BT-Drucksache 18/6513

Fragen zur polizeilichen Lagebilderstellung von Anschlägen gegen Flüchtlingsunterkünfte

Vom 21. Oktober 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6513
18. Wahlperiode 21.10.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Monika Lazar, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln),
Irene Mihalic, Katja Keul, Renate Künast, Özcan Mutlu, Dr. Konstantin von Notz,
Claudia Roth (Augsburg) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Fragen zur polizeilichen Lagebilderstellung von Anschlägen gegen
Flüchtlingsunterkünfte

Gute polizeiliche Arbeit baut unter anderem auf gutem Handwerkszeug auf. So
soll z. B. eine solide Erfassung politisch motivierter Kriminalität (PMK) ein ge-
naues Lagebild hervorbringen, damit die Polizei effektiv und zielgenau handeln
kann, und damit die Gesellschaft polizeiliches Handeln auch nachvollziehen und
unterstützen kann.

Kürzlich hatte die Bundesregierung dem Innenausschuss des Deutschen Bundes-
tages – erstmals – das Lagebild einer dreiköpfigen sogenannten Clearingstelle des
Bundeskriminalamtes (BKA) „Straftaten gegen Asylunterkünfte“ zur Verfügung
gestellt (Stand: 7. Juli 2015).

Dieser Lagebericht wirft jedoch mehr Fragen auf, als dass er präzise Antworten
liefert. Zudem wurde dieser Lagebericht seitens des Bundesministeriums des In-
nern (BMI) dem Parlament nur unter der Geheimhaltungsstufe „VS – Nur für den
Dienstgebrauch“ (VS-NfD) zur Verfügung gestellt – was die Möglichkeiten der
Legislative, mit Bezug auf das vorliegende Dokument Nachfragen an die Bun-
desregierung zu stellen, stark einschränkt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Straftaten im Zusammenhang mit der Unterbringung von Asylsu-
chenden hat die Polizei in den Jahren 2012 bis 2015 registriert (bitte nach
Jahren und den vier Phänomenbereichen PMK-rechts, PMK-links, PMK-
Ausländer und PMK-Sonstige aufschlüsseln)?

Erfassung von Straftaten mittels des Themenfeldkatalogs-PMK

2. Wie viele Straftaten hat die Polizei in den Jahren 2012 bis 2014 (vgl. die
ebenfalls als „VS-Nur für den Dienstgebrauch“ klassifizierte Antwort zu
Frage 2 der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
Bundestagsdrucksache 18/5758) sowie im Jahr 2015 in folgenden Themen-
feldern des sogenannten Themenfeldkatalogs PMK registriert

a) Ausländer-/Asylthematik,

b) gegen Asylunterkünfte bzw.

c) Unterbringung von Asylbewerbern

Drucksache 18/6513 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
(bitte nach den drei Themenfeldern, nach Jahren sowie nach den vier Phäno-
menbereichen PMK-rechts, PMK-links, PMK-Ausländer und PMK-Sonstige
aufschlüsseln)?

3. Wie werden innerhalb des Themenfeldkatalogs PMK die beiden Unterthe-
men „Straftaten gegen Asylunterkünfte“ bzw. „Unterbringung von Asylbe-
werber“ unterschieden, und welche Straftaten werden nach welchen Krite-
rien wo einsortiert?

4. Auf welches dieser Themenfelder beziehen sich die Angaben im BKA-La-
gebericht?

5. Wie erklärt die Bundesregierung die unterschiedlichen Zahlen für das
Jahr 2014 im BKA-Lagebericht und in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage
auf Bundestagsdrucksache 18/5758 (Antwort zu Frage 2)?

6. Ist die Darstellung der Zeitung „DIE WELT“, vom 29. August 2015 „BKA
und Verfassungsschutz sollen Lagebild erstellen“ zutreffend, das BMI habe
das BKA beauftragt, Angriffe auf Asylbewerber-Unterkünfte künftig als ei-
genes Themenfeld zu erfassen, oder ist es nicht vielmehr so, dass Straftaten
mit Bezügen zur „Unterbringung von Asylbewerbern“ schon seit dem
Jahr 2006 im „Themenfeldkatalog PMK“ gesondert ausgewiesen werden?

