.

Eine ausdrückliche Zulassung durch einen Finanz-TÜV ist nicht allein für den Verbraucherschutz, sondern
vor allem im Interesse der Finanzmarktstabilität erforderlich, weil dadurch die Komplexität der Finanz-
märkte reduziert wird und sie auf ihre dienende Funktion für die Volkswirtschaft zurechtgestutzt werden.

Eine breite Beteiligung von Gesellschaft, Verbraucherschützern und Wissenschaft an der Erarbeitung von
Mindeststandards und Risikoklassen für einen Finanz-TÜV ist unabdingbar. Existiert ein Finanz-TÜV, sind
durchaus unterstützenswerte Forderungen überflüssig, z. B. nach Verboten, Geschlossene Investmentfonds
aktiv an Privatkunden zu vertreiben, Nachschusspflichten bei Vermögensanlagen vorzusehen und so ge-
nannte Blindpools (d. h., es wird nicht klar und verbindlich im Voraus beschrieben und nachgewiesen, in
welche Objekte in welchem Umfang und mit welchem Ziel investiert wird) einzurichten. Ebenso kann
komplexen und hochriskanten Zertifikaten der Marktzutritt verwehrt werden.

Finanzanlagenvermittlerinnen und -vermittler bzw. freie Vermittlerinnen und Vermittler verkaufen oftmals
Instrumente des Grauen Kapitalmarktes, weil diese ihnen mehr Provisionen bringen als andere Finanzin-
strumente.

Mit der Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts in 2011 wurde der Ver-
trieb von Anlagen des Grauen Kapitalmarktes nur ein wenig (Beratungsprotokoll, Kurzinformationsblätter
etc.) und daher unzureichend reguliert (vgl. Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE. zur Novellie-
rung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts, Bundestagsdrucksache 17/7476).

Ein großes Problem bildet dabei das Aufsichtsgefälle: Finanzanlagenvermittlerinnen und -vermittler bzw.
freie Vermittlerinnen und Vermittler unterstehen wie Blumenhändler der Gewerbeaufsicht, die aber nach
Ansicht von Verbraucherschützerinnen und -schützern mit dieser Aufsicht inhaltlich wie personell überfor-
dert ist. Finanzberatung und -vermittlung darf jedoch kein Flickenteppich unterschiedlicher Regulierung
und Aufsicht sein. Ein einheitliches Anlegerschutzniveau unabhängig von Vertriebsweg und Finanzinstru-
ment ist dringend erforderlich. Daher müssen Finanzanlagenvermittlerinnen und -vermittler bzw. freie
Vermittlerinnen und Vermittler ebenfalls der Aufsicht durch die BaFin unterstellt sein.

Neben unseriösen und hochriskanten Finanzinstrumenten ist falsche Anlageberatung eine Hauptursache für
enorme finanzielle Verluste der Verbraucherinnen und Verbraucher, die wiederum volkswirtschaftliche
Auswirkungen haben.

Verbraucherinnen und Verbrauchern entsteht jährlich ein Schaden zwischen 50 und 98 Mrd. Euro durch
falsche Anlageberatung und schlechte Finanzinstrumente von Banken und anderen Finanzdienstleistern. Zu
diesem Ergebnis kam Ende 2012 der Finanzwirtschaftler Prof. Dr. Andreas Oehler von der Universität
Bamberg in einer Studie (vgl. Süddeutsche Zeitung, „Anleger verlieren Milliarden bei der Altersvorsorge“,
27.12.2012).

Die Gründe für massenhafte Falschberatung liegen in der provisionsbasierten Anlageberatung sowie im
Vertriebs- bzw. Verkaufsdruck „von oben“. Instrumente des Grauen Kapitalmarkts versprechen im Vertrieb
hohe Provisionen. Wer als Vermittlerin und Vermittler bzw. Verkäuferin und Verkäufer auf Provisionsbasis
arbeitet, ist daher leicht versucht, nicht das Finanzinstrument der Kundin oder dem Kunden zu empfehlen,
das am besten zu deren/dessen Bedürfnissen, Lebensverhältnissen und Anlageabsichten passt (verbraucher-
gerechte Beratung), sondern das Finanzinstrument, das die höchsten Provisionen abwirft.

Gegenwärtig muss ein Privathaushalt circa 30 Jahre auf eine bezahlbare Finanzberatung durch eine unab-
hängige Verbraucherzentrale warten, weil die Unterstützung unabhängiger Beratungsstellen unzureichend
ist. Sachkundige Finanzberatung zu erhalten, darf aber keine Frage des eigenen Geldbeutels sein.

