BT-Drucksache 18/748

Nationales Hochwasserschutzprogramm

Vom 10. März 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/748
18. Wahlperiode 10.03.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Katrin Kunert, Dr. Dietmar Bartsch, Karin Binder,
Roland Claus, Dr. André Hahn, Dr. Rosemarie Hein, Ulla Jelpke, Susanna
Karawanskij, Kerstin Kassner, Caren Lay, Michael Leutert, Petra Pau, Harald
Petzold (Havelland), Martina Renner, Dr. Petra Sitte, Dr. Kirsten Tackmann, Frank
Tempel, Dr. Axel Troost, Birgit Wöllert, Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann
(Zwickau) und der Fraktion DIE LINKE.

Nationales Hochwasserschutzprogramm

Als Konsequenz aus den verheerenden Überschwemmungen im letzten Sommer
hat die Umweltministerkonferenz (UMK) am 2. September 2013 beschlossen,
ein nationales Hochwasserschutzprogramm zu erarbeiten. Auf der Basis einer
umfassenden Fehleranalyse sollen vordringliche Maßnahmen ermittelt werden,
die gemeinsam angepackt werden müssen, um ähnliche Katastrophen in der Zu-
kunft zu verhindern. Dazu sei ein nationales Hochwasserschutzprogramm not-
wendig.
Nach Darstellung der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) in Koblenz und
des Deutschen Wetterdienstes in Offenbach war die jüngste Flut an Elbe und
Donau ein Jahrhundertphänomen. An der Elbe wurden zwischen Coswig in
Sachsen-Anhalt und Lenzen in Brandenburg die höchsten jemals gemessenen
Wasserstände registriert. Eine aus Tschechien kommende Flutwelle traf auf das
Hochwasser der Flüsse Mulde und Saale. Der entstandene Scheitel an der Elbe
erreichte „bisher nicht bekannte Ausmaße“. Auch an der Saale wurden die vor-
maligen Hochwasserspitzen in weiten Teilen überschritten (vgl. DER TAGES-
SPIEGEL vom 27. Juni 2013).
Der Dammbruch im sachsen-anhaltischen Fischbeck am 10. Juni 2013 ver-
deutlicht die Notwendigkeit eines länderübergreifenden Hochwasserschutzes.
Bereits im Juni 2013 stellte der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Han-
delskammer Magdeburg, Wolfgang März, vor dem Ausschuss für Wirtschaft
und Technologie des Deutschen Bundestags fest, dass Sachsen-Anhalt verstärkt
vom Hochwasser betroffen war. Die hohen Investitionen in den sächsischen
Deichbau nach der Katastrophe im Jahr 2002 haben nach Einschätzung von
Wolfgang März zu den Hochwasserereignissen in Sachsen-Anhalt deutlich bei-
getragen (vgl. ebd.). Die vermehrte Eindeichung am Oberlauf der Elbe als Kon-
sequenz aus dem Hochwasser im Jahr 2002 führte zu einer Verschiebung des
Hochwasserereignisses im Jahr 2013 von Sachsen nach Sachsen-Anhalt. Damit
sich solche Verschiebungen nicht wiederholen, fordern Bürgerinnen und Bürger
einen länderübergreifenden Hochwasserschutz. Eine Bürgerinitiative aus dem
sachsen-anhaltischen Bitterfeld setzt sich für die Entlastung des Großen Goitz-
schesees ein und forciert den Ausbau von gesteuerten Überschwemmungsgebie-
ten in Sachsen. Ferner fordern die Bürgerinnen und Bürger ein Mitspracherecht

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bei künftigen Hochwasserschutzmaßnahmen (vgl. Mitteldeutsche Zeitung vom
7. Januar 2014).
Da das Jahrhunderthochwasser deutlich gezeigt hat, dass Hochwasserkatastro-
phen nicht an Ländergrenzen Halt machen, ist die Erarbeitung eines nationalen
Hochwasserschutzprogramms notwendig geworden. Die Sonderumweltminis-
terkonferenz Hochwasser (SonderUMK) zur Erarbeitung dieses nationalen
Hochwasserschutzprogramms am 2. September 2013 in Berlin war ein erster
Schritt. Neben einem länderübergreifenden Hochwasserschutz als wesentlichen
Forderungspunkt spricht sich die SonderUMK für gesetzlich verankerte verfah-
rensrechtliche Regelungen sowie informelle Formen der Bürgerbeteiligung für
eine zügige Umsetzung von Hochwasserschutzmaßnahmen aus (vgl. Sonder-
UMK 2. September 2013). An den Bund formulierte die SonderUMK verschie-
dene Forderungen:
– Der Bund möge die im Jahre 2011 erfolgte Kürzung zurücknehmen und

zusätzliche Haushaltsmittel in angemessener Höhe zweckgebunden zur
Umsetzung des nationalen Hochwasserprogramms bereitstellen.

