BT-Drucksache 18/7234

Durchlässigkeit in der Bildung sichern, Förderlücken zwischen beruflicher Bildung und Studium schließen

Vom 12. Januar 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7234
18. Wahlperiode 12.01.2016
Antrag
der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Matthias W. Birkwald,
Nicole Gohlke, Katja Kipping, Ralph Lenkert, Norbert Müller (Potsdam),
Harald Petzold, Azize Tank, Kathrin Vogler, Harald Weinberg, Katrin Werner,
Birgit Wöllert, Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann (Zwickau), Pia
Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Durchlässigkeit in der Bildung sichern, Förderlücken zwischen beruflicher
Bildung und Studium schließen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Im Bereich der beruflichen und tertiären Bildung stehen unterschiedliche Förder-
möglichkeiten offen.
Mit der Berufsausbildungsbeihilfe soll für Auszubildende die Möglichkeit eines er-
folgreichen Ausbildungsabschlusses erleichtert werden. Vollzeitschulische Berufs-
ausbildungen außerhalb des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) und der Handwerksord-
nung werden mit Ausnahme der Altenpflegeausbildung mit Ausbildungsvertrag über
diesen Weg nicht gefördert.
Mit dem BAföG sollen Schülerinnen und Schüler sowie Studierende Förderungen
für ihre Ausbildung bzw. ihr Studium erhalten.
Das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) soll Teilnehmerinnen und Teil-
nehmer an einer beruflichen Aufstiegsfortbildung nach einer abgeschlossenen Be-
rufsausbildung mit Beiträgen zu den Kosten der Maßnahmen und zum Lebensunter-
halt finanziell unterstützen. Hierbei können grundsätzlich alle Fachkräfte, die eine
nach dem BBiG oder der Handwerksordnung anerkannte und abgeschlossene beruf-
liche Erstausbildung oder einen vergleichbaren Abschluss vorweisen können, geför-
dert werden. Mit der Novelle im Jahr 2009 wurde der Kreis der Anspruchsberech-
tigten um Erzieherinnen und Erzieher sowie Altenpflegekräfte erweitert. Gefördert
werden Maßnahmen wie zum Beispiel Meisterkurse unabhängig davon, ob sie in
Teilzeit oder Vollzeit absolviert werden. Anders als beim Studierenden- und Schü-
ler-BAföG gibt es beim „Meister-BAföG“ keine Altersbegrenzung. Die Förderung
nach diesen beiden Gesetzen bzw. dem SGB III setzt voraus, dass jeweils keine För-
derung nach einem anderen Gesetz erfolgt. Förderungen werden zudem für Studie-
rende und Fortzubildende teilweise, in einigen Fällen auch vollständig, als Darlehen
geleistet.
Die Förderungen nach den jeweiligen Gesetzen erfolgt jedoch zu sehr unterschiedli-
chen Konditionen. So werden zum Beispiel im Haushalt der zu Fördernden lebende
Kinder höchst unterschiedlich in die Bemessung des Förderbetrages einbezogen. Zu-