Infolgedessen müssen das System der provisionsgestützten Finanzberatung und -vermittlung überwunden
und produktbezogene Verkaufsvorgaben (Vertriebsdruck) verboten werden. Honorarberatung und unab-
hängige Finanzberatung durch Verbraucherzentralen sind deutlich zu stärken (vgl. den Entschließungsan-
trag der Fraktion DIE LINKE. zum Entwurf eines Gesetzes zur Förderung und Regulierung einer Honorar-
beratung über Finanzinstrumente - Honoraranlageberatungsgesetz, Bundestagsdrucksache 17/13248).

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Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Beauftragung der Verbraucherzentralen mit einer Marktwächterfunk-
tion für den Finanzmarkt ist sofort umzusetzen. Diese sind u. a. mit Initiativ- und Beschwerderechten ge-
genüber der Finanzaufsicht auszustatten.

Schließlich gilt es, Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer besser zu schützen. Seit Abschaffung der admi-
nistrativen Zinsobergrenzen im Jahr 1963 sind die Kreditzinsen für Verbraucherinnen und Verbraucher
extrem gestiegen. Der Graue Kreditmarkt ist weitgehend unreguliert. Massenhafte Angebote vorzugsweise
im Internet versprechen günstige Kredite für jede und jeden, u. a. SCHUFA-freie Kreditangebote selbst bei
fehlender Bonität. Leidtragende sind insbesondere in Geldnot geratene Menschen. Unter anderem überteu-
erte und betrügerische Kreditangebote wirken rasch existenzbedrohend. Das Problem der Altersarmut ver-
schärft sich dadurch, Binnenkaufkraft wird weiter geschwächt.

Um die Überschuldung von Privathaushalten und Verschuldungsspiralen zu vermeiden, setzt sich die Frak-
tion DIE LINKE. für eine verantwortungsvolle Kreditvergabe ein. Aus diesem Grund ist der Graue Kredit-
markt als Teilmarkt des Grauen Kapitalmarkts gleichsam umfassend zu regulieren. Auch hier sind eine
effektive, einheitliche Finanzaufsicht sowie das Wirken eines Finanz-TÜV vonnöten.

Es müssen Zinsobergrenzen für Verbraucherkredite festgelegt werden. Diesbezüglich setzt sich die Fraktion
DIE LINKE. beispielsweise schon seit längerer Zeit für eine Deckelung der Dispo- und Überziehungszinsen
bei Banken ein. Damit zusätzliche Kosten nicht im Kleingedruckten versteckt werden, müssen ferner alle
kreditbezogenen Kosten transparent und verständlich für Verbraucherinnen und Verbraucher dargelegt
werden. Wie bei den Finanzinstrumenten des Grauen Kapitalmarktes sind hier u. a. standardisierte, ver-
braucherfreundliche Produktinformationsblätter vonnöten.

Oft werden bei der Kreditvermittlung Vorleistungen in Rechnung gestellt, ohne dass letztlich ein Kredit
vermittelt wird. Daher ist ein Vorleistungsverbot bei der Kreditvermittlung einzuführen, so dass Vermitt-
lungsvergütungen und Auslagenerstattungen erst nach erfolgter Kreditvermittlung anfallen. Selbst Men-
schen, die ihre Kredite vorbildlich bedienen, werden durch das Abkassieren von Vorfälligkeitsentschädi-
gungen finanziell geschädigt. Solche Entschädigungen sind indes strikt zu begrenzen: Der Kreditgeber soll-
te beispielsweise geringe Vorfälligkeitsentschädigungen nur dann verlangen dürfen, wenn der Betrag der
vorzeitigen Rückzahlung einen Schwellenwert von 10 000 Euro innerhalb eines Zwölfmonatszeitraums
überschreitet. Die Regelungen und Umsetzungsspielräume der Verbraucherkreditrichtlinie, nach der bis zu
1 Prozent Vorfälligkeitsentschädigung erlaubt sind, bei Kreditverträgen bis zwölf Monaten Laufzeit jedoch
nur 0,5 Prozent, sind zu überprüfen und entsprechend zu nutzen.

Finanziert werden sollen der Marktwächter „Finanzen“, die unabhängige Finanzberatung durch Verbrau-
cherzentralen sowie die Schuldnerberatungsstellen durch alle Unternehmen der Finanzbranche. Diese sind
zur Übernahme der Kosten nach dem Verursacherprinzip gesetzlich zu verpflichten. Der Bund wirkt durch
eine mehrjährige Anschubfinanzierung unterstützend. Schuldnerberatungsstellen der Länder sollen stärker
denn je der steigenden Verschuldung privater Haushalte entgegenwirken und insbesondere Wege aus Ver-
schuldungsspiralen aufzeigen.

Das Verbraucherinformationsgesetz, VIG, ist auf alle Produkte und Dienstleistungen und folglich auf Fi-
nanzinstrumente und Finanzdienste zu erweitern (vgl. Antrag der Fraktion DIE LINKE., „Verbraucherin-
formationsgesetz jetzt verbraucherfreundlich ausgestalten“, Bundestagsdrucksache 17/1576).

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