– Der Bund möge Vorschläge für eine gemeinsame Finanzierungsstrategie
unterbreiten und auch die Möglichkeit der Einrichtung eines Sonderrahmen-
planes prüfen.

– Der Bund möge die Fördermöglichkeiten der Europäischen Union (EU) in
weitestgehendem Umfang nutzen, um das nationale Hochwasserschutz-
programm voranzubringen (vgl. ebd.).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wann wird die Bundesregierung das nationale Hochwasserschutzprogramm

vorlegen?
2. Welche Vorschläge für Maßnahmen sind der Bundesregierung bekannt, die

zum länderübergreifenden Hochwasserschutz beitragen können und in das
nationale Hochwasserschutzprogramm aufgenommen werden sollen?

3. Wie sollen die Maßnahmen finanziert werden?
4. Mit welchem Anteil wird sich die Bundesregierung an der Finanzierung von

Hochwasserschutzmaßnahmen, die dem nationalen Hochwasserschutzpro-
gramm entsprechen, beteiligen?

5. In welchem Planungs- oder Umsetzungsstatus befindet sich das Hochwasser-
schutzprogramm, und ab welchem Zeitpunkt ist geplant, mit der Umsetzung
der Maßnahmen zu einem länderübergreifenden Hochwasserschutz zu be-
ginnen?

6. Von welchem Personenkreis, von welchen Institutionen und Behörden wur-
den bisher Maßnahmen zu einem länderübergreifenden Hochwasserschutz
erarbeitet, und wie erfolgt die Abstimmung zur Umsetzung und Finanzierung
zwischen Bund und Ländern?

7. Welche gesetzlich verankerten verfahrensrechtlichen Regelungen plant die
Bundesregierung in Kooperation mit den Ländern mit dem nationalen Hoch-
wasserschutzprogramm einzuführen und umzusetzen?

8. Hält die Bundesregierung im Rahmen des nationalen Hochwasserschutz-
programms die Einrichtung einer nationalen Stabsstelle für sinnvoll?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja,
a) wo soll diese Stabsstelle angesiedelt werden,

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b) welche Personen, Institutionen und Behörden sollen daran beteiligt
werden,

c) wie hoch wird der jährliche Finanzbedarf dieser Stabsstelle sein,
d) in welcher Höhe werden Personalkosten für diese Stabsstelle jährlich

eingeplant,
e) mit welchen Handlungsvollmachten soll diese Stabsstelle gegenüber den

Ländern ausgestattet werden?
9. Wie sollte nach Ansicht der Bundesregierung eine umfassende Beteiligung

der verschiedenen Interessenverbände und Bürgerinitiativen beim Bau von
Hochwasserschutzanlagen aussehen und gewährleistet werden?

10. Welche neuen Bürgerbeteiligungsverfahren und verfahrensrechtlichen Re-
gelungen bei der Planung und Umsetzung von Hochwasserschutzmaßnah-
men plant die Bundesregierung über die gesetzlich verankerten hinaus in die
Erarbeitung des nationalen Hochwasserschutzprogramms einzubeziehen?

11. a) Um welche Kürzungen des Bundes im Jahr 2011, welche laut Sonder-
UMK zurückgenommen werden sollen, handelt es sich?

b) Mit welcher Begründung erfolgte diese Kürzung?
c) Wurden oder werden diese Kürzungen, wie von der SonderUMK ange-

strebt, zurückgenommen, und wenn ja, zu welchem Zeitpunkt?
12. Wie sieht die Finanzierungsstrategie des Bundes für ein nationales Hoch-

wasserschutzprogramm aus?
a) Für welchen Zeitraum ist eine Finanzierung geplant?
b) In welcher Höhe?
c) Wie werden die Finanzmittel verteilt?
d) Wie hoch ist der Eigenanteil der Länder oder Kommunen?
e) Welche Zugangskriterien und Voraussetzungen wird es nach derzeitigem

Stand geben?
13. Ist ein Sonderrahmenplan zur Gefahrenabwehr von Hochwasser geplant,

und wenn ja, wann wird er vorgelegt?
14. Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja,
a) welche Maßnahmen sollen in diesem Sonderrahmenplan gesetzlich ver-

ankert werden,
b) welche Personen sollen Handlungsvollmachten im Rahmen dieses

Sonderrahmenplans erhalten und mit welcher Begründung?
15. Welche Informationen hat die Bundesregierung zu den Maßnahmen, die der

Bundesrat für einen effektiven und nachhaltigen Hochwasserschutz als not-
wendig erachtet?

16. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung zu den Kosten durch Hoch-
wasser in den vergangenen zehn Jahren in der EU?

17. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie viele Menschen
von Hochwasser in den vergangenen zehn Jahren in der EU betroffen wa-
ren?

18. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, auf welche Höhe sich
die Ausgaben für den Hochwasserschutz in den vergangenen zehn Jahren
in der EU beliefen (sofern vorhanden, bitte nach Mitgliedstaaten aufschlüs-
seln)?

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19. Welche Fördermöglichkeiten der EU plant die Bundesregierung, wie von
der SonderUMK angeregt, für den nationalen Hochwasserschutz zu nutzen?

20. Welche Priorität räumt die Bundesregierung dem präventiven, ökologischen
Hochwasserschutz im Verhältnis zum technischen Hochwasserschutz im
nationalen Hochwasserschutzprogramm ein, und wie soll sich das im natio-
nalen Hochwasserschutzprogramm widerspiegeln?

21. Erachtet die Bundesregierung eine Harmonisierung der Hochwasserwarn-
stufen für notwendig?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, wie soll die Neuausrichtung der Hochwasserwarnstufen ausgestal-
tet werden, und bis wann plant die Bundesregierung diese Harmonisierung?

22. Hält die Bundesregierung einen Vorrang des Hochwasserschutzes bei der
Flächennutzung für notwendig?
Wenn ja, wie ist dazu die Strategie der Bundesregierung, und wie will sie
diese gewährleisten?
Wenn nein, warum nicht, und mit welchen anderen Regelungen will sie die
Konflikte lösen?

23. Hält die Bundesregierung ein Moratorium für den Verkauf von für den
Hochwasserschutz geeigneten Flächen durch Bund, Länder und Wirt-
schaftsunternehmen für notwendig, um diese als potenzielle Überschwem-
mungsflächen zu sichern?
Wenn ja, wird sie sich dafür einsetzen, dies auch im Vorgriff auf Maß-
nahmen im nationalen Hochwasserschutzprogramm zu regeln?
Wenn nein, warum nicht?

24. Welche Position hat die Bundesregierung zu Überlegungen zur beschleunig-
ten Planung von Baumaßnahmen von technischen Hochwasserschutzanla-
gen an den Flüssen, und wird sie solche Gesetze selbst initiieren?

25. Hält die Bundesregierung im künftigen Hochwasserschutzprogramm ein
Recht auf frühzeitige Information aller potentiell Betroffenen für sinnvoll,
und welche Regelungen wird sie initiieren, die dies garantieren?

26. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass für die Realisierung von ökolo-
gischen Hochwasserschutzmaßnahmen mehr Personal und Finanzmittel zur
Verfügung stehen müssen?
Wenn ja, wie viel Personal ist aus Sicht der Bundesregierung dafür not-
wendig, wie unterscheidet sich diese Zahl vom aktuellen Stand, und wie
hoch schätzt die Bundesregierung die nötige Erhöhung der Finanzmittel für
einen ökologischen Hochwasserschutz ein?
Wenn nein, warum nicht?

27. Hat die Bundesregierung Daten über das Verhältnis zwischen dem Finanz-
aufwand zur Schadensbeseitigung nach Hochwasserereignissen seit dem
Jahr 2002 und den Kosten für einen vorsorgenden ökologischen Hoch-
wasserschutz?
Wenn ja, wie hoch ist der bisherige Finanzaufwand für die Schadensbesei-
tigung, und wie hoch der Finanzaufwand für den ökologischen Hochwasser-
schutz?
Wenn nein, wie schätzt die Bundesregierung das Verhältnis zwischen diesen
beiden Posten ein?

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28. Wann und wie wird die Bundesregierung das in der nationalen Biodiversi-
tätsstrategie angekündigte Auenprogramm als wichtigen Beitrag zum Hoch-
wasserschutz umsetzen bzw. dies veranlassen?

29. Welche Voraussetzungen sind der Bundesregierung für einen effektiven
Wasserrückhalt in der Fläche bekannt, und welche Maßnahmen will sie
ergreifen, um einen optimalen Wasserrückhalt in der Fläche zu fördern?

Berlin, den 10. März 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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