Worin besteht dann gegebenenfalls der Sinn des Auftrags des BMI?

BKA-Statistik

7. Ist es zutreffend, dass die Angaben im BKA-Lagebericht (S. 6) über die im
ersten Halbjahr registrierten Fälle von Tötungs- sowie Brand- und Spreng-
stoffdelikten gegen Flüchtlinge bzw. Flüchtlingsunterkünfte im Vergleich zu
der Tabelle der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 18/6237 (S. 3)
voneinander abweichen, und wenn ja, inwiefern weichen die Angaben von-
einander ab, und wie begründet die Bundesregierung dies?

8. Ist es zutreffend, dass die Bundesregierung in ihrer Übersicht (vgl. Bundes-
tagsdrucksache 18/6237, S. 3) Brandanschläge auf geplante oder im Bau be-
findliche Flüchtlingsunterkünfte nicht aufgeführt hat, obwohl diese in dem
abgefragten Berichtszeitraum verübt wurden, wie z. B. die Anschläge in
Escheburg (Schleswig-Holstein am 9. Februar 2015), Tröglitz (Sachsen-An-
halt am 4. April 2015), Limburgerhof (Rheinland-Pfalz am 6. Mai 2015),
Zossen (Brandenburg am 16. Mai 2015), Lübeck (Schleswig-Holstein am
29. Juni 2015), Mengerskirchen (Hessen am 1. Juli 2015), Reichertshofen
(Bayern am 16. Juli 2015), Remchingen (Baden-Württemberg am
17. Juli 2015), Lunzenau (Sachsen am 31. Juli 2015), Unterweissach (Ba-
den-Württemberg am 24. August 2015), Nauen (Brandenburg am 25. Au-
gust 2015), Leipzig (Sachsen am 26. August 2015), Berlin-Reinickendorf
(am 26. August 2015), Helbra (Sachsen-Anhalt am 29. August 2015), Witten
(Nordrhein-Westfalen am 3. September 2015), Dortmund-Kemminghausen
(Nordrhein-Westfalen am 6. September 2015), Rockensußra (Thüringen am
7. September 2015), Rottenburg (Baden-Württemberg am 7. Septem-
ber 2015) und Gersheim (Saarland am 9. September 2015)?

a) Wenn ja, warum fehlen diese Anschläge in der Antwort der Bundesregie-
rung?

Stellen diese Anschläge aus Sicht der Bundesregierung keine „Angriffe
auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte“ dar?

b) Inwiefern wurden und werden Straftaten auf geplante oder im Bau befind-
liche Flüchtlingsunterkünfte (wie z. B. die genannten) in das Lagebild des
BKA aufgenommen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6513
9. Wie viele politisch motivierte Fälle

a) eines Haus- oder Landfriedensbruchs,

b) einer Brandstiftung,

c) eines Sprengstoffdelikts (wie im sächsischen Freiberg am 13. Februar 2015),

d) eines Waffendelikts (wie im sächsischen Böhlau am 12. Juli 2015 oder im
mecklenburgischen Parchim am 25. August 2015),

e) einer Körperverletzung,

f) eines (gegebenenfalls versuchten) Tötungsdelikts (wie beim Anschlag in
Groß Lüsewitz, Mecklenburg-Vorpommern, am 11. Oktober 2014 bzw.
im niedersächsischen Salzhemmendorf am 28. August 2015)

hat die Polizei in den Jahren 2012 bis 2015 im Zusammenhang mit der Un-
terbringung von Asylsuchenden in Deutschland registriert (bitte nach Delikt-
arten, Datum und Ort sowie den vier Phänomenbereichen PMK-rechts,
PMK-links, PMK-Ausländer und PMK-Sonstige aufschlüsseln)?

10. Wie gliedern sich diese Übergriffe aus Sicht der Bundesregierung in den Ka-
tegorien

a) Straftaten gegen Personen,

b) Delikte gegen tatsächliche oder vermeintliche Sammelunterkünfte,

c) Übergriffe auf einzelne Wohnhäuser/Wohnungen,

d) Straftaten gegen geplante oder im Bau befindliche Einrichtungen,

e) Delikte gegen bewachte Angriffsziele

auf (bitte für die Jahre 2012 bis 2015 aufschlüsseln)?

