BT-Drucksache 18/6668

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 18/5326, 18/6632 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes und anderer Gesetze

Vom 11. November 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6668
18. Wahlperiode 11.11.2015

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Özcan Mutlu, Kai Gehring, Beate Walter-Rosenheimer,
Volker Beck (Köln), Brigitte Pothmer, Ulle Schauws, Katja Dörner,
Dr. Franziska Brantner, Doris Wagner, Maria Klein-Schmeink, Tabea Rößner,
Elisabeth Scharfenberg, Kordula Schulz-Asche, Dr. Harald Terpe, Luise
Amtsberg, Anja Hajduk, Dr. Tobias Lindner, Dr. Konstantin von Notz, Claudia
Roth (Augsburg), Corinna Rüffer, Dr. Julia Verlinden und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung

– Drucksachen 18/5326, 18/6632 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes und anderer Gesetze

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

In Deutschland leben schon lange Millionen Menschen, die sich im Ausland quali-
fiziert, dort gearbeitet und Abschlüsse erworben haben. Das sind zum einen Deut-
sche mit ausländischen Hochschulabschlüssen, EU-Bürgerinnen und Bürger mit
Berufsabschlüssen aus ihren Herkunftsländern sowie mehrere Hunderttausend Men-
schen aus Staaten außerhalb der EU mit Bildungsabschlüssen und nicht-formalen
Kompetenzen aus ihrer jeweiligen Heimat. Während die einen dank bilateraler Ab-
kommen oder EU-Rechtsetzung es einfacher haben und in einigen Berufen sogar
eine mehr oder weniger automatische Anerkennung des Gelernten erfahren, stehen
die anderen vor großen bürokratischen und oft auch finanziellen Herausforderungen
und Hürden. Mit dem Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz (BQFG) wollte die da-
malige Bundesregierung auch diesen Menschen den Weg in qualifizierte Beschäfti-
gung erleichtern.

Drei Jahre nach dem Inkrafttreten des Gesetzes hat die Bundesregierung einen Be-
richt vorgelegt, der die bisherigen Erfolge ebenso zeigt wie die Defizite und den
Handlungsbedarf. Seit der Bericht aus dem Frühjahr 2015 dem Deutschen Bundestag
vorgelegt wurde, hat sich die potenzielle Nachfrage deutlich erhöht.

Jede und jeder Erwachsene hat mit einer Einschätzung der eigenen Qualifikation
bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Daher ist die Anerkennung ausländischer
Berufsabschlüsse durch das Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz stärker auf die

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neuen Anforderungen hin auszurichten. Die Aufstockung des Personals in der Zent-
ralstelle für das ausländische Bildungswesen in Bonn, der die Länder im September
zugesagt haben, ist ein erster Schritt. Dieser Schritt reicht jedoch nicht aus.

Um die hunderttausenden potenziellen NutznießerInnen überhaupt zu erreichen und
für die Anerkennung zu interessieren und zu gewinnen, muss das bestehende Ange-
bot an Beratung der Interessierten personell ausgebaut werden. Auch mit Blick auf
die Geflüchteten muss es qualitativ und quantitativ so verbessert werden, dass nicht
nur eine erste Beratung möglich wird, sondern auch eine Betreuung und Begleitung
im Verfahren gewährleistet ist. Bisher sind die Verfahren oft zu kompliziert und zu
bürokratisch. Sie erfordern aktuell wegen unterschiedlicher Anlaufstellen und An-
sprechpartner im Anerkennungsverfahren sowie den damit verbundenen Fragestel-
lungen im Aufenthaltsrecht und beim Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Sozialleistun-
gen sowie zu Fördermitteln für die berufliche Weiterbildung sehr viel Koordination.
Das muss vereinfacht werden. Menschen müssen mit ihren Fragen ganz lebens- und
wohnortnah beraten werden können. Für Geflüchtete könnten koordinierte Angebote
schon in den Erstaufnahmeeinrichtungen den Weg von vorneherein erleichtern.

