BT-Drucksache 18/5682

Ergebnisse und Konsequenzen aus der Auswertung der Luxemburg-Leaks-Daten

Vom 24. Juli 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5682
18. Wahlperiode 24.07.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Thomas Gambke, Kerstin Andreae, Britta Haßelmann,
Lisa Paus, Dr. Gerhard Schick, Dr. Tobias Lindner, Corinna Rüffer, Dr. Wolfgang
Strengmann-Kuhn und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ergebnisse und Konsequenzen aus der Auswertung der Luxemburg-Leaks-Daten

Vor einem halben Jahr haben investigative Journalisten zahlreiche geheime Ab-
sprachen zwischen Unternehmen und den Steuerbehörden in Luxemburg offen-
gelegt. Diese Beispiele belegten noch einmal eindrücklich die Dimension der
steuerschädlichen Praktiken mit Steuervorbescheiden (tax rulings), die zu erheb-
lichen Steuerausfällen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union geführt
haben. In zahlreichen Luxemburg-Leaks-Dokumenten konnte ein Bezug zu
Deutschland herstellt werden. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe hatte den Auf-
trag, diese Dokumente auszuwerten.
Das Europäische Parlament hat Anfang des Jahres einen Sonderausschuss zur
Aufklärung der Luxemburg-Leaks-Fälle eingesetzt (Sonderausschuss zu Steuer-
vorbescheiden und anderen Maßnahmen ähnlicher Art oder Wirkung – TAXE).
Beim interparlamentarischen Treffen des TAXE-Ausschusses am 17. Juni 2015
wurde von dessen Ausschussvorsitzenden Alain Lamassoure betont, wie zentral
die Aufklärungsarbeit in den nationalen Parlamenten ist. Der Deutsche Bundes-
tag hat sich bisher kaum mit dem Skandal befasst.
Neben der Aufarbeitung der Vergangenheit muss zudem eruiert werden, welche
gesetzgeberischen Konsequenzen aus Luxemburg-Leaks gezogen werden soll-
ten, um Steuergestaltung multinationaler Konzerne nachhaltig einzudämmen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Was sind die bisherigen Hauptergebnisse und Erkenntnisse aus der Auswer-

tung der Bundesregierung zu den Luxemburg-Leaks-Dokumenten?
2. Bis wann ist mit endgültigen Ergebnissen zu rechnen?
3. Inwiefern war die Bundesregierung überrascht vom Ausmaß der tax rulings

in Luxemburg?
4. Hatte die Bundesregierung schon vor der Presseberichterstattung zu den

Luxemburg-Leaks Erkenntnisse über die tax rulings-Praxis in Luxemburg,
und wenn ja, welche?

5. Sieht die Bundesregierung nach Überprüfung der tax rulings aus den Luxem-
burg-Leaks gesetzgeberischen Handlungsbedarf, und wenn ja, welchen?

6. In wie vielen tax rulings aus den Luxemburg-Leaks wurde nach Einschätzung
der Bundesregierung ein Bezug zu Deutschland bzw. Unternehmen aus der
Bundesrepublik Deutschland festgestellt, und wie verteilen sich diese Fälle in
Bezug auf die Zuständigkeiten der Steuerbehörden über die einzelnen Bun-
desländer?

Drucksache 18/5682 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
7. Wie viele der in Frage 6 identifizierten Unternehmen bzw. deren verbun-
dene Unternehmen sind oder waren nach Kenntnis der Bundesregierung
zum Zeitpunkt des vereinbarten tax rulings im Dax, M-Dax, S-Dax oder Tec
Dax notiert (bitte nach Aktienindex aufschlüsseln) ?

8. An wie vielen der Unternehmen ist nach Kenntnis der Bundesregierung die
öffentliche Hand (Bund, Länder oder Kommunen) beteiligt, und zu wie viel
Prozent ist die öffentliche Hand an den jeweiligen Unternehmen beteiligt?

9. Wie viele der bekannt gewordenen tax rulings mit Bezug zur Bundesrepu-
blik Deutschland haben kleine oder mittlere Unternehmen (nach der EU-
Definition) vereinbart?

10. Wie viele der bekannt gewordenen tax rulings mit Bezug zur Bundesrepu-
blik Deutschland wurden von gesellschaftsrechtlich als Personenunter-
nehmen organisierte Firmen vereinbart?

11. Welche Art der Steuergestaltung konnte bei der Analyse der bekannt ge-
wordenen tax rulings festgestellt werden, und in wie vielen Fällen wurden
dabei Patentboxen und/oder hybride Gestaltungen in Anspruch genommen?

12. Welche außersteuerlichen Gründe sprechen nach Kenntnis der Bundesregie-
rung für die in Frage 11 genannten Gestaltungen?

13. Bei wie vielen Fällen mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland wird die
Anwendung von § 42 der Abgabenordnung (AO) geprüft, bzw. wenn keine
Überprüfung stattgefunden hat, warum findet § 42 AO keine Anwendung?

14. Inwiefern sind bei den Luxemburg-Leaks-Fällen Besteuerungsrechte in
Deutschland zu Unrecht unterblieben und können nachgeholt werden u. a.
nach §§ 7 ff. des Außensteuergesetzes, und in wie vielen Fällen ist dies be-
reits veranlasst worden?

15. In wie vielen Fällen werden im Rahmen von Betriebsprüfungen der deut-
schen Luxemburg-Leaks-Fälle weitere Überprüfungen stattfinden?
Welche Überprüfungsmaßnahmen wurden bereits eingeleitet?

16. Wie hoch schätzt die Bundesregierung den Steuerschaden, der durch tax
rulings in Luxemburg für den deutschen Fiskus entstanden ist?