11. Wie viele politisch motivierte Bedrohungs-, Körperverletzungs- bzw. (gege-
benenfalls versuchte) Tötungsdelikte auf Asylsuchende hat die Polizei in den
Jahren 2012 bis 2015 (gegebenenfalls auch jenseits der Frage der Unterbrin-
gung von Schutzsuchenden) registriert (bitte nach Deliktarten, Datum und
Ort sowie den vier Phänomenbereichen PMK-rechts, PMK-links, PMK-Aus-
länder und PMK-Sonstige aufschlüsseln)?

12. Wie viele politisch rechtsmotivierte motivierte Straftaten

a) gegen ehrenamtliche Unterstützerinnen und Unterstützer,

b) gegen Bauunternehmen oder Betreiberinnen und Betreiber von Flücht-
lingsunterkünften (vgl. die Angriffe im sächsischen Niederau am
26. September 2015)

im Zusammenhang mit der Unterbringung von Asylsuchenden hat die Poli-
zei in den Jahren 2012 bis 2015 registriert (bitte nach den Personengrup-
pen, nach Jahren sowie nach den Deliktgruppen Bedrohung, Beleidigung,
Verleumdung, Volksverhetzung etc., Sachbeschädigungen, Brandstiftung,
Sprengstoffdelikte sowie Körperverletzungsdelikte aufschlüsseln)?

13. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über politisch rechts- bzw. so-
genannte fremdenfeindlich motivierte Straftaten gegen Politikerinnen und
Politiker respektive Abgeordnete oder politische Amtsträger in den Jah-
ren 2012 bis 2015, wie die Anschläge auf die Wahlkreisbüros der Bundes-
tagsabgeordneten Christoph Bergner (CDU) und Karamba Diaby (SPD) –
beide im August 2015 – bzw. auf Jan Korte (DIE LINKE.) im Oktober 2015,
auf Landtagsabgeordnete, wie z. B. in Sachsen-Anhalt auf die Abgeordneten
Dagmar Zoschke (DIE LINKE.) und Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN), beide im Mai 2015 oder in Brandenburg (vgl. Landtagsdrucksa-

Drucksache 18/6513 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
che 6/2344) oder kommunale Amtsträger, wie den Bürgermeister von Trög-
litz, den Bezirksbürgermeister von Reutlingen-Oferdingen oder jetzt die Köl-
ner Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker (bitte nach Jahren sowie
nach den Deliktgruppen Bedrohung, Beleidigung, Verleumdung, Volksverhet-
zung etc., Sachbeschädigungen, Brandstiftung, Sprengstoffdelikte sowie Kör-
perverletzungsdelikte aufschlüsseln)?

Zum Anschlag auf die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker

14. a) Welche Erkenntnisse hat das BKA bzw. nach Kenntnis der Bundesregie-
rung die Landeskriminalämter der Bundesländer über extremistische Ver-
bindungen und vergangene Straftaten des Tatverdächtigen F. S.?

b) Welche Erkenntnisse hat das Bundesamt für den Verfassungsschutz
(BfV) bzw. nach Kenntnis der Bundesregierung die Verfassungsschutz-
behörden der Länder (LfV) über „extremistische“ Verbindungen und ver-
gangene Straftaten von F. S.?

c) Gab es aktuell oder in der Vergangenheit Verbindungen zwischen den
Verfassungsschutzbehörden des Bundes oder der Länder und F. S., und
wenn ja, welche (V-Mann etc.)?

15. Bei wie vielen der im Jahr 2015 erfolgten Straftaten im Zusammenhang mit
der Unterbringung von Asylsuchenden geht die Polizei nach Kenntnis der
Bundesregierung aufgrund der Aussagen von Opfern, Zeugen oder aufgrund
eigener Ermittlungen von wie vielen Tatverdächtigen aus?

a) Bei wie vielen dieser Vorfälle konnte die Polizei wie viele Tatverdächtige
namentlich ermitteln (bitte nach Geschlecht aufschlüsseln)?