Außerdem brauchen sowohl die Antragstellenden als auch etwa die Bundesagentur
für Arbeit (BA) als Vermittler und Kostenträger mehr Klarheit und Sicherheit über
die Kosten und die Erfolgsaussichten von Anerkennungsverfahren und zugehörigen
Qualifizierungen. Hier können Kostenobergrenzen oder -korridore für die Verfahren
und Maßnahmen Abhilfe schaffen. Ebenso hilfreich ist eine Klarstellung über den
Rechtsstatus von Anpassungsmaßnahmen, damit diese z. B. auch an Hochschulen
oder beruflichen Schulen angeboten werden können, und des Status der Teilnehmen-
den in diesen Maßnahmen.

Es fehlten schon bisher systematische und ausreichende Angebote zur Anpassungs-
und Nachqualifizierung. Nur mit solchen Angeboten können Menschen ihre im Aus-
land erworbenen Qualifikationen besser nutzen und sich auf ihnen aufbauend wei-
terqualifizieren. Selbst wenn ein passendes Angebot zur Verfügung steht, sind zu oft
die entstehenden Kosten ein Hindernis. Damit gerade Menschen aus geringbezahlten
Beschäftigungen ihre Potenziale entfalten, brauchen sie neben Beratung und Ermu-
tigung auch finanzielle Unterstützung. Der Anreiz durch die Aussicht auf eine siche-
rere und besser bezahlte Beschäftigung nach der Qualifizierung reicht alleine nicht
aus. Nur wenn während der Qualifizierungszeit ausreichende Zuschüsse und Darle-
hen zur Verfügung stehen, werden gerade Menschen mit geringem Einkommen und
familiären Verpflichtungen die nötige Sicherheit empfinden, um sich auf eine not-
wendige Lernphase einzulassen. Außerdem müssen die Verfahrens- und Maßnah-
mekosten sozial abgefedert werden.

In ihrer Bilanz des Anerkennungsgesetzes und den Perspektiven (Drs. 18/5200,
S. 24 ff.) formuliert die Bundesregierung, was noch zu tun ist. So sind nach ihrer
Auffassung „weitere Vereinheitlichungen der Verfahren notwendig“ (a. a. O., S.24),
darin liege die größte Herausforderung. Außerdem sei die „Stärkere Bündelung und
Vereinheitlichung in den Gesundheitsberufen erforderlich“ (a. a. O.,S.25). Des Wei-
teren führt die Bundesregierung als dringend an, „Verfahrensgebühren und Kosten
sollten weiterhin vereinheitlicht und Finanzierungsmöglichkeiten gesichert werden“
(a. a. O., S.27). In einem anderen Bereich formuliert die Bundesregierung sehr opti-
mistisch: „Das Angebot für Anpassungsqualifizierungen wird bedarfsgerecht ausge-
baut“ (a. a. O., S.28), und verweist dabei auf Mittel des BMAS und des ESF sowie
die Ankündigungen kommerzieller Weiterbildungsanbieter, mehr marktgängige An-
gebote zu entwickeln.

Mehr als fünf Monate nach der Kabinettsbefassung hat die Bundesregierung noch
keine Initiativen vorgelegt, um die Lage zu verbessern, und hat auch im Haushalt für
2016 keine zusätzlichen Mittel eingestellt. Auch der dringende Handlungsbedarf, der
über die Erkenntnisse der Bundesregierung hinausgeht, wie etwa ein bundesweites
Darlehens- und Stipendienprogramm, bleibt unbeachtet. Die vorliegende Novelle
beschränkt sich allein auf die verpflichtende Umsetzung der EU-Richtlinie im

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Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz. Und selbst diese Umsetzung ist noch unge-
nügend, da auch das Berufsfachrecht z. B. der Bundesärzteordnung noch novelliert
werden muss.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

− die Finanzierung des Lebensunterhalts während einer Qualifizierungsphase so
zu sichern, dass auch Geringverdienende die notwendige materielle Sicherheit
für sich und ihre Familien haben, diesen Schritt auch zu gehen. Dazu muss ein
individueller Mix aus Zuschuss und Darlehen zugänglich sein, der niemanden
von der Weiterbildung abhält, aber auch zukünftige Einkommenssteigerungen
berücksichtigt. Da die vorliegende 3. Novelle des Aufstiegsfortbildungsförde-
rungsgesetzes (Bundesrats-Drs. 494/15) keine Öffnung für die Förderung von
Qualifikationen im Rahmen des BQFG enthält, muss die Bundesregierung nun
schnellstmöglich den Entwurf für eine echte Aufstiegsförderung vorlegen;