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dem gibt es auch mit dem vorgelegten Gesetzentwurf zur Verbesserung der Auf-
stiegsfortbildung (AFBG) empfindliche Lücken, die die freie Wahl der Berufswege
behindern können. Nicht nur die Förderhöhen sind unterschiedlich, sondern auch die
konkreten Lebensumstände werden nicht hinreichend berücksichtigt. So zahlen laut
Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes (2012) Studierende monatlich im
Durchschnitt 298 Euro für Miete. Der ab Herbst 2016 geltende BAföG-Fördersatz
von 250 Euro für Wohnen liegt also noch deutlich unter den tatsächlich anfallenden
Kosten. Auch bei der geplanten Novelle des AFBG liegt der Wohnzuschuss bei
250 Euro monatlich. Damit werden beide Gesetze weder den tatsächlichen Lebens-
haltungskosten noch den veränderten Berufsbiografien oder dem Grundsatz des le-
benslangen Lernens gerecht. Zudem werden die tatsächlichen Ausbildungswege, die
besonders im Bereich der Gesundheitsberufe und der Ausbildung pädagogischer
Fachkräfte sehr differenziert sind, nicht hinreichend gewürdigt. So werden die vor-
geschriebenen Praktika zwar in die Regelungen beim BAföG einbezogen, nicht je-
doch bei der Förderung nach dem AFBG.
Mit der AFBG-Novelle soll nun auch die Förderung von Meisterkursen nach einem
Bachelor-Studium ermöglicht werden. Die Förderung eines gegenläufigen Bildungs-
aufstiegs – etwa die Aufnahme eines Studiums nach einer Aufstiegsfortbildung – ist
jedoch regelmäßig nicht vorgesehen, weil ein Fachschulabschluss im Deutschen
Qualifikationsrahmen (DQR) dem Bachelor gleichgestellt ist. Förderung durch Stu-
dierenden-BAföG ist daher nicht möglich, nur in bestimmten Fällen die Finanzie-
rung über ein verzinsliches Bankdarlehen. Darum ist es weder Erzieherinnen und
Erziehern möglich, ein Studium der Kindheitspädagogik aufzunehmen und dafür
Studierenden-BAföG zu erhalten, noch können Technikerinnen und Techniker oder
Betriebswirtinnen und Betriebswirte über diesen Weg ein gefördertes Hochschulstu-
dium bis zum Master aufnehmen. Damit aber wird die Techniker- oder Meisteraus-
bildung zur Sackgasse für den beruflichen Aufstieg.
In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die beruflichen Bildungswege verändert.
Das Standardmodell: Schule – Ausbildung – Beruf oder Schule – Studium – Beruf
ist in vielen Berufsbiografien nicht mehr vorhanden. Dagegen sind berufliche Neu-
orientierungen, konsekutive und nichtkonsekutive und unterbrochene Bildungswege
längst Normalität geworden. Dieser Lebensrealität muss in der Förderpraxis vor al-
lem, aber nicht nur, für Familien mit Kindern entsprochen werden. In einer sich stän-
dig wandelnden Gesellschaft und Arbeitswelt bedarf es darum auch eines diesen Be-
dingungen angepassten Fördersystems.
Der Deutsche Bundestag ist sich einig: Lebenslanges Lernen und berufliche Auf-
stiegsfortbildungen sollten allen Menschen unabhängig von ihrem sozialen Hinter-
grund als gesellschaftlich wünschenswert ermöglicht werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. das Instrument der Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) nach dem SGB III auch für
die vollzeitschulischen Berufsausbildungen (z. B. Gesundheits- und Erziehungs-
berufe) zu öffnen,

2. durch eine Anpassung der bestehenden gesetzlichen Regelungen dafür Sorge zu
tragen, dass über jeden gewählten Bildungsweg eine Förderung durch BAföG bis
zum Abschluss eines Masterstudiums möglich ist,

3. dafür die Altersbeschränkung für den Bezug des BAföG aufzuheben,
4. die Förderkonditionen beim BAföG, insbesondere Studierenden- und Meister-

BAföG, an den tatsächlichen Lebenshaltungskosten zu orientieren, mindestens
aber an die jeweils für die zu Fördernden günstigeren Fördersätze und Förder-
konditionen anzugleichen,

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7234
5. einen oder mehrere Gesetzentwürfe vorzulegen mit dem Ziel, die Lücken in den

bestehenden Fördersystemen der beruflichen Aus- und Weiterbildung zu schlie-
ßen,

6. dafür Sorge zu tragen, dass Kosten, die im Zusammenhang mit der Ausbildung
entstehen (verdeckte Studiengebühren, Schulgelder) bei der Bemessung der För-
derung berücksichtigt oder übernommen werden,

7. dafür zu sorgen, dass der Bund die volle Höhe der AFBG-Kosten übernimmt und
die Länder dadurch finanziell entlastet werden.

Berlin, den 12. Januar 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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