17. Inwieweit haben die betroffenen deutsche Unternehmen durch die tax ru-
lings ihre Steuerlast gegenüber anderen Ländern als Deutschland reduziert?

18. Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung nie auf Einhaltung der
Weitergabe von steuerschädlichen tax rulings nach geltendem EU-Recht
gedrängt (Richtlinie 77/799/EWG und ihrer geänderten neuen Fassungen
bzw. des EU-Amtshilfegesetzes in Verbindung mit dem Urteil des Europä-
ischen Gerichtshofes in der Sache C-420/98), obwohl es sowohl im Rat der
EU als auch in der Europäischen Kommission bekannt war, dass Mitglied-
staaten ihre Informationsaustauschpflichten verletzt haben, wie die Recher-
chen des Sonderausschusses TAXE des Europäischen Parlaments aufge-
zeigt haben?

19. Hat die Bundesregierung Vertreterinnen bzw. Vertreter zum EU Fiscalis
Workshop FWS050 zum Thema tax rulings geschickt, welcher vom 2. bis
4. Oktober 2012 in Polen stattfand, und wenn nein, warum nicht?

20. Wie viele Fälle von steuerlichen Vorbescheiden wurden nach Kenntnis der
Bundesregierung von der Europäischen Kommission am 8. Juni 2015 ange-
fordert, in welchen Bundesländern sind die Unternehmen ansässig, inwie-
fern handelt es sich um Dax-Konzerne, inwiefern ist die Bundesregierung
dieser Forderung nach Informationsoffenlegung bereits nachgekommen,
und wann rechnet die Bundesregierung mit dem Ergebnis der Prüfung durch
die Europäische Kommission?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5682
21. Wie viele tax rulings nach Definition der Organisation für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung wurden seitens des Bundeszentralamtes
für Steuern an andere EU-Staaten oder die Europäische Kommission zur
Prüfung übermittelt, und Finanzbehörden welcher Bundesländer haben
diese übermittelten tax rulings vereinbart (bitte aufschlüsseln)?

22. Inwiefern hat die Bundesregierung tax rulings mit Bezug zu Deutschland in
anderen Europäischen Mitgliedstaaten jenseits von Luxemburg überprüft,
und zu welchen Ergebnissen ist sie gekommen?

23. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung den Richtlinienvorschlag der
Europäischen Kommission zur Aufnahme von tax rulings in den automati-
schen Informationsaustausch in Steuersachen (Änderung der Richtlinie
2011/16/EU bezüglich der Verpflichtung zum automatischen Austausch von
Informationen im Bereich der Besteuerung), und an welcher konkreten
Stelle sieht sie Diskussionsbedarf?

24. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die von der Europäischen
Kommission nun bewerteten und öffentlich vorliegenden tax rulings für
Apple Inc. (Irland 1991), Amazon.com, Inc. (Luxemburg 2003) und Star-
bucks Corp. (Niederlande 2008) die Bedingungen für den spontanen Infor-
mationsaustausch erfüllen und bzw. oder dass die zuständigen Behörden
Gründe für die Vermutung einer Steuerverkürzung in einem anderen Mit-
gliedstaat sowie für die Vermutung einer Steuerersparnis durch künstliche
Gewinnverlagerungen innerhalb eines Konzerns hatten?

25. Inwiefern wird nach Einschätzung der Bundesregierung aktuell durch das
Handelsgesetzbuch (HGB) sichergestellt, dass Wirtschaftsprüfungsgesell-
schaften nicht gleichzeitig ein Unternehmen bezüglich einer aggressiven
Steuergestaltung beraten und die Abschlussprüfung vornehmen?

26. Inwiefern bietet die Missbrauchsnorm des § 319 Absatz 3 HGB nach Ein-
schätzung der Bundesregierung immer noch konkrete Schlupflöcher, um die
Trennung von Abschlussprüfung und Beratung zu aggressiver Steuergestal-
tung zu umgehen, und plant die Bundesregierung an dieser Stelle im Zuge
der anstehenden Reform der Wirtschaftsprüferordnung und -aufsicht eine
Änderung, die sicherstellt, dass eine Beratung zu aggressiver Steuergestal-
tung und eine Wirtschaftsprüfung nicht von einer Kanzlei bzw. einer Kanz-
lei mit Niederlassungen in unterschiedlichen Ländern erfolgen kann?

27. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
in diesem Zusammenhang aus der Zunahme von Beratungsleistungen im
Vergleich zu Prüfungsleistungen bei den großen Wirtschaftsprüfungsgesell-
schaften (www.handelsblatt.com vom 17. Juli 2015 „Führende Wirtschafts-
prüfer enteilen der Konkurrenz“), und plant die Bundesregierung im Zuge
der anstehenden Reform der Wirtschaftsprüferordnung und -aufsicht eine
strengere Trennung von Prüfung und Beratung, als es von der EU vorge-
geben wird, zum Beispiel durch ein generelles Verbot von Steuerberatung
jeglicher Art und Wirtschaftsprüfung aus einer Hand?

28. Sieht die Bundesregierung die Konzentration des Marktes im Bereich der
Wirtschaftsprüfung, insbesondere bei der Prüfung so genannter Unterneh-
men von öffentlichem Interesse (börsennotierte Unternehmen, Banken und
Versicherungen; vgl. www.handelsblatt.com vom 2. Juni 2015 „Drum prüfe
und berate zusätzlich“), als ein Problem an, und plant sie im Zuge der anste-
henden Reform der Wirtschaftsprüferordnung und -aufsicht Maßnahmen,
diese Marktkonzentration zu korrigieren?

Berlin, den 24. Juli 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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