− zu prüfen, welcher Bedarf an Beratung und an Angeboten besteht, um eine ge-
schlechtergerechte Nutzung zu fördern;

− zu prüfen, welche der Angebote, die derzeit ausschließlich über das IQ-Qualifi-
zierungsprogramm angeboten werden, mittelfristig den BeraterInnen in Ar-
beitsagenturen und Jobcentern auch über SGB-III-Instrumente leichter zugäng-
lich gemacht werden können. So werden die Angebote wie auch ihre Finanzie-
rung dauerhaft gesichert;

− das Angebot für Anpassungsqualifizierungen gemeinsam mit Ländern, Bunde-
sagentur und Kammern tatsächlich bedarfsgerecht auszubauen;

− die Beratungsinfrastruktur gemeinsam mit den Ländern flächendeckend zu ver-
bessern. Dazu müssen zum einen die Arbeitsagenturen und Jobcenter in ihren
Informations- und Beratungsinitiativen als auch andere Beratungsangebote, wie
etwa der IQ-Netzwerke gezielt unterstützt werden;

− gemeinsam mit den Ländern eine Vereinheitlichung der Verfahren anzustreben,
die es sowohl den Ratsuchenden als auch den Beratungseinrichtungen erleich-
tert, Verlauf und Ergebnis der Prüfungen und Verfahren in Kosten, Dauer und
Ergebnis einzuschätzen;

− die Maßnahmekosten für die TeilnehmerInnen in einer vertretbaren Höhe zu
halten, indem die Einführung von absoluten Obergrenzen geprüft wird. Bei die-
ser Prüfung muss abgewogen werden, welche Qualifizierungsangebote damit
ausschließlich bei öffentlichen Anbietern bleiben würden und wo private An-
bieter, etwa durch Bündelung von Angeboten, trotzdem ihre Kosten decken und
weiterhin im Markt bleiben könnten;

− Formulare zur Antragstellung zu vereinheitlichen und in andere Sprachen zu
übersetzen sowie die Internetseite www.anerkennung-in-deutschland.de so
schnell wie möglich in mehr als den bisher acht europäischen Sprachen anzu-
bieten und dabei vor allem in zukünftig auch absehbar nachgefragte Sprachen
wie Arabisch, Farsi, Dari, Somali, Tigrinya etc. anzubieten;

− über die von der EU-Richtlinie geforderte Öffnung der elektronischen Verfahren
für EU-BürgerInnen diese auch für DrittstaatlerInnen zu öffnen. So können der
Verwaltungsaufwand und die Verfahrensdauer auch für diese Gruppe gesenkt
werden;

− dringend eine Verordnung vorzulegen, mit der der Zugang zur „Blauen Karte
EU“ und damit zum deutschen Arbeitsmarkt nach § 19a Abs. 1 Nummer 1 Buch-
stabe b Aufenthaltsgesetz auf Grundlage von fünfjähriger Berufserfahrung auch
ausländischen qualifizierten Nichtakademikern und Nichtakademikerinnen mit
Berufserfahrung möglich wird;

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− die Höchstdauer für den Aufenthalt zum Zweck der Anpassungsmaßnahme oder
weiterer Qualifikationen nach § 17a Abs. 1 Satz 1 Aufenthaltsgesetz an das
BQFG anzupassen. Dazu muss die Maximaldauer von derzeit 18 auf die im
BQFG vorgesehenen 36 Monate verlängert werden. Außerdem sollte die Zeit
für eine Arbeitssuche nach der Feststellung der Gleichwertigkeit genauso lange
sein, wie nach Abschluss eines Studiums. § 17a Abs. 4 Satz 1 sollte daher der
Regelung in § 16 Abs. 4 gleichgestellt werden und dann für beide Gruppen
18 Monate betragen.

Berlin, den 10. November 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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