b) Bei wie vielen diesbezüglichen Gewaltdelikten (Brandstiftungen, Spreng-
stoffdelikte, Körperverletzungen bzw. – versuchte – Tötungsdelikte) kon-
nte die Polizei wie viele Tatverdächtige namentlich ermitteln?

c) Wie viele der namentlich ermittelten Tatverdächtigen standen unter Al-
koholeinfluss?

d) Bei wie vielen der namentlich ermittelten Tatverdächtigen liegen PMK-
Vorerkenntnisse vor (bitte nach den vier PMK-Phänomenbereichen auf-
schlüsseln)?

e) Bei wie vielen der namentlich ermittelten Tatverdächtigen liegen PMK-
Vorerkenntnisse aufgrund von Gewaltdelikten (Tötungsdelikte, Körper-
verletzungen, Bedrohung, Sachbeschädigung Hausfriedensbruch) vor
(bitte nach den vier PMK-Phänomenbereichen aufschlüsseln)?

f) Bei wie vielen der namentlich ermittelten Tatverdächtigen liegen Hin-
weise auf eine Zugehörigkeit zu rechtsextremen Gruppierungen vor?

g) Bei wie vielen der namentlich ermittelten Tatverdächtigen liegen Hin-
weise auf eine Teilnahme an Demonstrationen von PEGIDA (Dresden)
oder deren Ablegern vor (z. B. in Leipzig)?

Zivilgesellschaftliche Erfassung

16. Wie viele Brandstiftungen, Sprengstoffdelikte, Körperverletzungen bzw.
(versuchte) Tötungsdelikte ergeben sich nach Kenntnis der Bundesregierung
aus der von der Amadeu Antonio Stiftung und PRO ASYL gemeinsam er-
stellten Chronik flüchtlingsfeindlicher Vorfälle (www.mut-gegen-rechte-
gewalt.de/service/chronik-vorfaelle?&&field_date_value[value]&page=55)
für die Jahre 2014 bis 2015 (bitte nach Deliktart sowie nach Datum und Ort
aufschlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/6513
17. Inwiefern teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass erhebliche Unter-
schiede zwischen den Zahlen des BKA und denen der Zivilgesellschaft be-
stehen?

18. Steht die Bundesregierung diesbezüglich mit der Amadeu Antonio Stiftung
und PRO ASYL in einem strukturierten Dialog, um etwaige Unstimmigkei-
ten zwischen den polizeilichen und zivilgesellschaftlichen Statistiken in Zu-
kunft zu minimieren, und wenn nein, warum nicht?

19. In welcher Form wurden in den letzten fünf Jahren, wie von der Bundesre-
gierung behauptet, „polizeifachliche Arbeitsmittel und Leitfäden“ als Ergeb-
nis des „Dialogs mit zivilgesellschaftlichen Akteuren und wissenschaftlichen
Einrichtungen“ tatsächlich verändert (vgl. Bundestagsdrucksache 18/5758,
Frage 21, Seite 40; bitte unter Angabe der konkreten Fundstelle beantwor-
ten)?

Einordnung von Delikten

20. Wie wird der Brandanschlag auf die geplante Flüchtlingsunterkunft in Trög-
litz im April 2015, der in der bundesweiten Öffentlichkeit große Beachtung
gefunden hatte, aktuell durch das BKA eingeordnet (so fahndete die Polizei
auch nach möglichen linken Tätern, die die rechte Szene „bloßstellen“ woll-
ten; www.mdr.de/nachrichten/polizei-befragung-troeglitz100_zc-e9a9d57e_
zs-6c4417e7.html)?

Sofern hier keine politische Zielrichtung erkannt wird und diese Tat daher
als PMK-Sonstige eingeordnet würde, wie begründet die Bundesregierung
diese Einschätzung derzeit, angesichts eines inzwischen festgenommenen,
tatverdächtigen NPD-Sympathisanten (vgl. FAZ vom 9. Oktober 2015
„Mutmaßlicher Brandstifter von Tröglitz ist NPD-Anhänger“)?

21. Wie wird der Brandanschlag im Februar 2015 auf die geplante Flüchtlings-
unterkunft in Escheburg (Schleswig-Holstein) aktuell durch das BKA einge-
ordnet, vor dem Hintergrund, dass der geständige Täter den Strafverfol-
gungsbehörden gegenüber angab, die im Bau befindliche Flüchtlingsunter-
kunft nur deshalb angezündet zu haben, um den Einzug der Flüchtlinge spä-
ter dann „juristisch verhindern“ zu wollen?

