BT-Drucksache 18/6787

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 18/5500, 18/5502, 18/6124, 18/6125, 18/6126 - Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2016 (Haushaltsgesetz 2016) hier: Einzelplan 17 Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung

Vom 24. November 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6787
18. Wahlperiode 24.11.2015

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Ekin Deligöz, Sven-Christian Kindler, Anja Hajduk,
Dr. Tobias Lindner, Kerstin Andreae, Kai Gehring, Özcan Mutlu, Beate
Walter-Rosenheimer, Harald Ebner, Sylvia Kotting-Uhl, Dr. Franziska
Brantner, Katja Dörner, Dr. Thomas Gambke, Britta Haßelmann, Dieter
Janecek, Tabea Rößner, Corinna Rüffer, Elisabeth Scharfenberg, Ulle
Schauws, Kordula Schulz-Asche, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Doris
Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung

– Drucksachen 18/5500, 18/5502, 18/6124, 18/6125, 18/6126 –

Entwurf eines Gesetzes
über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2016
(Haushaltsgesetz 2016)

hier: Einzelplan 17

Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Einzelplan 30

Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Bundesregierung verfehlt auch weiterhin ihre selbst formulierten Ansprüche,
mit größtmöglichem Einsatz an der Optimierung des Angebots und der Qualität von
Bildung und Betreuung im Land mitzuwirken. Das Schlagwort der Bildungsrepublik
verkommt zur schalen Anekdote. Quer durch alle Bildungsbereiche besteht dringen-
der Handlungsbedarf, damit Bildung nicht nur in Sonntagsreden als Schlüsselres-
source und Zukunftsinvestition auftaucht, sondern dieser Funktion auch in der Rea-
lität gerecht wird. Mit dem nun vorliegenden Entwurf des Bundeshaushaltes – ins-
besondere den Einzelplänen 17 und 30 – ist das nicht der Fall.

Drucksache 18/6787 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Im Haushalt des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend fehlt
es an weiteren Anstrengungen, die Frühförderung und Bildung in der Kindertages-
betreuung auf ein fachlich gebotenes Niveau zu hieven. So mangelt es, trotz starker
Bemühungen von Bund, Ländern und Kommunen in den vergangenen Jahren wei-
terhin an (ganztägigen) Plätzen im Elementarbereich.

Vor allem aber bleibt die Angebotsqualität deutlich hinter dem Erforderlichen zu-
rück. Mit Blick auf die immense Bedeutung der Bildungsentwicklung in den frühen
Jahren ist das inakzeptabel. In zwei Änderungsanträgen der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN im Haushaltsausschuss (A-Drs. 18(8)2281, 2282) haben wir
deutlich gemacht, dass mit mehr Mitteln für den Angebotsausbau, vor allem aber mit
konkreten, finanziell unterlegten Maßnahmen bezüglich der Strukturqualität, ein be-
darfsgerechtes hochwertiges Angebot für alle Kinder erreicht werden kann.

Trotz jährlich ansteigender Mittel weist der Haushalt des Bundesministeriums für
Bildung und Forschung (BMBF) keinen guten Weg in die Zukunft. Die Aufgabe ist,
gezielt in mehr Chancen für alle zu investieren und Deutschland für die großen ge-
sellschaftlichen und globalen Herausforderungen fit zu machen. Im Entschließungs-
antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Ausschuss für Bildung, For-
schung und Technikfolgenabschätzung (A-Drs. 18(18)146) haben wir deutlich ge-
macht, wie das gelingen kann. Mit der Vielzahl falscher Prioritätensetzungen, wie
sie die Bundesregierung beabsichtigt, kann dies nicht gelingen.

Angesichts der UN-Klimakonferenz im Dezember 2015, bei der die Regierungs-
chefs von 195 Staaten ein neues Klimaprotokoll debattieren werden zeugt es von
forschungspolitischer Instinktlosigkeit, dass die Regierungsfraktionen ausgerechnet
bei der Klimaforschung 20 Millionen Euro kürzen. Klimaforschung leistet zentrale
Beiträge zur Lösung der Klimakrise. Sie muss zentraler Bestandteil einer auf Nach-
haltigkeit setzenden Forschungsstrategie sein. Da ist es ein völlig falsches Signal, in
diesem Bereich Forschungsgelder zu schrumpfen. Will Deutschland in der Klimapo-
litik wieder eine führende Rolle einnehmen, muss es neben einer aktiven Politik zur
Minderung seiner Treibhausgasemissionen die Klimaforschung vielmehr ausbauen.

Es ist forschungspolitisch zudem unverantwortlich, die Kosten für die Stilllegung
und den Rückbau kerntechnischer Versuchs- und Demonstrationsanlagen weiterhin
im Forschungsetat zu führen. Denn so werden im Jahr 2016 weiterhin mehr als 270
Millionen Euro als „Forschungsmittel“ deklariert, die allein zur Beseitigung von Alt-
lasten aufgewendet werden. Zum anderen werden die absehbaren massiven Kosten-
steigerungen in den kommenden Jahren ein immer größeres Loch in die tatsächli-
chen Forschungsmittel fressen. Eine Lösung für dieses Haushaltsrisiko ist überfällig.