Sofern das BKA bei diesem Brandanschlag keine politische Zielrichtung zu
erkennen vermochte/vermag, wie begründet die Bundesregierung diese Ein-
schätzung, wo selbst die zuständige Richterin in ihrem Urteil von einer
„fremdenfeindlichen Tat“ spricht (vgl. hierzu taz (Nord) vom 11. Mai 2015
„Ein Fremdenfeind im Idyll“)?

22. Wie wird der Anschlag auf die Flüchtlingsunterkunft im saarländischen
Altena vom 4. Oktober 2015 seitens der Ermittlungsbehörden eingeordnet
(PMK-rechts, PMK-links, PMK-Ausländer oder PMK-Sonstige) angesichts
der Aussage der geständigen Täter, sie hätten diese Tat verübt „aus Verärge-
rung über den Einzug von Flüchtlingen in das Wohnobjekt“ (www.spiegel.de
vom 12. Oktober 2015 „Eine rechtsradikale Einstellung besteht aus mehr als
Fremdenhass“)?

a) Ist es aus Sicht der Bundesregierung zutreffend, dass es bei der Erfassung
politisch motivierter Kriminalität nicht darauf ankommt, ob es sich bei
einem Anschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft um eine „extremistische“
(z. B. „rechtsradikale“) Tat handelt, sondern dass seit dem Jahr 2001 –
dem Definitionssystem PMK zufolge – allein die politische Motivation
einer Straftat ausschlaggebend ist?

b) Ist die sogenannte fremdenfeindliche Motivation (wie z. B. der Versuch,
den Einzug von Flüchtlingen in ein bestimmtes Wohnobjekt zu verhin-

Drucksache 18/6513 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
dern) ausreichend, damit die Polizei diese Straftat als Teil der sogenann-
ten Hasskriminalität registriert (unabhängig davon, ob diese Tat dann spä-
ter als PMK-rechts, PMK-links, PMK-Ausländer oder PMK-Sonstige be-
wertet wird), und wenn nein, warum nicht?

c) Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregie-
rung hinsichtlich der PMK-Erfassungskriterien, wenn der Staatsanwalt
(laut SPIEGEL ONLINE) – trotz des Geständnisses – sagt, der „Hinter-
grund des Brandanschlags“ sei „eine persönliche Überzeugung, keine po-
litische“ gewesen, einen „rechtsradikalen Beweggrund“ könne er „nicht
erkennen“?

23. Ist es zutreffend, dass das BKA bzw. nach Kenntnis der Bundesregierung die
Landeskriminalämter die Aufgabe haben, bei einer „Kriminaltaktischen An-
frage – PMK“ (KTA-PMK) die ordnungsmäße Anwendung der PMK-Erfas-
sungskriterien durch die örtlich zuständigen Behörden zu prüfen?

a) Wie müssen das BKA bzw. nach Kenntnis der Bundesregierung die Lan-
deskriminalämter – den „Richtlinien des Kriminalpolizeilichen Melde-
dienstes-PMK“ entsprechend – darauf reagieren, wenn in einem Fall die
PMK-Erfassungskriterien möglicherweise bzw. tatsächlich nicht ord-
nungsgemäß angewandt wurden (wenn also z. B. der zugrundeliegende
Sachverhalt durch die Ermittlungsbehörden fehlerhaft bewertet wurde)?

b) Werden solche KTA-PMK dann (z. B. mithilfe einer sogenannten Nach-
trags-KTA) an die örtlichen Dienststellen zu einer nochmaligen Prüfung
zurück delegiert?

Wenn ja, wie oft ist es in den letzten fünf Jahren vorgekommen, dass das
BKA bzw. nach Kenntnis der Bundesregierung ein Landeskriminalamt
bei einer KTA-PMK Zweifel an der ordnungsmäßen Anwendung der
PMK-Erfassungskriterien angemeldet und eine solche Nachprüfung in
Auftrag gegeben haben?

Wenn nein, warum nicht?

24. Ist es zutreffend, dass das BKA für das Jahr 2014 eine Reihe von Straftaten
im Zusammenhang mit der Unterbringung von Asylsuchenden als „extremis-
tisch“ einstuft, obwohl es diese Fälle deswegen unter „PMK-sonstige“ ein-
sortiert hatte, weil angeblich eine politische Motivation „nach verständiger
Betrachtung“ nicht erkennbar sei (vgl. Bundestagsdrucksache 18/5758,
Frage 14, S. 35 f.), und wenn ja, wie begründet die Bundesregierung diese
Einschätzung?

25. Sind die aus Sicht der Fragesteller gegebenen Probleme der Polizei bei der
inhaltlichen Zuordnung von Straftaten gegen Asylunterkünfte zu den jewei-
ligen PMK-Phänomenbereichen bzw. die vom BMI angeordnete veränderte
Erfassung dieser Straftaten Gegenstand bzw. Ergebnis der Evaluierung des
PMK-Definitionssystems?

Wenn nein, hält die Bundesregierung es für angezeigt, dieses Thema auch
bei der PMK-Evaluation zu berücksichtigen?

Gefahrenanalyse

26. Wie bewertet die Bundesregierung inzwischen den Anteil von sogenannten
tatverdächtigen Einzeltätern ohne ideologische Anbindung an rechte Struk-
turen und Tatverdächtigen aus der rechten Szene an den Straftaten im Zu-
sammenhang mit der Unterbringung von Asylsuchenden (bitte gegebenen-
falls zwischen Gewalt- und Propagandadelikten unterscheiden)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/6513
27. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Bundesrates, dass „An-
schläge auf Asylunterkünfte eine konsequente Umsetzung der Ideologie der
NPD“ darstellen würden (DIE WELT vom 29. August 2015)?

Wenn ja, wie verträgt sich dies mit der Einschätzung des BKA?

Wenn nein, warum nicht?

28. Sofern die Bundesregierung davon ausgeht, dass vor dem Hintergrund der
„aggressiven Rhetorik und Hetze [der NPD] gegenüber Flüchtlingen“ vor Ort
ein „Resonanzboden für rechtsextremistische Gewalt“ entsteht (Bundestags-
drucksache 18/6237, Antwort zu Frage 6), sind dann Aktionen rechter Par-
teien und Strukturen (wie z. B. die Veröffentlichung einer Karte mit den An-
gaben zu Asylunterkünften in Deutschland) aus Sicht des BKA nur grund-
sätzlich (also nur theoretisch) dazu geeignet, Personen, die zu solchen Straf-
taten (latent) neigen, konkrete Tatgelegenheiten aufzuzeigen, oder hat das
BKA inzwischen neue Erkenntnisse über tatsächliche Kausalverhältnisse
zwischen solchen Aktionen bzw. Veröffentlichungen und entsprechenden
Übergriffen?

29. Wie schätzt das BKA inzwischen die Gefahr ein, dass tatsächliche oder ver-
meintliche Asylsuchende selbst in den Fokus von rechten Straftätern rücken
könnten? Handelt es sich hier um eine reale Gefahr?

30. Hat das Bundesamt für Verfassungsschutz seine Umfrage bei den LfV zu
rechtsextremistischen Anti-Asyl-Aktivitäten abgeschlossen?

Wenn ja, mit welchem Ergebnis (insbesondere im Hinblick auf den Einfluss
bzw. auf eine etwaige Steuerung einschlägiger Proteste und Gewaltstraftaten
durch rechtsextreme Parteien und Netzwerke bzw. im Hinblick auf Kausal-
zusammenhänge zwischen entsprechenden Demonstrationen und konkreten
Übergriffen auf Flüchtlingsunterkünfte)?

Wenn nein, wann ist mit einem Auswertungsergebnis dieser Umfrage zu
rechnen?

31. Wie ist derzeit die BKA-Clearingstelle „Straftaten gegen Asylunterkünfte“
personell ausgestattet, und hält das BMI die Personalausstattung angesichts
der Fallzahlen allein im Jahr 2015 (noch) für problemangemessen (bitte be-
gründen)?

Berlin, den 21. Oktober 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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