Wenig bis keinen Fortschritt gibt es bei den Investitionen in mehr Chancen für alle:
Es gibt kein neues Ganztagsschulprogramm, von dem vor allem Kinder in schwieri-
geren Lebenslagen profitieren würden. Seit mehr als anderthalb Jahren hat die Re-
gierung beim BAföG für die Studierenden nur Ankündigungen übrig: Die Verbes-
serung zum Wintersemester 2016 kommt reichlich spät und fällt sowohl bei den
Freibeträgen als auch den Fördersätzen zu gering aus. Das Deutschlandstipendium
wird nicht abgeschafft, obwohl es hohe Bürokratiekosten verursacht statt zuverlässig
Chancen zu gewähren. Die Gleichstellung von beruflicher und akademischer Bil-
dung findet in dieser Regierung auch nicht statt: Wer mit beruflicher Qualifikation
studiert, im Allgemeinen also einen weiteren Weg an die Hochschule zurückgelegt
hat, bekommt weiterhin nur 80 Euro pro Monat als Büchergeld, die anderen weiter-
hin monatlich 300 Euro. Auch die anstehende Novelle des Aufstiegsfortbildungsför-
derungsgesetzes („Meister-BAföG“) fällt viel zu schmal aus. Eine Ausbildungsga-
rantie will diese Koalition nicht geben, obwohl sie das im Koalitionsvertrag verspro-
chen hat. So bleibt der vom BMBF versprochen „Aufstieg durch Bildung“ weiterhin
eine mühselige Ochsentour, die die soziale Schere in Deutschland nicht nachhaltig
schließen kann.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6787
Der Hochschulpakt bleibt unterausgestattet: Die Kosten für einen Studienplatz sind
seit 2010 nicht erhöht worden und wahrscheinlich werden deutlich mehr junge Men-
schen ein Studium aufnehmen, als Bund und Länder 2014 erwartet haben. Statt da-
rauf mit einer Aufstockung des Hochschulpakts zu reagieren, kürzen die Regierungs-
fraktionen dort um 13 Millionen Euro. Der sehr geringe Aufwuchs, den die Regie-
rungsfraktionen dem DAAD und der AvH angesichts der Geflüchteten zubilligen,
wird also erkauft durch schlechtere Studienbedingungen für StudienanfängerInnen.

Für die ohnehin geringen zusätzlichen Ausgaben im Hochschulbereich erhöht das
BMBF die Globale Minderausgabe. Für die zusätzlichen Ausgaben sollen also an-
dere Titel des Haushalts bluten, ohne dass das Parlament darauf Einfluss nehmen
kann. Mit Umschichtungen kommt das Ziel, gesamtstaatlich mindestens 7% des BIP
in Bildung und 3,5% des BIP in Forschung und Entwicklung zu investieren, nicht in
Sichtweite.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. den Etat für Bildung und Forschung endlich stärker auf die zentralen gesell-
schaftlichen und globalen Herausforderungen auszurichten und die Hightech-
Strategie zu einer echten Innovationsstrategie für Nachhaltigkeit auszubauen.
Öffentlich geförderte Wissenschaft und Forschung muss sich auf die großen ge-
sellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit wie den Kampf gegen die Kli-
makrise, einen nachhaltigen Umgang mit knappen Ressourcen, Urbanisierung
oder demografischen Wandel konzentrieren;

2. ein Konzept und die notwendige Finanzierung für die Wende in der Energiefor-
schung vorzulegen, alle Mittel für die Kernfusionsforschung umzuwidmen für
Forschung im Bereich erneuerbare Energien und die Kosten für die Stilllegung
und den Rückbau kerntechnischer Versuchs- und Demonstrationsanlagen kom-
plett in das Bundesministerium der Finanzen (BMF) umzuwidmen, um die Ver-
antwortung an einer Stelle zu bündeln und somit zu gewährleisten, dass er Rück-
bau effizienter vonstattengehen kann;

3. ein Jahr nach der Grundgesetzänderung endlich ein für die Länder zustimmungs-
fähiges Konzept vorzulegen, wie eine langfristige Förderung von Hochschulen
aussehen soll und darüber hinaus den Hochschulpakt aufzustocken und zu ver-
stetigen. Außerdem muss endlich ein Bund-Länder-Programm für 10.000 zu-
sätzliche Nachwuchsstellen mit Tenure-Track-Chance vereinbart werden;

4. angesichts der Chancen und Herausforderungen für Gesellschaft und Staat, die
mehr als eine halbe Million neu zugewanderte Menschen unter 25 Jahren mit
sich bringen, eine breite Bildungsoffensive zu starten. Sie muss frühkindliche,
schulische, berufliche und hochschulische Bildung umfassen und darf kein
Kind, keinen Jugendlichen und jungen Erwachsenen verloren geben, ob schon
lange hier oder erst seit kurzem. Das Bildungssystem braucht dringender denn
je einen gemeinschaftlichen Kraftakt und zusätzliche Mittel für mehr Plätze und
mehr Personal in Kitas, Schulen, Berufs- und Hochschulen. Sprachbildung, psy-
chologische Unterstützung, inklusive Pädagogik und Vielfalt muss für alle Bil-
dungseinrichtungen selbstverständlich sein;

5. mit den Ländern in Gespräche einzutreten, das Kooperationsverbot aus der Ver-
fassung zu streichen;

Drucksache 18/6787 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

6. ein Sonderprogramm für den weiteren Ausbau der Kindertagesbetreuung in
Höhe von 200 Millionen Euro und eines zum Anstoß von Qualitätsverbesserun-
gen in der Kindertagesbetreuung in Höhe von 800 Millionen Euro für das Haus-
haltsjahr 2016 aufzulegen;

7. einen Gesetzentwurf in den Bundestag einzubringen, der erstens im gesamten
Elementarbereich den Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz festschreibt und
zweitens die Standards für die Fachkraft-Kind-Relation definiert.

Berlin, den 23. November 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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